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Vier Tage im Juni

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
345 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am09.09.2020
John F. Kennedy besucht Deutschland, Millionen Menschen jubeln ihm zu. Die Polizei bildet zwar vorsorglich Mordkommissionen, aber deutsche und amerikanische Geheimdienste haben offiziell keine Hinweise auf Anschlagspläne. Als bereits am ersten Tag ein Mann auf den Präsidenten schießen will, wird deutlich: Kennedy hat in Deutschland mächtige Feinde. Sie halten den US-Präsidenten für zu nachgiebig gegenüber der Sowjetunion. Wie Bundeskanzler Adenauer wollen sie die deutsche Atombombe, um einen Überfall durch russische Panzer abwehren zu können.

Jan-Christoph Nüse wurde 1958 in Dortmund geboren, ging in Würzburg zur Grundschule und studierte Sozialwissenschaften, Germanistik und Politik. Er arbeitet als Reporter beim Fernsehsender Phoenix in Bonn, Brüssel und Straßburg. Für seine Berichterstattung wurde er mehrfach ausgezeichnet. In seinen Büchern mischt er überprüfbare Fakten mit spannender Fiktion. Mehr Informationen unter: www.janchristophnuese.de
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
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Produkt

KlappentextJohn F. Kennedy besucht Deutschland, Millionen Menschen jubeln ihm zu. Die Polizei bildet zwar vorsorglich Mordkommissionen, aber deutsche und amerikanische Geheimdienste haben offiziell keine Hinweise auf Anschlagspläne. Als bereits am ersten Tag ein Mann auf den Präsidenten schießen will, wird deutlich: Kennedy hat in Deutschland mächtige Feinde. Sie halten den US-Präsidenten für zu nachgiebig gegenüber der Sowjetunion. Wie Bundeskanzler Adenauer wollen sie die deutsche Atombombe, um einen Überfall durch russische Panzer abwehren zu können.

Jan-Christoph Nüse wurde 1958 in Dortmund geboren, ging in Würzburg zur Grundschule und studierte Sozialwissenschaften, Germanistik und Politik. Er arbeitet als Reporter beim Fernsehsender Phoenix in Bonn, Brüssel und Straßburg. Für seine Berichterstattung wurde er mehrfach ausgezeichnet. In seinen Büchern mischt er überprüfbare Fakten mit spannender Fiktion. Mehr Informationen unter: www.janchristophnuese.de
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839265628
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum09.09.2020
Reihen-Nr.1
Seiten345 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5168212
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1.

Montag, 10. Juni 1963. Washington, D. C., The White House. Knapp zwei Wochen vor dem Beginn der Europareise.

Der Präsident hatte Schmerzen. Das neue Medikament wirkte offenbar noch nicht. John F. Kennedy wippte in seinem gepolsterten Schaukelstuhl vor und zurück. Mit geschlossenen Augen. Ein Außenstehender würde auf die Idee kommen, einen entspannten Präsidenten vor sich zu haben. Könnte er allerdings die Linien seiner Stirn lesen, wüsste er, wie stark ihn sein Rückenleiden wirklich belastete.

Ted Sorensen, seit vielen Jahren Kennedys Redenschreiber und Berater, saß wie immer aufrecht und etwas steif im Sessel. Es war nicht der beste Moment für die übliche Nachbesprechung. Vor allem dann, wenn man der Überbringer schlechter Nachrichten war. Aber sie hatten es immer so gehalten, nach jeder großen Rede. Der Präsident hatte von Anfang an darauf bestanden. Auch der andere Mann im Oval Office wusste, dass John Fitzgerald Kennedy seit Beginn seiner politischen Karriere keine Rücksichtnahme auf Krankheiten wünschte. Robert Kennedy, Justizminister und wichtigster Berater seines Bruders, hatte sich auf dem Sofa ausgestreckt. Ted Sorensen beruhigte sich in solchen Momenten, indem er sich in Erinnerung rief, wie lange er schon für Kennedy dachte und schrieb. Sie arbeiteten zusammen, seit Kennedys politische Karriere begonnen hatte. Im Jahr 1953 war das gewesen, als Kennedy Senator für Massachusetts werden wollte. Das war nun zehn Jahre her - in der Politik eine kleine Ewigkeit. Die Erinnerung an diese Anfangszeit war nicht verblasst. Im Gegenteil, sie war präsenter denn je, seit Kennedy vor knapp drei Jahren zum Präsidenten gewählt worden war. Er dachte oft an diesen magischen Moment in seinem Leben, als ihm der Sohn eines der reichsten Männer Amerikas einen Arbeitsvertrag angeboten hatte. Ihm, dem jungen Anwalt aus dem ländlichen Nebraska. Damals ahnte noch niemand, dass John Fitzgerald Kennedy später tatsächlich Präsident werden würde. Sorensens Familie besaß traditionell eine enge Verbindung zur Politik. Sein Vater hatte ihn Theodore genannt, hatte ihm Präsident Roosevelts Vornamen gegeben. Ein Jahr später wurde Vater Sorensen als Justizminister vereidigt. In Nebraska, dem Staat der Maisbauern und Viehzüchter. Diese Amtszeit war allerdings längst Geschichte, als Ted sein Studium an der Universität von Lincoln als Jahrgangsbester abschloss. Damals war er vierundzwanzig Jahre alt. Er stand bei niemandem im Verdacht, enorme politische Erfahrung zu besitzen oder zu den begnadeten Strippenziehern in Washington zu zählen, immerhin mehr als tausend Meilen entfernt. Doch Kennedy, der politische Hoffnungsträger einer der mächtigsten Familien des Ostküsten-Adels, hatte ihn eingestellt und seine Entscheidung für diesen Hinterwäldler aus dem Mittleren Westen nie bereut. Ted Sorensen wusste das. So wie er wusste, dass viele in Washington seine Redeentwürfe für Kennedy beeindruckend fanden. Das galt vor allem für Kennedys Antrittsrede, im Januar vor zwei Jahren.

Sorensen nahm das Klemmbrett mit seinen Notizen in die Hand. Sie enthielten Stichworte zu den Ereignissen des Tages und die daraus formulierten Gedanken am Abend, über das politische Tagesgeschäft hinaus. Beides zusammen bildete die Basis seines sicheren Urteils. Genau dieses Urteilsvermögen schätzte Kennedy an ihm.

»Mr President, einige Generäle habe ich nie so wütend erlebt. Sie halten Sie für einen Schwächling. Für einen Mann, der die Fähigkeit zum Erstschlag aufgibt. Und das ohne Not.«

John F. Kennedy wippte weiter in seinem Schaukelstuhl, seine Hände auf die ebenfalls gepolsterten Armlehnen gepresst. Er hatte die Augen geöffnet und versuchte, erstaunt zu erscheinen.

»Was habe ich denn gesagt, Ted? Worüber habe ich gesprochen? Eigentlich über Selbstverständlichkeiten, die jeder Schwachkopf erkennen kann. Weder die Russen noch wir würden einen Atomkrieg überleben. Und deswegen ist es doch wohl vernünftig, dass wir eine Zeit lang keine Bomben mehr testen und uns währenddessen mit den Russen an einen Tisch setzen. Wie vernünftige Leute es tun.«

Sorensen blätterte stumm in seinen Notizen.

Der Präsident wandte den Kopf und sah ihn auffordernd an. »Ted, du bist mein Berater. Was ist los? Du hast mir gesagt, dass wir mit diesen Reaktionen rechnen müssen. Es sind doch nur ein paar alte Kerls in Uniform. Mit ein paar Sternen zu viel auf ihren Schulterstücken. Werden meine Wähler mich nicht besser verstehen?«

Sorensen steckte seinen Kugelschreiber ein. Bedächtig prüfte er, ob der Stift sich auch wirklich in der schwarzen Schutzhülle befand, die die Brusttasche seines Sakkos vor auslaufenden Farben schützte. Dann schaute er auf. »Mr President, es war richtig, zu sagen, was wir gesagt haben. Aber alle Hardliner unter den Generälen, genau die, die letztes Jahr noch Kuba bombardieren wollten, die wagen sich jetzt wieder vor. Sie sind noch wütender als damals. Manche von denen würden Sie am liebsten noch heute aus dem Amt jagen. Und vielleicht gibt es sogar einige, die noch weiter gehen würden.«

John F. Kennedy sah seinen Bruder an. »Bobby, du bist mein Justizminister. Der Herr über das FBI. Muss ich mir ernsthaft Sorgen machen? Habe ich heute Abend unseren Vater am Telefon, der uns anbietet, eine kleine Armee böser Jungs nach Washington zu schicken? Zu meinem Schutz?«

Robert Kennedy grinste. »Wie zu Dads alten Zeiten, meinst du? Würde ihm vermutlich gefallen. Aber nein. Nur sollten wir vorerst keine weiteren Angriffsflächen mehr bieten.«

John F. Kennedy schüttelte energisch den Kopf. »Diesen Sturköpfen kann ich es doch ohnehin nicht recht machen. Ihr wisst es beide: Wir brauchen ein Abkommen mit den Russen. Und ich habe durch mein Angebot heute Morgen in der American Academy keinen Fußbreit amerikanischen Bodens aufgegeben.«

Robert Kennedy streckte sich auf dem Sofa aus und sah dabei Sorensen an. »Ted, lies diese verdammten Sätze noch mal vor. Laut und deutlich. Damit wir überlegen können, ob etwas falsch daran war.«

Ted Sorensen legte sein Klemmbrett aus der Hand und beugte sich zu dem niedrigen Tisch, auf dem die Meldungen der Nachrichtenagenturen lagen.

Robert Kennedy richtete sich so schnell auf, als hätte er sich auf eine Nadel gelegt, die im Sofa steckte. »Ted, verdammt noch mal. Warum liest du aus den Agenturen? Du bist doch Jacks Redenschreiber. Bist du nicht der Mann, der Jacks Rede weitergeführt hat, als er diese Schmerzattacke hatte? Der weitergelesen hat, aber von einem weißen Blatt Papier? Jack â¦«, er sah seinen Bruder an, »dieses verfluchte Manuskript. Es muss doch hier irgendwo liegen.«

John F. Kennedy zuckte mit den Achseln, schloss die Augen wieder und schaukelte weiter, mit deutlich glatteren Stirnlinien. Das Medikament wirkte langsam.

Ted Sorensen griff in die rechte Innentasche seines Sakkos und holte vorsichtig einige gefaltete, dünne Blätter heraus. Seine persönliche Durchschrift der Rede Kennedys am Vormittag, vor der American Academy in Washington. »Strategy of Peace«, der Titel der Rede, stand oben auf jedem Blatt. Sorensen stand auf. Reden hielt man im Stehen. So las man sie auch. »Um unseren guten Glauben und unsere ernst gemeinten Überzeugungen in dieser Hinsicht unter Beweis zu stellen, erkläre ich jetzt, dass die Vereinigten Staaten nicht beabsichtigen, Atomtests in der Atmosphäre durchzuführen, solange dies auch von anderen Staaten unterlassen wird. Ich hoffe, dass wir Abrüstung dadurch leichter erzielen können.« Er ließ das Manuskript sinken und setzte sich wieder. »Es ist genau das, was wir ausdrücken wollten. Unser Angebot an die Russen. Die Rede wird morgen in den wichtigen Zeitungen Moskaus abgedruckt werden. Da bin ich ganz sicher.«

Robert Kennedy stand nach wenigen Schritten direkt vor ihm und nahm ihm die Seiten aus der Hand. »Genau das, was wir sagen wollten? Ja? Soll ich euch mal etwas anderes sagen? Habt ihr Strategen vielleicht vergessen, welches Jahr wir schreiben?« Er deutete auf die bronzene Wanduhr mit der überdimensional großen Kalenderanzeige. Sie zeigte zwar nur die Tage des laufenden Monats, diente ihm aber regelmäßig als Beweis dafür, wie kurzlebig politische Erfolge waren. »Wir haben das Jahr 1963. Nur noch ein Jahr bis zu Jacks Wiederwahl. Schon vergessen? Aber vielleicht erinnert ihr euch noch, wie knapp es das letzte Mal war. Kaum mehr als hunderttausend Stimmen vor Nixon. Vielleicht sollten wir langsam anfangen, uns mehr Freunde als Feinde zu machen.«

Der Präsident antwortete mit leiser Stimme, ohne seinen Bruder anzusehen. »Du hast ja recht, Bobby. Deswegen machen wir ja die Europareise. Deswegen fliege ich nach Irland, ins Land unserer Vorfahren. Wir wissen alle, wie wichtig für uns die Stimmen der Iren sind. Zum Papst nach Italien dagegen wollte ich ohnehin. Aber natürlich ist es gut, wenn meine Katholiken die Bilder aus dem Petersdom sehen. Wir dürfen wirklich nicht vergessen, dass jede Stimme zählt. Besonders beim nächsten Mal.«

Robert Kennedy konnte sich noch nicht beruhigen. »Okay, Jack, Irland ist ein Treffer. Aber da sind noch die Deutschen. Zu denen fährst du auch. Und die hast du noch nicht für dich gewonnen. Zumindest nicht Adenauers Leute. Denn die wissen, dass du erst gar nicht zu ihnen wolltest.«

Sorensen verspürte jetzt das Bedürfnis, seinem Präsidenten zur Hilfe zu kommen. Allerdings hatte auch er noch sehr gut in Erinnerung, wie reserviert die Deutschen in ihren ersten Telegrammen gewesen waren. »Sicher, Bundeskanzler Adenauer ist wie ein Elefant. Aber er will, dass wir kommen. Es ist sein letzter großer Staatsbesuch, nur wenige Monate vor seinem Rücktritt als Bundeskanzler. Zudem hat...

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Jan-Christoph Nüse wurde 1958 in Dortmund geboren, ging in Würzburg zur Grundschule und studierte Sozialwissenschaften, Germanistik und Politik. Er arbeitet als Reporter beim Fernsehsender Phoenix in Bonn, Brüssel und Straßburg. Für seine Berichterstattung wurde er mehrfach ausgezeichnet. In seinen Büchern mischt er überprüfbare Fakten mit spannender Fiktion.
Mehr Informationen unter: www.janchristophnuese.de
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