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Todlerone

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
288 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am07.10.20202020
Die Idylle des verschneiten Oberlandes trügt. Im Winterwunderland von Bern bis ins Oberwallis lauert das Böse. Ein Weihnachtsbaum gibt in Bern Anlass zum blutigen Streit zwischen Studenten. In Habkern ob Interlaken eskaliert ein Ehekrach und eine Kletterpartie an einem vereisten Wasserfall bei Kandersteg endet tödlich. Weitere Tatorte hinterlistiger Verbrechen sind Burgdorf, Münsingen, Gümligen und Adelboden - ein krimineller Streifzug durch das Berner Oberland.

Stefan Haenni, geboren 1958 in Thun, studierte an den Universitäten Bern und Fribourg Kunstgeschichte, Psychologie und Pädagogik. Seit 2009 lebt und arbeitet er als freischaffender Autor und Kunstmaler in seiner Geburtsstadt. Haenni publizierte zahlreiche Kriminalgeschichten in thematischen Anthologien. Im Gmeiner-Verlag erschienen seine Kriminalromane »Narrentod«, »Brahmsrösi«, »Scherbenhaufen«, »Berner Bärendreck« und »Tellspielopfer«.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
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Produkt

KlappentextDie Idylle des verschneiten Oberlandes trügt. Im Winterwunderland von Bern bis ins Oberwallis lauert das Böse. Ein Weihnachtsbaum gibt in Bern Anlass zum blutigen Streit zwischen Studenten. In Habkern ob Interlaken eskaliert ein Ehekrach und eine Kletterpartie an einem vereisten Wasserfall bei Kandersteg endet tödlich. Weitere Tatorte hinterlistiger Verbrechen sind Burgdorf, Münsingen, Gümligen und Adelboden - ein krimineller Streifzug durch das Berner Oberland.

Stefan Haenni, geboren 1958 in Thun, studierte an den Universitäten Bern und Fribourg Kunstgeschichte, Psychologie und Pädagogik. Seit 2009 lebt und arbeitet er als freischaffender Autor und Kunstmaler in seiner Geburtsstadt. Haenni publizierte zahlreiche Kriminalgeschichten in thematischen Anthologien. Im Gmeiner-Verlag erschienen seine Kriminalromane »Narrentod«, »Brahmsrösi«, »Scherbenhaufen«, »Berner Bärendreck« und »Tellspielopfer«.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839266441
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum07.10.2020
Auflage2020
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5168255
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Zartbitter

Es war ein Desaster. Der heilige Nikolaus lag am Boden. Sein Gewand hatte einen Riss. Sein falscher Bart war ihm bis über die Augen hochgerutscht und die Hände trugen blutige Schürfungen. Weit schlimmer war jedoch, dass sein Jutesack mit den Geschenken im schmutzigen Schneematsch lag. Und zwar leer. Besser gesagt: geleert. Oder, um es auf den Punkt zu bringen: ausgeraubt!

Der zehnjährige Erich alias Nikolaus weinte. Er war soeben Opfer einer Bande von halbwüchsigen Thuner Burschen geworden, die sich jedes Jahr am sechsten Dezember einen Spaß daraus machten, nach Kläusen Ausschau zu halten. Hatten sie ein Opfer erspäht, wurde dieses durch die nächtlichen Straßen des verschneiten Lerchenfeld-Quartiers gejagt, verhauen und beraubt.

Nun half selbst der Trost des Weihnachtskindes wenig, eines robust gebauten Mädchens in weißem Nachthemd mit langem, offenem Haar und einer Krone aus gestanzter Goldfolie. »Wir haben doch immerhin noch unser Geld. Das haben die Saukerle nicht gefunden«, meinte Trudi.

Mit weinerlicher Stimme erwiderte der Nikolaus: »Ja, aber den Sack haben sie ausgeraubt. Jetzt können wir bei der letzten Familie keinen Besuch mehr machen. Wir haben nichts mehr, womit wir Haldimanns Kinder beschenken könnten.«

»Wir haben doch längst genug verdient«, meinte das Christkind und grabschte eine Handvoll Zweifränkler und Fünfliber unter dem flattrigen Nachthemd hervor. »Da, schau! Das sind bestimmt fast 20 Franken. Mehr als letztes Jahr!«

Bei der alljährlichen Klausentour ging es den beiden Kindern nämlich weniger um die Vergabe milder Gaben, als um die Mehrung ihres Sackgeldes.

Der Nikolaus hatte sich inzwischen aufgesetzt. Schniefend leckte er seine lädierten Handballen. Dann erhob er sich sperrig wie ein Greis, wischte Schnee und Schmutz von der Pelerine und brummte mit hasserfüllter Inbrunst: »Die verdammten Scheißkerle werden büßen. Ich werde sie umbringen. Allesamt!«

Diese für den heiligen Nikolaus unpassende Drohung überraschte selbst das sonst eher unzimperliche Christkind. Obschon es deutlich kräftiger und größer war als der Nikolaus, zweifelte es offenbar an der Durchführung eines mörderischen Planes.

Die beiden stellten ohnehin ein sonderbares Gespann dar. Nicht nur, dass der kleine Nikolaus neben dem mächtigen Christkind zur mickrigen Nebenfigur verblasste. Der Grund war vor allem die Tatsache, dass die beiden Darsteller einen weihnachtlich-kulturellen Widerspruch verkörperten.

Normalerweise wird der Nikolaus bekanntlich vom grimmigen Schmutzli respektive vom wortkargen Ruprecht begleitet. Allenfalls kommt noch ein mehr oder weniger störrischer Esel dazu. Das Christkind gehört einer anderen Legende an. Vom Nikolaus werden am sechsten Dezember Geschenke gebracht, vom Christkind an Heiligabend. Wenn nicht gar von den heiligen drei Königen aus dem Morgenland persönlich! Zudem präsentiert sich das Christkind in der Regel als kindlicher Engel. Sind Christkind und Jesuskind aber nicht ein und dieselbe Figur? Müsste das Christkind nicht eher einem männlichen Baby als einem weiblichen Engel ähneln? Bloß, wie sollte ein Baby imstande sein, haufenweise Geschenke zu verteilen? War es nicht ohnehin das Jesuskind selbst, das beschenkt wurde?

Über solche Widersprüche machten sich die beiden Nachbarskinder keine Gedanken. Vielmehr schmerzte der Verlust der Mandarinen, der Erdnüsse, der Lebkuchen und der bunten Schokoladen. Die Schürfungen waren schon fast vergessen, die erlittene Schmach jedoch keineswegs. Wut, Frustration und Enttäuschung mischten sich im brummenden Schädel des Nikolauses zu einem bedrohlichen Gemisch.

Das Christkind suchte inzwischen seine große weiße Kerze im Schnee, richtete sich das Krönchen und meinte aufmunternd: »Schau, Erich, es liegen ja noch Sachen auf der Straße. Da ein paar Erdnüsse und dort eine Mandarine.«

»Die ist doch total zermanscht«, nörgelte der Nikolaus. »Die können wir nicht verschenken.«

Das Christkind drückte das süße Früchtchen etwas zurecht und sagte: »So, auf den ersten Blick sieht man nicht mehr, dass die Schale geplatzt ist. Zudem sollte man Mandarinen ohnehin sofort schälen und essen.«

In diesem Augenblick fand der Nikolaus eine fast unversehrte Schokolade in blutrot glänzender Alufolie. »Na ja, diese Praline könnte man vielleicht auch wieder zurechtdrücken.« Ein erstes, leises Strahlen kehrte in sein Gesicht zurück.

Die beiden versorgten alle Fundsachen im Jutesack. Als das Christkind die große Kerze entzündete, zauberte das warme Licht ein seliges Lächeln auf die zwei Kindergesichter.

»Dann können wir doch noch zu den Haldimann-Kindern!«, stellte der Nikolaus erfreut fest. Das Christkind hob die Schultern, als hätte es die Wendung zum Guten längst erahnt. Allerdings können Ahnungen ab und zu trügerisch sein.

Der Nikolaus und das Christkind wurden von der Familie Haldimann herzlich empfangen. Im Flur leerte der Nikolaus den Jutesack vor den Augen der beiden kleinen Mädchen und ihrer Eltern aus. Dass bloß ein schäbiges Häufchen präsentiert werden konnte, schien niemanden zu stören. Die beiden Mädchen stürzten sich auf die wenigen Erdnüsschen, stritten sich um die einzige Mandarine und teilten sich die Schokolade. Die Eltern zeigten sich gegenüber Nikolaus und Christkind mit je einem Zweifränkler erkenntlich. So waren alle zufrieden - bis zu jenem dramatischen Augenblick, als Frau Haldimann plötzlich einen gellenden Schrei von sich gab und ihr Ehemann dem Christkind seinen Lodenmantel über den Kopf warf.

Völlig unerwartet war die wallende Haarpracht des Christkindes in Flammen aufgegangen. Die brennende Kerze, die Trudi bei Besuchsbeginn hinter sich auf eine Schuhkommode gestellt hatte, entflammte die gelockte Mähne explosionsartig. Hätte Herr Haldimann nicht reaktionsschnell den schweren Wintermantel von der Garderobe geangelt und über die lebende Fackel geworfen, wäre wohl der ganze Balg Opfer der Flammen geworden. Trotzdem hatte die kurze Feuersbrunst ausgereicht, um am Hinterkopf des Christkindes eine unübersehbare Schneise versengter Haare zu hinterlassen. Dazu verbreitete sich ein bestialischer Gestank.

Das Christkind selbst schien vom feurigen Intermezzo am wenigsten mitbekommen zu haben. Ringsum verharrten alle sprachlos. Bis der Nikolaus endlich mit zittrigem Stimmchen feststellte: »Trudi, du hast gebrannt.«

Das Christkind griff sich mit der rechten Hand an den Hinterkopf und realisierte jetzt erst, dass es hintenrum deutlich an Volumen fehlte. Erstaunlich gefasst meinte Trudi: »Dann geh ich jetzt besser nach Hause.«

Familie Haldimann entließ Christkind und Nikolaus, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass ansonsten kein nennenswerter Schaden entstanden war.

Im Treppenhaus wandte sich das Christkind an den Nikolaus: »Ich denke, wir gehen nächstes Jahr nicht mehr auf Tour.«

Der Nikolaus blieb stehen und fragte: »Und was ist mit meiner Rache?«

»Du meinst, wegen dem Überfall?«

»Ja klar. Ich will es den Burschen heimzahlen.«

»Wir haben sie ja gar nicht richtig erkannt in ihren Strickmützen und den dicken Halstüchern. An wem willst du dich denn rächen?«

»Das waren auf jeden Fall zwei Kerle aus der Neubausiedlung. Um diese Ganoven anzulocken, gehen wir nächstes Jahr erneut auf Tour. Wenn sie dann angreifen, werden sie ihr blaues Wunder erleben!«

»Wieso blau?«, fragte das Christkind. »Wenn sie bluten, ist das Wunder doch rot.«

»Wer hat denn behauptet, dass sie bluten sollen? Sie sollen verrecken!« Mit diesen Worten schritt der Nikolaus entschlossen die letzten Treppenstufen zum Ausgang hinunter. Gemeinsam mit dem versengten Engel verließ er die Liegenschaft.

Nach einem Jahr war die Schmach des sechsten Dezembers so gut wie vergessen. Erst als Trudi Erich darauf ansprach, erinnerte er sich seines mörderischen Versprechens.

»Ich hätte da so eine Idee, wie wir es den Burschen heimzahlen könnten«, meinte Trudi, der die Haarpracht längs üppig nachgewachsen war.

Erich wurde neugierig. »Sag schon.«

»Die Lerchenfelder sollen dabei nicht sterben. Sonst kommen wir ins Gefängnis und verpassen das Weihnachtsfest.«

»Und die Idee?«, drängte Erich.

»Wir machen die Pralinen selbst.«

»Wo ist da die Rache?«

Trudi grinste böse. »Wir befüllen die Schokoladen nicht mit Marzipan, sondern mit Hundescheiße. Dann lassen wir uns absichtlich berauben. Wenn sich die Angreifer über ihre Beute hermachen, werden sie Bauchkrämpfe bekommen und kotzen.«

Erich zögerte. »Bist du dir sicher, dass man von Hundescheiße kotzen muss?«

»Hallo? Mann! Was für eine Frage! Willst du etwa behaupten, dass du dich davon nicht übergeben müsstest? Hast du schon mal die Kacke unseres Berner Sennenhundes gerochen?«

»Hm. Okay. Aber vielleicht merken die gar nichts, falls die Schokoladenschicht darum herum zu dick ist? Wir sollten etwas reintun, das ihnen garantiert Bauchweh bereitet.«

Trudi schaute ihren Spielgefährten erwartungsvoll an. »An was hast du gedacht?«

»Wir haben bei uns im Keller eine Schachtel Rattenkörner. Auch eine alte Kaffeemühle rostet dort unten. Wir könnten damit die Körner mahlen und das Giftpulver mit Marzipan vermischen, bevor wir die Kügelchen mit heißer Schokolade überziehen.«

»Oder, noch besser, wir mischen das Rattengift mit dem Hundedreck und drehen daraus die Pralinenfüllung.«

»Superidee!«, begeisterte sich der Junge. »Jetzt freue ich mich doch wieder auf unsere nächste...

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Autor

Stefan Haenni, geboren 1958 in Thun, studierte an den Universitäten Bern und Fribourg Kunstgeschichte, Psychologie und Pädagogik. Seit 2009 lebt und arbeitet er als freischaffender Autor und Kunstmaler in seiner Geburtsstadt. Haenni publizierte zahlreiche Kriminalgeschichten in thematischen Anthologien. Im Gmeiner-Verlag erschienen seine Kriminalromane »Narrentod«, »Brahmsrösi«, »Scherbenhaufen«, »Berner Bärendreck« und »Tellspielopfer«.