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Schwarzpulver

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
202 Seiten
Deutsch
Beck C. H.erschienen am16.07.20201. Auflage
Es ist kalt geworden in Berlin, es ist die Zeit der Rauhnächte. Lautstarke Propaganda dominiert längst nicht mehr nur die Straßen der Hauptstadt, sondern die Politik des ganzen Landes. Und mittendrin taumeln drei Verlorengegangene, die plötzlich beginnen, sich Fragen zu stellen.
Da ist Burschi, die Johanna liebt, gegen alle Widerstände. Und dabei nicht nur den starken Arm eines Staates zu spüren bekommt, der kein Anderssein mehr duldet, sondern auch die Brüchigkeit menschlicher Beziehungen, wenn die Angst im Nacken sitzt. Da ist Charlie, der in anarchischen Musikerkreisen zwischen Joints und lauten Beats erwachsen wird. Und lernt, sich der allgegenwärtigen Überwachung auf seine Weise zu entziehen. Und da ist Charlotte, seine Mutter, Scharfschützin einer Bürgerwehr, die in ihren Loyalitäten schwankt und dabei droht den Verstand zu verlieren. Ist ihre Militanz vielleicht nur ein missglückter Versuch, dem eigenen Leben zu entkommen? Laura Lichtblau entwirft mit ihrem Debütroman «Schwarzpulver» eine urbane Dystopie. In feiner, gleichzeitig wilder - beinahe wildwüchsiger - Sprache, mit Witz und Leichtigkeit, erzählt sie vom unbewussten Verlangen nach Freiheit in einem Staat, dessen Ziel die absolute Unterdrückung ist.

Laura Lichtblau, 1985 in München geboren, lebt als freie Autorin und Übersetzerin in Berlin. Ihre Lyrik und kürzere Prosa wurden in zahlreichen Magazinen und Anthologien veröffentlicht. «Schwarzpulver» ist ihr erster Roman.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR18,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR13,99

Produkt

KlappentextEs ist kalt geworden in Berlin, es ist die Zeit der Rauhnächte. Lautstarke Propaganda dominiert längst nicht mehr nur die Straßen der Hauptstadt, sondern die Politik des ganzen Landes. Und mittendrin taumeln drei Verlorengegangene, die plötzlich beginnen, sich Fragen zu stellen.
Da ist Burschi, die Johanna liebt, gegen alle Widerstände. Und dabei nicht nur den starken Arm eines Staates zu spüren bekommt, der kein Anderssein mehr duldet, sondern auch die Brüchigkeit menschlicher Beziehungen, wenn die Angst im Nacken sitzt. Da ist Charlie, der in anarchischen Musikerkreisen zwischen Joints und lauten Beats erwachsen wird. Und lernt, sich der allgegenwärtigen Überwachung auf seine Weise zu entziehen. Und da ist Charlotte, seine Mutter, Scharfschützin einer Bürgerwehr, die in ihren Loyalitäten schwankt und dabei droht den Verstand zu verlieren. Ist ihre Militanz vielleicht nur ein missglückter Versuch, dem eigenen Leben zu entkommen? Laura Lichtblau entwirft mit ihrem Debütroman «Schwarzpulver» eine urbane Dystopie. In feiner, gleichzeitig wilder - beinahe wildwüchsiger - Sprache, mit Witz und Leichtigkeit, erzählt sie vom unbewussten Verlangen nach Freiheit in einem Staat, dessen Ziel die absolute Unterdrückung ist.

Laura Lichtblau, 1985 in München geboren, lebt als freie Autorin und Übersetzerin in Berlin. Ihre Lyrik und kürzere Prosa wurden in zahlreichen Magazinen und Anthologien veröffentlicht. «Schwarzpulver» ist ihr erster Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783406755576
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum16.07.2020
Auflage1. Auflage
Seiten202 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5204968
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Charlie


Ich sitze im China-Restaurant. Mit meiner Mutter. In mir

wirbelt es nur so herum und schon bin ich in der nächsten Nummer, der nächsten Kopfnummer, dabei redet Charlotte immer weiter auf mich ein, unaufhörlich, aber ich höre nicht mehr zu, und ich lasse die Goldfische und Kampffischmännchen und Zwergsaugwelse um ihren Kopf herumschwimmen, ich stelle mir vor, wie sie zum einen Ohr von Charlotte hineinschwimmen und dann durch das Labyrinth ihres Kopfes hindurchpaddeln, sie schlagen Loopings durch Charlottes verquere Gedanken, sie bleiben in den von ihren Sorgen zugeschütteten Gehirngängen stecken, sie schauen sich ihre aktuellen Ängste an, die da in allen Farben leuchten, sie lassen sich verschrecken, lassen sich verwundern, dann schwimmen sie zum anderen Ohr wieder hinaus. Und während ich mich so mit den Fischen treiben lasse, brandet Charlottes Stimme wie aus weiter Ferne in mein Ohr, Wenn du wüsstest, was ich weiß, dann hättest du dich von den Rap-Chaoten ferngehalten, das ist kein seriöses Umfeld für ein Praktikum. Ich sage, Das sind keine Chaoten, ihr Label läuft gut, ich lerne viel bei ihnen, über Business, über Musik, dann höre ich wieder weg und beiße in den knochenweißen Krabbenchip, der kracht im Mund wie gecrushtes Eis und löst sich auf wie eine Ahnung, gutes Zeug. Auf meinem Teller sind noch mindestens zehn Stück, Charlotte trinkt gerade mindestens das vierte Glas Wein, sie sagt, dass sie das jetzt sehr dringend braucht, dass sie beim Yoga doch tatsächlich ohnmächtig geworden ist und da doch alle irre waren, dass sie froh ist, dass sie nie wieder hinmuss und es sehr übergriffig fand, dass der Lehrer ihr die Füße geknetet und gewalkt hat wie Mürbeteig und nicht von ihrer Seite gewichen ist, bis sie wieder aufstehen konnte. Ich habe natürlich ein extraordinär schlechtes Gewissen, aber zu spät, und der Plan, das Studio zu verklagen, hat meine Mutter immerhin vitalisiert, das ist doch besser als nichts. Charlotte gabelt den Bambus von ihrem Teller, hier wird er noch in Streifen geschnitten und kommt frisch aus der Dose, es ist der dritte Teller, den sie sich vom Vorspeisenbufett geholt hat. Und ich habe Kopfohrwürmer, Satzohrwürmer, die müsste ich jetzt direkt auf die Serviette kritzeln, aber dann würde ich sie dem Scheinwerferblick von Charlotte preisgeben, also speichere ich sie gedanklich ab und hebe sie auf, für später. Außerdem muss ich mich jetzt um sie kümmern, tatsächlich mache ich mir Sorgen; es ist sicher nicht gut, dass ihr das heute passiert ist, so kurz vor ihrer Reise. Aber meine Satzohrwürmer lassen sich nicht verstauen, sie knallen mir von innen gegens Trommelfell, und wenn das so weitergeht, dann beginne ich hier im Lon Men zu rappen, vor all den brummenden Senioren und all den Großfamilien in schimmerndem Nylonweiß. Die flitzenden Kellnerinnen mit den Schmetterlings-Haarspangen würden lachen und nicht hellauf begeistert sein; die Chefin wäre gerührt und sie würde mir über den Scheitel streicheln, XiÄo gÓ£ niáng, XiÄo gÓ£ niáng, und das kann ich jetzt wirklich nicht gebrauchen.

Charlotte redet weiter, sie sagt, Observation des Anita-Augspurg-Platzes, da hör ich wieder hin, sie sagt, Hoteldach des Best Eastern, sie sagt, Die Schichten starten gleich nach dem Kongress, und in mir klappen die Klappen zu, machen dicht, denn am Anita-Augspurg-Platz, da mache ich mein Praktikum, welches Hotel sie meint, weiß ich auch, es ist ein bleistiftgrauer Neunzigerjahre-Kasten mit Rußspuren auf der Fassade und einem Schild neben dem Eingang, auf dem Input steht anstatt Entrance. Die blaue Leuchtschrift leuchtet auch nur noch sehr selten und meine Chefs Ante und Alf reißen immer Gags darüber, dass sie dort mal eine Nacht verbringen wollen, vielleicht zum Jahrestag des Labels.

Warum denn gerade da, frage ich, ist das Zufall? Kommst du deshalb, weil ich da Praktikum mache, Charlotte? - Nein, Charlie, Quatsch, also du hast Ideen â¦ Es gibt da neue Beschlüsse â¦ Da rausche ich schon wieder davon, rausche in meinen nächsten Film, der in dem Gemälde spielt, das über Charlotte hängt und einen glänzenden Wasserfall zeigt, der in ein Tal kippt und prasselt und aussieht, als flösse er wirklich, Special Effects. Und ich rausche auf einem Gummireifen in die Schlucht, während über mir die Kraniche gen Himmel steigen, in die violetten Wolken hinein. Wenn Charlotte doziert, dann steige ich immer aus, und außerdem: Sie würde mir ja sowieso nie sagen, wenn sie sich absichtlich an den Anita-Augspurg-Platz hätte versetzen lassen, nur um in meiner Nähe zu sein, nur um das Areal zu schützen, in dem ich arbeite. Sie würde tausend Gründe finden, logische, pragmatische, sie würde mir hochelegant ausweichen, wie immer. Charlotte misstraut meinen Chefs, die mich für sich arbeiten lassen, ohne zu zahlen, ich verstehe meine Mutter, ich verstehe auch die Chefs, So ist das nun mal heutzutage, Charlotte, habe ich ihr gesagt, und der Lohn für das unbezahlte Praktikum sind eben Erfahrung und Kontakte und das Gefühl, zu etwas Großem beizutragen, das Herzblut sprudelt und spritzt nur so aus all den Projekten, den Videos, die Alf und Ante für Sozialdilemma und Hurengott produzieren, den Songs, die sie schreiben, aus ihrem Einsatz für die Welt, für eine bessere Welt. Der eine kifft doch, sagt Charlotte. Was soll ich sagen. Ich verabschiede mich von meinem Wasserfall, lasse die Luft aus meinem Gummireifen, es hilft ja nichts, Charlotte hat den kräutrigen Grasgeruch in meinem Haar gerochen, als ich ihr ihre tägliche Misteldosis in die Bauchdecke injiziert habe, was half es da, da habe ich eben gesagt, dass Fidan Tüten raucht, aber nicht, wie viele, nämlich jeden Tag fünf Stück, zu jedem Tagesabschnitt eine und dann noch eine für den Heimweg. Fidan arbeitet aber nicht direkt beim Label, sage ich jetzt, er ist ein Freund des Hauses und illustriert die Plattencover, mach dir da keine Gedanken. Das Kiffen schadet ihm gar nicht, er bekommt dadurch nur rote Augen und einen Spieltrieb. Charlotte zieht ihre orangefarbenen Augenbrauenstriche zusammen und greift nach der Teekanne, und während die jadefarbene Flüssigkeit höher und höher steigt in ihrer Tasse, sagt sie, Wie, Spieltrieb, das klingt, als hätte er seine Impulse nicht im Griff, ich lache und sage, Nee, das heißt doch nur, dass er Alf boxt oder mit Ante tanzt oder mich Charlie Manson nennt, das ist gar nicht schlimm. Charlotte atmet tief durch, Bist du dir sicher, dass du ohne mich zurechtkommst, wenn ich in Wien bin, kleine Milchtüte? (so nennt sie mich manchmal, ich hätte die Form einer Milchtüte, sagt sie, besonders mein Schatten), und ich schreie Ja!, weil sie auf keinen, auf gar gar gar keinen Fall hierbleiben soll, ein Stück Koriander fliegt mir aus dem Mund, ihr vor den Teller, die Kellnerin kommt, sie lächelt und räumt die fünf Porzellantellerchen ab, die sich zwischen uns stapeln, wenn Charlotte und ich zum All-You-Can-Eat-Büfett gehen, dann hauen wir immer richtig rein, ja, wir langen zu, als gäbe es kein Morgen. Wegen der Tellerstapel geniere ich mich immer ein bisschen vor der Kellnerin, aber Charlotte nicht, Charlotte findet: Dafür haben wir doch unsere elf Euro bezahlt, oder nicht? Ja, Charlotte, logisch komme ich klar, sage ich jetzt und stehe halb auf, Ich hole mir noch Ente kross, sage ich, brauchst du auch noch was?, und Charlotte sieht mich unglücklich an und sagt, Der Graskonsum kann direkt in die Fixerstube führen, glaub ihnen ja nicht, wenn sie sagen: Ist alles halb so wild â¦ Während ich mir am Büfett Gemüse mit dicker brauner Soße auf meinen Teller schöpfe und die Ente ertränke und noch ein paar Bambussprossen extra herausangle, denke ich, dass es ja sowieso schon zu spät ist, ich habe schon zwei Feierabendtüten mit Fidan vor der Tür geraucht, aber ich habe nichts gespürt, ich habe bloß so getan, als müsste ich mehr lachen als sonst, ich habe Gutes Zeug gesagt und hinterher mit Fidan seinen Spieltrieb weggespielt, und wir sind durchs Atelier gerannt und ich habe die Schreibtischlampe von Ante zu Boden gerissen, das fand er nicht so gut, als Praktikant sollte ich meine Grenzen kennen, ich weiß ja.

Wie machst du das denn mit den Mistelspritzen, wenn du in Wien bist?, frage ich Charlotte dann, als ich zurück am Tisch bin, Wer setzt sie dir, wenn ich nicht da bin? - In...
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