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Großes Kino

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Schöffling & Co.erschienen am18.08.20201. Auflage
Carsten Wuppke kann einfach seinen Mund nicht halten. Warum muss der Neuköllner Sozialarbeiter, der gerade Schwierigkeiten mit dem Gesetz hat, sich an der Supermarktkasse auch mit einem Polizisten anlegen? Und dann ausgerechnet einen Roller 'ausborgen', der Ali al-Safa, genannt 'der Chinese', gehört? Prompt verdonnert ihn der Clanchef zu ein paar Gefälligkeiten: Erst muss Wuppke seine Jungs in gewaltfreier Kommunikation coachen und dann ein krummes Immobiliengeschäft auf Sylt für ihn zurechtbiegen, das mit dem Naturschutz und dem Bürgermeisterwahlkampf in Konflikt steht. Aber mit Konflikten kennt Wuppke sich aus - denkt er zumindest, bis er auf die Familie des obersten Naturschützers und Bürgermeisterkandidaten trifft. Als ihm der Chinese auch noch seine Leute auf den Hals jagt, wird es brenzlig für Wuppke. Der neue Roman von Sascha Reh ist eine zitatgespickte Gangsterkomödie voller Sprachwitz und absurder Situationskomik, deren Held sich mit Eloquenz und Chuzpe durch die Inselhalbwelt mauschelt. 'Wuppke hatte eine Bewährungsstrafe wegen notdürftiger Tötung am Hals. Jedenfalls nannte er es seinem Bewährungshelfer Herrn Gottschild gegenüber so, weil er das witziger fand als Nötigung, und Humor wird umso wichtiger, je weniger man zu lachen hat.'

Sascha Reh, geboren 1974 in Duisburg, war früher selbst Sozialarbeiter. In dieser Zeit hat er die gewaltfreie Sprache, aber auch die ganzen Kraftausdrücke gelernt, die in seinem neuen Roman vorkommen. Heute lebt er als Schriftsteller zwischen Gangstern und Hipstern in Berlin-Neukölln.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR18,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextCarsten Wuppke kann einfach seinen Mund nicht halten. Warum muss der Neuköllner Sozialarbeiter, der gerade Schwierigkeiten mit dem Gesetz hat, sich an der Supermarktkasse auch mit einem Polizisten anlegen? Und dann ausgerechnet einen Roller 'ausborgen', der Ali al-Safa, genannt 'der Chinese', gehört? Prompt verdonnert ihn der Clanchef zu ein paar Gefälligkeiten: Erst muss Wuppke seine Jungs in gewaltfreier Kommunikation coachen und dann ein krummes Immobiliengeschäft auf Sylt für ihn zurechtbiegen, das mit dem Naturschutz und dem Bürgermeisterwahlkampf in Konflikt steht. Aber mit Konflikten kennt Wuppke sich aus - denkt er zumindest, bis er auf die Familie des obersten Naturschützers und Bürgermeisterkandidaten trifft. Als ihm der Chinese auch noch seine Leute auf den Hals jagt, wird es brenzlig für Wuppke. Der neue Roman von Sascha Reh ist eine zitatgespickte Gangsterkomödie voller Sprachwitz und absurder Situationskomik, deren Held sich mit Eloquenz und Chuzpe durch die Inselhalbwelt mauschelt. 'Wuppke hatte eine Bewährungsstrafe wegen notdürftiger Tötung am Hals. Jedenfalls nannte er es seinem Bewährungshelfer Herrn Gottschild gegenüber so, weil er das witziger fand als Nötigung, und Humor wird umso wichtiger, je weniger man zu lachen hat.'

Sascha Reh, geboren 1974 in Duisburg, war früher selbst Sozialarbeiter. In dieser Zeit hat er die gewaltfreie Sprache, aber auch die ganzen Kraftausdrücke gelernt, die in seinem neuen Roman vorkommen. Heute lebt er als Schriftsteller zwischen Gangstern und Hipstern in Berlin-Neukölln.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783731761822
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum18.08.2020
Auflage1. Auflage
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1650 Kbytes
Artikel-Nr.5304557
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1. Die Reise des Helden beginnt mit der Vorstellung seiner gewohnten Welt. Ein initialer Auslöser setzt die Handlung in Gang

Wie üblich bei dieser Art von Geschichten wird diese hier mit den Bullen enden, wobei zunächst wohl interessanter ist, wie sie anfängt, nämlich auch mit den Bullen. Das heißt: Geschichten fangen eigentlich nicht an. Sie ereignen sich und hören nicht auf. Aber das führt fürs Erste zu weit.

Was sich ereignete, war Folgendes. Wuppke machte einen späten Einkauf beim Rewe, Joghurt, oder was ihm sonst so fehlte in seinem kleinen Junggesellenhaushalt mit Balkonblick auf die Stadtautobahn, vielleicht kaufte er auch Bier, letztlich ist das ja seine Sache. Kam also ein Bulle in einer dieser blauen Sommeruniformen rein, kurzärmliges Hemd, schusssichere Weste, und ging wutentbrannt auf die Kassiererin los. Die scheiß Düse sei platt! Er fuchtelte mit einer Dose vor ihrem Gesicht herum, Wuppke dachte, es sei Kampfgas, dann sah er die Aufschrift: »ja! Sprühsahne«.

Es war Hauptsaison und dementsprechend warm, sogar hier im vollklimatisierten Untergeschoss des neuen Einkaufszentrums, das sie an die Karl-Marx hingestellt hatten, und vor Wuppke standen noch sechs Leute mit vollen Einkaufswagen, Quinoamüsli und Fair-Trade-Schokolade mit Chiligeschmack, oder was die jungen Leute neuerdings nicht alles essen. Wuppke wollte nur nach Hause und sich seinen Joghurt reinziehen.

Der Bulle, ein offenbar übermotivierter junger Typ mit imposantem Bizepsumfang und überholter Tribal-Tätowierung, beschwerte sich bei der Kassiererin schwallartig über die Sache mit der Dose. Und obwohl Wuppke keine Ahnung hatte, worin die Sache mit der Dose bestand, und sich auch nicht dafür interessierte, fand er es nicht richtig, dass ein Bulle, der ja irgendwo doch ein Vorbild sein sollte und so weiter, derart überheblich mit einer höchstwahrscheinlich unterbezahlten Kassiererin umsprang, fast schon wie mit einem gewöhnlichen Halunken oder Strolch, und alles nur wegen seiner Sprühsahne. Also konnte Wuppke - nicht zum ersten Mal in seinem Leben übrigens - sein Maul nicht halten und rief zu dem Bullen rüber: »Ey, kannst du mal nicht so ne Welle machen da vorne?«

Damit nahm die Geschichte beträchtlich an Fahrt auf. Die Sache war nämlich die, dass Wuppke vorbestraft war und sich solche Sprüche eigentlich nicht leisten konnte, schon gar nicht gegenüber einem Bullen mit Bizeps. Wuppke war nicht schlimm vorbestraft, nur ein bisschen, aber es würde ausreichen, um den Joghurt für heute Abend aus dem Programm zu streichen, und morgen wahrscheinlich auch.

Wuppke hatte eine Bewährungsstrafe wegen notdürftiger Tötung am Hals. Jedenfalls nannte er es seinem Bewährungshelfer Herrn Gottschild gegenüber so, weil er das witziger fand als Nötigung, und Humor wird umso wichtiger, je weniger man zu lachen hat. Letzten Dienstag hätte er zu seinem Herrn Gottschild in den Wedding fahren sollen, was am anderen Ende der Stadt liegt, aber Wuppke hatte verpennt, dann war seine Prepaidkarte leer gewesen, und als er sich doch noch in die U-Bahn gequält hatte, waren am Hermannplatz Kontrolleure von der Sorte gescheiterte Gerüstbauer zugestiegen. Da hatte er die Krise gekriegt und war wieder nach Hause.

Das war, wie sich noch zeigen wird, Wuppkes größtes Problem, dass er nämlich manchmal von jetzt auf gleich bockig werden konnte und dann aus der Rolle fiel. Außerdem ließ er sich in letzter Zeit ein bisschen hängen.

Jedenfalls war heute schon Donnerstag, und er hatte sich vorgenommen, Gottschild gleich morgen früh anzurufen und ihm die ganze Sache zu erklären. Oder vielleicht nicht die Sache an sich, sondern etwas, das noch ein bisschen überzeugender klang. Wuppke war sicher, dass er es schaffen würde, alles wieder hinzubiegen, Gottschild war ein netter Kerl, und er selbst konnte, wenn er wollte, ganz charmant sein, oder wenigstens das Hemd in die Hose stecken. Außerdem wusste Wuppke, wie man Leute wie Gottschild anpacken musste, er war nämlich früher selbst einer von der Sorte gewesen, aber dazu bei Gelegenheit mehr.

Jetzt im Moment war er jedenfalls nicht charmant, sondern gerade dabei, zu einem Ärgernis für den Bizepspolizisten zu werden, der inzwischen auf Betriebstemperatur war. Ein Blinder konnte sehen, dass es ihm nicht um die Sprühsahne ging, sondern dass er bloß einen Idioten suchte, an dem er sein überschüssiges Testosteron abreagieren konnte, und natürlich war er insgeheim froh, dass sich mit Wuppke jemand freiwillig dafür meldete. Wuppke hätte das eigentlich wissen müssen, schließlich kannte er sich mit Bullen ein bisschen aus. Hilft aber nichts. Er schloss die Augen und atmete tief durch, als der Bulle sich durch die Schlange zu ihm durchkämpfte.

Wie vorher auf die Kassiererin, redete er nun schwallartig auf Wuppke ein. Er spuckte beim Sprechen. Natürlich hörte Wuppke nicht zu, außer am Ende, wo die Frage kam: »Kann ich jetzt mal Ihren Ausweis sehen?«

Wuppke bemühte sich, wenn schon nicht höflich zu bleiben, dann wenigstens frech zu werden. »Wieso wollen Sie denn jetzt auf einmal meinen Ausweis sehen, Herr Wachtmeister?«, wobei seine Entgeisterung natürlich betont schlecht gespielt war.

»Hören Sie mal, junger Mann«, sagte der Bulle ernsthaft, und an der Stelle flogen bei Wuppke endgültig die Sicherungen raus, denn dass ein Bulle, der mindestens fünf Jahre jünger war als er, ihn »junger Mann« nannte - wobei Wuppke mit Anfang 40 auf eine langsam bedrückend werdende Weise eben kein junger Mann mehr war -, konnte man nur als vorsätzliche Provokation verstehen. Wuppke war es schon immer schwergefallen, seinen Ärger einfach wegzuatmen, in diesem Fall versuchte er es gar nicht erst. Er schubste den Bullen weg, sprang in Ermangelung anderweitigen Bewegungsspielraums auf das Warenband und am Ende wieder runter, und im nächsten Moment war er raus aus dem Supermarkt und drinnen im Parkhaus. Wo er zwar nicht hinwollte, aber egal.

Der Bulle natürlich hinter ihm her.

In seiner Hand hielt Wuppke immer noch den Joghurt. Tja, Scheiße, Widerstand gegen die Staatsgewalt in Tateinheit mit Ladendiebstahl, überschlug Wuppke und schüttelte den Kopf über seine Blödheit, zuckte dann aber gedankenschnell die Achseln, stolperte über eine Fahrbahnbegrenzung und sah den Becher auf einen vorüberfahrenden Vespafahrer zufliegen, wo er am Visier des Fahrers zur Explosion kam.

»Tschuldigung!«, rief Wuppke.

Die Maschine schlingerte noch ein Stückchen ohne den Fahrer weiter und knallte dann in einen geparkten Mercedes. Der Fahrer lag wie ein Käfer auf dem Rücken und schrie irgendwas. Wuppke bekam Schiss, dass er seine Zunge verschluckt hatte, aber dann begriff er, dass der Fahrer bloß auf Arabisch fluchte. Er rappelte sich auf, klappte das verschmierte Visier hoch und ging sofort auf Wuppke los. Wuppke richtete eilig die immer noch knatternde Maschine auf und setzte sich drauf. Im Umdrehen sah er, dass der Bulle inzwischen ebenfalls am Set war und den Rollerfahrer wegschubste, wie wenn ein Tyrannosaurus Rex einem Diplodocus das Essen streitig macht oder so was. Wuppke kannte sich aber mit der Kreidezeit nicht so aus. Er gab Gas und fuhr auf dem schmalen Fußgängerstreifen an der Schranke vorbei, raus aus dem Parkhaus und dann auch vorsichtshalber raus aus Neukölln Richtung Süden, bis er irgendwann in Schöneweide neben einer Pferdekoppel im Sonnenuntergang anhielt, den Roller abstellte und den Bus zurück nahm.

Zu Wuppkes Biografie wäre schon das Wichtigste gesagt, wenn man den Mantel des Schweigens darüber breiten wollte. Wuppke hatte immer versucht, irgendwie sein Ding zu machen, aber, na ja: Fortuna trägt ihren Schopf nun mal vorne, und wenn man immer erst danach greift, wenn sie schon vorbei ist, muss man sich nicht wundern.

Wuppke rief auch am nächsten Morgen nicht seinen Bewährungshelfer Herrn Gottschild an, denn seine Karte war immer noch leer. Außerdem schlief er freitags gern etwas länger und schaute sich nach dem Aufwachen die besten Szenen aus Blues Brothers auf DVD an. Dafür machte jemand von der Möglichkeit Gebrauch, ihn anzurufen, und zwar mehrfach, beziehungsweise minütlich. Wuppke hatte ein schlechtes Gefühl im Bauch, ebenso schlecht wie der Geschmack im Mund von dem Bier, das er getrunken hatte, um den beklagenswerten Verlauf des gestrigen Abends zu verwinden.

Es hilft alles nichts: Wenn das Telefon klingelt, muss man irgendwann rangehen, schon allein der Neugier wegen. In diesem Fall war es der Chinese beziehungsweise einer seiner Handlanger.

Der Chinese ist jetzt ein Thema für sich. Keiner weiß so genau, warum man ihn den Chinesen nennt. Er hat keine mandelförmigen Augen, er ist nicht klein, und er verbeugt sich auch nicht bei der Begrüßung. Die Haare sind schwarz, klar, aber nicht glatt und glänzend, sondern stumpf und wellig. Schon dem Aussehen nach ist der Chinese leicht als Araber zu erkennen. Er ist groß und hat einen Schmerbauch, und in seiner Freizeit liebt er es, arabische Schlager per Karaoke nachzusingen. Kein echter Chinese würde so etwas tun. Das mit dem Spitznamen hat vielleicht damit zu tun, dass er in der Import-Export-Branche tätig ist. In der Migrantengemeinde Neuköllns scheint das eine durchaus beliebte Tätigkeit zu sein, jedenfalls wenn man dieser Einschätzung die Zahl der weißen Porsche Panamera oder sogar Bentley Continental GT zugrunde legt, die man bei Einbruch der Dunkelheit so zu Gesicht bekommt. Auch der Chinese fuhr so einen, und zwar immer gegen Mitternacht mit maximaler Drehzahl unter Wuppkes offenem Fenster vorbei, was nur deswegen nicht so sehr ins Gewicht fiel, weil da ja eh auch die Stadtautobahn...

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