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SCHULD! SEID! IHR!

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
415 Seiten
Deutsch
Bastei Entertainmenterschienen am25.06.20211. Aufl. 2021
Ihr habt mein Leben mit Füßen getreten.
Ihr habt mir das Liebste genommen.
Jetzt ist die Zeit meiner Rache gekommen.
Und ich nehme euch alles.

In der Lüneburger Heide nehmen sich ein obdachloser Mann und ein pensionierter Polizist unter größten Qualen das Leben. Was verbindet diese beiden Männer? Und welche Bedeutung haben die Tarotkarten, die neben den Toten gefunden werden?
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR11,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextIhr habt mein Leben mit Füßen getreten.
Ihr habt mir das Liebste genommen.
Jetzt ist die Zeit meiner Rache gekommen.
Und ich nehme euch alles.

In der Lüneburger Heide nehmen sich ein obdachloser Mann und ein pensionierter Polizist unter größten Qualen das Leben. Was verbindet diese beiden Männer? Und welche Bedeutung haben die Tarotkarten, die neben den Toten gefunden werden?
Details
Weitere ISBN/GTIN9783751703710
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum25.06.2021
Auflage1. Aufl. 2021
Seiten415 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5420374
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Kapitel 3
DER GEHÄNGTE
Buchholz in der Nordheide,
Fußgängerzone,
Sonntag, 12. Mai, 21:30 Uhr
In dem Moment, als er die Umrisse von Martin Stelter in der Abenddämmerung entdeckte, drängte sich ihm ein Gedanke auf.

Stelter ist der lebende Beweis dafür, dass es auf dieser Welt doch noch Gerechtigkeit gibt!

Der speckige Parka, die ausgebeulte Cordhose, die gebückte Haltung, der hölzerne Gang, die prall gefüllten Plastiktüten und der halbtote Hund - in den letzten Wochen war Stelters Anblick immer gleich gewesen.

Obwohl Stelter noch weit von ihm entfernt war, musste er die Nase rümpfen. Schweiß, Zigarettenrauch, Alkohol und öffentliche Toiletten waren die Gerüche, die er mit ihm verband.

Der Gehängte presste seinen Oberkörper fester in die winzige Lücke, die zwischen den Gebäuden der Blumenhändlerin und des Immobilienmaklers klaffte, und vergrub seine Hände tief in den Jackentaschen. Noch immer hielt er seinen Blick auf Stelter geheftet. Dieser war gemeinsam mit seinem Hund auf dem Weg zum Bahnhof. Wie immer würde er um zweiundzwanzig Uhr fünf in den Zug Richtung Bremen steigen, um drei Minuten später am Bahnhof in Sprötze wieder auszusteigen. Von dort aus brauchte er eine knappe Dreiviertelstunde, bis er seinen Schlafplatz erreichte. Falls die Luft trocken war und der Hund Schritt halten konnte, würde Stelter um kurz vor dreiundzwanzig Uhr in dem Waldstück ankommen, bei nasskaltem Wetter ein paar Minuten später.

Er wandte seinen Blick in die andere Richtung. Von dort kam ein junges Pärchen auf ihn zu. Beide gingen an ihm vorbei, ohne ihn zu bemerken. Auf Höhe eines Juweliers verlangsamte die Frau das Tempo. Der Mann legte seinen Arm um sie und schien sie zum Weitergehen drängen zu wollen. Sie machte einen Schritt zur Seite und löste sich von ihm. Vor dem Schaufenster blieb sie stehen und deutete auf die Auslage. Er schien genau zu wissen, was sie meinte. Flüchtig blickte er in das Schaufenster, dann seufzte er. Rasch legte der Mann seinen Arm wieder um die Frau und bugsierte sie zurück auf den Weg. Zuerst protestierte sie halbherzig, dann ließ sie sich ohne Widerstand von ihm weiterführen. Im Vorbeigehen warfen beide einen flüchtigen Blick in das Nachtcafé, dann verschwanden sie in einer Seitenstraße.

Nun waren sie wieder allein: er, Martin Stelter und dessen Hund. Stelter hatte seinen Blick direkt vor sich auf die Pflastersteine geheftet.

Nachdem Stelter und sein Hund ihn passiert hatten, trat der Gehängte in den Schein der Straßenlaternen und ging zu dem Fahrradständer, in dem ein Mountainbike abgestellt war. Der Jugendliche, dem das Fahrrad gehörte, traf sich sonntagabends regelmäßig mit seinen Freunden im Nachtcafé, um dort Billard zu spielen. Sie verließen die Kneipe selten vor Mitternacht, und damit passten sie hervorragend zu dem Plan, den er für die nächsten Minuten entworfen hatte.

Weiterhin kam ihm zugute, dass der Besitzer des Fahrrads zwar eine ordentliche Summe für den Kauf des Fahrrads investiert hatte, nicht jedoch für eine angemessene Diebstahlsicherung.

Er hatte das Kettenschloss, das der Jugendliche nutzte, nachgekauft und zu Hause herausgefunden, wie es sich am schnellsten knacken ließ. Dank der erbärmlichen Qualität der Kettenglieder war es nun ein Leichtes gewesen, es mit einem einfachen Bolzenschneider zu öffnen.

In Gedanken schickte er seinen Dank an den jungen Mann in dem Nachtcafé, dann nahm er das Fahrrad aus dem Ständer und blickte auf die dunklen Druckbuchstaben, die auf den Aluminiumrahmen aufgebracht waren: »Habichtjagd«.

Ich bin ein Habicht, dachte er, und ich bin auf der Jagd.

Der Gehängte lächelte und folgte Stelter. Rasch holte er ihn ein. »Entschuldigen Sie bitte.« Da Stelter ihn nicht beachtete, fuhr er fort: »Ich habe Sie auf meinem Weg nach Hause schon öfter hier entlanggehen sehen. Ich kann mir gut vorstellen, wie hart es ist, wenn man sich auf der Straße jeden Tag aufs Neue behaupten muss.«

Stelter blieb stehen und taxierte sein Gegenüber, dann rotzte er ihm direkt vor die Füße. »Einen Scheißdreck kannst du!«

Sehr schön, dachte er. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie so schnell ins Gespräch kommen würden. Er machte eine längere Pause, schließlich stimmte er zu. »Wahrscheinlich haben Sie recht.«

»Dann verpiss dich!«

Das werde ich ganz bestimmt nicht machen, dachte er und ging weiter neben Stelter her. Im Laufe seiner Recherchen hatte er sehr viele Details über dessen Leben erfahren. Die Zeit, die ihn sicherlich am meisten geprägt hatte, waren die Jahre auf einer Bohrinsel gewesen. Er war sicher, dass dieses Thema ihn auch heute noch interessierte.

»Ich bin Maschinenbau-Ingenieur und übernehme übernächsten Monat einen Job auf einer Ölplattform im Golf von Mexiko«, log er. »Keine Ahnung, wie lange ich auf der Plattform bleiben werde. Jedenfalls räume ich meine Sachen gerade in einen Container, der dann per Schiff in die Vereinigten Staaten geht. Ende des Monats gebe ich meine Wohnung hier in Buchholz ab.«

Während er dies sagte, blieb Stelter stehen. Der Hund legte sich erschöpft neben ihm ab. Stelter drehte den gesamten Körper, denn sein Hals war steif. Sein Kopf war auf eine ungewöhnliche Weise nach links gedreht und abwärtsgerichtet. Es wirkte, als würde er sein Gegenüber von unten herauf anblicken. »Warum erzählst du mir das?«, wollte Stelter wissen. Seine Stimme klang immer noch distanziert, doch sie hatte die Feindseligkeit verloren.

»Mein Fahrrad passt nicht in den Container, und ich muss es hierlassen. In meinem Freundes- und Bekanntenkreis hat niemand Interesse, es zu übernehmen, und dann habe ich an Sie gedacht. Wie gesagt: Sie sind mir in der Vergangenheit schon häufiger aufgefallen.« Er lächelte und blickte zu dem Hund hinab. »Und dieser hübsche Kerl natürlich auch.«

Martin Stelter setzte eine der Plastiktüten ab und kratzte sich hinter dem Ohr. »Und wo steht die Plattform?«

»In Viosca Knoll, mitten im Petronius-Ölfeld. Rund zweihundert Kilometer südöstlich von New Orleans.«

Stelter schien nachzudenken. »Da hat es beim Bau einen Zwischenfall gegeben.«

Er wusste, was Stelter meinte. Als er sich vorbereitet hatte, hatte er davon gelesen. »Richtig, ein siebzig Millionen Dollar teures Bauteil ist während der Montage von der Bohrinsel gestürzt und im Meer versunken.«

»Schöne Scheiße.«

Der Gehängte lachte laut auf. »Das können Sie laut sagen! Ich hoffe, dass mir so etwas erspart bleibt.«

Wieder schienen Stelters Gedanken zu kreisen. Schließlich sagte er: »Ich lasse mir nichts schenken. Du kannst dein Fahrrad behalten.«

»Das passt. Ich habe nicht vor, das Fahrrad zu verschenken.«

Stelter setzte nun auch die zweite Plastiktüte ab und griff in die Taschen seines Parkas. Als er die Hände wieder herauszog, hielt er in der Linken ein Stück Papier. »Mein Schwerbehindertenausweis. Damit dürfen Bosko und ich kostenlos Zug fahren.« In der rechten Hand hielt er eine kleine, transparente Schnapsflasche, aus der er offensichtlich noch nicht getrunken hatte. »Mehr Wertsachen habe ich nicht.«

»Einverstanden«, sagte der Gehängte und deutete mit dem Kinn auf die Flasche. »Ich nehme den Schnaps, Sie bekommen das Fahrrad.«

Stelter steckte den Ausweis zurück in den Parka und rieb sich die Stirn. »Ehrlich?«

Er streckte ihm die Hand entgegen, um die Flasche in Empfang zu nehmen, und lächelte. »Absolut!«

»Danke«, nuschelte Stelter und gab die Flasche aus der Hand. Wenige Augenblicke später streifte er die Plastiktüten über die Griffe des Lenkers und sagte zu seinem Hund: »Komm Bosko. Es wird Zeit.«

* * *

An diesem Abend war im Nachtcafé nicht viel los, daher entdeckte er die Jugendlichen sofort. Während sie ihn nur flüchtig von einigen Abenden kannten, die er hier mit einem heißen Tee an einem Nebentisch verbracht hatte, waren sie für ihn wie gute Bekannte: Der Besitzer des Fahrrads war Anfang zwanzig. Er hatte auffallend rote Haare, sein Körper war durchtrainiert, und sein Aussehen verlieh ihm reichlich Selbstbewusstsein. In der Clique, die aus einem knappen Dutzend Jugendlichen bestand, war er zweifellos der Anführer. Sie trafen sich sonntagabends in wechselnder Zusammensetzung im Nachtcafé, spielten Billard und tranken Bier.

Vor einiger Zeit war er Zeuge geworden, als der Rothaarige einer Gruppe Gleichaltriger mit einem einzigen Fausthieb klargemacht hatte, wem der Billardtisch sonntags gehörte. Das hatte ihm gefallen, und in diesem Moment war der Rothaarige Teil seines Plans geworden.

Als der Gehängte das Lokal jetzt betrat, war die Stimmung ausgelassen. Der Rothaarige hatte sich weit über den Billardtisch gebeugt, der im hinteren Bereich stand. Die tief hängenden Lampen leuchteten jedes Detail seines Gesichts aus. Die anderen Jugendlichen standen um den Tisch herum. Ihre Gesichter waren in der spärlichen Beleuchtung des Nachtcafés nur schemenhaft zu erkennen. Der Rothaarige ließ den Billardstock mehrmals sanft vor- und zurückschwingen, hielt dann kurz inne und stieß die weiße Kugel behutsam an. Sie rollte einige...

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