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Vielleicht hatten all die Therapeuten ja recht

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
Deutsch
Eichbornerschienen am30.04.20211. Aufl. 2021
Jenny hat eine Lebenskrise: Sie ist über 30, frisch getrennt von Art, der nun mit einer Influencerin liiert ist, und in ernsthafter Gefahr, ihren Job beim angesagten feministischen Online-Magazin 'The Foof' zu verlieren - und jetzt zieht auch noch ihre Mutter, die Dramaqueen, bei ihr ein.

Klug, rasant, witzig und mit genauem Blick für die Tücken der Selbstwahrnehmung in Zeiten von Social Media - Emma Jane Unsworth schafft eine hinreißende Heldin, die einem sofort ans Herz wächst.


Emma Jane Unsworth hat zwei preisgekrönte Romane veröffentlicht: Hungry, the Stars and Everything und Biester. Die Verfilmung des Romans hatte auf dem Sundance Film Festival 2019 Premiere. Unsworth schreibt für Zeitungen und Magazine, u. a. Guardian Weekend und The Pool. Aktuell arbeitet sie an der TV-Adaption von Adults sowie an einem Memoir über postnatale Depression, das nicht deprimierend ist.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextJenny hat eine Lebenskrise: Sie ist über 30, frisch getrennt von Art, der nun mit einer Influencerin liiert ist, und in ernsthafter Gefahr, ihren Job beim angesagten feministischen Online-Magazin 'The Foof' zu verlieren - und jetzt zieht auch noch ihre Mutter, die Dramaqueen, bei ihr ein.

Klug, rasant, witzig und mit genauem Blick für die Tücken der Selbstwahrnehmung in Zeiten von Social Media - Emma Jane Unsworth schafft eine hinreißende Heldin, die einem sofort ans Herz wächst.


Emma Jane Unsworth hat zwei preisgekrönte Romane veröffentlicht: Hungry, the Stars and Everything und Biester. Die Verfilmung des Romans hatte auf dem Sundance Film Festival 2019 Premiere. Unsworth schreibt für Zeitungen und Magazine, u. a. Guardian Weekend und The Pool. Aktuell arbeitet sie an der TV-Adaption von Adults sowie an einem Memoir über postnatale Depression, das nicht deprimierend ist.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783751704120
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Verlag
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum30.04.2021
Auflage1. Aufl. 2021
SpracheDeutsch
Dateigrösse484 Kbytes
Artikel-Nr.5420571
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


EINIGE MONATE ZUVOR


HALLO, WELT!

Es ist fünf nach zehn, und ich stehe am Frühstückstresen meines Co-Working-Space in Ostlondon an. Draußen ist es herbstlich, aber schwül, und ich habe zu viel an. Meine Achseln sind nass, und ich frage mich, ob ich mir in der Mittagspause nicht schnell ein neues T-Shirt kaufen soll. Gestern Abend habe ich das Dhal-Curry-Rezept aus einem billigen Veggie-Kochbuch ausprobiert, das ich mir in einem Charity-Shop gekauft habe, und ich sage euch, es war sensationell. Jetzt verfasse ich einen Post zu einem Croissant, der meine Persönlichkeit um einige entscheidende Facetten bereichern wird, so viel steht fest.

Ich starre auf mein Handy. Mit dem Foto bin ich einigermaßen zufrieden. Ich habe den Clarendon-Filter benutzt, um die Tiefen und Höhen zu akzentuieren, wodurch die helleren Bereiche heller und die dunkleren Bereiche dunkler erscheinen. Für den künstlerischen Touch habe ich ihm noch einen weißen Rahmen verpasst. Das Foto hat - soweit man das von Backwaren behaupten kann - etwas Überirdisches. Nur der Text erweist sich als äußerst mühsam. Mittlerweile habe ich derart viel daran herumgefrickelt, dass ich kein Gefühl mehr dafür habe, ob er Sinn ergibt. Das passiert mir ziemlich häufig. Ich grübele so oft über die Worte nach, mache mir Gedanken, wie sie bei den anderen ankommen, wie sie noch verbessert werden können, dass ihnen der ganze Schwung verloren geht. Ich kriege Lampenfieber. Für mich existiert jetzt nur noch dieses kleine Quäntchen menschlichen Daseins. Die restliche Welt ist verschwunden. Es ist wie in Alien III, als Ripley zum Alien sagt: »Du bist schon so lange in meinem Leben, dass ich gar nicht mehr weiß, wie es ohne dich ist.« Früher dachte ich, damit sei das Muttersein gemeint. Heute weiß ich, dass es die sozialen Medien sind.

Ich starre auf den Bildschirm.

GEB+ÄCK, JUHU! #GEBÄCK

Ist das wirklich die perfekte Darstellung meiner gegenwärtigen Erfahrung?

Ich streiche das JUHU und das Komma.

GEBÄCK! #GEBÄCK

Ich starre erneut auf den Bildschirm. Ich versuche, zu meiner ursprünglichen Eingebung zurückzufinden; mich von ihr leiten zu lassen. Das ist das Mindeste, was ich tun kann. Darum sollte es bei uns Mittdreißigern ja schließlich gehen: um die unablässige Befragung unser selbst. Lasst uns den Mut aufbringen, das zu ändern, was wir ändern können, und das Geld für die Therapeutin, die uns hilft, das zu akzeptieren, was wir nicht ändern können. Was möchte ich über Gebäck eigentlich wirklich sagen? Welche Gefühle löst Gebäck in mir aus? Warum ist es mir genau jetzt wichtig, dass ich das poste?

Ich lösche das Ausrufezeichen und starre auf die zwei übrig gebliebenen Wörter. Es handelt sich um ein und dasselbe Wort, nur dass eines davon mit Hashtag versehen ist. Wollen die beiden das Gleiche sagen oder jedes etwas anderes? Bringt die Wiederholung einen Mehrwert? Lohnt es sich, eines davon ohne Hashtag zu schreiben, damit die ursprüngliche Stimmung anhält, unberührt von digitalen Symbolen? Ich muss das unbedingt hinkriegen. Die Leute sollen auf den ersten Blick wissen, dass es hier um Gebäck in seiner reinsten Form geht. Um Urgebäck.

Ich lösche den Hashtag, und damit lautet der Beitrag nur noch:

GEBÄCK.

Mit oder ohne Punkt? Ein Punkt sieht immer entschieden und gebieterisch aus, aber es sieht auch irgendwie locker und lässig aus, wenn Mensch den Satz einfach so stehen lässt, so nach dem Motto: Hach, ich bin einfach so wahnsinnig busy mit meinem tollen Leben, dass ich noch nicht mal Zeit für Satzzeichen habe. Die klägliche Wahrheit aber lautet, dass ich es mit den Satzzeichen übertreibe, wenn ich gestresst/aufgeregt bin. An einem guten/schlechten Tag bringe ich es auf vier Ausrufezeichen. Ausrufezeichen sind die Satzzeichen der Wahl, um sich bei den Lesenden einzuschleimen. Mit ihnen wirken wir eifrig und zugänglich. Freu mich voll, mit dir zu reden! Mit dir!!!! Ich achte immer auf die Satzzeichen der anderen. Schickt mir ein Mensch eine Nachricht ohne Ausrufezeichen oder Küsschen, respektiere ich ihn. Und dann denke ich noch: Ist er deprimiert? Hab ich ihm irgendwas getan?

Manchmal schicken die Leute reihenweise Emojis, dann will ich sie einfach nur umarmen.

GEBÄCK

Perfekt.

Ja, ich denke, das sagt alles.

Hm.

Aber reicht das, echt?

Oh Gott. Ich weiß es. Einfach. Nicht.

»Was hätten Sie gerne?«

Panisch schaue ich auf. Ich bin an der Reihe.

»Äh ...«

Ich schaue mir die Croissants auf der unebenen Steinplatte an. Und mir wird schlagartig klar, dass da etwas nicht stimmt. Ich bin mir ziemlich sicher - ich bin eine aufmerksame Beobachterin -, dass eines der Croissants von gestern ist. Es sieht starrer als der Rest aus, wie es da vorne so gekrümmt ist, als wäre es steinhart. Es hat eine deutlich andere Textur und Farbe als die anderen. Keine Ahnung, ob das auf ein höheres Alter hindeutet oder auf eine Bakterienverseuchung oder was. Wie konnte mir das nur entgehen? Ich weiß ganz genau, dass ich dieses Croissant kriegen werde, wenn ich eines bestelle.

Ich fühle mich gelähmt. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich bin nicht imstande, ein bestimmtes Croissant zu verlangen, obwohl ich definitiv der Meinung bin, es zu verdienen. Ich kalkuliere das mal kurz. Vor mir liegen acht Croissants, und das mangelhafte ist eher auf meiner Seite als auf der Seite der Bedienung, also ist es eher unwahrscheinlich, dass ich in den sauren Apfel beißen muss. Ich atme aus. Ich beschließe, es darauf ankommen zu lassen. Diese Croissant-Erfahrung ist extrem wichtig für mich, denn sie ist ... nun mal der Plan.

Ich spreche. »Ein Croissant, bitte.«

Die Bedienung nickt, aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund schickt sie sich an, das CROISSANT DER VERDERBNIS aus dem vorderen Bereich zu nehmen. Ich rufe: »Oh, hey! Entschuldigung? Könnten Sie mir bitte irgendein anderes Croissant geben?« Ich sage es ängstlich, aber auch in dem unumstößlichen Wissen, dass ich das Recht auf meiner Seite habe.

Die Mundwinkel der Bedienung zucken. Langsam sagt sie: »Die sind ... alle gleich.«

Ich sage: »Kann ich bitte einfach eins von hinten haben? Danke.«

Alle schauen mich an.

Sie spricht noch langsamer, als wäre ich eine Idiotin. »Aber ... die sind alle gleich.«

»Das eine hat eine etwas andere Farbe, finde ich«, sage ich etwas leiser.

Sie wirft einen prüfenden Blick auf die Croissants. Auch der Typ hinter mir in der Schlange tritt nach vorn, um es sich anzuschauen. Der Barista wendet sich von seiner Gaggia ab und kommt rüber. Die Kassiererin. Alle schauen es sich an, und dann gaffen sie mich an.

»Hat mir nur irgendwie besser gefallen«, flüstere ich. »Nehmen Sie doch bitte einfach irgendeines.«

Sie lässt das Croissant in eine Papiertüte fallen, wobei sich der Boden ausbeult. Ich halte meine Karte an das Lesegerät und bete, dass es piept. Piep gefälligst, verdammtes Ding, piep, du verficktes Drecks-Kack-Ding.

Es piept. Ich stürme davon.

Ich renne aufs Damenklo, schleudere die Tüte in den Müll und heule eine Runde. Passt schon. Im WerkHaus heult andauernd irgendwer. Es gibt da diese schallisolierten Kabinen für private Telefongespräche im Empfangsbereich, aber im Grunde heulen sich die Leute dort einfach nur aus.

Als ich fertig bin mit Heulen, mache ich Pipi. Beim Abwischen achte ich wie immer darauf, ob Blut zu sehen ist.

Ich schaue auf mein Handy.

GEBÄCK.

Die Empfindung bleibt die gleiche, auch wenn sich die Realität anders dargestellt hat. Und auf die Empfindung kommt es schließlich an.

GEBÄCK.

Irgendwie ist es perfekt. Sachlich. So ganz hundert Prozent überzeugt bin ich aber noch nicht. Mir fällt etwas ein, das Suzy Brambles in ihrem »Ultimativen Insta-Guide« gesagt hat: »Nimm stets deinen ersten Entwurf.«

Ich ändere zurück zu:

GEBÄCK, JUHU! #GEBÄCK

Alles klar. Jetzt bin ich kurz davor, die Sache durchzuziehen. Jetzt braucht es nur noch einen letzten Blick von Kelly. Kelly ist meine älteste Freundin und die Social-Media-Redakteurin meines Vertrauens.

Schaust du hier bitte noch mal drauf, bevor ich es poste?

Hör auf, ich will nix mehr davon wissen, hab ich gesagt

Bitte

Jeden Tag bombardierst du mich damit, das macht mich irre. Nein

Gar nicht jeden Tag!

Fast jeden Tag, Alter

Bitte, heute ist sowieso schon alles ganz übel!!!! Ich hab gerade ein ramponiertes Croissant verkauft bekommen

Nein

Ich flehe dich an

Ich kann dieses Verhalten nicht gutheißen

Welches Verhalten???

Diesen Irrsinn. Das kann nicht gesund sein. Und nicht authentisch

Authentisch???

Neulich hast du in einem Post behauptet, wir wären zusammen aufgewachsen. Dabei haben wir uns mit 22 kennengelernt

War einfach die bessere Story! Außerdem stimmt es fast, weil wir beide im Norden aufgewachsen sind!

WTF

Charlie Chaplin hat auch mal nen Charlie-Chaplin-Doppelgänger-Wettbewerb verloren

Zweifaches WTF

Na, wir legen doch notgedrungen alle einen Filter über unser Leben, oder? Egal, was für ehrliche Menschen wir sind

Interpretiere bloß nicht zu viel rein in dein...

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Autor

Emma Jane Unsworth hat zwei preisgekrönte Romane veröffentlicht: Hungry, the Stars and Everything und Biester. Die Verfilmung des Romans hatte auf dem Sundance Film Festival 2019 Premiere. Unsworth schreibt für Zeitungen und Magazine, u. a. Guardian Weekend und The Pool. Aktuell arbeitet sie an der TV-Adaption von Adults sowie an einem Memoir über postnatale Depression, das nicht deprimierend ist.
Vielleicht hatten all die Therapeuten ja recht