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Die Vermissten von Tanger

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
416 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am13.04.2021
Verhängnisvolles Tanger
Karim Belkacems bester Freund und Kollege Abdou ist spurlos verschwunden. Die Aufzeichnung einer Überwachungskamera zeigt ihn zuletzt bei der Inspektion eines Containers am Hafen von Tanger. Also reist Karim in die weiße Stadt am Meer und begibt sich auf die Suche. Doch schon bald hat er mehr Fragen als Antworten. Den Kollegen vor Ort kann er nicht trauen. Auch die Hafenarbeiter scheinen mehr zu wissen, als sie zugeben. Schließlich wendet er sich an die einzige Person, die ihm jetzt noch helfen kann - seine Adoptivschwester Ayesha, die sich als Kadettin an der Polizeiakademie ausbilden lässt. War Abdou womöglich kurz davor, ein Verbrechen aufzudecken, das noch viel größer ist, als Karim je ahnen konnte?

James von Leyden wuchs in Durham auf und studierte Philosophie und Moderne Sprachen in Oxford. Er arbeitete dreißig Jahre lang als Werbetexter. 1985 reiste er zum ersten Mal nach Marokko und verliebte sich sofort in das Land - eine Liebe, die bis heute anhält. Mit seiner Familie lebt er abwechselnd in Lewes, East Sussex und im marokkanischen Qualidia.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextVerhängnisvolles Tanger
Karim Belkacems bester Freund und Kollege Abdou ist spurlos verschwunden. Die Aufzeichnung einer Überwachungskamera zeigt ihn zuletzt bei der Inspektion eines Containers am Hafen von Tanger. Also reist Karim in die weiße Stadt am Meer und begibt sich auf die Suche. Doch schon bald hat er mehr Fragen als Antworten. Den Kollegen vor Ort kann er nicht trauen. Auch die Hafenarbeiter scheinen mehr zu wissen, als sie zugeben. Schließlich wendet er sich an die einzige Person, die ihm jetzt noch helfen kann - seine Adoptivschwester Ayesha, die sich als Kadettin an der Polizeiakademie ausbilden lässt. War Abdou womöglich kurz davor, ein Verbrechen aufzudecken, das noch viel größer ist, als Karim je ahnen konnte?

James von Leyden wuchs in Durham auf und studierte Philosophie und Moderne Sprachen in Oxford. Er arbeitete dreißig Jahre lang als Werbetexter. 1985 reiste er zum ersten Mal nach Marokko und verliebte sich sofort in das Land - eine Liebe, die bis heute anhält. Mit seiner Familie lebt er abwechselnd in Lewes, East Sussex und im marokkanischen Qualidia.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641277321
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum13.04.2021
Reihen-Nr.2
Seiten416 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2938 Kbytes
Artikel-Nr.5425085
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1

Drei Tage später

Auf dem Sportplatz der Akademie absolvierten die Polizeischüler ihre Sporteinheit. Es war Freitagvormittag, und als Abschluss vor der Mittagspause stand der 400-Meter-Lauf auf dem Programm. In den roten Trainingsanzügen der Kommissaranwärter waren neben den männlichen Läufern auch zwei junge Frauen unterwegs, von denen die eine - eine kleine, drahtige - sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Führenden lieferte. Auf der Zielgeraden schob sie sich an ihm vorbei. Ihre Beine waren bleischwer, und die Lunge kämpfte hart um jedes Quäntchen Sauerstoff, aber sie hatte schon früher gegen Jungs gewonnen, wenn sie durch enge, vollgestellte Gassen um die Wette gerannt waren, mit weit schärferen Kurven, weniger Platz und einem Untergrund aus losem Kopfsteinpflaster, in den alle paar Schritte tückische Abflussrohre ragten ... Sie flog über die Ziellinie, und der Ausbilder drückte auf seine Stoppuhr.

»Einundfünfzig-vier, Talal! Einundfünfzig-sieben, Hakimi!«

Der Zweitplatzierte, der seine Haare wie alle männlichen Kadetten extrem kurz geschoren trug, blieb stehen, stützte die Hände auf die Knie und japste nach Luft.

Die junge Frau mit den dunklen, wachen Augen und der Narbe über dem linken Ohr trat neben ihn.

»Guter Lauf«, brachte sie schnaufend heraus.

Anstelle einer Antwort spuckte der Mann nur auf den Boden und stakste davon.

»Mach dir nichts draus, Ayesha«, sagte ihre Mitschülerin, die gerade von der Laufbahn stieg. Nachdem sie einmal tief durchgeatmet hatte, rief sie Hakimis kleiner werdender Gestalt hinterher: »Manche Leute können sich eben noch immer nicht mit der Tatsache anfreunden, dass die Akademie Frauen aufnimmt!«

Ayesha Talal und Salma Mernissi waren beide einundzwanzig und Zimmerkameradinnen im Institut Royale de Police in Kenitra. Während Salma sich mit ihrem Handtuch den Schweiß aus dem Gesicht wischte, trank Ayesha einen großen Schluck aus ihrer Wasserflasche. Der Ausbilder, ein durchtrainierter junger Mann, dessen eigentlich hübsche Züge von einer gebrochenen Nase leicht verunstaltet wurden, kam zu ihnen herüber. Er hob die Jacke von Ayeshas Trainingsanzug vom Boden und reichte sie ihr lächelnd.

»Gut gemacht.«

Prompt bedachte Salma ihre Freundin beim Weggehen mit vielsagenden Blicken. Ayesha lachte laut auf. »Was?«, rief sie und ließ ihre Jacke in Richtung Salma schnellen.

Prustend und tuschelnd überquerten die beiden jungen Frauen den Exerzierplatz, vorbei an in Reih und Glied marschierenden Kadetten.

»Bleibst du noch zum Mittagessen?«, fragte Salma schließlich.

»Nein. Nur kurz duschen, dann bin ich weg. Ich habe meiner Mutter versprochen, um sieben zu Hause zu sein. Die Nachbarin macht Couscous.«

»Vergiss nicht, dass wir am Montag unseren Kurs zum Verhalten bei Critical Incidents haben.«

»Ich nehme meine Aufzeichnungen mit«, versprach Ayesha. »Was nicht heißt, dass ich reinschaue.«

»Ich werde dich direkt nach deiner Rückkehr abfragen!«, warnte Salma und hob drohend den Zeigefinger. »Keine Ausreden!«

Ihre Stimmen hallten durch die Eingangshalle des Wohnheims. Die Unterkünfte der Frauen lagen in einem eigenen Flügel des modernen, dreistöckigen Gebäudes. Am Ende eines langen Flurs schloss Salma die Tür zu ihrem Zimmer auf. Der kleine Raum bot Platz für das Nötigste: zwei Einzelbetten, Schränke an deren Fußenden, dazwischen ein Schreibtisch. Salma löste ihren Pferdeschwanz und warf sich aufs Bett, während Ayesha sich duschen und umziehen ging. Ein paar Minuten später kehrte sie in einem schwarzen Hosenanzug zurück und holte ihre kleine Reisetasche aus dem Schrank.

»Wenn du dich beeilst, bekommst du noch eine Ausgeherlaubnis fürs Wochenende«, schlug sie ihrer Freundin vor.

»Ich muss meine Hausarbeit zu Ende schreiben. Ein andermal, inschallah.«

Ayesha schenkte ihrer Mitbewohnerin einen bewundernden Blick. Ihr fehlte Salmas Talent zum Lernen. Dennoch waren ihre Noten fast so gut wie die von Salma, was nicht zuletzt davon zeugte, dass die königliche Akademie den Leistungen auf dem Hindernisparcours oder dem Schießstand ebenso viel Bedeutung beimaß wie denen in der Klasse oder im Labor.

Sobald der Gebetsruf erklang, mischte sich Ayesha unter die zahlreichen Kadetten, die - wie sie - in schwarzer Ausgehuniform mit weißem Hemd und schwarzer Krawatte Richtung Eingangstor strömten, wo sie in der Wache einer nach dem anderen ihre Telefone abholten. Was Handys betraf, so galten strikte Regeln. Gleich in seiner Begrüßungsansprache am ersten Tag hatte ihnen der Schulleiter erklärt, dass sie hier waren, um Polizisten im gehobenen Dienst zu werden, und nicht, um ständig ihren Facebook-Status zu checken. Die Mitnahme von Handys auf das Schulgelände war daher strengstens verboten. Bei Ankunft mussten alle Geräte am Eingang abgegeben werden, und beim Verlassen des Instituts konnte man sie dort gegen Unterschrift wieder abholen. Da ihr Leben gewöhnlich von sechs Uhr morgens bis zehn Uhr abends komplett durchorganisiert war, überraschte es wenig, dass die jungen Leute jetzt beim Abschied ausgelassen lachten und herumalberten, sofern sie nicht schon mit ihren Liebsten telefonierten.

Ayesha stellte sich an den Straßenrand und hob den Arm. Ein petit taxi hielt vor ihr.

»Zum Bahnhof«, sagte sie beim Einsteigen.

Ayeshas Puls beschleunigte sich noch immer, wenn sie allein ein Taxi nahm. Aber der Fahrer, ein junger Mann in einer grünen djellaba, machte einen ganz sympathischen Eindruck, und die Koranrezitationen, die aus seinem Radio drangen, wirkten ebenfalls beruhigend.

*

Wie viele Berufstätige und Studierende im Land kamen Karim Belkacem und seine Schwester Khadija zum Mittagessen nach Hause. Für Karim bedeutete das eine fünfzehnminütige Fahrt mit dem Roller vom Kommissariat in der Nähe des Djemaa el Fna bis zum Riad der Familie am nördlichen Ende der Medina. Es war ein warmer Frühlingstag, und hoch über ihm sausten und schrien die Mauersegler, als Karim sein moto abstellte. Er trat in den Innenhof des Riad und schaute zur Brüstung im ersten Stock, als würde er etwas suchen. Dann warf er seine Jacke über den stillgelegten Springbrunnen, schlüpfte aus den Schuhen und ging in den salon.

Der Raum war lang und schmal mit einer hohen Decke. Auf einem Regal stand ein 46-Zoll-Fernseher. Nachdem er seine Mutter und seine Schwester begrüßt hatte, nahm Karim an dem niedrigen Tisch Platz, stippte die Finger in den Couscous und wandte seine Aufmerksamkeit dem Fernseher zu, den seine Mutter Lalla Fatima kurz nach dem Tod von Karims Vater gekauft hatte. Seitdem lief während der Mahlzeiten ständig irgendein Sender - eine Ablenkung, die sein Vater gewiss niemals erlaubt hätte, wie Karim amüsiert dachte. Khadija sah sich gern die Morgenmagazine an, bevor sie zur Arbeit ging, und verpasste zum Mittag- und Abendessen nie ihre Soaps.

Karim und Khadija besaßen beide die schmal geschnittenen Nasen und die grünen, mandelförmigen Augen der Amazigh vom südmarokkanischen Berbervolk der Chleuh. Abgesehen von den hübschen Gesichtszügen waren die Geschwister jedoch grundverschieden. Beruflich etwa hatte Khadija keinerlei Ambitionen. Ihr genügte es, als Sekretärin in einer Anwaltskanzlei ein bescheidenes Gehalt zu verdienen. Früher einmal hatte sie all ihre Anstrengungen darauf verwandt, einen reichen Ehemann zu finden. Aber seit vor etwa zwei Jahren ihre Verlobung kurz vor der Hochzeit geplatzt war, achtete sie nicht mehr groß auf ihr Äußeres. So hatten die Wangenknochen jede Kontur verloren, und die weiten Jogginghosen, die sie nun gerne trug, dienten nicht zuletzt dazu, angesetzte Pfunde zu kaschieren.

»Khadija!«, rief Lalla Fatima scharf. »Dein Bruder ist da!«

Mit einem schweren Seufzer wechselte Khadija auf den Nachrichtensender. Nachrichten waren das Einzige, was Karim sich anschaute. So gebannt, wie Khadija ihre Soaps verfolgte, verfolgte er Al Jazeera. Karim war der Meinung, dass jeder gute Polizist wissen sollte, was in der Welt gerade passierte. Wie sonst sollte er den Sinn hinter einem neuen Erlass der Regierung begreifen oder verstehen, wie Arbeitslosigkeit jemanden zum Diebstahl treiben konnte?

An diesem Freitagmittag berichtete der Nachrichtenkanal über einen Massenansturm auf die Grenze bei Ceuta, zu dem es in der vergangenen Nacht gekommen war. Die Aufnahmen waren nur schwer erträglich. Afrikanische Geflüchtete aus Ländern südlich der Sahara versuchten, einen sechs Meter hohen und mit NATO-Draht gesicherten Zaun zu erklimmen, während marokkanische Polizisten sie immer wieder herunterrissen. Auf spanischer Seite schoss die Guardia Civil Wasser aus Hochdruckschläuchen, um die Eindringlinge zurückzuschlagen. Ein junger Afrikaner mit Wollmütze und triefend nasser khakifarbener Jacke hatte es über das Bollwerk geschafft. Jetzt rannte er Haken schlagend umher und machte Siegeszeichen in Richtung der Kameras, während Beamte der Guardia Civil ihn verfolgten.

»Warum freut der sich so?«, fragte Lalla Fatima. »Die werden ihn gleich schnappen, das ist mal sicher.«

»Ceuta gehört zu Europa«, erklärte Karim, bevor er sich den nächsten Mundvoll Couscous gönnte. »Sobald ein Geflüchteter es nach Ceuta schafft, kann er Asyl beantragen. Dann kann er überallhin in Europa, kann sich einen Job suchen und seine Familie nachholen.«

»Ha! Habt ihr das gesehen?« Khadija deutete mit dem Finger auf den Bildschirm. »Der Schwarze da, der runtergefallen ist? Jetzt verpassen die...

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James von Leyden wuchs in Durham auf und studierte Philosophie und Moderne Sprachen in Oxford. Er arbeitete dreißig Jahre lang als Werbetexter. 1985 reiste er zum ersten Mal nach Marokko und verliebte sich sofort in das Land - eine Liebe, die bis heute anhält. Mit seiner Familie lebt er abwechselnd in Lewes, East Sussex und im marokkanischen Qualidia.