Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Die Optimistin

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
352 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am08.03.2021
Charlotte Keller ist eine bedingungslose Optimistin. Kurz vor ihrem achtzigsten Geburtstag nimmt sie den Hochzeitsflüchtling Toygar Bayramo?lu in ihrer Wohnung in einem Seniorenheim an der Ostsee auf und erzählt ihm innerhalb zweier Tage ihre Lebensgeschichte. Aber schon bald merkt Toygar: Alles stimmt, aber nichts ist wahr.

Timo Blunck, geboren 1962 in Hamburg, ist Musiker, Sänger, Komponist, Produzent und Autor. Ab 1981 war er Bassist der international erfolgreichen Avantgarde-Punkband Palais Schaumburg. Zur gleichen Zeit gründete Blunck mit Detlef Diederichsen die Band Die Zimmermänner, mit denen er heute noch aktiv ist. Nach Stationen in England und den USA betreibt Blunck seit 2001 in Hamburg die Firma BLUT, die Musik für Filme, Events und Werbung produziert. Die Optimistin ist Bluncks zweiter Roman nach Hatten wir nicht mal Sex in den 80ern?, zu dem es auch ein begleitendes musikalisches Soloalbum gab.
mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextCharlotte Keller ist eine bedingungslose Optimistin. Kurz vor ihrem achtzigsten Geburtstag nimmt sie den Hochzeitsflüchtling Toygar Bayramo?lu in ihrer Wohnung in einem Seniorenheim an der Ostsee auf und erzählt ihm innerhalb zweier Tage ihre Lebensgeschichte. Aber schon bald merkt Toygar: Alles stimmt, aber nichts ist wahr.

Timo Blunck, geboren 1962 in Hamburg, ist Musiker, Sänger, Komponist, Produzent und Autor. Ab 1981 war er Bassist der international erfolgreichen Avantgarde-Punkband Palais Schaumburg. Zur gleichen Zeit gründete Blunck mit Detlef Diederichsen die Band Die Zimmermänner, mit denen er heute noch aktiv ist. Nach Stationen in England und den USA betreibt Blunck seit 2001 in Hamburg die Firma BLUT, die Musik für Filme, Events und Werbung produziert. Die Optimistin ist Bluncks zweiter Roman nach Hatten wir nicht mal Sex in den 80ern?, zu dem es auch ein begleitendes musikalisches Soloalbum gab.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641259518
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum08.03.2021
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2298 Kbytes
Artikel-Nr.5425123
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



DIE STRANDHOCHZEIT

»Na, aufgeregt?«

Toygars Vater Latif stellt sich neben seinen Sohn ans Fenster, legt ihm die Hand auf die Schulter. Toygar seufzt und zeigt auf den dunklen Himmel.

»Pappa, bist du sicher, dass wir das bei diesem Wetter durchziehen wollen?«

»Wollen? Wollen? Wollen ist Luxus, den wir uns nicht leisten können. Wir dürfen nicht wollen, mein Sohn, wir müssen müssen!«

Toygar muss lachen. Im Gegensatz zu ihm ist Latif BayramoÄlu in der Türkei aufgewachsen und erst mit zweiundzwanzig nach Deutschland ausgewandert. Sein Umgang mit der deutschen Sprache ist höchst kreativ, er kommuniziert gerne in selbstgemachten Ausdrücken und Redewendungen, die Toygar immer wieder in seine Artikel einfließen lässt (und die ihm sein Chef regelmäßig streicht).

»Was sind das eigentlich für Farben? Honiggrün? Weinorange?«

Sein Vater deutet auf die bunten Balkons auf der gegenüberliegenden Seite ihres im Stil einer aztekischen Pyramide gestalteten Hotels.

»Wer hat bloß diese Designs verbrochen? Der Architekt hat in den Sechzigern offensichtlich zu viel LDS geraucht.«

Meint Pappa LSD? Oder zitiert er Captain Kirk in Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart? Wahrscheinlich Letzteres. Latif BayramoÄlu ist ein Nerd. Von ihm hat Toygar die Leidenschaft für Spielfilme, die Liebe zu Musik und Literatur, das grundsätzliche Interesse an allem Neuen. Sein Vater inspiriert ihn, er bewundert seine Energie, seine Neugier, seinen Mut. Die Band hat angefangen zu spielen, trotzt unter einer Plastikplane dem Regen.

»Hey, das ist Got to Get You Into My Life von den Beatles.«

Pappa schwingt die Hüften.

»Die sind gar nicht so schlecht!«

Er schließt die Augen.

»Der Song hat so viel Soul. Den haben sogar Earth, Wind and Fire gecovert!«

Toygars Vater kennt sich aus! Dabei kommt er aus einfachsten Verhältnissen, hat kaum Lesen und Schreiben gelernt. In Deutschland hat er erst Toiletten geputzt, dann als Kellner im Istanbul-Grill und Schlemmerbuffet in Berlin-Moabit gearbeitet. Als sein Chef zurück nach Kadiköy ging, hat Latif ihm erst den Laden abgekauft und dann seine Tochter geheiratet. Oder war das umgekehrt? Das Geschäft lief jedenfalls gut, die Familie BayramoÄlu war wohlhabend. Latif stöhnt: »O Gott, ist das Ömer auf der Bühne?«

Ja, leider. Ömer, der mittlere der drei Dinç-Söhne, ist auf die Bühne gesprungen, hat sich das Mikro geschnappt. Er macht den Paul McCartney, schüttelt Bauch und Reime. Pappa schlägt die Hände über dem Kopf zusammen.

»Was für ein Bauer! Der kann ja nicht mal Englisch!«

Bildung ist sein Lieblingsthema. Latif wollte immer, dass seine Kinder es mal besser haben als er, also bestand er auf eine ordentliche Ausbildung. Toygar und seine jüngere Schwester Nisel haben beide das Gymnasium besucht, Toygar ist Absolvent der Henri- Nannen-Schule für Journalisten, Nisel studiert Kommunikationsdesign an der UdK Berlin.

»Und singen kann er auch nicht.«

Toygar nimmt seinen Vater in den Arm, küsst ihn auf die Glatze.

»Ich liebe dich, alter Mann.«

Latif wischt sich den Kuss vom Kopf, befreit sich aus Toygars Umarmung und schimpft: »Ich bin gar nicht so alt!«

Er ist fast zwei Köpfe kleiner als sein hoch aufgeschossener Filius, die beiden sehen sich auch sonst kaum ähnlich. Toygar kommt nach seiner Mutter Defne, die jetzt zu Vater und Sohn ans Fenster tritt. Zu dritt betrachten sie das Treiben am Strand. Defne schüttelt den Kopf.

»Was für ein Aufstand!«

Auch sie überragt ihren Ehemann, spricht über seinen Kopf hinweg mit ihrem Ältesten. Genau wie Toygar ist sie in Deutschland geboren. Wenn sie einen Akzent hat, dann höchstens einen Berliner.

»Toy, dir ist klar, dass du das nicht machen musst, oder?« Toygar lässt die Schultern hängen. Ach Mamma, wenn du wüsstest!

Berlin-Kreuzberg, Bergmannkiez. Vor drei Monaten

Das Hinterzimmer des Istanbul-Grill und Schlemmerbuffet 2 in der Marheineke Markthalle platzt aus allen Nähten. Sechs Männer drängeln sich in der besseren Besenkammer, allein Celâl Dinç nimmt schon fast die Hälfte des kleinen Raumes ein. Ein Mann wie ein Öltank. Oder wie der Audi Q7, in dem der Zwei-Meter-Mann und seine drei Söhne vorgefahren sind. Celâl hat eine rostrote Takke auf dem Kopf, in seinem weißen Trainingsanzug ist er eine zeitgenössische Version von Sydney Greenstreet in Casablanca. Genau wie der klassische Filmbösewicht strahlt Celâl selbst im Ruhezustand eine permanente Gefahr aus, ist ein massiver Vulkan, der jederzeit ausbrechen kann. Neben diesem Fleischberg wirken seine Söhne mickrig, obwohl Ömer staturmäßig zumindest die Voraussetzungen hat, es seinem Vater eines Tages gleichzutun. Die Gebrüder Dinç sehen aus, als hätten sich Al Pacino, DJ Khaled und Elyas M´Barek in einem Paralleluniversum zusammengetan und ein Gangster-Rap-Trio gegründet. Allerdings sind die drei ungefähr so street wie die Fanta 4. Die Jungs kommen aus Dahlem, Celâl ist schon Anfang der Neunziger von Moabit in das noble Villenviertel gezogen. Aber wenigstens stimmt der Look: Bora ist Pacino als Michael Corleone in Der Pate 2, der älteste Bruder ist auch der kleinste. Er bevorzugt Anzüge von Bruno Banani, denn die gibt es auch in Größe 25. Ömer ist Khaled, und das nicht nur, weil er beinah ausschließlich die Snipes-Sportswear-Kollektion des Hip-Hop-Produzenten trägt. Auch sein Body-Mass-Index und die Vollbart-Topffrisur-Kombi sind dem DJ-Schwergewicht aus Miami nachempfunden. Apropos Schwergewicht: Ömer ist passionierter Boxer, trainiert täglich in Ahmets Pumpaction Gym. Der jüngste Bruder heißt Cem und ist erst achtzehn, aber er sieht älter aus. Tatsächlich wird er oft mit M´Barek, dem Schauspieler aus Fack ju Göhte, verwechselt. Und das gefällt ihm jedes Mal sehr. Gerne gibt er geduldig Autogramme und steht selbstverständlich für Selfies zur Verfügung. Er strebt eine Karriere als Unterwäsche-Model an, hat auch schon ein Testshooting bei U-Models hinter sich und rechnet täglich mit seiner ersten Buchung. Man spricht Türkisch, was für Toygar nicht immer ganz leicht ist. Zu Hause unterhielten sich seine Eltern nämlich hauptsächlich auf Deutsch mit ihm. Eine weitere Bildungsmaßnahme seines Vaters.

»Soll ich ihm ein paar Backpfeifen verpassen?«

Cem ist immer in Bewegung, tänzelt vor Latif BayramoÄlu hin und her, fuchtelt ihm mit der flachen Hand im Gesicht herum. Toygar stellt sich schützend vor seinen Vater und schiebt Cem zur Seite. Dabei gerät das Topmodel ins Straucheln und muss von Ömer aufgefangen werden.

»Ey, bist du verrückt? Baba, hast du das gesehen?«

Hat er. Celâl gibt Ömer ein Zeichen, woraufhin der seinen Bruder festhält. »Hey, was soll das, lass mich los. Der Penner hat mich geschubst, ich will ihm eine reinhauen!«

Celâl zischt: »Halt´s Maul, du kleiner Scheißer. Hier reden nur Erwachsene!« Er wendet sich an Latif.

»Kinder. Man kann sie sich nicht aussuchen. Zum Glück hat mich Allah mit Bora hier gesegnet. Der ist zwar ein Zwerg, aber dafür nicht ganz so schwachsinnig wie der Rest meiner Brut.«

Toygar muss schlucken. Die Dinç-Brüder sind extreme Unsympathen, aber so eine Behandlung hat kein Sohn verdient, nicht mal dieser traurige Trupp von Möchtegern-Gangstern. Celâl beugt sich herab zu Latif, hält ihm den rechten Zeigefinger vor die Nase.

»Alter Freund, du steckst knietief in Schwierigkeiten. Du hast ernsthafte Probleme! Zum Glück nur mit mir, denn wir haben Geschichte.«

Was man so Geschichte nennt. Celâl und Latif kommen beide aus Tepeköy, einem kleinen Dorf in Zentralanatolien, aber da hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Latif ist Wirt, Celâl verdient sein Geld mit Im- und Export. Was genau er im- und exportiert, weiß man nicht und möchte es vielleicht auch gar nicht wissen. Auf jeden Fall muss die Gewinnspanne phänomenal sein, denn neben seinen Handelsgeschäften »hilft« der selbsterklärte Philanthrop immer wieder Menschen in Geldnot aus der Patsche - gegen einen saftigen Zinssatz natürlich. So rettete Celâl auch Latif, als der mit seinem schicken Istanbul-Ableger in finanzielle Schieflage geriet.

Was in der Turmstraße in Moabit funktioniert, läuft nicht unbedingt auch im Bergmannkiez.

Schick ist relativ. Der BayramoÄlu-Stand ist ein Traum in Purpur, Gold und Weiß, die Barhocker sind mit Samt und Brokat bezogen, die Theke ist aus Marmor. Kristallleuchter und eine flauschige Textiltapete runden das Bild ab. Der Laden passt in die Markthalle wie Dwayne »The Rock« Johnson in einen Wes-Anderson-Film. Die Speisekarte kommt direkt vom Original-Istanbul, hier gibt es praktisch kein Gericht ohne Fleisch, und das ist nicht mal Bio. Deshalb stimmen die Preise, aber dieses Argument kommt beim Marheineke-Publikum nur bedingt an. Celâl Dinç zeigt auf seinen Ältesten.

»Bora, was schuldet uns der Kollege?«

Bora zückt sein iPhone, tippt, scrollt, vergrößert mit zwei Fingern. Er hält das Handy hoch. Auf dem Display blinkt eine 37 mit drei Nullen auf. Gibt´s jetzt schon Kredithai-Apps? Toygar stellt sich die Frage nur im Kopf, aber Cem beantwortet sie trotzdem: »Loan shark, die App mit den nach oben offenen Zinssätzen!« Eben noch technikbegeistert, registriert Toygar jetzt die Höhe der Summe: 37000 Euro! Sein Vater hat sich doch nur 20 000 geliehen, ein kleiner Überbrückungskredit, um die Forderungen der ungeduldigsten Lieferanten zu...

mehr

Autor

Timo Blunck, geboren 1962 in Hamburg, ist Musiker, Sänger, Komponist, Produzent und Autor. Ab 1981 war er Bassist der international erfolgreichen Avantgarde-Punkband Palais Schaumburg. Zur gleichen Zeit gründete Blunck mit Detlef Diederichsen die Band Die Zimmermänner, mit denen er heute noch aktiv ist. Nach Stationen in England und den USA betreibt Blunck seit 2001 in Hamburg die Firma BLUT, die Musik für Filme, Events und Werbung produziert. Die Optimistin ist Bluncks zweiter Roman nach Hatten wir nicht mal Sex in den 80ern?, zu dem es auch ein begleitendes musikalisches Soloalbum gab.