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Aufregende Zeiten

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am23.03.20211. Auflage
Eine beißend komische, zeitgenössische Beziehungsgeschichte, zärtlich und einfühlsam erzählt. «Aufregende Zeiten» spielt im Hongkong der Gegenwart und erzählt die Geschichte einer Dreiecksbeziehung zwischen zwei jungen Frauen und einem Mann. Ava ist 22 und hat keine Ahnung, was sie mit ihrem Leben anstellen soll. Doch dann trifft sie Julian. Einen Banker. Einen Banker, der gerne Geld für sie ausgibt. Und plötzlich findet sie sich im Gästezimmer seiner Wohnung wieder und trinkt Clos Vougeot, spricht über schwankende Kurse und hat Sex. Ihre Einkommensunterschiede sind groß, und sie bewahren die selbsternannte Linke und Feministin Ava vor unangenehmen Fragen. Oder macht es sie vielleicht zu einer schlechten Feministin, dass er für alles zahlt? Das wird sie herausfinden, sobald es vorbei ist. Julian verreist für längere Zeit - und Edith tritt auf den Plan. Edith, die ihr zuhört, wenn sie spricht, und ihr Freesien und Tulpen schenkt. Aber dann kehrt Julian doch unerwartet nach Hongkong zurück ... «Aufregende Zeiten» ist der wilde, intelligente Debütroman einer dezidiert politischen Autorin, die über Beziehungsdynamiken, Machtfragen, finanzielles und emotionales Kapital nachdenkt, ohne sich dabei irgendwelchen Tabus zu unterwerfen. Das Debüt einer jungen Stimme, die laut, deutlich und sehr besonders ist.

Naoise Dolan wurde 1992 in Dublin geboren. Sie studierte Englische Literatur in Dublin und Oxford. Nach ihrem Studium unterrichtete sie Englisch in Singapur und Hongkong. Ihr Debütroman Aufregende Zeiten war u. a. für den Women's Prize for Fiction und den Dylan Thomas Prize nominiert und international ein großer Erfolg. Naoise Dolan lebt in Berlin.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR20,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEine beißend komische, zeitgenössische Beziehungsgeschichte, zärtlich und einfühlsam erzählt. «Aufregende Zeiten» spielt im Hongkong der Gegenwart und erzählt die Geschichte einer Dreiecksbeziehung zwischen zwei jungen Frauen und einem Mann. Ava ist 22 und hat keine Ahnung, was sie mit ihrem Leben anstellen soll. Doch dann trifft sie Julian. Einen Banker. Einen Banker, der gerne Geld für sie ausgibt. Und plötzlich findet sie sich im Gästezimmer seiner Wohnung wieder und trinkt Clos Vougeot, spricht über schwankende Kurse und hat Sex. Ihre Einkommensunterschiede sind groß, und sie bewahren die selbsternannte Linke und Feministin Ava vor unangenehmen Fragen. Oder macht es sie vielleicht zu einer schlechten Feministin, dass er für alles zahlt? Das wird sie herausfinden, sobald es vorbei ist. Julian verreist für längere Zeit - und Edith tritt auf den Plan. Edith, die ihr zuhört, wenn sie spricht, und ihr Freesien und Tulpen schenkt. Aber dann kehrt Julian doch unerwartet nach Hongkong zurück ... «Aufregende Zeiten» ist der wilde, intelligente Debütroman einer dezidiert politischen Autorin, die über Beziehungsdynamiken, Machtfragen, finanzielles und emotionales Kapital nachdenkt, ohne sich dabei irgendwelchen Tabus zu unterwerfen. Das Debüt einer jungen Stimme, die laut, deutlich und sehr besonders ist.

Naoise Dolan wurde 1992 in Dublin geboren. Sie studierte Englische Literatur in Dublin und Oxford. Nach ihrem Studium unterrichtete sie Englisch in Singapur und Hongkong. Ihr Debütroman Aufregende Zeiten war u. a. für den Women's Prize for Fiction und den Dylan Thomas Prize nominiert und international ein großer Erfolg. Naoise Dolan lebt in Berlin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644008588
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum23.03.2021
Auflage1. Auflage
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4872 Kbytes
Artikel-Nr.5447690
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


3

August


Julian war nicht versessen darauf, sich nach der Arbeit noch in der Stadt zu treffen. Schon bald fuhr ich daher abends gegen neun direkt zu seiner Wohnung in den Mid-Levels. Ich sagte ihm, es sei unangenehm und entwürdigend, doch in Wirklichkeit nahm ich gern den Escalator nach oben. Ich betrat den überdachten Fußgängerweg an der Queen´s Road und fuhr mit der Rolltreppe bergauf über Verkaufsbuden in der Stanley Street, Leuchtreklamen - Game & Fun, Happy Massage, King Tailor -, Hochhäuser und überdimensionierte Fenster in der Wellington Street. Vom Central Street Market stiegen fischige Schwaden hoch und danach kam die alte Polizeiwache, erbaut aus dicken weißen radiergummiähnlichen Ziegelsteinen. Wenn ich bei Julians Gebäude ankam, holte ich mir in der Lobby eine Besucherkarte und nahm den Aufzug in den fünfzigsten Stock.

Innen wirkte alles wie in einer Musterwohnung mit nicht sehr überzeugend herumstehendem Krimkrams, der jedem hätte gehören können. Sein offensichtlichster persönlicher Besitz war ein großes, graues MacBook Pro.

Wir holten uns was zu essen und ich machte den Abwasch, ehe wir uns mit einem Glas Wein ins Wohnzimmer setzten. Der Kaminsims war kahl bis auf einen leeren silbernen Bilderrahmen und cremefarbene Kerzen, die noch nie angezündet worden waren. Am Fenster stand ein langes, braunes Ecksofa. Ich zog meine Schuhe aus, legte mich, die Füße auf der Armlehne, hin und schlug in Gesprächspausen abwechselnd die Beine übereinander.

Er rauchte billige Zigaretten, um sich zum Aufhören zu motivieren, sagte er.

Kennengelernt hatten wir uns im Raucherbereich einer Bar in Lan Kwai Fong, wo ihm entweder aufgefallen war, dass ich ihn anguckte, oder er zuerst mich angeguckt hatte, bis ich zurücksah. Doppeldeutigkeiten waren seine Stärke. Ihnen nicht ausweichen zu können meine Schwäche. Weil er an dem Abend sehr langsam sprach, hatte ich gedacht, er sei betrunken - allerdings setzte sich das nüchtern fort, woraus ich schloss, dass er reich war.

Nach einem Monat fragte er: «Lernst du alle deine Freunde in Bars kennen?»

«Ich habe keine Freunde», sagte ich. Er lachte.

Manchmal war er in der Stimmung, sich über die Märkte auszulassen. Dann wieder fragte er mir Löcher in den Bauch, ging aber nur auf meine Antwort ein, wenn sich daraus weitere Nachfragen ergaben. Ich hatte ihm das alles schon erzählt, aber er wollte es noch mal hören: die zwei Brüder, das braune Reihenhaus in einem der langweiligeren Vororte von Dublin, dass ich nach der Schule ein Jahr Auszeit genommen hatte, um Geld fürs College zu sparen. Dass ich mir nach 2008 mit meinem Bruder Tom ein Zimmer geteilt hatte, damit wir das zweite an einen anderen Studenten untervermieten konnten. Dass das längst nicht hieß, dass wir arm waren; eigentlich war es so ziemlich genau das, was mit Irland als Ganzem passiert war, woran die Machenschaften von Banken wie seiner durchaus nicht unschuldig waren.

Julian war in Eton gewesen und Einzelkind. Das waren die zwei am wenigsten überraschenden Dinge, die mir jemals jemand über sich erzählt hatte.

Er fragte, ob mein Akzent dort, wo ich herkam, vornehm war. Mir war noch kein Engländer begegnet, der sich nicht dafür interessiert hätte. Die meisten fragten allerdings nicht geradeheraus - auch Julian nicht, der lediglich wissen wollte, «was für einen» Dubliner Akzent ich hatte -, sondern brachten ihre Neugier irgendwie anders zum Ausdruck. Ich meinte, es sei ein normaler Dubliner Akzent. Er bat um Erklärung. Ich kannte mich mit britischen Akzenten nicht gut genug aus, um einen treffenden Vergleich zu ziehen.

«Aber wie klingt dann ein vornehmer Dubliner Akzent?»

Ich versuchte, es vorzumachen, und er sagte, es klinge amerikanisch.

Er erkundigte sich gern, was ich eigentlich mit meinem Leben anstellen wollte, wenn es an der Zeit war, mir einen richtigen Job zu suchen. Dann bestand er fast väterlich darauf, dass ich meinen Abschluss nicht an irgendwelche zweitklassigen Arbeitgeber verschwenden sollte, und brachte sogar ein überzeugendes Lippenbekenntnis zustande, dass er nicht schlechter von mir dachte, nur weil ich nicht in Oxford studiert hatte. Aber wenn es darum ging, welche Berufe in seinen Augen gut genug für mich waren, wurde er vage. Als Jurist sei man nur eine bessere Bürokraft. Als Consultant fliege man ans Ende der Welt, um PowerPoint-Scheiß zu machen. Als Buchhalter langweile man sich und werde obendrein schlecht bezahlt. Und als Bankerin zu arbeiten passe auf unerfindliche Weise nicht zu mir.

Ich mochte es, wenn er sich die Ärmel aufkrempelte. Er hatte kräftige, quadratische Handgelenke und ausladende Ellbogen. Manchmal argwöhnte ich, er könnte mir anmerken, wie oft ich an seine Arme dachte. Er nannte mich schon für andere, viel banalere Dinge eine Spinnerin, weshalb ich das lieber nicht zugab.

Das erste Mal, dass ich im Gästezimmer schlief, war Mitte August, als Tropensturm «Dianmu» aufzog. Danach bot Julian mir jedes Mal an zu bleiben, wenn es auf Mitternacht zuging. Je nach Energielevel übernachtete ich entweder bei ihm oder nahm den grünen Minibus heim; der Escalator fuhr immer nur in eine Richtung: zur morgendlichen Rushhour abwärts, den Rest des Tages aufwärts.

Das waren die groben Umrisse, ohne dass man es beim Namen hätte nennen können; man konnte sagen, wir hingen rum, waren lose in Kontakt oder schauten mal zum Quatschen vorbei, aber das war zugegeben auch schon alles, was zwischen uns lief. Er stand unter solchem Zeitdruck, dass ich es ihm halb abnahm, er wolle sich aus bloßer Bequemlichkeit lieber bei ihm treffen.

Ich fragte, ob man als Banker überhaupt Zeit für eine Beziehung hatte.

«Auf der Junior-Ebene normalerweise nicht», meinte er. «Viele zahlen einfach dafür.»

Mir war nicht ganz wohl dabei, wie er «dafür» sagte, aber es brachte überhaupt nichts, mit Julian dem Banker eine Diskussion anzufangen. Er war so selbstsicher, dass ihm gar nicht auffiel, wenn ich ihn kritisierte: Er registrierte, dass ich etwas gesagt hatte, und nahm dann einen anderen Gesprächsfaden auf.

Wenn er beim Take-away für mich zahlte oder mich zum Essen einlud und ich im Gegenzug Zeit mit ihm verbrachte, fragte ich mich, ob er das als Bezahlung für ein leichteres «Dafür» ansah. Der Gedanke gefiel mir: dass meine Gesellschaft Geld wert war. Diese Bedeutung schrieb ihr sonst niemand zu. Wir saßen in Räumen mit hohen Decken und er sagte Sachen wie, dass der Hang Seng gefallen und der Shenzhen Composite gestiegen sei und der Shanghai Composite vor sich hin dümpele. Es war nicht wie bei normalen Freundschaften, wo ich mir Sorgen machte, ob der andere mich noch mochte. Er hörte sich gern laut denken, und ich kam zu dem Schluss, dass ich davon profitierte. Man konnte nie wissen, wann eine Information noch einmal wichtig wurde, weshalb man am besten so viele wie möglich davon mitnahm.

Eines Abends in seinem Wohnzimmer sagte ich ihm nach ein paar Gläsern, dass er attraktiv sei. Ich sagte es genau so - «Ich finde dich attraktiv» -, damit es nicht zu bedeutungsvoll klang.

«Du bist auch nicht gerade unattraktiv», erwiderte er.

«Vielleicht verstehen wir uns deshalb so gut.»

«Kann schon sein.»

Wir kannten uns seit ungefähr zwei Monaten, in denen ich insgesamt vielleicht dreißig Stunden in seiner Gesellschaft verbracht hatte - kaum mehr als einen Tag. Aber ich hatte mich schon an den Gedanken gewöhnt, dass er eine Gewohnheit von mir war.

Wenn ich nach Hause ging, sagte er immer: «Danke für deine Zeit.» Ich war nicht sicher, ob er es so förmlich ausdrückte, um sich eine ironische Hintertür offen zu halten wie ich, oder ob ihm einfach nicht bewusst war, wie hölzern das klang. Und er fügte noch hinzu: «Ich schreibe dir dann.» Anscheinend fand er, dass nur der Mann den ersten Schritt machen konnte. Schlimmer noch - es bedeutete, dass ich ihm nicht zuerst schreiben durfte, weil es dann so wirken würde, als hätte ich die Hoffnung begraben, dass er sich je wieder meldet, und keinen anderen Ausweg mehr gesehen.

 

Ich erklärte meinen Neunjährigen, dass man das th auf zwei unterschiedliche Arten aussprechen konnte. Der Laut am Anfang von think und am Ende von tooth war der stimmlose, der am Anfang von that, these und those der stimmhafte dentale Frikativ. Als Dublinerin war ich zweiundzwanzig Jahre herumgelaufen, ohne eins der beiden Phoneme bewusst geformt zu haben. Falls jemand gedacht hatte, dass mit meinem Englisch etwas nicht stimmt, hatte er es jedenfalls für sich behalten. Jetzt musste ich stimmhafte und -lose Frikative üben, damit die Kinder mir nachsprechen konnten.

Calvin Jong - ein Großmaul, aber nützlich - meldete sich freiwillig, bekam es aber nicht hin.

«Bewegt eure Zunge nicht und atmet», sagte ich. So stand es im Lehrerhandbuch, aber als ich es selbst versuchte, brachte ich einen Laut hervor, der anders war als alles, was ich je von einem englischen Muttersprachler gehört hatte - geschweige denn irgendeinem anderen Wirbeltier. Ich beschloss, Julian später danach zu fragen.

 

Schon bevor ich Julian kennenlernte, hatte ich meine Mitbewohnerinnen nicht oft gesehen. Wir wechselten kaum mehr als ein Hallo oder Gute Nacht.

Wir waren zu dritt. Ich hatte das Zimmer auf Airbnb gemietet und plante, so lange zu bleiben, bis ich die Kaution für etwas Dauerhafteres zusammen hatte, aber die anderen wohnten langfristig da. Emily war die Älteste und am zupackendsten. Mit neunundzwanzig lebte sie schon seit ein paar Jahren in...
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Autor

Naoise Dolan wurde 1992 in Dublin geboren. Sie studierte Englische Literatur in Dublin und Oxford. Nach ihrem Studium unterrichtete sie Englisch in Singapur und Hongkong. Ihr Debütroman Aufregende Zeiten war u. a. für den Women's Prize for Fiction und den Dylan Thomas Prize nominiert und international ein großer Erfolg. Naoise Dolan lebt in Berlin.Anne-Kristin Mittag, 1988 geboren, lebt als freie Übersetzerin und Lektorin in München. Sie hat u.a. Ocean Vuong und Maggie O'Farrell ins Deutsche übersetzt.