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Die vierte Schwester

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
400 Seiten
Deutsch
DuMont Buchverlag GmbHerschienen am01.04.20211. Auflage
»Ein Roman mit einem Sog, der eines Thrillers würdig ist.« BRIGITTE In einer heißen Sommernacht verschwindet die kleine Olivia spurlos. Die Familie, deren absoluter Liebling sie war, zerbricht an diesem Unglück. Vor allem für die drei älteren Schwestern dreht sich fortan alles um diesen Verlust und die Beantwortung der Frage nach dem Warum. Dreißig Jahre später taucht Olivias Lieblingsspielzeug wieder auf. Sie beauftragen den Privatdetektiv Jackson Brodie, der jedoch kaum Hoffnung hat, den Fall nach all den Jahren lösen zu können. Für die drei Schwestern ist Olivias Verschwinden das Drama ihres Lebens. All ihre Träume und Sehnsüchte haben sich verflüchtigt, die kleine Schwester dagegen ist allgegenwärtig. Brodie rührt es zu sehen, wie die Frauen um ein normales Leben für sich kämpfen. Er kennt dies nur allzu gut, denn auch er hat seine Schwester auf schreckliche Weise verloren. Pflichtbewusst trägt er seine mageren Ermittlungsergebnisse zusammen - und stößt auf einen Hinweis, der das ganze Ausmaß der Tragödie sichtbar werden lässt. Jackson-Brodie-Reihe: Band 1: Die vierte Schwester (Case Histories) Band 2: Liebesdienste (One Good Turn) Band 3: Lebenslügen (When Will There Be Good News?) Band 4: Das vergessene Kind (Started Early, Took My Dog) Band 5: Weiter Himmel (Big Sky) Alle Bände sind eigenständige Fälle und können unabhängig voneinander gelesen werden.

Kate Atkinson wurde bereits für ihren ersten Roman >FamilienalbumDas vergessene KindDie Unvollendete< den Costa Novel Award 2013. Kate Atkinson lebt in Edinburgh und gilt als eine der wichtigsten britischen
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

Klappentext»Ein Roman mit einem Sog, der eines Thrillers würdig ist.« BRIGITTE In einer heißen Sommernacht verschwindet die kleine Olivia spurlos. Die Familie, deren absoluter Liebling sie war, zerbricht an diesem Unglück. Vor allem für die drei älteren Schwestern dreht sich fortan alles um diesen Verlust und die Beantwortung der Frage nach dem Warum. Dreißig Jahre später taucht Olivias Lieblingsspielzeug wieder auf. Sie beauftragen den Privatdetektiv Jackson Brodie, der jedoch kaum Hoffnung hat, den Fall nach all den Jahren lösen zu können. Für die drei Schwestern ist Olivias Verschwinden das Drama ihres Lebens. All ihre Träume und Sehnsüchte haben sich verflüchtigt, die kleine Schwester dagegen ist allgegenwärtig. Brodie rührt es zu sehen, wie die Frauen um ein normales Leben für sich kämpfen. Er kennt dies nur allzu gut, denn auch er hat seine Schwester auf schreckliche Weise verloren. Pflichtbewusst trägt er seine mageren Ermittlungsergebnisse zusammen - und stößt auf einen Hinweis, der das ganze Ausmaß der Tragödie sichtbar werden lässt. Jackson-Brodie-Reihe: Band 1: Die vierte Schwester (Case Histories) Band 2: Liebesdienste (One Good Turn) Band 3: Lebenslügen (When Will There Be Good News?) Band 4: Das vergessene Kind (Started Early, Took My Dog) Band 5: Weiter Himmel (Big Sky) Alle Bände sind eigenständige Fälle und können unabhängig voneinander gelesen werden.

Kate Atkinson wurde bereits für ihren ersten Roman >FamilienalbumDas vergessene KindDie Unvollendete< den Costa Novel Award 2013. Kate Atkinson lebt in Edinburgh und gilt als eine der wichtigsten britischen
Details
Weitere ISBN/GTIN9783832170783
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum01.04.2021
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.1
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5450446
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

FALL NR. 1, 1970 (VORGESCHICHTE)

Familiengrab

Mussten sie sich nicht glücklich schätzen? Eine Hitzewelle mitten in den Schulferien, genau dort, wo sie hingehört. Jeden Morgen stand die Sonne am Himmel, lange bevor sie aus den Federn waren, verhöhnte die dünnen Vorhänge, die schlaff in den Schlafzimmerfenstern hingen, eine Sonne, die bereits brannte und troff vor Versprechungen, bevor auch nur Olivia die Augen aufschlug. Olivia, so zuverlässig wie ein Hahn, wachte stets als Erste auf, so dass niemand im Haus sich seit ihrer Geburt vor drei Jahren die Mühe machte, einen Wecker zu stellen.

Olivia war die Jüngste und schlief deshalb zurzeit in dem kleinen rückwärtigen Zimmer mit der Tapete mit dem Kinderreim darauf, ein Zimmer, das sie alle einmal belegt hatten und aus dem sie der Reihe nach wieder vertrieben worden waren. Olivia, so niedlich wie ein Kätzchen, darin waren sich alle einig, sogar Julia, die lange gebraucht hatte, um darüber hinwegzukommen, dass sie nicht mehr das Nesthäkchen war, eine Position, die sie vor Olivias Ankunft fünf befriedigende Jahre eingenommen hatte.

Rosemary, ihre Mutter, sagte, sie wünschte, Olivia würde nie älter werden, weil sie so liebenswert sei. Sie hatten nie gehört, dass sie dieses Wort auf eine von ihnen angewandt hätte. Sie hatten nicht einmal gewusst, dass ein Wort wie dieses Bestandteil ihres Vokabulars war, das sich normalerweise auf nervtötende Anweisungen beschränkte - kommt her, geht weg, seid still und - am häufigsten - hört auf. Manchmal tauchte sie in einem Zimmer oder im Garten auf, starrte sie finster an und sagte: Was immer ihr hier tut, hört auf, und dann ging sie wieder, ließ sie in dem Gefühl zurück, ungerecht und schlecht behandelt worden zu sein, auch wenn sie sie auf frischer Tat bei irgendeinem Unfug - normalerweise ausgeheckt von Sylvia - ertappt hatte.

Ihr Geschick, Unheil anzurichten, vor allem unter Sylvias unbekümmerter Führerschaft, kannte offenbar keine Grenzen. Die ältesten drei waren (darin stimmten alle überein) »eine Plage«, vom Alter her zu nahe beieinander, als dass ihre Mutter sie hätte unterscheiden können, und sie wurden zu einem kollektiven Kind, dem sie nur schwerlich individuelle Züge zuschreiben konnte und das sie willkürlich bei einem Namen nannte - Julia-Sylvia-Amelia-wer-immer-du-bist -, in einem ärgerlichen Tonfall, als wäre es die Schuld ihrer Töchter, dass sie so viele waren. Olivia war für gewöhnlich von dieser entnervten Litanei ausgenommen; Rosemary schien sie nie mit den anderen zu verwechseln. Sie waren der Ansicht gewesen, dass Olivia die Letzte wäre, die das kleine rückwärtige Zimmer belegte, und dass eines Tages die Kinderreimtapete schließlich abgekratzt und durch etwas Erwachseneres ersetzt würde (von ihrer zermürbten Mutter, denn ihr Vater behauptete, es sei Geldverschwendung, einen Profi zu engagieren) - Blumen oder vielleicht Ponys, alles wäre besser als das Elastoplastrosa des Zimmers, das Julia und Amelia miteinander teilten, eine Farbe, die den beiden auf der Farbpalette so vielversprechend erschienen war und sich auf den Wänden als so beunruhigend erwiesen hatte und die ihre Mutter nicht überstreichen konnte, weil sie weder die Zeit noch das Geld (und erst recht nicht die Kraft) dafür hatte.

Jetzt stellte sich heraus, dass Olivia sich dem gleichen Übergangsritus wie ihre älteren Schwestern würde unterziehen und die - ziemlich schlecht ausgerichteten - Humpty Dumptys und Little Miss Muffets würde verlassen müssen, um Platz zu schaffen für einen Nachzügler, dessen Ankunft Rosemary am Tag zuvor beiläufig verkündet hatte, als sie im Garten ein notdürftiges Mittagessen aus Corned-Beef-Sandwiches und Orangensaft austeilte.

»War nicht Olivia der Nachzügler?«, sagte Sylvia zu niemandem im Besonderen, und Rosemary runzelte die Stirn, als bemerkte sie ihre älteste Tochter zum ersten Mal. Sylvia, dreizehn und bis vor kurzem ein leicht zu begeisterndes Kind (manche würden sagen übermäßig enthusiastisch), versprach ein sarkastischer und zynischer Teenager zu werden. Die tölpelhafte, Brille tragende Sylvia, deren Zähne seit kurzem in einer hässlichen Spange steckten, hatte fettiges Haar, ein wieherndes Lachen und die langen schlanken Finger und Zehen eines Außerirdischen. Wohlmeinende Menschen nannten sie ein »hässliches Entlein« (sagten es ihr ins Gesicht, als wäre es ein Kompliment; Sylvia fasste es definitiv nicht als solches auf) und stellten sich dabei eine zukünftige Sylvia vor, die ihre Zahnspange abwarf, Kontaktlinsen trug, einen Busen entwickelte und zu einem Schwan erblühte. Rosemary sah den Schwan in Sylvia nicht, vor allem dann nicht, wenn sich ein Stück Corned Beef in ihrer Zahnspange verfangen hatte. Seit geraumer Zeit wurde sie von einer ungesunden religiösen Obsession heimgesucht und behauptete, Gott hätte zu ihr gesprochen. Rosemary fragte sich, ob es sich um eine normale Phase handelte, die pubertierende Mädchen durchliefen, ob Gott schlicht eine Alternative zu Popstars oder Ponys war, und sie beschloss, dass es am besten wäre, Sylvias Tête-à-Têtes mit dem Allmächtigen zu ignorieren. Und zumindest waren Gespräche mit Gott umsonst, während der Unterhalt eines Ponys ein Vermögen gekostet hätte.

Und dann diese sonderbaren Ohnmachtsanfälle, die ihr Hausarzt darauf zurückführte, dass Sylvia »schneller wuchs als ihre Kraft« - eine medizinisch zweifelhafte Erklärung, so es je eine gegeben hatte (Rosemarys Meinung nach). Sie beschloss, die Ohnmachtsanfälle ebenfalls zu ignorieren. Wahrscheinlich versuchte Sylvia damit nur, Aufmerksamkeit zu erregen.

Rosemary hatte den Vater ihrer Kinder, Victor, geheiratet, als sie achtzehn Jahre alt war - nur fünf Jahre älter als Sylvia jetzt. Die Vorstellung, dass Sylvia in fünf Jahren erwachsen genug wäre, um zu heiraten, erschien Rosemary lächerlich und bestärkte sie in dem Glauben, dass ihre eigenen Eltern hätten einschreiten und sie davon abhalten sollen, Victor zu heiraten, sie darauf hätten hinweisen müssen, dass sie noch ein Kind war und er ein sechsunddreißigjähriger Mann. Sie ertappte sich häufig dabei, dass sie ihrer Mutter und ihrem Vater am liebsten Vorwürfe gemacht hätte für ihren Mangel an elterlicher Fürsorge, aber ihre Mutter war kurz nach Amelias Geburt an Magenkrebs gestorben und ihr Vater hatte wieder geheiratet und war nach Ipswich gezogen, wo er die meisten Tage bei den Buchmachern und jeden Abend im Pub verbrachte.

Falls Sylvia in fünf Jahren einen sechsunddreißigjährigen Kindesentführer als Verlobten nach Hause bringen sollte, dann, so glaubte Rosemary, würde sie ihm das Herz mit dem Tranchiermesser herausschneiden (insbesondere wenn er behauptete, ein großer Mathematiker zu sein). Dieser Gedanke war so erfreulich, dass die Ankündigung des Nachzüglers zeitweilig in Vergessenheit geriet und sie den dreien erlaubte, hinauszulaufen auf die Straße zum Wagen des Eisverkäufers, als dieser seine Ankunft klangvoll kundgab.

Das Sylvia-Amelia-Julia-Trio wusste, dass es so etwas wie einen Nachzügler nicht gab und der »Fötus«, wie Sylvia ihn beharrlich nannte (sie interessierte sich für naturwissenschaftliche Fächer), der ihre Mutter so reizbar und lethargisch machte, wahrscheinlich der letzte verzweifelte Versuch ihres Vaters war, einen Sohn zu zeugen. Er war kein Vater, der Töchter liebte, er schien keine von ihnen besonders zu mögen, nur Sylvia gewann gelegentlich seinen Respekt, weil sie »gut in Mathe« war. Victor war Mathematiker und lebte ein hochvergeistigtes Leben, zu dem seine Familie keinen Zutritt hatte. Was ihnen umso leichter fiel, da er kaum Zeit mit ihnen verbrachte: Er war entweder im Institut oder im College, und wenn er zu Hause war, schloss er sich in seinem Arbeitszimmer ein, manchmal mit Studenten, aber meistens allein. Ihr Vater ging nie mit ihnen ins Freibad im Park Jesus Green, spielte nie mit ihnen eine aufregende Partie Schnippschnapp oder Mau-Mau, warf sie nie in die Luft und fing sie wieder auf oder schubste sie auf der Schaukel an, er stakte nie mit ihnen über den Fluss oder wanderte über die Wiesen oder machte mit ihnen einen lehrreichen Ausflug ins Fitzwilliam-Museum. Er war mehr eine Absenz als eine Präsenz, und alles, was er war - und nicht war -, repräsentierte sein sakrosanktes Arbeitszimmer.

Sie wären überrascht gewesen, hätten sie gewusst, dass das Arbeitszimmer einst ein freundliches Wohnzimmer gewesen war, mit Blick auf den Garten hinter dem Haus, ein Zimmer, in dem frühere Bewohner aufs Angenehmste gefrühstückt hatten, in dem die Frauen die Nachmittage mit Nähen und Lesen von Liebesromanen verbrachten und in dem die Familie sich abends versammelte, ein Hörspiel hörte und dabei Karten oder Scrabble spielte. All diese Aktivitäten hatte die frisch verheiratete Rosemary im Kopf, als sie das Haus kauften - 1956, zu einem Preis, der ihre Mittel weit überstieg -, aber Victor beanspruchte den Raum sofort für sich und schaffte es, ihn in einen sonnenlosen Ort zu verwandeln, vollgestopft mit schweren Bücherregalen und hässlichen Aktenschränken aus Eichenholz und nach den filterlosen Capstans stinkend, die er rauchte. Der Verlust des Zimmers war jedoch nichts, verglichen mit dem Verlust des Lebens, mit dem Rosemary es hatte erfüllen wollen.

Was er darin tat, war allen ein Rätsel. Etwas so Bedeutendes, dass sein Familienleben im Vergleich dazu belanglos war. Ihre Mutter behauptete, er sei ein großer Mathematiker und arbeite an etwas, was ihn eines Tages berühmt machen...
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