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Der vierte Lebenslauf Josef Knechts

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
205 Seiten
Deutsch
Suhrkamp Verlag AGerschienen am14.12.20201. Auflage
Diese 1934 entstandene Erzählung, die ursprünglich in Hesses Alterswerk Das Glasperlenspiel aufgenommen werden sollte, ist Fragment geblieben und wurde erst drei Jahre nach seinem Tod veröffentlicht. Sie spielt im 18. Jahrhundert in der Blütezeit der europäischen Musik und des Pietismus und zeigt den Umweg, den der eigentlich für die Musik begabte Josef Knecht auf sich nehmen muß, um der Erwartung seiner frommen Mutter zu entsprechen, die ihren Sohn am liebsten als geistlichen Würdenträger gesehen hätte.



Hermann Hesse, geboren am 2.7.1877 in Calw/Württemberg als Sohn eines baltendeutschen Missionars und der Tochter eines württembergischen Indologen, starb am 9.8.1962 in Montagnola bei Lugano.

Er wurde 1946 mit dem Nobelpreis für Literatur, 1955 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Nach einer Buchhändlerlehre war er seit 1904 freier Schriftsteller, zunächst in Gaienhofen am Bodensee, später im Tessin.

Er ist einer der bekanntesten deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR13,99

Produkt

KlappentextDiese 1934 entstandene Erzählung, die ursprünglich in Hesses Alterswerk Das Glasperlenspiel aufgenommen werden sollte, ist Fragment geblieben und wurde erst drei Jahre nach seinem Tod veröffentlicht. Sie spielt im 18. Jahrhundert in der Blütezeit der europäischen Musik und des Pietismus und zeigt den Umweg, den der eigentlich für die Musik begabte Josef Knecht auf sich nehmen muß, um der Erwartung seiner frommen Mutter zu entsprechen, die ihren Sohn am liebsten als geistlichen Würdenträger gesehen hätte.



Hermann Hesse, geboren am 2.7.1877 in Calw/Württemberg als Sohn eines baltendeutschen Missionars und der Tochter eines württembergischen Indologen, starb am 9.8.1962 in Montagnola bei Lugano.

Er wurde 1946 mit dem Nobelpreis für Literatur, 1955 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Nach einer Buchhändlerlehre war er seit 1904 freier Schriftsteller, zunächst in Gaienhofen am Bodensee, später im Tessin.

Er ist einer der bekanntesten deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783518753071
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum14.12.2020
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.1261
Seiten205 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5452192
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Zweite Fassung

Unter einem der vielen eigensinnigen, begabten und schließlich trotz allen Unarten beinah liebenswerten Herzöge von Württemberg, die sich mit der »Landschaft« ebenso zäh und siegreich wie launisch und knabenhaft um Geld und Rechte einige Jahrhunderte lang gestritten haben, wurde Knecht in der Stadt Beutelsperg geboren, etwa ein Dutzend Jahre nachdem durch den Frieden von Rijswik das Land für eine Weile von den Teufeln erlöst worden war, die es im Auftrag Ludwigs XIV. lange Zeit wahrhaft viehisch gebrandschatzt, ausgesogen und verwüstet hatten. Zwar dauerte der Friede nicht lang, aber der tüchtige Herzog, mit dem damals berühmtesten Feldherrn Prinz Eugen von Savoyen verbündet, raffte sich auf, schlug die Franzosen mehrmals und trieb sie endlich aus dem Lande, das nun seit bald hundert Jahren mehr Krieg als Frieden und mehr Elend als gute Tage gesehen hatte. Das Land war seinem schneidigen Fürsten dankbar, welcher seinerseits energisch die Gelegenheit ergriff, dem Lande ein stehendes Heer aufzunötigen, womit der gewohnte und normale Zustand einer in ewigem Kleinkrieg warm gehaltenen Haßliebe zwischen Fürst und Volk wiederhergestellt war.

(Es folgt eine Notiz des Autors: Sein Leben hat Knecht selbst beschrieben) dann:

Ich Joseph Knecht, weiland Organist in Beitelsperg an der Koller, durch Gottes Gnade soeben von einer schweren Gicht genesen und wieder im Stande mit eigener Hand eine Feder zu führen, will in dieser Schrift, zuhanden meiner Neffen und deren Nachkommen, einige Erinnerungen aus meinem Leben aufzeichnen, obzwar selbes kein glänzendes oder bedeutendes Leben gewesen ist, sondern ein armes und bescheidenes. Man hört heute viel unzufriedene Reden, daß Glaube und Sitte der Väter in Verfall geraten sei und daß uns böse Dinge bevorstünden; manche haben aus der Apokalypse Johannis das baldige Erscheinen des Antichrist vorausgesagt. Ich weiß nicht, wie es damit beschaffen ist, aber was die liebe Musica betrifft, so muß ich selbst eingestehen, daß sie in unserer Epoche zwar manche erstaunliche und aufregende Neuerungen erfahren, im ganzen jedoch die Reinheit, Strenge und Adligkeit der alten Meister verloren hat und zwar modischer und schmeichelnder, aber auch leichtfertiger und zügelloser geworden ist. Möge der Herr alle diese Dinge in treuen Händen halten, und uns seinen Frieden geben, welcher höher ist denn alle Vernunft.

Mein Vaterhaus steht hier in Beitelsperg an der »graden Steig«, welche von der Nonnengasse gegen den Spitalwald hinan führt. In dieser Gasse sind die unteren Häuser recht stattlich mit polierten Türen und schönen Riegelwänden, so geht es bis zur Steigschmiede, die beherrscht mit ihrem hellen Amboßgeläut die ganze Gasse, und vor der Werkstatt ist auf zwei Pfeilern ein Vordach errichtet, daß auch bei Regen und Schnee die Rosse, wenn sie zum Beschlagen kommen, im Trocknen stehen mögen. Dann aber wird die breite Gasse plötzlich schmal und sehr steil und es stehen hier oben nur noch kleine und ärmliche Häuser. Eines von ihnen war das meines Vaters, es stand mit dem Giebel nach der Gasse zu und sah auf dieser Seite niedrig und sonnenlos aus, aber mit der Rückenseite hing es hoch und licht über der Schlucht des Täfelbaches, der hier herabkommt und unten bei der mittleren Mühle in den Fluß mündet. Zwischen dem Bach und der Stadtmauer lag unser kleiner Garten mit ein paar Obstbäumen, darunter waren, meines Vaters Stolz, zwei Zwetschgenbäume. Solche sind zu jener Zeit im Lande noch selten und köstlich gewesen, und waren alle aus jenen paar Reisern oder Kernen gewachsen, welche anno D. 1688 die Übriggebliebenen des berühmten schwäbischen Regimentes aus dem fernen Belgrad mitgebracht hatten, wofür sie noch lange von den Baumzüchtern gepriesen wurden. Als wir klein waren, wenn es dann zur Obsternte kam und mein guter Vater uns die erste Zwetschge zu schmecken in die Händlein gab, sagte er gern dazu: »Kinder, als euer Vater auf die Welt kam, da hat es im ganzen Land noch keinen Zwetschgenbaum gegeben. Da hat unser Herr Herzog ein Regiment Soldaten dem Kaiser zu Hilfe nach Wien geschickt, die haben am 6. IX. 1688 die Festung Belgrad gestürmt, es sind aber die wenigsten von ihnen wieder heimgekommen. Und die haben damals die ersten Zwetschgen mit in unser Land gebracht, und seither haben wir sie und sind froh darüber.«

Unser Haus war klein und bescheiden, aber es lag im höchsten Teil der Stadt, hoch über Kirche, Rathaus und Markt, aus den oberen Stuben und von der Laube war es ein schönes Blicken das Waldtal hinab und hinaufwärts. Die Laube hing frei über der Schlucht, nach den Gewittern und im Frühling beim Tauwind kam der Bach mit Donnern und Brausen, mit dunklen Wassern und weißem Schaum durch die Felsen und Farnkräuter gestürzt, wir sahen es als Kinder gern, aber der Vater hatte keine Freude daran, ihm brachte das Großwasser jedesmal viel Arbeit, Plage und Sorge. Er hatte ein nicht sehr einträgliches, aber seltenes und geachtetes Handwerk und Amt, er war nämlich Brunnenmacher. Dem Gemeinderat war er dafür verantwortlich, daß die Brunnen in der Stadt und Vorstadt Wasser führten und rein gehalten wurden. Es gab zwar vier Brunnen in Beitelsperg, und gibt sie noch heut, welche stetsfort von selber laufen, und manche gute Hausfrau tut es nicht anders: auch wenn es sie einen weiten Weg kostet, füllt sie ihre Trinkwasserkrüge jeden Tag aus einem dieser Brunnen, und trägt ein reines, kaltes Quellwasser nach Hause. Alle anderen Brunnen aber und die Viehtränken werden von entfernteren Quellen her gespiesen, aus Grotten und Brunnenstuben draußen im Walde, und von den Brunnenstuben den weiten Weg in die Stadt rinnt dieses Wasser in hölzernen Röhren, die man Teichel nennt. Die Teichel sind halbierte tannene Stammholzstücke mit halbrund ausgehöhlter Rinne, und man brauchte ihrer das Jahr hindurch hunderte und hunderte. Diese Teichel herzustellen, sie zu Leitungen bald über bald unter der Erde zusammenzulegen und zu befestigen, für Gefälle und Reinhaltung der Wasser zu sorgen, beständig alle Schäden in der Leitung aufzusuchen und auszubessern, war des Brunnenmachers Beruf. In strengen Zeiten, etwa nach Überschwemmungen, arbeitete er mit mehreren Taglöhnern, die ihm von der Stadt gestellt wurden. Mit meinem Vater war der Gemeinderat zufrieden, er war fleißig und zuverlässig und verstand seine Hantierung gründlich, bloß daß er vielleicht ein wenig wortkarg und in jener Weise wunderlich war wie es Leute sind, welche keine Kollegen haben und ihrem Beruf zum größten Teil draußen in Wald und Einsamkeit nachgehen. Für die Kinder der Stadt war unser guter Vater ein geheimnisvoller und nicht gewöhnlicher Mann, mit den Wassernixen bekannt und in den entlegenen, finsteren Brunnenstuben zu Hause, in welche man nicht hineinblicken konnte und in welchen es so fremd und wunderbar schauerlich klang und gluckte, und aus welchen auch die kleinen Kinder sollten geholt werden. Darum fürchteten manche Kinder meinen Vater, weil er ein Waldmensch war und dem Wasser gebot, und auch ich selber, obwohl ich ihn von Herzen liebhatte, habe als kleines Kind eine große Ehrfurcht und ein wenig Scheu vor ihm gehabt. Es gab in der Stadt bloß einen einzigen Mann, an dem ich als Knabe noch ehrfürchtiger emporblickte und der mir noch würdiger, edler und furchtgebietender erschien. Dieser war der Spezial, so heißt bei uns der höchste evangelische Geistliche der Stadt und des Bezirkes, welchem die anderen Pfarrer in Stadt und Dörfern unterstellt sind. Der Spezial war ein schöner, stets schwarz gekleideter und mit einem Hute geschmückter Herr von hoher Gestalt und aufrechter, edler Haltung, stillem bärtigem Gesicht und hoher Stirn. Daß mir dieser Priester so sehr ehrwürdig war, dessen war zum Teil auch meine Frau Mutter Ursache.

Meine Mutter nämlich war eine Pfarrerstochter, und wenn es auch im Haus ihres Vaters sehr schmal zugegangen war und ihre Geschwister in Ärmlichkeit lebten, hielt sie doch große Stücke auf ihre Herkunft, erzählte gern davon und hing mit frommer Treue an den kirchlichen und geistlichen Erinnerungen ihres Vaterhauses. Sie las die Bibel, sang mit uns die Kirchenlieder und erzog uns im gläubigen Gehorsam gegen die Landeskirche und die reine Lehre, wie sie seit den Zeiten Brentii und des J. V. Andreä im Herzogtum treu bewahrt worden war. Wir erfuhren schon früh, daß es auf Erden, und sogar in unsrem eigenen Lande, manche furchtbare und verdammte Irrlehre und falschen Glauben gebe, vor allem waren uns die Gläubigen der römischen Kirche als Papisten und Teufelsdiener bekannt, in Werkheiligkeit und Bilderdienst verkommen; aber es gab auch evangelische und antipäpstliche Kirchen und Lehren, welche trotzdem der Reinheit und Echtheit ermangelten und im Grunde wenig besser waren als das römisch-päpstliche Heidentum. Als einst eine junge Verwandte sich mit einem Schweizer von calvinischem Glauben verlobt hatte und nun Abschied nahm um dahinzuziehen und in der Fremde zu leben, wurde sie von meiner Mutter unter Tränen, Gebeten und Beschwörungen entlassen als ginge sie in Feindes Land und Hand. Unser Vater verhielt sich dabei ganz stumm, wie er denn überhaupt wenig sagte; aber als während jener gerührten Szene die Mutter von einer Nachbarin hinausgerufen wurde und eine kleine Weile wegblieb, legte er der jungen Braut seine Hand auf den Rücken, klopfte ihn sanft und sagte mit seiner tiefen, freundlichen Stimme: »Bärbele, das ist alles nicht halb so schlimm, das kannst du mir glauben. Die Calviner sind Leute grade wie wir, und der liebe Gott hat sie grade so gern wie uns.« Im Hause und in der Erziehung waren es Geist und Wort der Mutter, welche das Regiment führten, und es hatte da alles einen Zug ins Geistliche und Feierliche, so als lebten wir um einen Schritt näher unter Gottes Auge und...
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Autor

Hermann Hesse, geboren am 2.7.1877 in Calw/Württemberg als Sohn eines baltendeutschen Missionars und der Tochter eines württembergischen Indologen, starb am 9.8.1962 in Montagnola bei Lugano.

Er wurde 1946 mit dem Nobelpreis für Literatur, 1955 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Nach einer Buchhändlerlehre war er seit 1904 freier Schriftsteller, zunächst in Gaienhofen am Bodensee, später im Tessin.

Er ist einer der bekanntesten deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts.
Der vierte Lebenslauf Josef Knechts