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VEB Bordell

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
Christoph Links Verlagerschienen am29.07.20161. Auflage
Jenseits sensationslüsterner Medienberichte liefert Uta Falck hier erstmals eine chronologisch angelehnte Gesamtdarstellung zum Thema Prostitution in der DDR. Sie geht dabei den sich wandelnden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen genauso nach wie den veränderten Motiven der Beteiligten. Dominierten in der Nachkriegszeit vor allem existenzsichernde Gründe, bildete sich in den 70er Jahren verstärkt eine auf Luxus und Konsum orientierte Prostitutions-Szene heraus.
Die Akteure - weiblich wie männlich - agierten dabei in der Illegalität und waren häufig gezwungen, sich auf eine Gratwanderung zwischen offiziellem strafrechtlichem Verbot und dem inoffiziellen Informationsinteresse der Staatssicherheit einzulassen.
Uta Falck stützt sich in ihrer lebendig geschriebenen Darstellung sowohl auf zahlreiche Archivmaterialien, retrospektive Aussagen von Zeitzeugen aus dem DDR-Gesundheitswesen, der ehemaligen Volkspolizei, dem gastronomischen und dem Taxigewerbe als auch auf die Informationen von ehemaligen DDR-Prostituierten, die sich zu ausführlichen Gesprächen mit der Autorin bereitfanden.
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Produkt

KlappentextJenseits sensationslüsterner Medienberichte liefert Uta Falck hier erstmals eine chronologisch angelehnte Gesamtdarstellung zum Thema Prostitution in der DDR. Sie geht dabei den sich wandelnden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen genauso nach wie den veränderten Motiven der Beteiligten. Dominierten in der Nachkriegszeit vor allem existenzsichernde Gründe, bildete sich in den 70er Jahren verstärkt eine auf Luxus und Konsum orientierte Prostitutions-Szene heraus.
Die Akteure - weiblich wie männlich - agierten dabei in der Illegalität und waren häufig gezwungen, sich auf eine Gratwanderung zwischen offiziellem strafrechtlichem Verbot und dem inoffiziellen Informationsinteresse der Staatssicherheit einzulassen.
Uta Falck stützt sich in ihrer lebendig geschriebenen Darstellung sowohl auf zahlreiche Archivmaterialien, retrospektive Aussagen von Zeitzeugen aus dem DDR-Gesundheitswesen, der ehemaligen Volkspolizei, dem gastronomischen und dem Taxigewerbe als auch auf die Informationen von ehemaligen DDR-Prostituierten, die sich zu ausführlichen Gesprächen mit der Autorin bereitfanden.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783862843411
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum29.07.2016
Auflage1. Auflage
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5601029
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Vorwort
Von welchen, die auszogen, um mal zu fragen â¦

Das Thema »Prostitution in der DDR« ist nicht neu. Anfang der neunziger Jahre wurde es ausgegraben und bestaunt, doch schnell wieder fallengelassen. Außer der marktschreierischen Botschaft über die Existenz von Prostitution in der DDR machte sich niemand die Mühe, dieses Phänomen im Zusammenhang mit der DDR-Alltagskultur aufzuarbeiten.

Als ehemalige DDR-Bürgerin und Sexualsoziologin mit dem Forschungsschwerpunkt Prostitution lag es nahe, mich diesem Thema ausführlicher zu widmen. Mein persönliches Interesse war vor allem dadurch bestimmt, daß im Gegensatz zur heutigen Prostitutionstätigkeit die Prostitution in der DDR von der Mehrzahl der Beteiligten als positiv eingeschätzt wird. Was lag näher, als nachzufragen, welche konkreten Bedingungen dazu führten, daß die DDR von den Prostituierten als »Superzeit«1 empfunden wird?

Keine von uns beiden2 ahnte damals, wie mühsam es sein würde, Auskünfte zu diesem Thema zu bekommen. Mühsam deshalb, weil die Erinnerungen mit jedem Nachwendetag blasser oder, was noch schlimmer war, neu angestrichen wurden, indem die von uns befragten DDR-Bürger sich westliche Begriffe und Vorstellungen über die Prostitution aneigneten. Mühsam auch, weil eine kompetente Bearbeitung dieser Fragestellung DDR-historische Kenntnisse verlangte. Mühsam nicht zuletzt, weil dieses Thema im Zusammenhang mit Sexualität und - noch bedenklicher - mit der Staatssicherheit steht.

Welchen Schwierigkeiten wir bei der Recherche begegneten, sollen folgende Vorfälle illustrieren. Von Frau Sigrun Schlußstrich* in Berlin-Prenzlauer Berg wußten wir, daß sie über Informationen zur DDR-Prostitution verfügt. Wir schrieben Frau Schlußstrich einen Brief, in dem wir unser Anliegen beschrieben, und baten sie, sich mit uns in Verbindung zu setzen, da wir sie gern besuchen wollten. Wenige Tage später empfing mich mein Anrufbeantworter mit folgender Nachricht: »Mein Name ist Schlußstrich. Sie hatten mir einen Brief geschickt. Ich möchte Sie bitten, von einem Besuch bei mir Abstand zu nehmen. Ich möchte mit diesen - Sachen nichts mehr zu tun haben. Ich habe das abgeschlossen, dieses - Thema.«

Daß Fragen zu diesem Thema so etwas wie einen Eingriff in die Intimsphäre darstellen können, zeigt die Reaktion des Wirtes von »Charlys Kneipe« (ehemals »Quelle am Tor«), der uns mit einem: »Ich frag Sie auch nicht, was Sie gestern mit Ihrem Freund gemacht haben«, mehr oder weniger direkt die Tür wies.

Vielfältig war auch die Reaktionspalette der im November 1995 per Zeitungsaufruf im Berliner »Wochenblatt« gesuchten Zeitzeugen, die ich an dieser Stelle etwas ausführlicher schildern möchte:

-Mich riefen Freier an, die das erste Mal mit jemandem über ihre Erlebnisse mit Prostituierten sprachen.

-Herr Dr. Guntram Gespinst*, der »â¦ über drei Jahre lang Erfahrungen im Betreten von Bordellen - allerdings erst nach der Wende« gesammelt hatte, erkundigte sich, ob ich vielleicht auch vergleichende Fragestellungen zu diesem Thema behandeln würde.

-Ich stritt mit einem Bulgaren, der vor 20 Jahren in die DDR gekommen war und seit der Wende Mitglied der PDS ist, worauf er sehr stolz sei, wie er betonte. Er warf mir vor, das Ansehen der DDR mit Dreck zu bewerfen. Ich versuchte, mein Vorhaben zu erklären, wozu er mir kaum eine Chance ließ. Wütend über soviel Ignoranz beendete ich das Gespräch.

-Eine Anruferin, die offensichtlich Berührung mit dem Thema hatte, beklagte sich über die reißerische Behandlung dieses Themas in den Medien: »Ja, Sybille Satt* ist mein Name. Ich hab das gelesen hier mit der Prostitution in der DDR. Also hier in Bar, Sauna und Straßenstrich ⦠vor allem in den Großstädten . Ich bin jetzt 36 Jahre ⦠also is nich aus den Fingern gesogen. Soviel Schmutz und Dreck, wie ich jetzt lese und sehe - dis habe ich in meinem ganzen Leben echt noch nicht erlebt. Was da krampfhaft vorgekramt werden will und soll, ich weeß nicht. Gibt s denn nich andere Themen, liebe Studentin, zum Beispiel Umweltthemen? Na dann noch schönen Tach, ne? Tschüß.«

Von Anfang an war klar, daß nicht auf einen Forschungsstand mit entsprechend gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen zurückgegriffen werden konnte, sondern entsprechende Befunde erst zu erarbeiten waren. Infolge der Sensibilität des Themas brauchten wir überhaupt nicht über Aufnahmetechnik nachzudenken und arbeiteten deshalb mit Gedächtnisprotokollen, bestenfalls mit handschriftlichen Notizen in Anwesenheit der Zeitzeugen.

Unser Vorgehen orientierte sich an sechs gesellschaftlichen »Kommunikationsfeldern«, die im Kontakt mit dem Prostitutionsgeschehen standen: Gesundheitswesen, Justiz, Staatssicherheit, Gastronomie, Taxigewerbe und Örtlichkeiten, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum vermuteten Prostitutionsgeschehen befanden. In diesen Feldern wollten wir den vergangenen Ereignissen nachspüren.

Den Beginn unserer Forschungsaktivitäten bildeten themenzentrierte Interviews, die wir in der Gegend der Ostberliner Prostitutionsstätten durchführten. Wir sprachen mit Kellnern und Mitarbeitern der ehemaligen »Valuta-Hotels«: des Hotels »Metropol« (heute: »Maritim pro arte«), des »Palasthotels« (heute: »Radisson Plaza SAS«) sowie des Hotels »Stadt Berlin« (heute: »Forum-Hotel«), über ihre Erlebnisse und Erfahrungen mit der Prostitution in der DDR. Neben den Mitarbeitern des Christlichen Hospizes in der Auguststraße befragten wir Anwohner, Kneipen- und Geschäftsinhaber rund um die Oranienburger Straße ebenso wie in der Umgebung der »Yucca«- und »Alibi«-Bar. Ich sprach mit dem Geschäftsführer, einer Bardame und einem Angestellten der »Alibi«-Bar, die sich heute konsequenterweise als Sex-Club präsentiert, und interviewte eine ehemalige Kellnerin der »Yucca«-Bar. Ich recherchierte bei den Wirtschaftsämtern nach deren Wissen über die Vorgänge in diesen Bars. Ergebnislos verliefen Anfragen bei der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin. Wir unterhielten uns mit ehemaligen Angehörigen der Deutschen Volkspolizei in Berlin-Pankow und Berlin-Mitte und plauderten mit Taxifahrern, vor allem mit den Angestellten der aus dem »VEB TAXI« hervorgegangenen Firma »Spreefunk«, die etliche DDR-Taxi-Fahrer übernommen hatte und viele ehemalige DDR-Bürger beschäftigt. Zusätzlich lancierten wir einen Aufruf in der innerbetrieblichen Zeitung.

Wir klopften an die Mitarbeiterzimmer in der Hautklinik der Charité und des Regierungskrankenhauses, ebenso nahmen wir Kontakt zu Fürsorgerinnen der ehemaligen Zentralstelle zur Bekämpfung und Verhütung von Geschlechtskrankheiten in Berlin-Prenzlauer Berg auf. Wir paßten die legendäre Charlotte von Mahlsdorf auf einer ihrer zahlreichen Führungen durch das Gründerzeitmuseum ab und erkundigten uns nach den Gepflogenheiten der Szene in den fünfziger Jahren. Ich versuchte, von West-Huren etwas über deren mehr oder weniger spärliche Kenntnisse von den Geschehnissen im Osten zu erfahren. Wir befragten Eltern, Freunde, Bekannte und Verwandte, sogar vor dem Otto-Versandhaus-Vertreter machte ich nicht halt, als ich merkte, daß der Mann Kenntnisse über das Ostberliner Nachtleben besaß.

Erwähnt seien auch die vielen vergeblichen Versuche, Zeitzeugen zu finden und anzutreffen, bzw. die Enttäuschungen, wenn angebliche Zeitzeugen nur »vage mal dort vielleicht was gehört« hatten oder aber Zeitzeugen auf Grund ungünstiger Interviewsituationen wenig bis nichts erzählen konnten oder wollten. Es war eine Zeit, da wir jedem Hinweis nachgingen und uns auf diese Weise einen Überblick über das kursierende Wissen in der Bevölkerung zu verschaffen versuchten. Irgendwann kam der Punkt, an dem wir feststellten, daß sich die Grenzen des auf diese Weise zu erzielenden Erkenntnisgewinns abzeichneten, und ich begann, mich auf die Suche nach Experten zu machen.

Im Rahmen einer Multiplikatorenschulung zum Thema Prostitution inszenierte ich in Erfurt eine Gruppendiskussion mit ehemaligen Mitarbeitern des DDR-Gesundheitswesens, darunter vielen Fürsorgerinnen. Auf einer Fachtagung »Transsexualität« begegnete ich einer Zeitzeugin, die mir ihre atemberaubende Lebensgeschichte schilderte. Im November 1995 schickte ich, wie oben bereits erwähnt, dem Berliner »Wochenblatt« einen kleinen Artikel mit der kurzen Beschreibung meines Projekts. Die Redaktion textete den folgenden Aufruf:

»Prostitution in der DDR - Zeitzeugen gesucht!

Horizontales Gewerbe in der DDR? Offiziell gab s das nicht. Die Wirklichkeit sah anders aus: Bar, Sauna und Straßenstrich vor allem in den Großstädten.

Eine Berliner Studentin recherchiert das Thema jetzt genauer.

Informationen dazu bitte weitergeben unter der Rufnummer xxx xx xx.

Diskretion wird selbstverständlich zugesichert.«3

Von Prostitution in der Sauna hatte ich niemals geschrieben, die redaktionelle Dichtung stand der Resonanz jedoch nicht im Weg. Noch bevor die Zeitung in den Ostberliner Haushalten verteilt war, landete die erste Nachricht auf meinem Anrufbeantworter. Später stapelten sich die Meldungen - die Zeitzeugen holten mich unter der Dusche hervor und klingelten mich aus Sitzungen. Ich führte sieben mehr oder weniger aufschlußreiche Telefoninterviews und traf mich...
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