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Ratgeber Borderline-Störung

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
140 Seiten
Deutsch
Hogrefe Verlag GmbH & Co. KGerschienen am12.10.20202., überarbeitete Auflage 2020
Etwa drei von hundert Erwachsenen erleben einmal in ihrem Leben eine längere Borderline-Episode: Heftige Schwankungen der Gefühle, suizidale Krisen, Selbstverletzungen und tiefe Verzweiflung gehen einher mit Problemen im zwischenmenschlichen Bereich. Diese betreffen insbesondere das Grundgefühl der 'Zugehörigkeit' zu anderen, sodass tiefgreifende Einsamkeit und Verlorenheit sich oft mit Enttäuschung und Wut abwechseln. Die Neubearbeitung des Ratgebers informiert über die verschiedenen Merkmale der Borderline-Störung und das aktuelle Wissen zu deren Entstehung. Ziel ist es, Betroffene zu einer wirkungsvollen psychotherapeutischen Behandlung zu ermutigen. Der Schwerpunkt liegt hier auf der Dialektisch Behavioralen Therapie (DBT), weil diese spezifisch für die Behandlung der Borderline-Störung entwickelt wurde und sich als sehr wirkungsvoll erwiesen hat. Die Struktur und Arbeitsweise der DBT wird erklärt, drängende Fragen werden aufgegriffen und es werden erste Anleitungen zur Selbsthilfe gegeben. Hilfestellungen für Angehörige, Hinweise zu Selbsthilfegruppen und zur Vernetzung mit anderen Betroffenen (z.B. DBT-Peer-Coaching und Trialog) sowie hilfreiche Internetadressen runden den Ratgeber ab.mehr
Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR14,95
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR12,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextEtwa drei von hundert Erwachsenen erleben einmal in ihrem Leben eine längere Borderline-Episode: Heftige Schwankungen der Gefühle, suizidale Krisen, Selbstverletzungen und tiefe Verzweiflung gehen einher mit Problemen im zwischenmenschlichen Bereich. Diese betreffen insbesondere das Grundgefühl der 'Zugehörigkeit' zu anderen, sodass tiefgreifende Einsamkeit und Verlorenheit sich oft mit Enttäuschung und Wut abwechseln. Die Neubearbeitung des Ratgebers informiert über die verschiedenen Merkmale der Borderline-Störung und das aktuelle Wissen zu deren Entstehung. Ziel ist es, Betroffene zu einer wirkungsvollen psychotherapeutischen Behandlung zu ermutigen. Der Schwerpunkt liegt hier auf der Dialektisch Behavioralen Therapie (DBT), weil diese spezifisch für die Behandlung der Borderline-Störung entwickelt wurde und sich als sehr wirkungsvoll erwiesen hat. Die Struktur und Arbeitsweise der DBT wird erklärt, drängende Fragen werden aufgegriffen und es werden erste Anleitungen zur Selbsthilfe gegeben. Hilfestellungen für Angehörige, Hinweise zu Selbsthilfegruppen und zur Vernetzung mit anderen Betroffenen (z.B. DBT-Peer-Coaching und Trialog) sowie hilfreiche Internetadressen runden den Ratgeber ab.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783844429749
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum12.10.2020
Auflage2., überarbeitete Auflage 2020
Seiten140 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse5851 Kbytes
Artikel-Nr.5605717
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


|29|2  Wie entstehen Borderline-Störungen?

Leider kann die Frage nach der Entstehung der Borderline-Störung nicht eindeutig beantwortet werden. Dies ist jedoch bei allen psychischen Störungen so und übrigens auch bei den meisten sogenannten rein medizinischen Erkrankungen - allerdings hat die Forschung in den letzten Jahren doch neues Licht in die Entstehung und die Aufrechterhaltung der Borderline-Störung gebracht. Die meisten Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass bei der Entstehung biologische, psychische und soziale Anteile zusammenwirken: Man spricht von einem biopsychosozialen Modell . Wenn man über Biologie spricht, so ist es wichtig zu wissen, dass es kein Borderline-Gen gibt. Damit ist diese Störung im strengen Sinn auch nicht vererblich. Die derzeitige Forschung lässt jedoch vermuten, dass gewisse Eigenschaften von Persönlichkeiten erblich sind: im Falle der Borderline-Störung eben hohe Sensitivität und emotionale Empfindlichkeit. Bisweilen kommen Störungen der Aufmerksamkeit und Hyperaktivität hinzu.
2.1  Unerwiderte Beziehungserwartungen (Traumatisch erlebte Invalidierung)

Das Konzept der traumatisch unerwiderten Beziehungserwartungen verdeutlicht man sich am besten an einem Beispiel:



Beispiel

Angenommen, vier Geschwister sitzen gemeinsam vor dem Fernseher und sehen sich einen Film an, in dem eine kurze traurige Episode vorkommt, gefolgt von einer Reihe tröstender und lustiger Sequenzen. Während drei der Geschwister mit dem Film mitschwingen, sitzt der vierte, nennen wir ihn Karl, auch noch nach 15 Minuten mit Tränen in den Augen und schluchzend vor dem Bildschirm. Als die anderen ihn bestürzt fragen, was denn los sei, erzählt er, wie schrecklich traurig diese Szene war. Die anderen haben diese Szene schon fast vergessen und lachen ihn aus. He, das ist doch schon ewig her, das ist doch nicht schlimm, alles nur |30|ein Film, du Heulsuse! Und wenn nun die sorgsame Mutter aus Rücksicht auf die emotionale Befindlichkeit von Karl ihn vom Fernseher wegschickt, wird er sich weinend auf sein Bett werfen und darüber nachdenken, dass er wahrscheinlich bei seiner Geburt verwechselt worden sei und gar nicht in diese barbarische Familie gehöre. Weil diese Episode aber kein Einzelfall in seinem Leben sein wird, wird er beginnen, sich dafür zu schämen, dass er so ist, wie er ist.



Dieses harmlose Beispiel ist bewusst gewählt, um zu verdeutlichen, dass Borderline-Patienten bei weitem nicht immer aus traumatisierenden Familien entstammen. Wir gehen heute davon aus, dass enttäuschende Beziehungserfahrungen ein wichtiges Teilchen im Puzzle der Borderline-Störung darstellen: Menschen mit einer Veranlagung zur Borderline-Störung sind hochsensibel: Oft genügen kleine Anlässe, um heftige Emotionen auszulösen, die dann lange anhalten und das gesamte Befinden stark beeinflussen. Und alle starken Emotionen drängen darauf, mit anderen geteilt zu werden. Menschen mit sehr starken Emotionen haben daher auch immer hohe Erwartungen an das Verständnis und die Anteilnahme der anderen. Es müssen also nicht immer gefühlskalte Angehörige sein, die dem emotional Betroffenen das Gefühl vermitteln, falsch zu sein, anders als die anderen, nicht stimmig und nicht dazugehörend. Es reicht oft aus, einen Unterschied zwischen dem Bedürfnis nach emotionaler Unterstützung, Anteilnahme und Verständnis und dem, was man bekommt, wahrzunehmen: Sehr intensive Emotionen erzeugen ein sehr starkes Bedürfnis nach Verständnis aufseiten der anderen, und selbst wenn dieses Verständnis beim Gegenüber völlig normal entwickelt ist, kann es sein, dass es als nicht ausreichend erlebt wird. Wenn jemand dies wiederholt erlebt, so entwickelt er eine Vorstellung von sich selbst, anders zu sein als alle anderen, nicht dazuzugehören und sich nicht auf andere verlassen zu können. Auf dieser Basis gedeihen dann die Borderline-typischen Eigenschaften: hohe Empfindlichkeit gegenüber Zurückweisung, mangelhaftes Vertrauen, Scham, Selbsthass usw. - und das intensive Bedürfnis nach Zugehörigkeit, Nähe und Anerkennung.

Andererseits berichten auch ca. 50â% der in Deutschland behandelten Borderline-Patientinnen über ausgeprägten sexuellen und körperlichen Missbrauch in der Kindheit und leiden an den Folgen. Auch bei dieser Patientengruppe lässt sich das Gefühl des Fremdseins, also das tiefgreifende |31|Selbstverständnis, anders zu sein als alle anderen und nirgends dazuzugehören, erklären, nämlich durch die schwerwiegende traumatisierende Erfahrung (einhergehend mit Emotionen wie Angst, Schmerz, Ekel, Ohnmacht und Hilflosigkeit) und das Verbot oder die Unmöglichkeit, sich darüber auszutauschen. Aus dieser Sicht kann eine anhaltende Missbrauchserfahrung als Extremfall einer enttäuschten Beziehungserwartung gesehen werden.
2.2  Biosoziales Entstehungsmodell

Abbildung 2 skizziert das biosoziale Entstehungsmodell, welches die beiden oben genannten Befunde berücksichtigt: Etwa die Hälfte der Betroffenen berichtet über schwerwiegende interpersonelle Gewalterfahrungen (sexuellen Missbrauch) in der Kindheit, und etwa 95â% über schwerwiegende enttäuschte Beziehungserwartungen. Zudem berichten viele Eltern von Borderline-Patienten oft glaubhaft, dass spätere Borderline-Patienten bereits im Kindesalter besonders sensibel waren.

|32|Dieses Modell stellt die frühe, prägende Erfahrung von schwerwiegender emotionaler Zurückweisung, von Enttäuschung oder Vernachlässigung ins Zentrum. Diese Erfahrungen können sowohl innerhalb der Familie auftreten als auch später beispielsweise durch Erlebnisse mit Mitschülerinnen und Mitschülern oder anderen Peer-Gruppen. Dabei erscheint es jedoch wichtig, dass diese Erfahrungen nicht immer objektiv das Ausmaß eines Traumas erreichen müssen. Es geht vielmehr um den erlebten Unterschied zwischen der Erwartungshaltung des Kindes oder des Jugendlichen und dem jeweiligen Ausmaß an emotionaler Unterstützung durch die Eltern oder Freunde. Oder einfacher ausgedrückt: Kinder mit hoher emotionaler Sensibilität zeigen an sich ein sehr starkes Bedürfnis nach emotionaler Unterstützung. Bereits ein durchschnittliches Maß an emotionalem Verständnis kann dann als ungenügend und zurückweisend erlebt werden. Darüber hinaus erzeugt auch beispielsweise sexuelle Traumatisierung ein intensives Bedürfnis nach emotionalem Austausch, um die soziale Sicherheit und Unterstützung wiederherzustellen. Ist es nicht möglich, die eigenen emotionalen Erfahrungen mitzuteilen, so wird dies als eine zweite, zusätzliche soziale traumatische Erfahrung verbucht, die oft schwerwiegender erlebt wird als das Trauma selbst.

Viele der Gefühle, die mit diesen Erinnerungen verbunden sind, also Enttäuschung, Demütigung, Ohnmacht, Verlassenheit, Wut und Angst, sind insbesondere für Kinder und Jugendliche sehr schwer zu ertragen. Deshalb erarbeiten die Betroffenen leichter erträgliche Erklärungskonzepte und die zugehörenden Emotionen: Das liegt alles an mir, ich habe etwas Böses getan, dass dies alles passiert (Schuld), Ich bin irgendwie anders oder schlechter als die anderen (Scham), Ich habe nicht verdient, dass ich gut behandelt werde (Selbstverachtung), Ich bin dumm und schlecht (Selbsthass). Hinzu kommen Erwartungen wie: Niemand mag mich, ich werde immer wieder ausgeschlossen werden (Erwartung sozialer Zurückweisung), Wenn ich mich jemandem anvertraue, werde ich fertiggemacht (Misstrauen). Diese Annahmen über sich selbst und die Welt nennt man Selbstkonzept. Und diese Annahmen steuern gemeinsam mit der neurobiologischen Übersensibilität drei zentrale Bereiche der Borderline-Pathologie: Störung der Emotionsverarbeitung, Störung des Selbstbildes und Störung des zwischenmenschlichen Zusammenlebens.

Eine weitere wichtige Rolle für die Entstehung und Aufrechterhaltung der Borderline-Störung spielen aber auch die jeweiligen Verhaltensmuster, die |33|von den Patienten eingesetzt werden, um die akuten emotionalen Krisen zu bewältigen. Manchmal wird eine kurzfristige Lösung zum langfristigen Problem: Wenn sich Patienten daran gewöhnen, starke unangenehme Emotionen mit Alkohol oder...

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