Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Dunkle Seele

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
336 Seiten
Deutsch
HarperCollinserschienen am25.01.20221. Auflage
Wer ist Opfer, wer ist Täter?


Detective Inspector Joanna Harper wird zu einem Tatort gerufen. Ein Mann liegt verblutend in der Badewanne, am Hinterkopf eine schwere Wunde. Er fällt ins Koma. Die Nachbarin sagt aus, dass eine Frau mit einem kleinen Kind auf dem Arm die Treppe hinuntergerannt sei. Die Fahndung nach der Frau mit dem Kind läuft. Was Harper noch nicht weiß: Sie jagt jemanden, der ihr sehr vertraut ist.
Und plötzlich wacht der Patient im Krankenhaus aus dem Koma auf. Ist er wirklich das unschuldige Opfer, das er zu sein scheint? Harper muss einen komplizierten Fall entwirren, in dem nichts so ist, wie es scheint.


Melanie Golding hat in Bath Kreatives Schreiben studiert. Im Jahr 2017 gewann sie einen Preis für ihre Kurzgeschichte beim Mid Somerset Festival sowie den Evelyn-Sanford-Preis. Sie lebt in Bath und schreibt bereits an ihrem nächsten Roman.
mehr
Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextWer ist Opfer, wer ist Täter?


Detective Inspector Joanna Harper wird zu einem Tatort gerufen. Ein Mann liegt verblutend in der Badewanne, am Hinterkopf eine schwere Wunde. Er fällt ins Koma. Die Nachbarin sagt aus, dass eine Frau mit einem kleinen Kind auf dem Arm die Treppe hinuntergerannt sei. Die Fahndung nach der Frau mit dem Kind läuft. Was Harper noch nicht weiß: Sie jagt jemanden, der ihr sehr vertraut ist.
Und plötzlich wacht der Patient im Krankenhaus aus dem Koma auf. Ist er wirklich das unschuldige Opfer, das er zu sein scheint? Harper muss einen komplizierten Fall entwirren, in dem nichts so ist, wie es scheint.


Melanie Golding hat in Bath Kreatives Schreiben studiert. Im Jahr 2017 gewann sie einen Preis für ihre Kurzgeschichte beim Mid Somerset Festival sowie den Evelyn-Sanford-Preis. Sie lebt in Bath und schreibt bereits an ihrem nächsten Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783959679503
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum25.01.2022
Auflage1. Auflage
Seiten336 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5645020
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

KAPITEL 3
JETZT

Ruby

Freitag, 21. Dezember

Als Ruby um die Ecke kam, wusste sie, dass sie in der Bredouille saß. Auf dem Papier war der Plan aufgegangen, aber natürlich hatten sie auch gesehen, dass die Zeit knapp war und kein Zug sich verspäten durfte. Schön dumm also, anzunehmen, die Scheißbahn würde ausgerechnet heute pünktlich sein. Sie eilte die Straße entlang zu dem Laden, vor dem mit blinkendem Blaulicht ein Streifenwagen stand. Wenn die Polizei da war, musste etwas Schlimmes passiert sein. Was hatte Constance getan, weshalb hatte man sie gerufen? Es sollte doch unauffällig über die Bühne gehen - die heimliche Übergabe eines unbekannten Kindes auf einer Kleinstadtstraße, damit sich die Mutter unbemerkt davonmachen konnte. Wenn die Polizei eingeschaltet war, war alles vorbei, bevor sie überhaupt angefangen hatten. War Constance so verzweifelt, dass sie Leonie vor Rubys Ankunft allein zurückgelassen haben könnte? Wenn es nach Constances Geisteszustand in den letzten Tagen ging, glaubte Ruby die Antwort zu kennen. Schreckliche Möglichkeiten gingen ihr durch den Kopf: Leonie zerquetscht unter den Reifen eines Autos, Leonie ertrunken beim Versuch, ihrer Mutter ins Meer zu folgen. Lächerliche zehn Minuten zu spät, mehr war es nicht, und sie konnte nichts dafür, die blöden Züge waren schuld.

Rubys Lunge brannte, als wäre sie stundenlang gelaufen. Dabei waren es höchstens zehn Minuten gewesen. Nicht der Rede wert. Genug Zeit zum Sterben, widersprach sie sich, ohne es zu wollen.

Eine Polizistin kam aus dem Laden, und der Anblick ihrer Uniform versetzte Ruby einen Schlag. Für den Bruchteil einer Sekunde dachte sie, es könnte Joanna sein, doch die Vernunft ging dazwischen: Joanna wohnte und arbeitete in Sheffield, achtzig Kilometer entfernt. Und Joanna trug auch keine Uniform mehr; als Kriminalbeamtin war sie weniger sichtbar.

»Guten Abend, Madam«, sagte die Polizistin. »Kann ich Ihnen helfen?«

Durch das mit Werbung beklebte Schaufenster des Ladens sah Ruby, wie der Inhaber Leonie auf die Theke setzte.

»Ach, es geht schon«, sagte Ruby und dachte: Fehlt ihr was? Ist sie verletzt? Damit wollte sie an der Polizistin vorbei und griff nach der Türklinke.

Mit einem Schritt zur Seite verstellte ihr die Frau den Weg.

»Da können Sie jetzt leider nicht rein. Es ist was passiert.«

Neben der Theke hielt ein Polizist die Tasche mit den Sachen zum Windelwechseln in der Hand, die Constance Ruby zusammen mit dem Kind hatte übergeben wollen. Er durchsuchte sie und legte die Sachen der Reihe nach auf einen Haufen. Von Constance selbst war weder draußen noch im Laden etwas zu sehen. Ruby wurde auf das Wellenrauschen im Hintergrund aufmerksam und hätte sich gerne umgedreht und nach dem Boot Ausschau gehalten, das laut Constance kommen sollte, um sie abzuholen, aber sie wagte es nicht. In der hereinbrechenden Dunkelheit hätte sie es vielleicht ohnehin nicht gesehen. Nach allem, was Constance erzählt hatte, lebte ihre Familie sehr einfach. Ruby stellte sie sich als seefahrende Amische vor, die wie vor hundert und mehr Jahren noch ohne Elektrizität und moderne Technik auskamen.

Ein seltsamer, halb melodischer Schrei ertönte weit draußen auf See, vom Wind verweht, sobald sie ihn gehört hatte. Vielleicht war es ein Schiffshorn. Oder der Wind selbst, wie er zwischen Land und Meer durch die Felsen pfiff.

Sie funkelte die Polizistin an. »Würden Sie mich bitte durchlassen. Ich muss da rein. Das ist mein Baby.« Mein Baby, dachte sie und begriff im selben Moment, dass es stimmte. Biologisch gesehen vielleicht nicht, aber im einzigen Sinn, auf den es ankam. Sie ist jetzt mein Baby.

Bei dem Gedanken straffte sich ihr Rücken, und sie war stolz auf sich.

Ruby reckte den Hals, sah den hilflosen Ausdruck in Leonies Augen und machte erneut einen Schritt zur Tür hin. Die Kleine hatte sie noch nicht bemerkt, und Ruby hätte sie so gern geherzt und ihr gesagt, es würde alles gut. Sie kam aber nicht durch, die Polizistin versperrte ihr immer noch den Weg.

»Sie sind die Mutter?«

»Ja«, sagte Ruby. Ihre Stimme war hoch und leise, und sie befürchtete, ihre Antwort könnte sich zu unsicher angehört haben. Sie räusperte sich. »Darf ich jetzt bitte rein? Sie hat bestimmt Angst.« Wie lange war sie schon in der Obhut der Polizei? Zehn Minuten nur. Allenfalls zwanzig. Ein Klacks.

Die Polizistin baute sich so vor ihr auf, dass sie zurückweichen musste. »Kommen Sie bitte mit, Madam. Gleich wird sich jemand kurz mit Ihnen unterhalten.« Mit leicht ausgebreiteten Armen lenkte die Beamtin Ruby vom Laden weg in Richtung Streifenwagen.

»Kann ich nicht zu ihr?«, fragte Ruby und versuchte, über ihre Schulter hinweg durch die Scheibe zu schauen. »Geht s ihr denn gut? Ist sie in Sicherheit?« Wie sollte sie das nur erklären? Selbst zehn Minuten waren unverzeihlich. »Es tut mir so leid, ich hab nur einen Moment ihre Hand losgelassen, und weg war sie. Ich hab sie aus den Augen verloren.«

Die Schuldgefühle setzten ihr zu. Tränen traten in Rubys Augenwinkel, und ihr Hals war schmerzhaft belegt. In dem ausdruckslosen Gesicht der Beamtin konnte sie keine Regung erkennen. Weder Mitgefühl noch Verständnis. Dann begriff sie, dass es nicht nur an der Blondfärbung und der Uniform lag - die Frau erinnerte sie wirklich an Joanna, und nicht im Guten. Die kühle, distanzierte Haltung war s, sie betrachtete Ruby wie ein fremdes Lebewesen, ein Insekt oder eine Außerirdische.

»Seien Sie so gut und setzen Sie sich hinten rein«, sagte die Beamtin. Seien Sie so gut - ihr blieb offensichtlich nichts anderes übrig.

»Wollen Sie mich etwa festnehmen? Ich habe nichts getan. Es war ein Versehen. Ein Missgeschick.«

Die Beamtin öffnete die Tür des Streifenwagens und bedeutete Ruby einzusteigen. Das Funkgerät rauschte und knarzte, und sie beugte sich vor, um es leiser zu stellen.

»Haben Sie Kinder?«, fragte Ruby, doch die Polizistin antwortete nur wieder: »Seien Sie so gut.«

Am besten tat sie wohl, wie ihr geheißen. Vorsichtig stieg sie ein, saß dann mit zusammengedrückten Knien steif da und blickte auf die Kopfstütze vor ihr.

»Geht ganz schnell, Madam.«

Als sich die Tür schloss, hüllte sie Dunkelheit ein. Die Polizistin ging davon, und Ruby fasste nach der Tür, um zu sehen, ob notfalls eine Fluchtmöglichkeit bestand. Der Griff entglitt ihr, als sie daran zog - nichts da. Kindergesichert. Das musste ein Missverständnis sein. Sie konnten sie ja wohl nicht gefangen halten, wenn sie nichts getan hatte.

Sie sah den Besitzer und den Polizisten im Laden miteinander reden. Die Tür war genauso mit Postern und Aufklebern bepflastert wie die Schaufenster, sodass man nur halbe Gesichter oder kurz einmal gestikulierende Hände sehen konnte. Als die Beamtin, die sie in den Wagen verfrachtet hatte, zur Ladentür kam und sie öffnete, war Leonie ganz zu sehen, wie sie auf der Theke saß und Schokostückchen aus einer Goldpapierschale aß, die neben ihr stand. Eine Schale aus der Dekoration. Dem Sondergast spendiert. Leonie war ganz ins Schleckern vertieft, wählte in aller Ruhe ein Stückchen aus, nahm es behutsam in die Finger, sperrte übertrieben weit den Mund auf, um es hineinzustecken, und traf noch bevor sie mit Kauen fertig war ihre nächste Wahl. Erleichtert schloss Ruby die Augen. Das kleine Gesicht war fleckig vom Weinen und schokoladenverschmiert, aber Leonie ging es gut. Nur darauf kam es letztlich an. Alles würde sich finden.

Die Ladentür schloss sich, und wieder war ihr die Sicht versperrt. Halb sah sie den Rücken der Polizistin, die sich mit ihrem Kollegen unterhielt, dann einen Ausschnitt vom Gesicht des Kollegen, wie er sein Funkgerät in die Hand nahm und hineinsprach. Dabei wanderte sein Blick zu Ruby, aber gesehen hatte er sie im Dunkeln wohl nicht. Sie strich ihren Rock glatt, legte etwas Lippenbalsam auf und bemühte sich, ruhig zu atmen. Das war jetzt die Feuerprobe. Nie hätte sie gedacht, dass die so schnell kommen würde. Ruby wusste nicht, ob sie schon dafür bereit war.

Sie holte lange und tief Luft. Das Mädchen hat sonst keinen auf der Welt. Ich muss das machen. Es wenigstens versuchen. Draußen kam ein lang gezogener lauter Ruf fern von den Wellen her und hallte rings um die Bucht wider. Diesmal wusste sie, was es war. Die Seehunde riefen. Fragte sich nur, was. Ihr kam das Wiegenlied in den Sinn, das Constance ihr beigebracht hatte und das sie Leonie oft vorsang: Ionn da, ionn do, ionn da, od-ar da. Laut Constance hieß es »Die Freude der Seehundfrau«. Der Titel kam ihr jetzt verfehlt vor, und im Kopf hörte sie die Worte in Moll.

Zwei Autos fuhren vor: ein Streifenwagen, der an der Strandmauer gegenüber parkte, und ein großer schwarzer Lieferwagen, der direkt hinter dem Wagen hielt, in dem sie gefangen saß. Im Seitenspiegel sah sie, wie eine Frau im Hosenanzug aus dem schwarzen Fahrzeug stieg und den Laden betrat. Nach einiger Zeit kam die Frau wieder heraus, hielt Leonies kleine Hand in der ihren und führte sie davon.

Ruby klopfte von innen an die Scheibe und rief Leonies Namen. Die Kleine hob den Kopf, wunderte sich vielleicht, wo das Klopfen herkam. Ihr Mund formte das Wort »Mama«, aber sie schaute in die falsche Richtung, über die falsche Schulter, zurück zum Laden.

»Hier!«, rief Ruby, »hier bin ich, Schätzchen. Hier drin. Baby? Hier ist Mama-Bi!« Rubys Augen brannten wieder von zurückgehaltenen Tränen. Ihre Fingernägel bohrten sich in ihre Handteller und hinterließen dunkelrote...
mehr

Autor

Melanie Golding hat in Bath Kreatives Schreiben studiert. Im Jahr 2017 gewann sie einen Preis für ihre Kurzgeschichte beim Mid Somerset Festival sowie den Evelyn-Sanford-Preis. Sie lebt in Bath und schreibt bereits an ihrem nächsten Roman.