Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Nur der Mond war Zeuge

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
432 Seiten
Deutsch
OKTOPUS by Kampaerschienen am18.03.20211. Auflage
Milford ist ein idyllisches Provinznest in England, in dem nie etwas passiert. In der einzigen Anwaltskanzlei vor Ort führt der junge Robert Blair in 41. Generation die Geschäfte. Seine einzige Abwechslung sind die Kekse, die täglich zur tea time gereicht werden - bis eines Abends das Telefon klingelt. Marion Sharpe und ihre Mutter, die ein abgelegenes Herrenhaus bewohnen, haben Besuch von Scotland Yard. Ein junges Mädchen behauptet, von den beiden entführt und in ihr Haus verschleppt worden zu sein. Einen Monat lang wurde die 15-Jährige dort festgehalten, sagt sie, und musste als Haushälterin arbeiten, ehe ihr schließlich die Flucht gelang. Ein unerhörte Behauptung, eine Unverschämtheit! Allerdings: Das Mädchen kann jedes Detail im Innern des Hauses beschreiben. Der Anwalt, der sonst nur Testamente aufsetzt (für eine schrullige alte Dame jede zweite Woche ein neues), steht vor einer großen Herausforderung: Er soll die Unschuld der Frauen beweisen.

Josephine Tey ist das Pseudonym der schottischen Autorin Elizabeth MacKintosh (1896-1952), die vor allem für ihre Kriminalromane bekannt geworden ist. Mit dem Schreiben begann sie, nachdem sie ihre Arbeit als Sportlehrerin aufgeben musste, um ihre Mutter zu pflegen, die an Krebs erkrankt war. Nach deren Tod kümmerte sich Tey um den Vater und blieb auch danach in ihrem Elternhaus wohnen. Tey lebte sehr zurückgezogen, mied Interviews und öffentliche Auftritte. Sie starb im Alter von 55 Jahren während einer Reise nach London. Ihr Roman Alibi für einen König wurde von der englischen Autorenvereinigung Crime Writers' Association zum besten Kriminalroman aller Zeiten gewählt und 1969 mit dem Grand prix de littérature policière ausgezeichnet.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR19,90
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR14,99

Produkt

KlappentextMilford ist ein idyllisches Provinznest in England, in dem nie etwas passiert. In der einzigen Anwaltskanzlei vor Ort führt der junge Robert Blair in 41. Generation die Geschäfte. Seine einzige Abwechslung sind die Kekse, die täglich zur tea time gereicht werden - bis eines Abends das Telefon klingelt. Marion Sharpe und ihre Mutter, die ein abgelegenes Herrenhaus bewohnen, haben Besuch von Scotland Yard. Ein junges Mädchen behauptet, von den beiden entführt und in ihr Haus verschleppt worden zu sein. Einen Monat lang wurde die 15-Jährige dort festgehalten, sagt sie, und musste als Haushälterin arbeiten, ehe ihr schließlich die Flucht gelang. Ein unerhörte Behauptung, eine Unverschämtheit! Allerdings: Das Mädchen kann jedes Detail im Innern des Hauses beschreiben. Der Anwalt, der sonst nur Testamente aufsetzt (für eine schrullige alte Dame jede zweite Woche ein neues), steht vor einer großen Herausforderung: Er soll die Unschuld der Frauen beweisen.

Josephine Tey ist das Pseudonym der schottischen Autorin Elizabeth MacKintosh (1896-1952), die vor allem für ihre Kriminalromane bekannt geworden ist. Mit dem Schreiben begann sie, nachdem sie ihre Arbeit als Sportlehrerin aufgeben musste, um ihre Mutter zu pflegen, die an Krebs erkrankt war. Nach deren Tod kümmerte sich Tey um den Vater und blieb auch danach in ihrem Elternhaus wohnen. Tey lebte sehr zurückgezogen, mied Interviews und öffentliche Auftritte. Sie starb im Alter von 55 Jahren während einer Reise nach London. Ihr Roman Alibi für einen König wurde von der englischen Autorenvereinigung Crime Writers' Association zum besten Kriminalroman aller Zeiten gewählt und 1969 mit dem Grand prix de littérature policière ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783311702511
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum18.03.2021
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.3
Seiten432 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1416 Kbytes
Artikel-Nr.5673541
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Nur der Mond war Zeuge

1

Es war ein Frühlingstag, vier Uhr nachmittags, und Robert Blair trug sich mit dem Gedanken, nach Hause zu gehen.

Die Kanzlei würde natürlich erst um fünf Uhr schließen. Aber wenn man der einzige Blair in der Firma Blair, Hayward und Bennet ist, dann geht man nach Hause, wenn einem danach zumute ist. Und wenn man es hauptsächlich mit Testamenten, Geld- und Grundstücksangelegenheiten zu tun hat, dann hat man am späten Nachmittag nicht mehr groß mit Klienten zu rechnen. Und wenn man in Milford lebt, wo die letzte Post um Viertel vor vier herausgeht, dann verliert ein Tag lange vor vier Uhr seinen Schwung, sofern er überhaupt je welchen hatte.

Es war sogar recht unwahrscheinlich, dass sein Telefon noch einmal klingeln würde. Seine Golfkumpane würden mittlerweile irgendwo zwischen dem 14. und dem 16. Loch angelangt sein. Niemand würde ihn zum Abendessen einladen, denn in Milford werden solche Einladungen nach wie vor mit der Hand geschrieben und per Post zugestellt. Auch Tante Lin würde nicht anrufen und ihn bitten, auf dem Rückweg den Fisch mitzubringen, denn sie saß, wie sie das alle 14 Tage einmal zu tun pflegte, im Kino und war zu diesem Zeitpunkt gerade erst 20 Minuten in den Hauptfilm versunken, um es einmal so zu sagen.

Da saß er also, in der schläfrigen Nachmittagsstimmung eines Landstädtchens, und betrachtete den letzten Streifen Sonnenlicht auf seinem Schreibtisch - jenem Mahagonitisch mit Messingintarsien, mit dem sein Großvater die ganze Familie in Aufruhr versetzt hatte, als er damit aus Paris zurückkehrte - und überlegte, ob er nach Hause gehen solle. Der Sonnenstrahl beschien das Tablett mit seinem Teegeschirr, und es war bezeichnend für Blair, Hayward und Bennet, dass es sich, wenn es um Tee ging, nicht um ein schwarzes Blechtablett mit einer x-beliebigen Tasse handelte. An jedem Arbeitstag betrat Miss Tuff Punkt Viertel vor vier mit einem Lacktablett und einem schmucken weißen Deckchen darauf sein Büro und servierte ihm den Tee in einer blau gemusterten Porzellantasse, dazu gab es auf einem passenden Teller zwei Kekse: Butterplätzchen montags, mittwochs und freitags, Haferplätzchen am Dienstag und Donnerstag.

Als er das Tablett nun so in aller Ruhe betrachtete, ging ihm durch den Kopf, wie sehr darin die Beständigkeit von Blair, Hayward und Bennet zum Ausdruck kam. An das Porzellan konnte er sich erinnern, so weit seine Erinnerung überhaupt zurückreichte. Mit dem Tablett hatte, als er noch ein kleiner Junge war, die Köchin zu Hause das Brot vom Bäcker geholt, und seine Mutter hatte es in jungen Jahren in Sicherheit gebracht und mit in die Kanzlei genommen, wo dann die blau gemusterten Tassen darauf serviert wurden. Das Deckchen war erst Jahre später - zusammen mit Miss Tuff - dazugekommen. Miss Tuff war ein Produkt des Krieges: die erste Frau, die jemals in einer respektablen Milforder Anwaltskanzlei hinter einem Schreibtisch gesessen hatte. Unverheiratet, linkisch, dürr und ernst, war das Auftreten Miss Tuffs eine Revolution gewesen. Doch die Firma hatte die Revolution fast ohne jeden Aufruhr überstanden, und jetzt, fast ein Vierteljahrhundert später, konnte sich niemand mehr vorstellen, dass die schmale, graue, würdevolle Miss Tuff jemals eine Sensation gewesen war. Ja, die einzige Veränderung, die sie in die unerschütterliche Routine gebracht hatte, war die Einführung des Deckchens auf dem Tablett gewesen. Bei Miss Tuff zu Hause wurde niemals ein Gedeck unmittelbar auf das Tablett gestellt, ebenso wenig wie kein Kuchen direkt auf der Kuchenplatte serviert wurde - stets gehörte ein Deckchen oder eine Serviette dazwischen. Folglich hatte das nackte Tablett Miss Tuffs Missfallen erregt. Außerdem hatte sie das Lackmuster störend, unappetitlich und »komisch« gefunden. Und so kam es, dass sie eines Tages ein Deckchen von zu Hause mitgebracht hatte - solide, einfach und weiß, wie es sich für etwas gehörte, von dem man essen wollte. Und Roberts Vater, der das Lacktablett gern gehabt hatte, besah sich das einfache weiße Tuch und war gerührt, dass die junge Miss Tuff sich so um das Wohl der Firma sorgte. Das Deckchen war geblieben, wo es war, und gehörte nun ebenso zum Leben der Firma wie die Schatullen mit ihren Dokumenten, das Messingschild und Mr Heseltines alljährlicher Schnupfen.

Und dann, als sein Blick auf dem blauen Teller ruhte, auf dem die Kekse gelegen hatten, hatte Robert wieder dieses seltsame Gefühl in der Brust. Das Gefühl hatte nichts mit den beiden Haferkeksen zu tun, jedenfalls nicht im physischen Sinne. Es war die Unveränderlichkeit dieser Keksroutine - die stille Gewissheit, dass er am Donnerstag Haferkekse und am Montag Butterkekse bekommen würde. Bis zum vergangenen Jahr hatte er nichts Unangenehmes an Unveränderlichkeit und stiller Gewissheit finden können. Er hatte niemals ein anderes Leben gewollt als dieses - das angenehme, ruhige Leben in dem Ort, in dem er groß geworden war. Auch heute noch wünschte er sich nichts anderes. Doch dann und wann war ihm in letzter Zeit ein seltsamer, fremder Gedanke in den Sinn gekommen, belanglos und unerwünscht. Soweit er ihn in Worte fassen konnte, lautete er: Das ist alles, was du jemals bekommen wirst. Und mit dem Gedanken verspürte er dann für einen Augenblick dieses Gefühl der Beklemmung in der Brust. Ein beinahe panisches Gefühl, ein Stich, wie er ihm einst als Zehnjähriger durchs Herz gegangen war, wenn er an den Termin beim Zahnarzt dachte.

Robert ärgerte sich darüber, ja, er war verwirrt, denn er hielt sich für einen glücklichen und vom Leben bevorzugten Menschen, und sicherlich war er auch kein Kind mehr. Warum sollte sich ihm plötzlich dieser fremde Gedanke aufdrängen und dafür sorgen, dass es sich tief in ihm so elend zusammenzog? Was hatte denn seinem Leben gefehlt, was ein Mann womöglich vermissen konnte?

Eine Frau?

Aber er hätte ja heiraten können, wenn ihm danach zumute gewesen wäre. Zumindest nahm er das an - es gab in der Umgebung eine ganze Reihe von weiblichen Wesen, die nicht gebunden waren, und sie hatten ihm niemals zu verstehen gegeben, dass sie ihn unattraktiv fanden.

Eine treu sorgende Mutter?

Aber welche Mutter hätte ihn treuer umsorgen können, als Tante Lin das tat - die gute Tante Lin, die ihn vergötterte?

Reichtum?

Aber was hatte er jemals gewollt, dass er sich nicht auch hatte kaufen können? Wenn das kein Reichtum war, dann wusste er nicht, was das sein sollte.

Ein aufregendes Leben?

Aber er hatte sich niemals Aufregung gewünscht. Jedenfalls keine größere Aufregung als die, die man bei einem Tag auf der Jagd erlebte oder wenn man am 16. Loch gleichzog.

Was war es also?

Was sollte dieser »Das ist alles, was du jemals bekommen wirst«-Gedanke?

Vielleicht, dachte er, während er auf den blauen Teller starrte, auf dem die Kekse gelegen hatten, hielt sich im Unterbewusstsein eines Mannes einfach nur die kindliche Erwartung, dass immer am nächsten Tag etwas ganz Wunderbares geschehen werde. Solange es denkbar war, dass der Traum Wirklichkeit wurde, und erst wenn man die 40 überschritten hatte und eine Erfüllung immer unwahrscheinlicher wurde, drängte sich diese Erwartung ins Bewusstsein, ein verlorenes Stück Kindheit, das nun Beachtung finden wollte.

Es stand ganz außer Frage, dass er, Robert Blair, sich aus vollem Herzen wünschte, sein Leben möge bis zu seinem Todestag so weitergehen, wie es war. Er hatte schon zu Schulzeiten gewusst, dass er in die Firma eintreten und eines Tages die Stelle seines Vaters übernehmen würde, und mit gutmütigem Mitleid hatte er diejenigen Jungen betrachtet, für die keine Nische im Leben bereitstand - auf die kein Milford wartete, voller Freunde und Erinnerungen; kein zugewiesener Platz in der englischen Tradition, wie ihn Blair, Hayward und Bennet bereitstellte.

In diesen Tagen gab es keinen Hayward in der Firma - seit 1843 gab es keinen mehr; doch ein junger Spross der Bennets hielt sich gerade jetzt im Hinterzimmer auf. »Sich aufhalten« war die angemessene Bezeichnung, denn es war sehr unwahrscheinlich, dass er tatsächlich arbeitete; was ihn in seinem Leben am meisten beschäftigte, war der Wunsch, Gedichte von so erlesener Originalität zu schreiben, dass niemand außer Nevil selbst daraus schlau werden konnte. Robert fand die Gedichte fürchterlich, doch über die Nichtstuerei sah er hinweg, denn er erinnerte sich noch gut, dass er, als er selbst sich in jenem Hinterzimmer aufgehalten hatte, die Zeit damit verbracht hatte, übungshalber mit dem Mashie Bälle in den ledernen Lehnstuhl zu schlagen.

Der Sonnenstrahl glitt vom Ende des Tabletts hinunter, und Robert beschloss, dass es Zeit war zu gehen. Wenn er jetzt aufbrach, dann konnte er auf dem Weg nach Hause noch die High Street hinuntergehen, bevor die Ostseite im Schatten lag - und die Hauptstraße von Milford hinunterzugehen, das zählte nach wie vor zu den Dingen, die ihm ausgesprochene Freude bereiteten. Nicht dass Milford besonders sehenswert gewesen wäre. Man konnte Hunderte solche Städtchen südlich des Trent finden. Doch in seiner unauffälligen Art war es ein Beispiel dafür, welch gutes Leben man in England in den vergangenen 300 Jahren geführt hatte. Von dem ehemaligen Wohnhaus, in dem Blair, Hayward und Bennet seine Räume hatte, das in den letzten Jahren der Regierungszeit Karls II. erbaut worden war und von dessen Eingang man unmittelbar...

mehr

Autor

Josephine Tey ist das Pseudonym der schottischen Autorin Elizabeth MacKintosh (1896-1952), die vor allem für ihre Kriminalromane bekannt geworden ist. Mit dem Schreiben begann sie, nachdem sie ihre Arbeit als Sportlehrerin aufgeben musste, um ihre Mutter zu pflegen, die an Krebs erkrankt war. Nach deren Tod kümmerte sich Tey um den Vater und blieb auch danach in ihrem Elternhaus wohnen. Tey lebte sehr zurückgezogen, mied Interviews und öffentliche Auftritte. Sie starb im Alter von 55 Jahren während einer Reise nach London. Ihr Roman Alibi für einen König wurde von der englischen Autorenvereinigung Crime Writers' Association zum besten Kriminalroman aller Zeiten gewählt und 1969 mit dem Grand prix de littérature policière ausgezeichnet.