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Reliquienraub

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
272 Seiten
Deutsch
Emons Verlagerschienen am09.04.2020
Lakonisch, ironisch, genial kriminalistisch. Regionaler geht's nicht. Entsetzen in der Bischofsstadt Eichstätt: Die fahrlässig schlecht gesicherten Gebeine des heiligen Willibald sind von einem Erpresser aus ihrem Schrein im Dom geraubt worden, und die Rückgabe endet mit dem Tod eines Mittelsmanns. Während in der Stadt Prozessionen und Sühneandachten stattfinden, nehmen die Oberkommissare Mike Morgenstern und Peter Hecht die Ermittlungen auf. Schnell müssen sie feststellen: Es ist nicht einfach, Sünder, Heilige und Scheinheilige auseinanderzuhalten.

Richard Auer, Jahrgang 1965, studierte Diplom-Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt und hielt der Stadt auch danach die Treue. Mit seiner Frau und drei Söhnen sowie Kater Lorenzo wohnt er mitten in der barocken Altstadt. Seit über 25 Jahren arbeitet er als Tageszeitungsredakteur im Altmühltal.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR9,49

Produkt

KlappentextLakonisch, ironisch, genial kriminalistisch. Regionaler geht's nicht. Entsetzen in der Bischofsstadt Eichstätt: Die fahrlässig schlecht gesicherten Gebeine des heiligen Willibald sind von einem Erpresser aus ihrem Schrein im Dom geraubt worden, und die Rückgabe endet mit dem Tod eines Mittelsmanns. Während in der Stadt Prozessionen und Sühneandachten stattfinden, nehmen die Oberkommissare Mike Morgenstern und Peter Hecht die Ermittlungen auf. Schnell müssen sie feststellen: Es ist nicht einfach, Sünder, Heilige und Scheinheilige auseinanderzuhalten.

Richard Auer, Jahrgang 1965, studierte Diplom-Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt und hielt der Stadt auch danach die Treue. Mit seiner Frau und drei Söhnen sowie Kater Lorenzo wohnt er mitten in der barocken Altstadt. Seit über 25 Jahren arbeitet er als Tageszeitungsredakteur im Altmühltal.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783960416289
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum09.04.2020
Reihen-Nr.8
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3425 Kbytes
Artikel-Nr.5674907
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Sonntag, 30. Juni

In der Familie Morgenstern hing an diesem Tag Anfang Juli der Haussegen schief, so schief, dass er knapp an der Neunzig-Grad-Marke kratzte. Und schuld daran war einzig und allein Mike Morgenstern, der Familienvorstand. Wieder und wieder verfluchte er sich für sein löchriges Gedächtnis, vor allem aber für sein miserables Einfühlungsvermögen in die rätselhafte Gedankenwelt von Frauen, speziell einer Frau: seiner Ehefrau. Ehe, das war das Stichwort und gleichzeitig der Kern des Problems.

Mike Morgenstern, Kriminaloberkommissar in Ingolstadt, im Großen und Ganzen fürsorglicher Familienvater und einigermaßen aufmerksamer Gatte, hatte seinen Hochzeitstag vergessen. Aus den Augen verloren. Verschwitzt. Versiebt. Verschusselt. Versemmelt. Versaubeutelt. Er hätte sich ohrfeigen können. Denn siehe: Es war nicht irgendein »krummer« Gedenktag, sondern ein Jubiläumstag. Ein »runder«. Es war der zehnte Hochzeitstag, und wer Augen hat zu sehen, der hätte, eingraviert in Mike Morgensterns goldenen Ehering, jederzeit das Datum nachlesen können. Fein in verspielt-verschnörkelter Schrift eingepunzt, stand dort die Dreifaltigkeit von Tag, Monat und Jahr, zusammen mit dem schönen Vornamen »Fiona«.

Ebendiese Fiona hatte an diesem Tag, zufällig auch noch ein Sonntag, diverse Vorbereitungen getroffen, um das Jubiläum in angemessener Weise begehen zu können. Sie hatte einen Familienausflug mit den Kindern nach Nürnberg geplant, mit Einkehr in der beliebten Gaststätte »Gutmann am Dutzendteich« und anschließendem Besuch im Zoo. Für die Heimfahrt ins Altmühltal, nach Eichstätt, hatte sie zur Feier des Tages sogar noch eine Stippvisite bei einem der Fast-Food-Restaurants an der Autobahnausfahrt Greding ins Auge gefasst. Entgegen ihren eigenen Prinzipien in Sachen nachhaltiger und gesunder Ernährung, so der Plan, würde sie ihren in dieser Hinsicht schrecklich gedankenlosen Söhnen Marius und Bastian samt Ehemann Mike eine Ausnahme erlauben.

Es hatte nicht sollen sein. Schon am Dutzendteich hatte Mike Morgenstern diverse Winke mit dem Zaunpfahl ignoriert, auch später im Tiergarten, als Fiona mehrmals kleine Anspielungen auf den Jubeltag gemacht hatte, war er gleichfalls mit beiden Füßen konsequent auf der Leitung gestanden, und schließlich war Fiona der allmählich dünner gewordene Geduldsfaden gerissen.

Gerade, als sich die Morgenstern-Männer im Affenhaus vor der großen Glasscheibe versammelt hatten und dem Gorillamann »Thomas« zuwinkten, zischte Fiona ihrem Gatten zu: »Du bist selber so ein Affe. Drei Stunden habe ich jetzt gewartet, dass dir einfällt, was heute für ein Tag ist. Aber da kann ich lange warten.«

Morgenstern bekam einen roten Kopf, fieberhaft überlegte er, was heute für ein Tag sein könnte. Muttertag? Geburtstag? Tag der Deutschen Einheit? Es wollte ihm einfach nicht einfallen. Bis Fiona ihm ihre rechte Hand vor die Nase hielt. Golden funkelte der Ring an ihrem Finger, und jetzt war die Botschaft so überdeutlich, dass selbst der Gorilla hinter der Panzerglasscheibe sie zu verstehen schien. Morgenstern schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn, und Menschenaffe Thomas tat es ihm nach. Das Publikum ringsum war begeistert.

»Unser Hochzeitstag«, seufzte Morgenstern. »Den habe ich glatt vergessen.«

Fiona sah ihn wütend an. Und dann sagte ihr Gatte den einen entscheidenden, psychologisch problematischen Satz: »Ich hätte jetzt gar nicht gedacht, dass dir der so wichtig ist.«

»Der zehnte! Es ist der zehnte«, zischte Fiona, und dann rauschte sie ab, raus aus dem Affenhaus, quer durch den Zoo zurück auf den an diesem Tag völlig überfüllten Parkplatz, wo der hochbetagte rote Land Rover der Familie in der knallheißen Sonne stand. Als ihr Mann mit den Kindern nachkam, saß sie bereits mit vor der Brust verschränkten Armen auf dem Beifahrersitz.

Das Radiogerät hatte sie angedreht. Auf Bayern 1 dudelte »It Never Rains in Southern California« von Albert Hammond. Kein Gute-Laune-Lied, sondern ein Song darüber, dass es im vermeintlichen Sonnenschein-Staat Kalifornien fürchterlich schütten kann. Das galt nun im übertragenen Sinne auch für die Franken-Metropole Nürnberg, und auf der halben Rückfahrt war es, als würde über dem röhrenden Geländewagen permanent eine dunkle Regenwolke stehen. Die Kinder zogen die Köpfe ein und hofften, dass sich das Stimmungsgewitter verziehen würde.

Kurz vor Greding wagte Marius immerhin eine kleine Frage: »Fahren wir jetzt eigentlich noch zu McDonald s?«

Fiona hatte schon eine ganze Weile auf ihrem Smartphone herumgetippt, und nun drehte sie sich mit eisiger Miene zu Marius um. Der wartete die Antwort erst gar nicht ab, sondern sagte zu seinem jüngeren Bruder Bastian: »Schaut nicht gut aus für uns.«

»Bedank dich bei deinem Vater«, sagte Fiona und tippte weiter auf ihrem Handy. »Aber wir fahren trotzdem in Greding raus.«

»Und was sollen wir dann da?«, wollte Bastian in aller Unschuld wissen.

»Streiche Fast Food, setze Kultur«, sagte Fiona. »Ich habe mir gerade was im Internet rausgesucht. Die haben da eine Basilika aus dem elften Jahrhundert. Die werden wir uns jetzt in aller Ruhe ansehen.«

»Aber -«, wollte Marius einwenden, doch der Vater, der bisher still geblieben war, machte nur ganz leise »Pscht!« und hob den rechten Zeigefinger vor den Mund. Sollte heißen: In der momentanen Situation schien es nicht angeraten, Fiona mit Widerspruch weiter zu reizen.

Gehorsam bog Morgenstern also in Greding von der A 9 ab, und anstatt sich dann nach rechts zu wenden, wo an die Hangflanke des Schwarzachtals diverse Fabrikverkaufszentren und Schnellrestaurants geklebt waren, setzte er den Blinker nach links, zum Ortskern des Städtchens.

Er war noch nie da gewesen. Wie Millionen anderer Menschen, die Bayern auf der Nord-Süd-Achse zu durchqueren hatten, kannte er den Ort nur wegen der Autobahnausfahrt und der gleich daneben liegenden Autobahnraststätte. Da ging es Greding nicht anders als vielen malerischen Orten entlang der deutschen Infrastruktur-Hauptschlagadern: Ihnen blieb in einer durchmobilisierten Gesellschaft nur das Nachsehen - und natürlich das immerwährende Grundrauschen einer sechsspurigen Magistrale, gegen das keine Lärmschutzmauer etwas ausrichten konnte. Denn Greding war idyllischerweise an einen sanft geneigten Hang gebaut. Unübersehbar wie jene Ortschaft, von der es in der Bibel heißt: »Eine Stadt, die auf dem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter den Scheffel.«

Nein, Greding war ein Ort, der allen Vorbeikommenden leuchtete wie ein helles Licht, und am markantesten war ganz oben am Berg eine Kirche: St. Martin. Direkt unterhalb lag die Stadtpfarrkirche. Am höchsten Geländepunkt direkt hinter der Stadt aber stand eine gewaltige militärische Anlage, die »Wehrtechnische Dienststelle für Informationstechnologie und Elektronik«, und signalisierte, dass auch das etwas verschlafen wirkende Barockstädtchen Greding den Sprung in die hochtechnologische Neuzeit geschafft hatte.

Morgenstern passierte ein Stadttor und fuhr auf gepflasterter Straße ein kurzes Stück hinauf zum Marktplatz. Hier reihte sich ein barockes Gebäude ans andere, das Rathaus, die Sparkasse, ein archäologisches Museum. Sie stellten den Wagen ab, und Fiona dirigierte ihre Familie entschlossen geradewegs bergan, einen Fußweg bis hinauf zur Basilika.

Sie war immer noch beleidigt, das war unverkennbar. Aber nachdem das Heft des Handelns nun ganz bei ihr lag, musste sie wenigstens wieder reden, und so las sie der geduldig lauschenden Familie während des Spaziergangs vom Display ihres Handys vor, was es mit dieser Kirche auf sich habe. Da war nichts, was Mike Morgenstern sich gemerkt hätte. Er war definitiv nicht der Mann, der sich für solche Dinge interessierte, aber seine Verhandlungsposition war an diesem Tag nicht so, dass er sich das hätte anmerken lassen dürfen. Immerhin konnte er sich merken, dass der Kirchturm eine verblüffende Ähnlichkeit mit den Eichstätter Domtürmen hatte. Die beiden Domtürme sah er schließlich jeden Tag, immerhin wohnte die Familie seit einiger Zeit in der Bischofsstadt.

Am Eingang des Gredinger Kirchhofs stand ein riesiger, uralter Lindenbaum, ein Naturdenkmal, wie ein Schild signalisierte, noch ein paar Treppenstufen, dann kam der Friedhof, und mittendrin ragte die Kirche in den Himmel. Unten im Tal rauschte die Autobahn, aber ansonsten war es da oben ruhig, wie in uralten Zeiten, als man sich hier vor den Feinden verschanzte, die auf jahrtausendealten Heerstraßen zwischen Norden und Süden dahinzogen. Denn die komplett erhaltene Stadtmauer, die ganz Greding mit zahlreichen Türmen umgab, verlief auch entlang der Kirchenanlage.

Morgenstern latschte in das altehrwürdige Gotteshaus und versuchte vergeblich, nicht zu gähnen. Den Kindern ging es nicht anders. Nasebohrend setzten sie sich in die nächstbeste Bank, während Fiona mit demonstrativer Kulturbeflissenheit durch die schlichte romanische Kirche schlenderte und sogar einige Fotos von diversen verblichenen Fresken machte. Nach einer schieren Ewigkeit nickte sie ihrer müden Truppe zu, und das Quartett trat hinaus ins Freie.

Morgenstern dehnte seinen Rücken und blinzelte nach Westen, in die immer noch hoch stehende Sonne. Da fiel ihm eine Kapelle mit einer weit geöffneten Tür auf, die sich an die Stadtmauer schmiegte. Ein paar steinerne Stufen führten von der Tür in ein kleines Untergeschoss. Morgensterns Neugierde war geweckt. Er trat an die Öffnung und lugte hinab. Kühle Luft kam ihm entgegen.

»Was ist denn da?«, fragte Marius. Er und Bastian hatten sich ihrem Vater an die Fersen geheftet.

»Keine Ahnung«, sagte...
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