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Talberg 1977

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
384 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am08.02.2022
Schwarz ist der Wald, finster sind die Herzen
Maria lebt allein im Wald. Sie hat zwei Ehen hinter sich, ihr erste Gatte war ein Choleriker, der zweite ein Säufer. Beide sind lange tot. Die Leute aus dem Dorf halten sie für eine Hexe, der man besser aus dem Weg geht. Wenn jemand stirbt, gibt man der Hexe die Schuld. Doch niemand ahnt ihr wahres Geheimnis - und wie gerne der Tod ihr zur Hand geht.
Talberg ist ein kleiner abgelegener Ort am äußersten Rand der deutschen Provinz. Fernab der großen Zentren und im Schatten eines gewaltigen Berges gelegen, scheint sich hier über die Jahrzehnte hinweg das Böse immer wieder zu sammeln. Drei Romane spielen zu unterschiedlichen Zeiten in diesem Ort. Vier ortsansässige Familien bestimmen das Geschehen - wechselweise sind sie mal Opfer, mal Täter, mal Ermittler. Und natürlich sind alle Fälle miteinander verbunden ...

Max Korn ist das Pseudonym eines deutschen Autors. Seine Romane stehen regelmäßig in den Top 20 der SPIEGEL-Bestsellerliste. Einen Teil seiner Jugend verbrachte Korn in dem kleinen Ort Thalberg im Bayerischen Wald, dessen Geschichte und Legenden ihn zu einer Reihe von Spannungsromanen inspirierten.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextSchwarz ist der Wald, finster sind die Herzen
Maria lebt allein im Wald. Sie hat zwei Ehen hinter sich, ihr erste Gatte war ein Choleriker, der zweite ein Säufer. Beide sind lange tot. Die Leute aus dem Dorf halten sie für eine Hexe, der man besser aus dem Weg geht. Wenn jemand stirbt, gibt man der Hexe die Schuld. Doch niemand ahnt ihr wahres Geheimnis - und wie gerne der Tod ihr zur Hand geht.
Talberg ist ein kleiner abgelegener Ort am äußersten Rand der deutschen Provinz. Fernab der großen Zentren und im Schatten eines gewaltigen Berges gelegen, scheint sich hier über die Jahrzehnte hinweg das Böse immer wieder zu sammeln. Drei Romane spielen zu unterschiedlichen Zeiten in diesem Ort. Vier ortsansässige Familien bestimmen das Geschehen - wechselweise sind sie mal Opfer, mal Täter, mal Ermittler. Und natürlich sind alle Fälle miteinander verbunden ...

Max Korn ist das Pseudonym eines deutschen Autors. Seine Romane stehen regelmäßig in den Top 20 der SPIEGEL-Bestsellerliste. Einen Teil seiner Jugend verbrachte Korn in dem kleinen Ort Thalberg im Bayerischen Wald, dessen Geschichte und Legenden ihn zu einer Reihe von Spannungsromanen inspirierten.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641270858
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum08.02.2022
Reihen-Nr.2
Seiten384 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1827 Kbytes
Artikel-Nr.5690778
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



3

Das Mädchen saß auf einem Fahrrad. Ihr blondes Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden, der wild an ihrem Hinterkopf auf und ab hüpfte. Rote Flecken blühten auf ihren Wangen, als wäre sie den langen Anstieg, der durch den Tannenhag führte, zu schnell hinaufgeradelt. Vom Dorf bis zu Maria waren es etwa fünf Kilometer, doch der Weg durch den Wald war schlecht und bestand im Wesentlichen aus zwei Fahrrinnen, in denen oft knöcheltief das Brackwasser stand. Dazu kamen tückische, vom Regen ausgeschwemmte Querrinnen, moosbewachsenes Gestein und gewundenes Wurzelwerk, das sich bisweilen wie ein Netz über den Weg legte. Dem Fahrrad fehlte hinten das Schutzblech. Wer damit durch den Wald fuhr, konnte davon ausgehen, dass ihm der feuchte Dreck bis hoch auf den Rücken spritzte. Gerade heute, nachdem es nachts geregnet hatte und jeder mit gesundem Menschenverstand ahnen konnte, dass ein halber Sonnentag nicht ausreichte, um den schwarzen Waldboden zu trocknen. Aber warum sollte sich Maria den Kopf darüber zerbrechen, ob sich die Dreckspritzer und Flecken aus der weißen Bluse des Mädchens wieder herauswaschen ließen?

Jetzt, da sie fast bei ihr war, erkannte sie in dem Mädchen die Tochter des Metzgers. Wie immer fiel ihr der Name nicht ein. Maria hatte sie ab und an im Laden gesehen, obwohl sie selten dort einkaufte. Das Mädchen bog vom Weg ab und radelte auf sie zu. Schweiß glänzte auf der hohen Stirn. Ihre Haut war hell, so als würde sie tagein, tagaus in der Stube hocken. Zur Bluse trug sie kurze Hosen. Dünne, nackte Beine ragten daraus hervor. Sie hatte die Züge ihrer Mutter, jedoch viel feiner. Aus dem schmalen Gesicht leuchteten die Augen des Vaters, allerdings ohne die Kälte darin. Äußerlich schien sie nur das Beste von den Eltern geerbt zu haben. Maria stellte sich vor, dass die jungen Männer im Dorf bereits um sie herumscharwenzelten.

Das Mädchen bremste mit drei Metern Abstand vor Maria und grüßte schwer atmend. »Ist das der Weg zur Brücke?«, fragte sie und deutete quer über die Lichtung, runter ins Tal. Sie wollte so tun, als wäre sie zufällig vorbeigekommen. Maria betrachtete das Mädchen. Obwohl man hätte meinen können, dass bei ihr täglich Fleisch auf den Tisch kam, war sie dürr wie ein Besenstiel. Andererseits zeichneten sich unter der verschwitzten Bluse bereits kleine Brüste ab, die schon erahnen ließen, das bald eine Frau aus dem hageren Gestell erwachsen würde. Die blauen Augen blinzelten verlegen.

»Was willst du?«, fragte Maria. Es war nicht schwer zu erraten, dass sie den Weg durch den Wald und über die Lichtung mit voller Absicht genommen hatte.

Statt zu antworten, starrte das Mädchen auf den Schwanz des Hundes, der unter dem groben Leinen des Sacks hervorlugte. »Oh. Tut mir leid«, sagte sie.

Jeder im Dorf wusste, was der Hund getan hatte. Maria vermutete daher, dass die Metzgerstochter es nicht aufrichtig meinte. Warum sollte sie bedauern, dass der Hund tot war? Sie hatte ihn nicht gekannt. Konnte jemand, der täglich Schlachtvieh von der Decke hängen sah, überhaupt Mitleid mit einem toten Tier haben?

Das Mädchen legte das Fahrrad ins Gras und kam noch einen Schritt näher. Sie sah sich um, als wollte sie sich vergewissern, dass niemand hinter ihr stand. Unschlüssig kreuzte sie die Beine und blickte auf ihre dünnen Stoffschuhe. In dieser Sekunde begriff Maria, was die Tochter des Metzgers hergetrieben hatte.

»Wie alt bist du?«

Beschämt biss sie auf ihrer Unterlippe herum, bevor sie antwortete. »Bald sechzehn.«

»Das ist früh«, brummte Maria und schaffte es endlich, den Spatenstiel loszulassen, den ihre Finger bisher umkrampft hatten.

»Gehst du noch zur Schule?«

Das Mädchen nickte, und Maria erinnerte sich daran, dass sie selbst in diesem Alter schon seit zwei Jahren in der Backstube hatte schuften müssen. Wie verwöhnt die jungen Leute heutzutage waren!

»Ich schwänze sonst nie, wirklich«, fügte das Mädchen hinzu und vermied angestrengt jeden Augenkontakt.

Dabei hatte Maria gar nicht nach einer Erklärung verlangt. Hier draußen waren die Wochentage nicht so wichtig.

»Und ich hab Geld.«

»Meinst du, das interessiert mich?«, knurrte Maria. »Wie kommst du überhaupt drauf, dass ich dir helfen kann?«

»Eine unserer Verkäuferinnen ... ich habe sie mit einer Kundin tuscheln hören, als sie sich unbeobachtet fühlten ...«

»Gehst du immer danach, was andere Leute tuscheln?«, erwiderte Maria, die ahnte, von wem das Mädchen sprach.

Ihr Gegenüber zuckte mit den spitzen Schultern. »Ich weiß nicht, was ich sonst machen soll. Mein Vater bringt mich um«, fügte sie mit brüchiger Stimme hinzu.

»Das tut er auch, wenn er erfährt, dass du damit zu mir kommst«, erwiderte Maria, dann ging sie an ihr vorbei und ums Haus herum.

Das Mädchen folgte ihr in die Stube. Maria trank das Glas Wasser leer, das immer noch auf dem Tisch stand. Es linderte das Kratzen in der Kehle, aber es kühlte nicht ihr Gemüt. Die Metzgerstochter stand scheu im Türrahmen, die Finger ineinander verschlungen, und blickte sich verstohlen um.

Maria bot ihr nicht an, sich zu setzen. »Wie lange?«, fragte sie stattdessen.

»Seit sechs Wochen«, murmelte das Mädchen, »ich weiß nicht genau.«

»Aber du weißt, wann es passiert ist?« Es lag viel Wut in diesen Worten. Maria sah hoch zum Herrgottswinkel und versuchte ihren Zorn zu bezähmen. Die Schmerzen der Vergangenheit züngelten einem Feuer gleich um ihr Herz.

»Im Urlaub. Wir waren in Italien«, flüsterte das Mädchen, als würde das alles entschuldigen. »Anfang Juli. Ich war ein paarmal allein am Strand ... auch mal nach dem Abendessen.«

»Und?«

»Da waren immer ein paar von den Einheimischen, abends am Meer. Mit Bier und Wein und so ... Einer hatte immer seine Gitarre dabei und hat gesungen. Ich mochte seine Stimme und die fremden Worte ... wir haben uns irgendwie verstanden, ohne dass ich seine Sprache konnte.« Sie starrte unglücklich zu Boden.

Maria nickte. Dich zu besingen hat ihm aber nicht gereicht. Wie sie sich anhörte, hatte sich jedenfalls niemand mit Gewalt an der Kleinen vergangen. Aus Marias Sicht machte es das allerdings nicht besser. Ohne ein weiteres Wort schritt Maria hinaus in die Kammer und von dort runter in den Keller. Unten war es kühl. Es roch nach Kartoffeln; in der feuchten Dunkelheit schrumpelten sie vor sich hin und setzten lange Triebe an, die sich bleich aus dem Holzverschlag wanden. Es war höchste Zeit, die neue Ernte einzubringen. Der Schweiß auf ihrem Rücken machte die Kälte hier unten noch spürbarer. Doch sie hatte ihre Ordnung und musste nicht lange suchen. Bevor sie die steinerne Treppe wieder hochstieg, warf sie einen schnellen Blick auf die mit Eisen beschlagene Holztür am Ende des gemauerten Gewölbes.

Die Tochter des Metzgers stand immer noch auffällig exakt am selben Fleck. Möglicherweise hatte sie ein bisschen herumgeschnüffelt, während Maria im Keller war? Nein, eher nicht; vermutlich hatte sie dafür zu viel Angst vor ihr. Vor der Hexe. Und selbst wenn, sie hätte sowieso nichts gefunden. Maria stellte das kleine Fläschchen mit dem Kräutertrank auf den Tisch. Durch das dunkelbraune Glas war die Flüssigkeit darin nicht zu erkennen.

»Warte bis zum Vollmond, dann trink das! Wenn du dazu bereit bist!«, ergänzte sie und sah dem Mädchen dabei direkt in die Augen.

»Wird es wehtun?«

»Du wirst bluten, aber wenn du es klug anstellst und nicht rumheulst, wird niemand was merken ... und ja, es wird wehtun. Was erwartest du, es reißt immerhin etwas aus dir heraus, das mit deiner Seele verbunden ist.«

Das Mädchen bekam feuchte Augen.

»Stell dich nicht so an, das schaffst du schon. Das Töten liegt ja bei euch in der Familie.«

Das Mädchen schluckte laut. Zögerlich nahm sie das Fläschchen an sich und kramte dann in ihrer Hosentasche herum. Sie förderte eine Handvoll Münzgeld zutage, das sie auf den Tisch rollen ließ.

»Nicht ganz fünfzehn Mark«, sagte sie, obwohl sie nie über den Preis gesprochen hatten. »Mehr war nicht in meinem Sparschwein.«

Nicht ganz fünfzehn Mark für einen Engel, dachte Maria erbittert. Eine Summe, die zugleich ihr Eintrittsgeld zur Hölle war. Jesus blickte gepeinigt auf sie herab. Die Metzgerstochter ihrerseits wagte nicht, zu ihm aufzusehen. Über diesen Handel würde sie nicht einmal ihrem Beichtvater berichten, da war sich Maria sicher.

Im nächsten Moment rannte das Mädchen ohne Gruß aus der Stube. Maria lauschte dem Ticken der Kuckucksuhr, die in der Ecke über dem Sofa hing. Ihr Atem ging schnell. Das Alter raubte ihr immer häufiger die Luft. Bald würde man auch für sie eine Grube ausheben. Ihr Blick wanderte hinüber in die Schlafkammer und zur Kellertreppe. Mit einem Kopfschütteln verscheuchte sie die Gedanken, bevor sie ihr noch mehr die Luft abschnüren konnten, und trat in den Flur. Das Mädchen hatte die Haustür offen gelassen. Die Sonne fiel warm auf den Steinboden. In dem lichtdurchfluteten Rechteck, das sich dort abzeichnete, tanzten tausend Elfen.

Auf dem Weg hinters Haus kam sie am Holzlager vorbei. Kam der Winter früh und dauerte er so lange wie der letzte, würden die Scheite nicht ausreichen, die dort entlang der weiß getünchten Hauswand aufgereiht waren. Sie hatte zwar noch einmal so viel davon im Schuppen, dennoch nahm sie sich vor, in den nächsten Wochen immer mal wieder Klaubholz aus dem Wald zu holen.

Der Hund lag noch da. Am Schwanz zog sie ihn in sein Grab. Der Spaten steckte...

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Autor

Max Korn ist das Pseudonym eines deutschen Autors. Seine Romane stehen regelmäßig in den Top 20 der SPIEGEL-Bestsellerliste. Einen Teil seiner Jugend verbrachte Korn in dem kleinen Ort Thalberg im Bayerischen Wald, dessen Geschichte und Legenden ihn zu einer Reihe von Spannungsromanen inspirierten.