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Ein Koffer voller Schönheit

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
432 Seiten
Deutsch
Droemer Knaurerschienen am01.08.20211. Auflage
Eine Frau zwischen Aufbruch und Liebe: Ein spannender historischer Roman von Kristina Engel »Ein Koffer voller Schönheit« entführt die Leser:innen in die 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts und erzählt die bewegende Geschichte von Anne Jensen, der ersten deutschen Avon-Beraterin.  Ende der 50er Jahre sehnen sich viele Frauen nach ein wenig Luxus und Leichtigkeit in ihrem von häuslicher Enge geprägten Alltag. Auch Anne wünscht sich genau das, denn ihr geliebter Mann Benno zieht sich immer mehr von ihr zurück, um sein Geschäft aufzubauen. Als sie eine Anzeige des amerikanischen Kosmetik-Herstellers Avon entdeckt, ergreift sie ihre Chance: Mit Puder und Parfum möchte sie den Glanz der weiten Welt in deutsche Haushalte bringen. Doch ist sie auch bereit, für diese neu gewonnene Freiheit ihre große Liebe aufzugeben?  Kristina Engel gelingt es meisterhaft, ein Stück Zeitgeschichte einzufangen. Zwischen aufkeimenden Frauenrechten, Wirtschaftswunder und dem mondänen Flair Amerikas entspinnt sich eine fesselnde Geschichte über den Mut, seine Träume zu verwirklichen und seinen eigenen Weg zu gehen.mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEine Frau zwischen Aufbruch und Liebe: Ein spannender historischer Roman von Kristina Engel »Ein Koffer voller Schönheit« entführt die Leser:innen in die 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts und erzählt die bewegende Geschichte von Anne Jensen, der ersten deutschen Avon-Beraterin.  Ende der 50er Jahre sehnen sich viele Frauen nach ein wenig Luxus und Leichtigkeit in ihrem von häuslicher Enge geprägten Alltag. Auch Anne wünscht sich genau das, denn ihr geliebter Mann Benno zieht sich immer mehr von ihr zurück, um sein Geschäft aufzubauen. Als sie eine Anzeige des amerikanischen Kosmetik-Herstellers Avon entdeckt, ergreift sie ihre Chance: Mit Puder und Parfum möchte sie den Glanz der weiten Welt in deutsche Haushalte bringen. Doch ist sie auch bereit, für diese neu gewonnene Freiheit ihre große Liebe aufzugeben?  Kristina Engel gelingt es meisterhaft, ein Stück Zeitgeschichte einzufangen. Zwischen aufkeimenden Frauenrechten, Wirtschaftswunder und dem mondänen Flair Amerikas entspinnt sich eine fesselnde Geschichte über den Mut, seine Träume zu verwirklichen und seinen eigenen Weg zu gehen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783426461068
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum01.08.2021
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.1
Seiten432 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1013 Kbytes
Artikel-Nr.5694556
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1. Kapitel

Frühjahr 1959


Irgendwo im Haus zerriss helles Kindergeschrei die morgendliche Stille. Anne drehte sich stöhnend um und zog sich die Decke über den Kopf. Ihre Hand tastete nach Benno, doch seine Seite des Bettes war leer. Nur ein kleiner Rest Wärme war auf dem Laken zurückgeblieben.

Nicht schon wieder, dachte Anne und wünschte sich brennend, sie könnte in den Schlaf zurücksinken. Im Traum war sie mit Benno am Ufer der Ilmenau spazieren gegangen. Sie waren beide jung und verliebt, und der große starke Mann mit dem weizenblonden Haar und den hellblauen Augen hatte zärtlich auf sie herabgelächelt. Da hatte sie gewusst: Was immer geschehen würde, selbst wenn die Welt untergehen sollte - zusammen mit Benno konnte sie alles schaffen. Kurz bevor er sie geküsst hatte, war sie aufgewacht.

In ihren Augenwinkeln sammelten sich Tränen. Erschrocken fuhr Anne hoch und wischte sich energisch über das Gesicht. Sie war in ihrem ganzen Leben keine Heulsuse gewesen und würde im Alter von vierunddreißig Jahren gewiss nicht damit anfangen.

Selbst wenn Benno nur noch im Traum zärtlich zu ihr war. Selbst wenn ihre Zukunft sich wie ein weites Stoppelfeld vor ihr ausbreitete - leer und nutzlos.

Anne schwang die Beine aus dem Bett und fischte mit den nackten Füßen nach ihren Pantoffeln. Ihre Traurigkeit verwandelte sich schlagartig in Ärger. Benno hatte ihr gestern Abend fest versprochen, sie würden diesen Vormittag zusammen verbringen. Als Familie. So wie früher. Mit einem ausgedehnten Frühstück, dem Besuch des Gottesdienstes zum Palmsonntag in St. Johannis und später vielleicht mit einem Besuch bei ihren Eltern.

Nun gut, überlegte Anne. Den letzten Punkt des Tagesprogramms hätte sie noch verhindert. Denn ihr Vater und ihre Mutter hätten ihnen nur die schönen Stunden verdorben. Nicht aus Gemeinheit, sondern weil ihr alter Kummer so tief saß, dass er jeden in ihrer Nähe in seinen Strudel mitriss. Selbst die Kinder wollten nicht mehr zu Opa Heinrich und Oma Luise.

»Die lachen nie«, hatte Lili einmal gesagt.

»Genau«, hatte ihr Zwillingsbruder Leo hinzugefügt. »Ich warte immer darauf, dass die gleich losheulen.«

»Außerdem wollen sie sowieso nur Leo sehen.« Das war wieder Lili gewesen, die genau spürte, wann sie nicht erwünscht war.

Wenn es darauf ankam, hielten die beiden fest zusammen.

Schade nur, dass ein solch geschwisterlicher Frieden niemals am frühen Sonntagmorgen herrschte.

Das Geschrei nahm an Lautstärke zu. Anne fand endlich die Pantoffeln, stand auf und schlüpfte in ihren weißen gesteppten Morgenmantel. Dann nahm sie sich ein Gummiband vom Nachttisch und bändigte ihre schwarzen Locken im Nacken. Alles andere musste warten.

Lilis Stimme klang jetzt regelrecht hysterisch, und es würde bestimmt nicht lange dauern, bis sich die ersten Nachbarn beschwerten. Zwar bewohnte die Familie ein eigenes Haus, aber an diesem schönen Frühlingsmorgen standen überall die Fenster weit offen.

Ihr Heim war ein typisches schmales Backsteinhaus mit einem schmucken Treppengiebel. Es stand an der Papenstraße und befand sich seit drei Jahrhunderten im Besitz von Bennos Familie. Einer seiner Vorfahren, ein gewisser Caspar Jensen, hatte es gekauft, nachdem er mit dem Salzhandel reich geworden war. Später, als die Blütezeit des weißen Goldes in der Hansestadt vorbei war, hatten sich die Männer der Jensens dem Tischlerhandwerk zugewandt und über viele Generationen hinweg den bescheidenen Wohlstand der Familie erhalten. Und sie hatten grundsätzlich ihresgleichen geheiratet. Frauen aus der Lüneburger Heide, die ähnliche Wertvorstellungen hatten wie sie, die bescheiden, treu und sparsam waren.

Erst Benno hatte mit dieser Tradition gebrochen. Anne wusste, in der Nachbarschaft galt sie auch vierzehn Jahre nach ihrer Hochzeit noch immer als Auswärtige, als Ausgebombte. Als eine, die niemals zu den braven Bürgern der Altstadt gehören würde. Sie wurde schief angesehen - ganz so, als trüge sie irgendeine Schuld an ihrem Schicksal oder an ihrem Aussehen.

Ihr Ärger verwandelte sich in Zorn, während Anne nun die schmale hölzerne Stiege nach oben kletterte. Nicht alle Nachbarn begegneten ihr mit Misstrauen, aber noch immer zu viele.

Ja, sie war damals in dem schrecklichen Sommer 1943 mit ihren Eltern aus Hamburg geflüchtet, nachdem der Feuersturm die Stadt zerstört hatte.

Ja, sie hatte einen italienischen Großvater gehabt, den Vater ihrer Mutter. Ein sizilianischer Matrose namens Salvatore, der sich Anfang des Jahrhunderts in eine Hamburger Deern verliebt und seine schwarzen Locken und die mandelförmigen Augen zwar nicht seiner Tochter, später jedoch an seine Enkelin weitervererbt hatte.

War das etwa ein Verbrechen? Eine Schande? Konnten die Leute sie nicht einfach in Ruhe lassen?

Als Anne die letzte Stufe erklommen hatte, bebte sie regelrecht vor Zorn. Auch Salvatores Temperament hatte eine Generation übersprungen und war Anne in die Wiege gelegt worden.

»Was zum Kuckuck ist hier los?«, rief sie und stürmte in Lilis Zimmer.

Erst im vergangenen Jahr hatte Benno den Dachboden in zwei identische kleine Räume unterteilt, damit jeder der Zwillinge sein eigenes Reich bekam. Ein wahrer Luxus, den die beiden aber meistens nicht zu würdigen wussten. Entweder suchte Lili ihren Bruder heim, um ihn zu hänseln, oder umgekehrt.

An diesem Morgen war eindeutig Leo an der Reihe. Mit dem Rücken zu Anne stand er ganz ruhig da, hielt die Arme in die Höhe, wobei seine Fingerknöchel das schräge Dach berührten. Er war in den vergangenen Monaten schlagartig in die Höhe geschossen und schickte sich an, seinen Vater in ein paar Jahren an Körpergröße zu übertreffen. Genau in diesem Moment brach er eine Schallplatte entzwei.

Lili heulte auf. Vergeblich sprang sie an ihm hoch. Sie kam nach ihrer Mutter und war einen ganzen Kopf kleiner als ihr Bruder.

»Ich hasse dich!«, schrie sie.

Leo lachte sein noch helles Kinderlachen und erwiderte: »Lolita.«

Wer immer das sein mochte. Anne rieb sich die Schläfen, um einen beginnenden Kopfschmerz zu vertreiben.

»Was ist hier los?«, fragte sie noch einmal, jedoch so leise, dass die Zwillinge sie erst recht überhörten. Annes Wut war schlagartig verraucht. Eine alles überstrahlende Liebe war an deren Platz getreten und ließ ihr Herz groß und weit werden. Das passierte ihr immer wieder. Gerade noch regte sie sich über ihre Kinder auf, im nächsten Moment war sie voller Dankbarkeit über dieses doppelte Wunder des Lebens.

»Mexicano«, sagte Leo, was Anne noch weniger verstand. Sie trat in die Dachkammer.

Lili heulte noch lauter. »Ich habe mein ganzes Taschengeld von dieser Woche dafür ausgegeben!«

»Und wenn schon«, gab ihr Bruder zurück. »Freu dich lieber, dass ich deinen Musikgeschmack rette. Sonst kaufst du dir als Nächstes noch was von Freddy Quinn.«

Sein Lachen klang richtig gemein, fand Anne. Und er hielt noch immer seine Arme in die Höhe, obwohl das nicht mehr nötig war. Die Schallplatte war ja schon kaputt.

Es ging also wieder um Musik. Darüber stritten sich die Zwillinge ständig. Lili liebte deutsche Schlager - besonders solche, die von einem fernen Land erzählten. Für Leo gab es dagegen nur amerikanischen Rock ´n´ Roll. Die neue Musiktruhe unten im Wohnzimmer wurde von den Kindern abwechselnd mit Beschlag belegt. Nur wenn sie in der Schule waren, kam Anne dazu, auch einmal Radio zu hören.

»Du musst endlich lernen, was gut für dich ist«, sagte Leo zu seiner Schwester.

Fast hätte Anne gelacht. Jetzt klang der Junge schon beinahe wie sein Vater.

»Elvis Presley, Bill Haley, Jerry Lee Lewis, Little Richard«, zählte er nun auf. Drei der Namen sagten Anne nicht viel. Sie kannte nur Elvis Presley.

Nun machte sie einen weiteren Schritt auf die beiden zu und fragte, diesmal mit hoch erhobener, strenger Stimme: »Warum hast du das getan?«

Leo senkte langsam die Arme, ließ die beiden Plattenhälften fallen und drehte sich zu ihr um.

Anne schlug sich die Hand vor den Mund. »Um Himmels willen! Wie siehst du denn aus?«

»Das war die da«, knurrte Leo und zeigte anklagend auf seine Schwester.

Lili schob trotzig das Kinn vor. »Geschieht dir recht! Du hast gestern meinen nagelneuen Hula-Hoop-Reifen kaputt gemacht!«

»Weil du mit dem Ding meine Nachttischlampe umgeworfen hast!«

Anne unterdrückte ein Seufzen. So war das immer mit den Kindern. Sie stritten sich, und niemand konnte mehr nachvollziehen, womit es angefangen hatte. Benno ergriff dann regelmäßig die Flucht und überließ es Anne, den Familienfrieden wiederherzustellen.

Er habe sich um wichtigere Dinge zu kümmern, sagte er dann. Ihre Aufgabe als Ehefrau und Mutter hingegen sei es, die Kinder zu erziehen.

Das nächste Seufzen entschlüpfte ihr, bevor sie es zurückhalten konnte. Dann wandte sie sich stirnrunzelnd an ihre Tochter. »Das geht zu weit. Das hättest du nicht tun dürfen.«

Lili verschränkte die Arme vor der schmalen Brust. Ihr Gesicht war hochrot, ihre Augen, dunkel und mandelförmig wie die ihrer Mutter, blitzten.

»Er hat es verdient.«

»Aber das war gefährlich. Was hast du benutzt? Eine Schere? Oder etwa ein Messer?«

»Schere«, murmelte Lili und senkte den Kopf. »Es war überhaupt nicht gefährlich. Er hat ja tief geschlafen.«

Anne trat zu ihr und schaute sie streng an. »Aber wenn er aufgewacht wäre ...«

»Ganz genau!«, fiel Leo seiner Mutter ins Wort. »Wenn ich aufgewacht wäre und nur gezuckt hätte, dann hättest du mir ein Auge ausstechen...
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