Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Kazimira

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
331 Seiten
Deutsch
Suhrkamp Verlag AGerschienen am16.08.20211. Auflage
Svenja Leiber erzählt vom größten Bernsteinabbau der Geschichte und von Frauen, die sich gegen Hass und Gewalt stellen - im Mittelpunkt: Kazimira und ihr Ringen um Selbstbestimmung.

Ein abgelegener Ort am Baltischen Meer, Ende des 19. Jahrhunderts. Kazimira muss sich um Haus und Kind kümmern, obwohl sie lieber arbeiten will wie ihr Mann. Der ist Vorarbeiter in der »Annagrube«, dem gewaltigen Bernsteinwerk von Moritz Hirschberg. Doch als sich das Wagnis des Untertagebaus endlich auszahlt und die Grube zum Erfolg wird, werden auch Neid und Missgunst laut. Antisemitismus und Nationalismus greifen um sich, die Hirschbergs werden vertrieben. Kazimiras Sohn zerbricht am Ersten Weltkrieg. Und Kazimira erfährt, dass sie ihren langen Weg, der erst drei Jahrzehnte später, am Ende des Zweiten Weltkriegs enden wird, allein zu gehen hat ...


Svenja Leiber, 1975 in Hamburg geboren, wuchs in Norddeutschland auf und verbrachte als Kind einige Zeit in Saudi-Arabien. Sie studierte Philosophie, Literaturwissenschaft, Geschichte und Kunstgeschichte, debütierte 2005 mit dem Erzählungsband Büchsenlicht, 2010 folgte der Roman Schipino. Im Suhrkamp Verlag erschien 2014 Das letzte Land, 2018 Staub und 2021 Kazimira. Svenja Leiber lebt und arbeitet in Berlin und Schleswig-Holstein.
mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextSvenja Leiber erzählt vom größten Bernsteinabbau der Geschichte und von Frauen, die sich gegen Hass und Gewalt stellen - im Mittelpunkt: Kazimira und ihr Ringen um Selbstbestimmung.

Ein abgelegener Ort am Baltischen Meer, Ende des 19. Jahrhunderts. Kazimira muss sich um Haus und Kind kümmern, obwohl sie lieber arbeiten will wie ihr Mann. Der ist Vorarbeiter in der »Annagrube«, dem gewaltigen Bernsteinwerk von Moritz Hirschberg. Doch als sich das Wagnis des Untertagebaus endlich auszahlt und die Grube zum Erfolg wird, werden auch Neid und Missgunst laut. Antisemitismus und Nationalismus greifen um sich, die Hirschbergs werden vertrieben. Kazimiras Sohn zerbricht am Ersten Weltkrieg. Und Kazimira erfährt, dass sie ihren langen Weg, der erst drei Jahrzehnte später, am Ende des Zweiten Weltkriegs enden wird, allein zu gehen hat ...


Svenja Leiber, 1975 in Hamburg geboren, wuchs in Norddeutschland auf und verbrachte als Kind einige Zeit in Saudi-Arabien. Sie studierte Philosophie, Literaturwissenschaft, Geschichte und Kunstgeschichte, debütierte 2005 mit dem Erzählungsband Büchsenlicht, 2010 folgte der Roman Schipino. Im Suhrkamp Verlag erschien 2014 Das letzte Land, 2018 Staub und 2021 Kazimira. Svenja Leiber lebt und arbeitet in Berlin und Schleswig-Holstein.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783518769515
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum16.08.2021
Auflage1. Auflage
Seiten331 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2492 Kbytes
Artikel-Nr.5694991
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Wusste sie nicht. Woher auch? Ging um Politik und den Kaiser und seine Räte.

»Vom Kaiser weiß ich nichts«, hatte Kazimira irgendwann gesagt. Und das war die Wahrheit. Sie kennt im Grunde nur das Wort und hat ein ganz eigenartiges Bild dazu im Kopf.

Die Frau des Grubenverwalters hatte an ihren Netzhandschuhen gezupft und lächelnd gesagt: »Nun, das ist ja auch nicht von Belang.« Dann war das Gespräch versiegt, und Kazimira hatte Akes Hand genommen, die heiß und feucht war.

Jetzt also erst zuhören, dann nachdenken, dann was sagen und auch das nur vielleicht.

Henriette Hirschberg begrüßt jede der Frauen mit einem Lächeln. Als machte es sie glücklich, dass die Frauen sich Tee und Gebäck gefallen ließen, denkt Kazimira, während sie wartet, bis sie an der Reihe ist.

Henriette Hirschberg nimmt ihre beiden Hände und drückt sie herzlich: »Kazimira. Ich freue mich, dich zu sehen. Es ist so lange her. Wie du siehst, habe ich heute keine Verwendung für dich als Haushilfe. Und nach so einer langen Anreise soll auch niemand arbeiten. Setz dich einfach zu uns. Ake kann zu Stin in die Küche, sie wird sich freuen.«

Das ist sehr freundlich, aber auch unangenehm. Was soll sie da nun sitzen?

Kazimira schickt den Jungen los und nimmt auf einem der Sessel Platz. Sie ist noch ganz in Gedanken, hält den ihr angebotenen Tee in der Hand, betrachtet die mit Rüschen und Spitze besetzten Kleider, die gerafften Schleppen und ausladenden Tournüren, als die Tür des Salons aufgeht. Beinahe hätte sie die Tasse neben die Untertasse in die Luft gestellt, so sehr ist sie erschrocken. Denn wer da durch die weiß lackierte Tür wie durch ein Himmelstor kommt, begleitet von einem der Hausmädchen, ist niemand anderes als die Frau Kowak, noch dazu in einem weißen Kleid, und Kazimira denkt, beim letzten Mal war sie nicht halb so schön.

Kazimiras Sessel steht zum Glück etwas abseits. Und so schaut auch Jadwiga Kowak beim Eintreten überallhin, nur nicht zur Kaz. Kazimira stellt die Teetasse sehr behutsam auf einem kleinen Tischchen ab und geht, ohne dass es jemand bemerkt, aus dem Salon in die Küche zu Ake, der dort bei der Köchin sitzt und Kuchenteig nascht.

Die Stin nascht auch und erzählt dem Kind was von Seegeistern. Sie sieht gelassen zu, wie sich Kazimira an den Tisch setzt.

»Du hast wohl auch einen Geist gesehen.« Sie hält der Kaz einen Löffel Teig hin. »Hier, das hilft.«

Kazimira nimmt den Löffel, lehnt sich an die Wand, atmet langsam aus und sieht die Köchin an, bis sich der Blick klärt.

Dann sagt sie leise zu Ake: »Komm, Söhnchen. Genug geschleckt. Wir gehen spazieren, frische Luft kriegen.« Und damit steht sie auf, dankt der Stin mit einem Kuss auf die Wange, und Ake und sie gehen zusammen hinaus und in die abendliche Stadt. Ein paar Mal laufen sie über die Grüne Brücke, vorbei an der Börse, wieder zurück, durch das Kneiphofviertel, zur Krämerbrücke, wo sie lange den geschäftigen Arbeiten auf dem Wasser zusehen, dann durch die Altstadt, zum Schloss und zur Altstädter Kirche. Kazimira sieht das alles, wie Ake, zum ersten Mal. Viel Stein, denkt sie, und viel Betrieb. Und viele Uniformen. Und dann auch noch Leseabend! Ich kann ja nicht mal richtig lesen.

Und auf einmal muss sie lachen.

Jadwiga Kowak hätte jetzt gern ein Gläschen Scharfes. Sie hat zu Haus mit ihrem Mann gestritten. Dankbar sieht sie Henriette Hirschberg an, als diese den Abend eröffnet, heutiges Thema: die Rechte der Frauen auf Erwerbstätigkeit. Als Lektüre haben sie wieder einmal Fanny Lewalds Für und wider die Frauen. Henriette Hirschberg liest vor: »Wir Alle sind noch auferzogen und erwachsen unter dem Banne gewisser Redensarten, die sehr gut klangen, die aber den Frauen, wenn sie in Noth geriethen, wenig oder gar nichts halfen. An allen Ecken und Enden konnte man es aussprechen hören, daß die Frau durch ihre Natur und durch die Verhältnisse der civilisirten Staaten nur für das Leben innerhalb der Familie bestimmt sei! - daß die Frau fraglos die beste sei, von welcher man niemals etwas höre! - daß der keusche Dämmer des Hauses die eigentliche und einzige Heimath des Weibes sei! - und wie die schönen landläufigen Phrasen alle hießen, mit welchen ein großer Theil der Männer uns von einer ehrenvollen Selbständigkeit zurückzuhalten und uns gelegentlich eben dadurch in große Noth zu stürzen, für geboten, ja für eine Art von männlichem Rechte und männlicher Pflicht erachtete.«

Sie legt das Buch auf die Knie und sieht in die Runde. »Welche unter Ihnen würde, wenn man sie ließe, irgendeine Erwerbstätigkeit außerhalb der Wohnung aufnehmen?«

»Es käme wohl darauf an, um was für eine Arbeit es sich handelte«, sagt die Frau des Grubenverwalters.

»Und was man in der Lage wäre zu tun ...«, sagt Jadwiga Kowak leise. »Ich kann Französisch und Klavier spielen. Aber ich weiß nicht, wozu. Und vor allem, wozu ich das Gleiche wiederum meine Tochter lehren sollte, nur damit auch sie nicht wüsste, wozu.«

»Darauf wollte ich hinaus.« Henriette greift nach der Engelpfeife ihres Mannes und dreht sie in der Hand. »Es fehlt an der passenden Ausbildung. Im Grunde an einem richtigen Studium. Vor allem anderen muss etwas gelernt werden!«

So unterhalten sie sich, während Kazimira mit Ake am Ufer des Pregel steht und den Frachtkähnen zusieht, wie sie beladen werden. Warum ist sie weggerannt? Das Frauchen tut doch nichts. Und wie kommen sie jetzt wieder zum Weststrand? Sie kann ja nun schlecht mit der Frau des Grubenverwalters zurückfahren. Antas hatte ihr für den Notfall die Adresse von Hirschbergs Kontor genannt. Also geht sie dorthin, schlängelt sich zwischen Fuhrwerken, Ochsenkarren und Reitern hindurch, bis sie endlich vor dem großen Haus stehen. Was sie sagen soll, weiß Kazimira nicht. Also steht sie erst mal einfach da und sagt nichts, bis Ake ungeduldig wird.

Im Eingang des Gebäudes ist es dämmrig. Einige Arbeiter warten auf irgendwas. Sie lassen die Frau mit dem Jungen vorbei und folgen ihr nur mit den Blicken.

»Kazimira?« Moritz Hirschberg ist ehrlich überrascht.

»Wie kann ich dienen?« Er deutet eine höfliche Verneigung an.

»Ich muss zum Weststrand.« Kazimira hat die Arme vor der Brust verschränkt, weil sie nicht weiß, wohin damit.

»Da hast du Glück. Morgen früh fährt ein Fuhrwerk ab. Wenn das genügt und nicht zu unbequem ist?«

»Das genügt. Ich dank dem Herrn. Und bitte, sagen Sie einen Gruß an die Frau.«

»An meine Frau?«

»An die.« Kazimira nickt.

»Sehr gern.« Jetzt kann sich Hirschberg ein Lächeln nicht verkneifen. »Habt ihr denn heute schon ausreichend gegessen, Ake und du?«

»Nicht ausreichend, aber doch etwas.«

»Dann darf ich bitten, mit mir einen Tee zu trinken?«

Kazimira setzt sich auf die äußerste Kante des Sessels und trinkt ihren Tee, während Ake einige Kekse isst.

»Ihre Grube ist nich nur gut«, sagt Kazimira nach langen Momenten der Stille plötzlich. Dabei hatte sie sich doch vorgenommen, erst nachzudenken und dann zu sprechen.

Hirschberg ist überrascht.

»Warum das?«

»Man kann nich darauf stehen«, erklärt Kazimira flüsternd. Sie schämt sich. »Der Boden wird unsicher. Warum reicht das Sammeln nich?«

»Weil die Welt groß ist, und viele Menschen unsere Ware haben wollen.«

»Wollen sie das?«

»Ich habe den Eindruck, ja.«

»Man hätte ihnen ja nich von unserem Stein zu erzählen brauchen.«

»Oh, die Dinge sprechen sich herum!« Moritz Hirschberg lacht. »Schon seit vielen hundert Jahren.« Dann wird er ernst, denn er denkt an Gerüchte im Allgemeinen, die sich herumsprechen. »Aber vorangehen soll es doch schon, oder nicht?«

»Wozu? Ich war zufrieden.«

»Ich finde, die Welt ist in der letzten Zeit um einiges bequemer geworden.«

»Für Sie vielleicht.«

»Auch für meine Arbeiter.«

»Das stimmt wohl. Aber sie müssen dafür in die Erde und haben Angst.«

»Vorher hatten sie auch Angst. Vor Hunger zum Beispiel, vor Krankheiten. Jetzt gibt es eine Krankenstation. Und sie verdienen Geld, die Kinder gehen in die Schule, auch Ake, nicht wahr? Außerdem...

mehr

Autor

Svenja Leiber, 1975 in Hamburg geboren, wuchs in Norddeutschland auf und verbrachte als Kind einige Zeit in Saudi-Arabien. Sie studierte Philosophie, Literaturwissenschaft, Geschichte und Kunstgeschichte, debütierte 2005 mit dem Erzählungsband Büchsenlicht, 2010 folgte der Roman Schipino. Im Suhrkamp Verlag erschien 2014 Das letzte Land, 2018 Staub und 2021 Kazimira. Svenja Leiber lebt und arbeitet in Berlin und Schleswig-Holstein.