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Nie wieder keine Ahnung

Politik, Wirtschaft und Weltgeschehen verständlich erklärt
Piper Verlagerschienen am01.07.2021
Wer kennt das Gefühl nicht: Man steht mit anderen zusammen und während sich das Gespräch in Richtung niedriger Leitzins oder Probleme des Föderalismus in der Corona-Pandemie entwickelt, merkt man, dass man zum wenig weiß, um mitreden zu können. Wenn es um vermeintliches Allgemeinwissen aus Politik und Wirtschaft geht, sind wir alle oft überfordert. Damit wir endlich wieder durchblicken, legen die beiden bekannten Fernsehjournalisten Jennifer Sieglar und Tim Schreder dieses Buch vor. Sie erklären Themen wie Föderalismus, G7 und G8 oder den Unterschied zwischen dem Europäischen Rat und dem Rat der EU so verständlich wie kurzweilig und liefern dabei spannende Einblicke in die Nachrichtenwelt. Wer dieses Buch liest, hat nie mehr keine Ahnung!

Jennifer Sieglar, Jahrgang 1983, absolvierte ein Volontariat beim Hessischen Rundfunk, wo sie derzeit Moderatorin für die Hessenschau ist. Seit 2008 ist sie für die ZDF-Nachrichtensendung logo! tätig, die sie seit August 2012 moderiert.
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Produkt

KlappentextWer kennt das Gefühl nicht: Man steht mit anderen zusammen und während sich das Gespräch in Richtung niedriger Leitzins oder Probleme des Föderalismus in der Corona-Pandemie entwickelt, merkt man, dass man zum wenig weiß, um mitreden zu können. Wenn es um vermeintliches Allgemeinwissen aus Politik und Wirtschaft geht, sind wir alle oft überfordert. Damit wir endlich wieder durchblicken, legen die beiden bekannten Fernsehjournalisten Jennifer Sieglar und Tim Schreder dieses Buch vor. Sie erklären Themen wie Föderalismus, G7 und G8 oder den Unterschied zwischen dem Europäischen Rat und dem Rat der EU so verständlich wie kurzweilig und liefern dabei spannende Einblicke in die Nachrichtenwelt. Wer dieses Buch liest, hat nie mehr keine Ahnung!

Jennifer Sieglar, Jahrgang 1983, absolvierte ein Volontariat beim Hessischen Rundfunk, wo sie derzeit Moderatorin für die Hessenschau ist. Seit 2008 ist sie für die ZDF-Nachrichtensendung logo! tätig, die sie seit August 2012 moderiert.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492600286
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum01.07.2021
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse6828
Artikel-Nr.5703840
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2 Gut gedacht, nicht so gut gemacht - Die Europäische Union

Nach der Lektüre des ersten Kapitels müssen wir Sie nun leider enttäuschen: Deutschland zu verstehen reicht heute nicht mehr aus. Denn viele für uns wichtige politische Entscheidungen werden längst nicht mehr in Berlin, sondern in Brüssel bei der EU getroffen. Dass die Europäische Union, vorsichtig gesagt, nicht unkompliziert ist, ahnen Sie vermutlich schon. Aber ganz ehrlich? Auch wir haben schon aufgehört zu zählen, wie oft wir in den vergangenen zehn Jahren Redaktionsalltag noch mal nachlesen mussten, wie genau beispielsweise EU-Kommission und EU-Parlament zusammenarbeiten oder welche Bedeutung es hat, wenn bei einem EU-Gipfel etwas beschlossen wird. Dieses subtile Gefühl, dass die EU alles andere als intuitiv ist, hat sich beim Verfassen dieses Kapitels mindestens bestätigt, wenn nicht sogar noch verstärkt. Beginnen wir mit einem konkreten Beispiel, das das grundlegende Problem aufzeigt.

Im Jahr 2020 legte die Coronapandemie die ganze Welt lahm. Weltwirtschaften erlebten große Einbrüche, Kinder konnten nicht mehr zur Schule gehen, an Reisen war nicht mehr zu denken. Jeden Tag wurden neue Höchststände bei Neuinfektionen und Todeszahlen aus irgendeinem Land verkündet. Die Nachrichten bestanden gefühlt nur noch aus Hiobsbotschaften. Doch dann gab es plötzlich einen Hoffnungsschimmer, ausgerechnet aus dem beschaulichen Mainz in Rheinland-Pfalz. Das deutsche Unternehmen BioNtech meldete den entscheidenden Durchbruch bei der Impfstoffentwicklung. Der erste zugelassene Corona-Impfstoff weltweit kommt ausgerechnet aus Deutschland? Die Euphorie im eigenen Land darüber war groß - schließlich würde das ja wohl bedeuten, dass die Impfstoffversorgung in Deutschland gesichert wäre. Wir alle wissen mittlerweile, dass es zu Beginn ganz anders kam. Die Euphorie kippte in Fassungslosigkeit, als klar wurde, dass anscheinend zu wenig Impfstoff bestellt wurde. Israel, die USA und Großbritannien überholten uns beim Impfen. Wie konnte es passieren, dass Deutschland bei einem in Deutschland entwickelten Impfstoff in die Röhre guckt? Der beziehungsweise in diesem Fall die Schuldige war schnell gefunden: die Europäische Union, genauer gesagt die EU-Kommission. Diese hatte die Impfstoffbestellung für alle Länder der EU zentral durchgeführt und aus Sicht vieler einfach zu wenig bestellt, zu schlecht organisiert, zu langsam reagiert. Klar war es aus ethischer Sicht nobel, dass sich die EU auch in dieser extremen Situation noch an Werte wie Solidarität und Gemeinschaft hielt, aber so wirklich trösten konnte das nicht.

Dieses Beispiel ist in zweierlei Hinsicht besonders repräsentativ, wenn es um die Europäische Union geht. Es zeigt erstens, dass wir noch immer regelmäßig unterschätzen und nicht genug verstehen, welchen Einfluss die EU mit ihren unterschiedlichen Organen auf unser Leben hat. Vieles was uns im Alltag betrifft, wird heute tatsächlich in Brüssel entschieden. Dass die Verteilung eines in Deutschland entwickelten Impfstoffes über die Europäische Kommission läuft, scheint auf den ersten Blick unverständlich zu sein. Wir werden im Verlauf des Kapitels noch erklären, warum das grundsätzlich doch keine so schlechte Idee war. Zweitens zeigt dieses Beispiel das große Imageproblem der Europäischen Union - wenn die Menschen etwas von ihr mitbekommen, dann meistens nichts Gutes. Vor allem, wenn es mal wieder schiefläuft, schaffen es die Organe der EU in die Schlagzeilen. Beides in Kombination führt zu einem grundlegenden Problem: Obwohl die Europäische Union das Leben der Menschen mittlerweile stark beeinflusst, wissen sie nur wenig darüber - und wollen auch gar nicht mehr darüber wissen. Hand aufs Herz: Könnten Sie einem Freund wirklich erklären, was genau die verschiedenen Organe der EU sind und was sie entscheiden können? Wahrscheinlich nicht, und damit sind Sie nicht allein. Viele Menschen sehen in der Europäischen Union noch immer eine abstrakte, bürokratische Institution, die wenig mit ihrem eigenen Alltag zu tun hat und die ihnen nur Schlechtes bringt. Das Gegenteil ist der Fall.
Eine kleine Geschichte der Europäischen Union

Beginnen wir mit dem wohl größten Vorurteil der Europäischen Union gegenüber, an dem auch tatsächlich was dran ist: Ja, die EU ist kompliziert! Ihre unterschiedlichen Organe, die Art und Weise, wie Befugnisse aufgeteilt sind und wie die Verantwortlichen gewählt werden, all das ist alles andere als intuitiv und unterscheidet sich auch erheblich von dem demokratischen Apparat der Bundesrepublik Deutschland. Hat man die Struktur der EU allerdings einmal verstanden, ergibt sie durchaus Sinn. Die Europäische Union ist eine gewachsene Struktur, die oftmals vor allem durch Kompromisse geformt wurde. Damit sind wir an einem entscheidenden Punkt: Will man verstehen, warum die Europäische Union ist, wie sie ist, muss man zunächst einmal wissen, wie sie entstand.

Vor der Europäischen Union gab es nur Europa. Das klingt jetzt vielleicht banal, aber allein der Unterschied zwischen Europa und der Europäischen Union ist vielen Menschen gar nicht so richtig bewusst, und bei ihrer Wortwahl sind sie oft ungenau. Ein kurzer Exkurs an dieser Stelle: Europa ist ein Kontinent, die Europäische Union ist eine politische Institution. Es gibt einige Länder wie beispielsweise Albanien, Monaco oder die Schweiz, die zwar zum europäischen Kontinent gehören, aber nicht Teil der Europäischen Union sind. Auch andersherum ist es nicht so einfach. Zwar gehören die allermeisten Gebiete der Europäischen Union auch zum Europäischen Kontinent - doch auch hier gibt es Ausnahmen! So gibt es beispielsweise fünf französische Übersee-Departements, die Kanarischen Inseln oder die Republik Zypern in Asien. Sie alle gehören zwar zur EU, befinden sich aber nicht innerhalb des europäischen Kontinents. Merke: Die Wörter Europäische Union, kurz EU, und Europa können nicht synonym füreinander genutzt werden.

Die Europäische Union brachte dem Kontinent Europa, was er über Jahrtausende nicht erlebt hatte: dauerhaften Frieden. Ohne mit der Wimper zu zucken, könnte man sagen, dass Europa die meiste Zeit seiner Geschichte ein einziges Gemetzel war. Länder, Stämme und Könige haben sich in Europa bekriegt. Immer wieder wollte irgendwer dem anderen das Land wegnehmen, es ging um Macht, Ressourcen und Größe, mal jeder gegen jeden, mal bestimmte Gruppen und Bündnisse gegen andere. Die Kriege in Europa fanden ihren traurigen Höhepunkt in den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts. Weit mehr als 100 Millionen Menschen verloren zusammengenommen im Ersten und Zweiten Weltkrieg ihr Leben, große Teile Europas wurden völlig in Schutt und Asche gelegt. Wir vergessen heute oft, dass Frieden in Europa etwas völlig Neues und Außergewöhnliches ist. Dabei ist es noch keine 100 Jahre her, dass die Deutsche Wehrmacht Paris inklusive Fernsehsender und Eiffelturm besetzte. Das Elend dieser Kriege durfte sich nicht fortsetzen, da war man sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs einig. Irgendwie musste man es schaffen, für dauerhaften Frieden zu sorgen.



 

Den Gründungsgedanken der EU können Sie übrigens bis heute noch in der EU-Flagge sehen: Sie wissen schon, die blaue Flagge mit den 12 kreisförmig angeordneten Sternen. Die Anordnung der 12 Himmelskörper steht, anders, als viele denken, nicht für irgendwelche bestimmten Länder, sondern soll Einheit, Solidarität und Harmonie symbolisieren - das Gegenteil von dem, was in Europa bis dato vorherrschte.



 

Die oberste Priorität nach den Weltkriegen war also, Europa vor weiteren zerstörerischen Auseinandersetzungen zu bewahren. Auch vor dem Hintergrund der Atomwaffenentwicklung war damals jedem klar, dass kommende Kriege in Europa Schäden anrichten könnten, die sich nie wieder reparieren ließen. Aber wie sollte man Krieg verhindern? Die Grundidee war simpel: Für einen Krieg braucht man Waffen, ohne Waffen gibt es keinen Krieg. Man hätte also einfach die Produktion von Waffen mithilfe eines gemeinsamen Abkommens verbieten können. Doch Sie ahnen sicher schon, was das Problem daran gewesen wäre: Ein Land mit kriegerischen Absichten würde sich einfach nicht an dieses Verbot halten und heimlich produzieren. So würden am Ende Länder, die sich an das Abkommen gehalten hatten, sogar Gefahr laufen, überrannt zu werden. Jean Monnet, damaliger Leiter des französischen Planungsamtes, hatte einen klügeren Einfall. Er schlug vor, dass Deutschland und Frankreich ihre gesamte Kohle- und Stahlproduktion in einer gemeinsamen Behörde organisieren sollten. Die Idee hinter diesem Konzept war einfach genial: Ohne Kohle und Stahl keine Waffenproduktion - wenn man die Produktion dieser beiden Rohstoffe gemeinsam organisiert, kann kein Land unbemerkt aufrüsten und möglicherweise eine kriegerische Handlung vorbereiten. Am 18. April 1951 wurde auf dieser Grundlage die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, umgangssprachlich »Montanunion«, durch die sechs Gründungsmitglieder Belgien, die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande gegründet. Aus politischer Sicht war das ein monumentaler, ungewöhnlicher und mutiger Schritt. Die alleinige Kontrolle über derart relevante Wirtschaftssektoren abzugeben und auf eine neu geschaffene Institution zu übertragen widerspricht eigentlich der Souveränität der Staaten. Diesen Konflikt zwischen Zentralisierung von Macht auf der einen und Bewahrung der nationalen Souveränität auf der anderen Seite kann man bis heute regelmäßig in der Europäischen Union beobachten.

Dieses Buch ist kein Geschichtswälzer, sondern soll Ihnen vor allem dabei helfen, das Hier und Jetzt...
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Autor

Jennifer Sieglar, Jahrgang 1983, absolvierte ein Volontariat beim Hessischen Rundfunk, wo sie derzeit Moderatorin für die Hessenschau ist. Seit 2008 ist sie für die ZDF-Nachrichtensendung logo! tätig, die sie seit August 2012 moderiert.