Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Die dunklen Stunden der Nacht

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
413 Seiten
Deutsch
Bastei Entertainmenterschienen am23.12.20211. Aufl. 2021
Cambridge, 1939. Wieder einmal zieht Detective Inspector Eden Brooke ruhelos durch die nächtliche Stadt. Seitdem er in Gefangenschaft gefoltert wurde, findet er keinen Schlaf mehr und leidet unter extremer Lichtempfindlichkeit. Nur in den verdunkelten Straßen fühlt er sich noch wohl - bis sich mehrere Sperrballons losreißen und eine Explosion im Stellwerk auslösen. Am nächsten Morgen wird eine Leiche am Fluss gefunden - auseinandergerissen von einer unglaublichen Kraft. Ist einer der Sperrballons daran schuld oder steckt mehr dahinter?

Jim Kelly ist Journalist und hat bereits für die Bedfordshire Times, die Yorkshire Evening Press and die Financial Times gearbeitet. Von seinem Vater - einem Detective Chief Inspector bei der Londoner Metropolitan Police - hat er die Faszination für Verbrechen geerbt. Für seine Romane hat er bereits den CWA Dagger in the Library und den New Angle Prize for Literature erhalten, zudem stand er auf der Shortlist des John Creasey Awards.
mehr
Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR14,90
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextCambridge, 1939. Wieder einmal zieht Detective Inspector Eden Brooke ruhelos durch die nächtliche Stadt. Seitdem er in Gefangenschaft gefoltert wurde, findet er keinen Schlaf mehr und leidet unter extremer Lichtempfindlichkeit. Nur in den verdunkelten Straßen fühlt er sich noch wohl - bis sich mehrere Sperrballons losreißen und eine Explosion im Stellwerk auslösen. Am nächsten Morgen wird eine Leiche am Fluss gefunden - auseinandergerissen von einer unglaublichen Kraft. Ist einer der Sperrballons daran schuld oder steckt mehr dahinter?

Jim Kelly ist Journalist und hat bereits für die Bedfordshire Times, die Yorkshire Evening Press and die Financial Times gearbeitet. Von seinem Vater - einem Detective Chief Inspector bei der Londoner Metropolitan Police - hat er die Faszination für Verbrechen geerbt. Für seine Romane hat er bereits den CWA Dagger in the Library und den New Angle Prize for Literature erhalten, zudem stand er auf der Shortlist des John Creasey Awards.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783751709897
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum23.12.2021
Auflage1. Aufl. 2021
Seiten413 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5708703
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


KAPITEL ZWEI

Brooke war eine Nachteule, aber damit war er nicht allein. Über die Jahre, seit man ihn aufgrund einer Verwundung als dienstuntauglich aus dem letzten Krieg nach Hause geschickt hatte, war seine Schlaflosigkeit schlimmer geworden. Zudem waren seine versehrten Augen nie richtig verheilt, weshalb er angefangen hatte, bei Nacht durch die Straßen zu schlendern. Die waren, wie er festgestellt hatte, auch von anderen Wanderern bevölkert: jenen, die nicht schlafen konnten, jenen, die nicht schlafen wollten, jenen, deren Arbeit erst begann, wenn die Sonne unterging. Sie boten ihm ein warmes Feuer, eine freundliche Unterhaltung und manchmal eine Inspiration in einem Fall, der sich bis dahin als unlösbar präsentiert hatte. Und in jeder Nacht fand er irgendwann zur Ruhe: zu Hause, wenn Claire nicht im Krankenhaus in der Nachtschicht arbeitete, oder in einer Zelle des Reviers. Der Schlaf, so er sich denn einstellte, war stets kurz und überfallartig. In den dunklen, schlaflosen Stunden der Nacht fühlte sich sein Leben oft an wie eine Uhr, die allmählich ablief.

Rose King mit ihrem Teestand auf dem Market Hill war die erste andere Nachteule, mit der er in Kontakt gekommen war. Nach seiner Rückkehr aus dem Großen Krieg hatte sich Brooke dem Borough angeschlossen - der städtischen Polizeitruppe, einer der ältesten, aber auch kleinsten im ganzen Land. Nach der Ausbildung hatte er auf einer vorherbestimmten Runde Nachtdienst geschoben, die ihn jeweils um Mitternacht über den Market Hill geführt hatte, den zentralen Platz in der Stadt. Rose hatte ihn regelmäßig mit einem heißen Getränk und einer Oase goldenen Lichts unter einer breiten Markise empfangen.

Aber selbst die unverwüstliche Rose musste die Regeln und Bestimmungen der Großen Verdunkelung befolgen, und so fand er unter all den verlassenen Händlerbuden nun auch ihre Hütte in der Ecke des Platzes mit Brettern vernagelt und teilweise hinter einer Wand aus Sandsäcken verborgen vor. Auf einer schlichten Tafel stand in Kreide geschrieben: AUF BEHÖRDLICHE ANWEISUNG GESCHLOSSEN.

Brooke stand auf dem stillen Platz, dachte über seinen nächsten Zug nach und zündete sich eine seiner geliebten Black-Russian-Zigaretten an. Er sah zu, wie sich die Glut durch das Papier fraß und dem goldenen Filter näherte. Der Nebel wurde immer dichter, sickerte aus Kanaldeckeln und Abflussrinnen hervor, eine milchig-weiße Flut, die die Stadt zu verschlingen drohte. Die Nacht wurde allmählich kalt, und sein nasses Haar trug seinen Teil dazu bei, dass er vor Kälte zitterte. Aus einem nahen Pub ertönten dann und wann Pianoklänge, aber es gab kein Licht, nur einen halben Liedvers.

Etwas an dem Vorfall, dessen Zeuge er unten am Flussufer geworden war, entzog sich jeglicher rationalen Erklärung. Viele Menschen waren neugierig und stellten Fragen, aber Brooke wurde von der angeborenen Überzeugung getrieben, dass er ein Recht darauf hatte, die Antworten zu kennen. Die Folge davon war ein rastloses Leben. Warum befahl man Soldaten, bei Nacht zu graben? Warum versprach man, Soldaten dafür zu bezahlen, bei Nacht zu graben? Er brauchte eine neue Perspektive, um sich von dem zu lösen, was er mit angesehen hatte, und er wusste genau, welche Nachteule er zu diesem Zwecke aufsuchen musste.

Er ließ die Schatten des alten Marktes hinter sich und ging die Petty Cury hinunter. Die schmale Straße bestand aus einer Abfolge von Schaufenstern, die kreuz und quer mit Klebestreifen überzogen waren, um sie vor Bombenexplosionen zu schützen. Dank der Blakeys an seinen Halbschuhen, metallenen Schuhschonern zum Schutz der Ledersohlen, ein Army-Trick, den er ins Zivilleben übernommen hatte, hallten seine Schritte laut durch die Nacht. Er umrundete St. Andrew the Great, ließ den Lichtschein seiner Taschenlampe über das Buntglas wandern und betrachtete das Bild, das ihn so erschreckt hatte, als er noch ein Junge gewesen war: Es zeigte den abgetrennten Kopf von Johannes dem Täufer, säuberlich auf einem Silbertablett drapiert, das von dem Blut des Heiligen überzogen war.

Ein Echo dieses grausigen Märtyrertums lauerte etwa hundert Meter weiter unten an der Straße, wo Brooke vor dem Sidney Sussex College innehielt. Sein Vater, ein Professor für Medizin, war immer recht distanziert gewesen, aber einmal war er mit der sensationellen Geschichte eines formellen Abendessens im College nach Hause gekommen. Er hatte sie seinem Sohn erzählt und sich dazu auf dessen Bettkante gesetzt - ein noch nie da gewesenes Ausmaß an Intimität, das diesen Moment viel tiefer in Brookes Gedächtnis verankert hatte als die schaurige Geschichte selbst.

»Heute Abend habe ich den Schädel eines Mannes gesehen«, hatte sein Vater gesagt, und seine Augen leuchteten im Kerzenschein.

Es war eine rechte Schauergeschichte. Der Leichnam von Oliver Cromwell, dem großen Republikaner und ehemaligen Studenten dieses Colleges, war von den Anhängern von Charles II, der nach Wiedereinsetzung der Königswürde den Thron bestiegen hatte, aus seinem stillen Grab geholt worden. Den abgehackten Kopf hatte man an die London Bridge gehängt, zusammen mit denen von gewöhnlichen Kriminellen, wo Vögel ihm das Fleisch vom Schädel gepickt hatten.

»Die Augen waren als Erstes dran«, hatte sein Vater ihm erklärt.

Ein Sturm fegte den Schädel von seiner Stange, woraufhin er mit gebrochener Kalotte heimlich von Anhängern fortgeschafft und nach Norden gebracht wurde, um ihn im College des großen Mannes zu verbergen. Von da an kannten immer nur zwei vertrauenswürdige Männer das Versteck. Doch in besonderen Nächten wurden während des Essens die Lichter gelöscht und die Kustoden ausgesandt, den Schatz zu holen, der sodann auf dem polierten Mahagonitisch platziert wurde, wo er als Kerzenhalter diente.

»Er war bis zu Portwein und Käse bei uns«, hatte sein Vater gesagt und Brooke warm zugedeckt. »Dann wurde er rasch wieder fortgebracht.«

Als Brooke die Fassade des Colleges betrachtete, sah er für einen Moment ein flackerndes Licht in einem der Spitzbogenfenster; vielleicht die Auserwählten, die Cromwells Kopf in sein Versteck zurückbrachten.

Er setzte seinen Weg fort. Über eine Abkürzung durch eine Gasse voller metallener Abfalleimer erreichte er eine Feuertreppe, die ihn sechs Stockwerke hinauftrug und schließlich auf dem Dach eines der Geschäftshäuser entließ. Eine Metallleiter brachte ihn noch ein bisschen höher hinauf zu einem Ausguck, einem von vielen, die das Observer Corps in der Stadt verteilt hatte. Sie boten einen weiten Panoramablick über die Dächer, ideal, um feindliche Flugzeuge ebenso auszumachen wie die Feuer, die ihre Bomben und Brandsätze zu entfachen drohten.

Jo Ashmore kam aus dem konischen Unterschlupf auf der Rückseite der Plattform, strich sich die Uniform glatt und konnte sich nicht zurückhalten, den Sitz ihres kurzen braunen Haars zu korrigieren, dessen Schnitt viel Geld gekostet hatte. Die Frau, groß, gertenschlank und von modisch knabenhafter Erscheinung, lächelte, als sie ihren Besucher erkannte.

Brooke zeigte mit einer ausholenden Bewegung auf die Szenerie in der Tiefe. »Die Große Verdunkelung! Zweifellos ein Erfolg. Aber was hast du gesehen, Jo? Erzähl mir alles.«

»Sie haben immer Fragen, Brooke, aber nie Antworten.«

»Ich bin Wissenschaftler. Entschuldigung, ich war Wissenschaftler oder so was Ähnliches«, sagte er, nahm seinen Hut ab und strich sich mit der Hand durch das dichte schwarze Haar.

»Wenn Sie Antworten wollen, müssen Sie Fragen stellen. Fragen Sie die richtige Person zur richtigen Zeit, und schon ergibt das Leben Sinn.«

Sie musterte Brookes schattenhaftes Gesicht und lachte, fischte eine kompakte Puderdose aus ihrer Uniform und hielt den Spiegel hoch. Der Detective nahm seine Brille ab und starrte sein Abbild an: die hohe Stirn, die blass-blauen Augen, das Haar, das ihm in die Augen fiel. Ein langes Stück Grünalge klebte an seiner Wange.

»Als Nächstes wachsen Ihnen Schwimmhäute zwischen den Zehen«, merkte sie an.

Ashmore war Brookes neueste Nachteule, und die heutige Nacht bildete den Abschluss ihres ersten ganzen Monats als Angehörige des Observer Corps. Sie war im Nachbarhaus der Brookes aufgewachsen, hatte mit ihren Kindern gespielt und war wie ihr Bruder Markus regelmäßig zu Gast gewesen. Die frei stehenden Häuser lagen an den Wiesen unten am Fluss. Die Familien standen sich auf eine völlig natürliche Weise nahe, was bedeutete, dass niemand mehr sagen konnte, was wann wozu geführt hatte.

Beim Erwachsenwerden hatte sie sich einen anzüglichen Ruf eingefangen. Da waren die Partys in London, Freunde mit schnellen Wagen, schicke Kleider. All das hatte sie bei Kriegsausbruch für diesen neuen Posten aufgegeben; ein Mysterium, das sie, wie Brooke argwöhnte, als romantisch empfand. Ihm fiel auf, dass sie ihren Lippenstift sorgfältig so aufgetragen hatte, dass er die zarten Linien ihrer Lippen betonte, und dass auf ihrem Stahlhelm in eleganter Schrift die Abkürzung OC aufgemalt worden war.

Von ihrem Posten aus hielt sie Ausschau nach feindlichen Fliegern, vor allem Bombenflugzeugen, von denen es in diesem Krieg bisher noch keine gegeben hatte. Aber das ganze Land behielt den Himmel im Auge, wenn es nicht gerade versuchte, Spione und deutsche Fallschirmspringer aufzustöbern, die sich in irgendwelchen Gartenhäuschen versteckten. Das war das Unerträgliche an diesem Sitzkrieg: die Zeit des Wachens und Wartens.

Nicht ein Licht verriet die Stadt. Die Dächer zogen sich nordwärts in Richtung der Fens, südwärts zu den Gogs, einer Reihe niedriger...

mehr

Autor

Jim Kelly ist Journalist und hat bereits für die Bedfordshire Times, die Yorkshire Evening Press and die Financial Times gearbeitet. Von seinem Vater - einem Detective Chief Inspector bei der Londoner Metropolitan Police - hat er die Faszination für Verbrechen geerbt. Für seine Romane hat er bereits den CWA Dagger in the Library und den New Angle Prize for Literature erhalten, zudem stand er auf der Shortlist des John Creasey Awards.
Die dunklen Stunden der Nacht

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt