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Zwischen Himmel und Hölle

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
397 Seiten
Deutsch
Bastei Entertainmenterschienen am29.10.20211. Aufl. 2021
Bexys Hippie-Eltern traten den Children of God bei, weil sie an die freie Liebe glaubten. Doch für Kinder bedeutet die Sekte nur harte Arbeit, drakonische Strafen, öffentliche Demütigungen und unendliche Kontrolle. Bexy ist erst zehn Jahre alt, als sie das dunkelste Jahr ihrer Kindheit durchlebt... Als Erwachsene, längst aus der Sekte verstoßen, kehrt Bexy an die Orte ihrer Kindheit zurück. Sie will verstehen, wie Kinder in Sekten manipuliert werden, um Frieden zu schließen mit ihrer Vergangenheit.

Bexy Cameron ist Schriftstellerin, Regisseurin, Aktivistin und lehrt an der Universität; Filme über Kunst, Mode und Musik mit führenden Marken wie Nike, Adidas, Converse, YouTube und Google sowie Werbespots für Fila, Airbnb, Lee Cooper und Fit Flop. Sie setzt sich für sozialen Wandel ein: LGBTQI-Rechte, religiöse Kulte, Fankultur, Gender und die Stärkung der Rolle der Frau.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR11,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextBexys Hippie-Eltern traten den Children of God bei, weil sie an die freie Liebe glaubten. Doch für Kinder bedeutet die Sekte nur harte Arbeit, drakonische Strafen, öffentliche Demütigungen und unendliche Kontrolle. Bexy ist erst zehn Jahre alt, als sie das dunkelste Jahr ihrer Kindheit durchlebt... Als Erwachsene, längst aus der Sekte verstoßen, kehrt Bexy an die Orte ihrer Kindheit zurück. Sie will verstehen, wie Kinder in Sekten manipuliert werden, um Frieden zu schließen mit ihrer Vergangenheit.

Bexy Cameron ist Schriftstellerin, Regisseurin, Aktivistin und lehrt an der Universität; Filme über Kunst, Mode und Musik mit führenden Marken wie Nike, Adidas, Converse, YouTube und Google sowie Werbespots für Fila, Airbnb, Lee Cooper und Fit Flop. Sie setzt sich für sozialen Wandel ein: LGBTQI-Rechte, religiöse Kulte, Fankultur, Gender und die Stärkung der Rolle der Frau.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783751714983
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum29.10.2021
Auflage1. Aufl. 2021
Seiten397 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5708790
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1. Kapitel
Propheten auf der Jagd nach Beute: 1968

Er war ein Prophet.

Er war pädophil.

Er war ein Diktator.

Er war Grandpa.

David Berg, Dad. Father David, Moses David. Der König â¦ Das sind einige der Namen des Führers der Children of God, der Sekte, in die ich hineingeboren wurde und in der ich aufwuchs, bis ich fünfzehn war. Ich wusste nicht einmal, wie er aussah, bis ich ins Teenageralter kam. Die Kinder nannten ihn Grandpa, Großvater. Seine Identität war so geheim, dass wir nicht mit Fotos, sondern mit Zeichnungen von ihm aufwuchsen. Sie waren wie Comiczeichnungen. Wie in einer Diktatur waren wir umgeben und geführt von einem übermächtigen Herrscher, den man weder berühren noch sehen konnte. Wir lasen jeden Tag seine neuen Schriften. Alles, was er tat, wurde festgehalten: seine Träume, seine Erklärungen, sein Stuhlgang. Wirklich, man schrieb auf, wie und wann er scheißen ging, und dann lasen wir darüber.

Jetzt, wenn ich als Erwachsene zurückblicke, sehe ich ihn als dogmatischen, sexuell motivierten, Blödsinn redenden, narzisstischen, korrupten, gefährlichen Perversen. In meiner Kindheit jedoch war er für mich übermächtig, verwirrend, gleichzeitig jedoch auch langweilig. Es war wie bei einem Fisch, der nicht weiß, dass er im Wasser schwimmt: Er war unsere Normalität, er war überall, doch sein unsteter Geist konnte in einem einzigen Augenblick unser Leben verändern.

Es ist schwierig zu verstehen, wer er war. Er war kein gut aussehender Charles Manson, nicht einmal ein David Koresh. Er war ein in den 1920er-Jahren geborener Mann mit beginnender Glatze, mit grauen Haaren und tief liegenden Augen, dem es irgendwie gelungen war, Tausende davon zu überzeugen, ihr altes Leben aufzugeben und ihm nachzufolgen. Zu ihnen gehörten auch eine Frau aus einem winzigen Dorf im britischen Derbyshire und ein Mann aus einer Küstenstadt in Kent: meine Eltern. Ohne ihn hätten sie nicht geheiratet. Ohne ihn wäre ich möglicherweise gar nicht auf der Welt.

Was mir über David Berg bekannt war, hatte er erfunden; es gehörte zu den Geschichten, die er in pompös klingender Sprache über sich selbst verfasste. Es widerstrebt mir, diesem Stück Scheiße wertvolle Sendezeit zu schenken, nachdem es mir einen so großen Teil meiner Kindheit geraubt und vergiftet hat. Aber wenn ich jetzt in meiner Vergangenheit grabe und in die Geschichte meiner Eltern eintauche, muss ich mich zurück an die Quelle begeben, und die Quelle ist er. Um sie verstehen zu können - und in der Folge mich selbst -, muss ich versuchen herauszufinden, wie es ein gescheiterter, ganz offensichtlich gestörter Prediger schaffen konnte, eine internationale Bewegung ins Leben zu rufen, die zeitweise fünfundzwanzigtausend Mitglieder zählte.

Letzten Endes geht es wohl darum, dass ich wissen will, wie David Berg meine Eltern »reingelegt« hat.

***

Und hier beginnt diese Reise - und diese Geschichte -, lange vor meiner Geburt, in den 1960er-Jahren. Und obwohl das hier nicht die Geschichte meiner Eltern ist, und schon gar nicht die von David Berg, ist es der Anfang, ob mir das nun gefällt oder nicht. Als Kind brachte man mir bei, dass es sich dabei um den Augenblick handelte, in dem wir erschaffen wurden, um den Augenblick, in dem unsere Welt entstand. Die späten 1960er-Jahre waren ganz ohne Zweifel eine Zeit großer Veränderungen, und in diesem Jahrzehnt entstanden viele Sekten.

Vor einigen Jahren besuchte ich in London eine Ausstellung mit dem Titel »Revolution«. Ich wollte das Jahrzehnt aus einem neuen Blickwinkel wahrnehmen. Sofort nahm mich diese Welt der Liedzeilen und Bewegungen, der großen Veränderungen in Kunst und Kultur gefangen. Die Dichtkunst von Bob Dylan, Fotoaufnahmen der Rassenunruhen und der Song »Eve of Destruction«, der während meines Rundgangs durch die Kopfhörer dröhnte, reichten aus, um etwas tief in meinem Inneren zu bewegen. Dieser Scheißkerl! Raus aus dem Alltagstrott! Ein Rebell aus der Vergangenheit!

Obwohl meine Geschichte so stark davon geprägt war, konnte ich es spüren. Ein Film über Woodstock wurde auf sämtliche Wände projiziert. Leute aus der Medienszene und Touristen lagen auf Sitzsäcken herum und ließen die revolutionäre Atmosphäre auf sich wirken - Jimi Hendrix auf der Bühne, nackte Hippies in Ekstase, Janis Joplins schmerzerfüllte Auftritte. Jetzt, Jahrzehnte später, mitten in dieser Ausstellung, konnte ich die alles in Bewegung versetzenden Strömungen der Verwandlung spüren.

Und jetzt stellen Sie sich vor, Sie wären wirklich dort gewesen, wären irgendwo auf dem Land in England aufgewachsen, in einer typischen Familie mit zweieinhalb Kindern, als Mitglied einer Kirchengemeinde, an einer reinen Jungen- oder Mädchenschule, und das im Kontrast zur Revolution. Stellen Sie sich vor, Sie wären in Mittelamerika, aufgewachsen in den Fünfzigerjahren, als es in der Werbung nur darum ging, das perfekte Heim für die Familie zu schaffen - das war am allerwichtigsten, und nach dem Krieg ging es überall darum, sich an die bestehenden Regeln zu halten.

Und dann, plötzlich: Vietnam, Bürgerrechte, Frauenrechte, die sexuelle Revolution. Eine Gegenkultur entwickelte sich rasend schnell und brachte rasch eine Generation hervor, deren Geist durch die Ungerechtigkeit geradezu gewaltsam geöffnet und von psychedelischen Einflüssen angetrieben wurde. In Kalifornien schossen LSD-Fabriken wie Pilze aus dem Boden - damit versorgte man Kinder, die die Nächstenliebe dem Bombardieren anderer Nationen vorzogen. Liebe und Frieden wurden zu Waffen; der Dichter Allen Ginsberg inspirierte die Menschen zu einer neuen Form des Aufstands, War for Peace, Krieg für Frieden. Junge Leute bewaffneten sich mit Guerilla-Theater und Blumen-Bomben. Der junge Aktivist Abbie Hoffman verkündete: »Der Schrei der Flower-Power hallt durch das Land. Wir werden nicht verwelken.« Die Revolution trug zunächst Knospen und dann Blüten.

Diese Generation forderte Veränderungen. Und für meine Eltern würden diese Veränderungen auf politischer, globaler oder lokaler Ebene nicht schnell genug eintreten. Als die Veränderungen, nach denen sie sich so sehr gesehnt hatten, sie erreichten, empfingen sie sie deshalb nicht nur mit offenen Armen, sondern waren sogar bereit, ihr Leben, ihre Identität und ihre emotionalen Bindungen aufzugeben, um daran teilzuhaben. Ein Teil von mir empfindet im Rückblick und mit dem Wissen um die späteren Ereignisse sogar Respekt für meine Eltern in dieser Zeit: für die Rebellion, die Ideologie und den Mut, der dazu gehört, alles hinter sich zu lassen.

Und bei diesem spirituellen Erwachen kommt der Führer der Children of God ins Spiel, geboren in der Rebellion, am Strand von Huntington Beach.

Huntington Beach war für Südkalifornien wie Haight-Ashbury für San Francisco: das Epizentrum der Gegenkultur - Drogen, lange Haare, Sonnenschein und freie Liebe. Hier begann David Berg seine Predigten vor den Hippies, und die Geburt der Children of God nahm ihren Anfang. Unsere Schöpfungsgeschichte. Unser Urknall.

In meiner Kindheit erzählte man uns von diesem Augenblick so, wie ich mir vorstelle, dass andere Kinder von der Existenz des Weihnachtsmannes erfahren. Alles wurde uns vermittelt wie reine Magie, und so erschien es uns auch. Stellen Sie sich einen Mann über fünfzig vor, mit weißem Haar und einem weißen Bart, der an einem Strand Brote mit Erdnussbutter und Marmelade verteilt. Die Luft voller Sonnenschein und Meersalz, und dann die Botschaft des Christentums. Tag für Tag kamen die Hippies zurück, und die Gemeinschaft der langhaarigen Außenseiter, die nirgendwo dazugehörten, wuchs rasch. Die Children of God wurden aus der eingenommenen Perspektive, aus einer an Vergangenem orientierten Haltung und PR-Arbeit geboren.

Zumindest ist das die Geschichte, die man mir während meiner Kindheit und Jugend erzählt hat: Die Geschichte einer großartigen Vision eines großartigen Mannes, vom organischen Entstehen einer Bewegung in einer Welt, die reif für Veränderung war. Und gewiss ist das eine mögliche Version. Aber es ist nicht die einzige.

Es ist, als hätte man während des ganzen Lebens ein Gemälde vor sich gehabt; jeder Pinselstrich ist einem vertraut, jede Linie, jeder Farbton. Und dann kommt man in ein Alter, in eine Situation oder in einen emotionalen Zustand, in dem man daran zu kratzen beginnt â¦ vielleicht, weil sich da immer irgendetwas nicht richtig angefühlt hat. Man kratzt an einer Ecke, und dann kommt etwas darunter zum Vorschein. Manche Farben sind dieselben, vielleicht überschneiden sich auch ein paar Linien, doch jetzt ist das Bild beschädigt. Man kratzt immer weiter, bis das Gemälde enthüllt wird. Düster, verzerrt. Man macht weiter, bis man einen Fingernagel dabei verliert, aber endlich erschließt sich der Sinn deutlicher.

Wenn man verstehen will, wie eine Bewegung ins Leben gerufen wird, besonders eine so rebellische oder potenziell extreme wie diese, reicht es nicht, sich nur mit dem Kontext der Situation auseinanderzusetzen. Es geht auch um den Kontext des Mannes dahinter, um die Mischung der Faktoren, die das Ganze so stark und mächtig gemacht haben.

Welches Bedürfnis konnte diese Gruppe für Leute wie meine Eltern erfüllen? Und, besonders im Falle der Children of God: Welches Bedürfnis, welche Sehnsucht oder welchen Zweck erfüllte die Gruppe umgekehrt für David...

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Autor

Bexy Cameron ist Schriftstellerin, Regisseurin, Aktivistin und lehrt an der Universität; Filme über Kunst, Mode und Musik mit führenden Marken wie Nike, Adidas, Converse, YouTube und Google sowie Werbespots für Fila, Airbnb, Lee Cooper und Fit Flop. Sie setzt sich für sozialen Wandel ein: LGBTQI-Rechte, religiöse Kulte, Fankultur, Gender und die Stärkung der Rolle der Frau.
Zwischen Himmel und Hölle