Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Quality Time

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
336 Seiten
Deutsch
Kein + Abererschienen am13.07.20211. Auflage, neue Ausgabe
Sami hat einen Traum: Er möchte unbedingt Vater werden. Doch seine biologische Uhr tickt mittlerweile so laut, dass er nicht hört, was seine Freundinnen dazu sagen. Als wieder eine Beziehung kläglich scheitert, trifft Sami eine Reihe verhängnisvoller Entscheidungen, die sogar eine Motorradgang gegen ihn aufbringen. Zum Glück gibt es den Blog Quality Time, der sämtliche Probleme mit Wald-Yoga, knusprigen Hirsekeksen und der richtigen Wandfarbe löst. Doch ist es wirklich so einfach?

Miika Nousiainen (geb. 1973) schreibt scharfe, sanfte und tragikomische Romane über überraschende Themen wie Langstreckenlauf, den Wunsch, schwedisch zu sein, und Zahnmedizin. Auf Deutsch erschienen bislang seine Romane 'Die Wurzel alles Guten' (2017) und 'Verrückt nach Schweden' (2019). Miika Nousiainen arbeitet nebenher als Journalist, schreibt fürs Fernsehen und lebt in Helsinki.
mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR23,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR13,99

Produkt

KlappentextSami hat einen Traum: Er möchte unbedingt Vater werden. Doch seine biologische Uhr tickt mittlerweile so laut, dass er nicht hört, was seine Freundinnen dazu sagen. Als wieder eine Beziehung kläglich scheitert, trifft Sami eine Reihe verhängnisvoller Entscheidungen, die sogar eine Motorradgang gegen ihn aufbringen. Zum Glück gibt es den Blog Quality Time, der sämtliche Probleme mit Wald-Yoga, knusprigen Hirsekeksen und der richtigen Wandfarbe löst. Doch ist es wirklich so einfach?

Miika Nousiainen (geb. 1973) schreibt scharfe, sanfte und tragikomische Romane über überraschende Themen wie Langstreckenlauf, den Wunsch, schwedisch zu sein, und Zahnmedizin. Auf Deutsch erschienen bislang seine Romane 'Die Wurzel alles Guten' (2017) und 'Verrückt nach Schweden' (2019). Miika Nousiainen arbeitet nebenher als Journalist, schreibt fürs Fernsehen und lebt in Helsinki.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783036994772
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum13.07.2021
Auflage1. Auflage, neue Ausgabe
Seiten336 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3000 Kbytes
Artikel-Nr.5757513
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Nojonen

Heute kommt eine Ablösung für mich, und ich muss mich nicht um meine Mutter kümmern. Gut, dass es diese Entlastung ab und zu gibt. Ich schlage Sami vor, ein Nachmittagsbier trinken zu gehen. Bei seinen flexiblen Arbeitszeiten kann er es sogar einrichten. Im Ölbusiness läuft es entspannter als bei der Angehörigenpflege.

Sami erzählt, dass er sein Tinder-Profil reaktiviert hat. Für mich bislang eine fremde Welt, aber nicht uninteressant. Sami erklärt mir das Grundprinzip und ermutigt mich, es auszutesten.

»Aber ich habe gar keine Zeit. Mein Leben dreht sich um meine kranke Mutter. Und selbst wenn ich hier und da mal ein bisschen rauskomme - welche Frau hat Lust auf einen Mann, der seine Mutter pflegt?«

»Du musst das anders verkaufen. Beim Online-Dating ist eigentlich nur wichtig, wie du dich darstellst.«

»Ich will mich aber nicht darstellen, ich suche was Ernstes.«

»Es gibt dort viele, die was Ernstes suchen.«

»Wirklich? Und wie finde ich die?«

»Indem du schreibst, keine Affären und Abenteuer. Probier es doch mal aus.«

Leicht beschwipst gehe ich nach zwei netten Stunden in der Kneipe noch bei Dressman vorbei und kaufe mir eine vorteilhafte Jeans und ein dunkelgrünes Hemd. Ich will dem Online-Dating eine Chance geben. Sami meinte, man soll gleich mit offenen Karten spielen. Was denn nun, Selbstvermarktung oder Ehrlichkeit? Ich pflege meine demente Mutter quasi rund um die Uhr. Darauf wird garantiert keine Frau anspringen. Engagement für Klimaschutz oder Patenkinder in afrikanischen Dürregebieten, das wäre attraktiver.

Ich habe momentan nicht mal eine Wohnung, meine derzeitige Wohnadresse ist identisch mit der meiner Mutter. Wieso soll ich für eine Wohnung Miete zahlen, in der ich mich überhaupt nicht mehr aufhalte? Also habe ich untervermietet.

Zum Glück schreiben die Leute bei Tinder kaum was über sich. Ich kann das alles weglassen; Job, Wohnsituation, Mama. Die ernsten Absichten sind das Wichtigste.

»Ich muss mal!«, ruft meine Mutter aus dem Schlafzimmer.

»Warte ganz kurz, komme gleich!«, rufe ich zurück. Ich will mein Profil fertig erstellen.

Ein Fehler. Meine Mutter hat krankheitsbedingt ihre Blase nicht mehr unter Kontrolle, und als ich bei ihr bin, ist es bereits zu spät. Ich helfe ihr aus der nassen Hose und Unterhose, begleite sie ins Bad, hieve sie auf den Duschhocker und drücke ihr den Duschkopf in die Hand.

»Den Rest kannst du selber.«

So was ist jetzt Alltag. Kaffee und Kuchen und zwischendurch eine alte Frau sauber machen. Ich nehme es mit Galgenhumor.

»Ich komme nicht ans Handtuch ran!«

Ich gehe zurück ins Bad. »Hier.«

Sie trocknet sich flüchtig ab, ich muss nachhelfen.

Cadasil bringt auch taube Gliedmaßen, Halluzinationen und Koordinationsstörungen mit sich. Ich muss immer wieder kleine Wunden verarzten. Streitsüchtig ist Mama auch oft. Dann wieder weinerlich, geradezu depressiv. Das ist alles die Krankheit, nicht ihre Persönlichkeit. Jeden Tag aufs Neue versuche ich, mir das einzubläuen. Auch anstrengende Menschen verdienen Fürsorge. Ehrlich gesagt war sie schon vorher keine einfache Person, und Cadasil hat das nur verstärkt. Ob es auch Krankheiten gibt, die die positiven Züge eines Menschen verstärken? Wenn die ansonsten ungefährlich sind, hätte ich im Alter gerne so eine.

Die Psychologin von dem Kurs neulich hat mir gesagt, dass ich meinen Frust nicht runterschlucken soll. Dass Ärger und Wut dazugehören. Auch wenn mein Alltag stark um meine Mutter kreist, meine Gefühle bleiben meine und sollen zum Ausdruck kommen.

Ich helfe Mama beim Zubettgehen. Wieder einmal versuche ich, sie von Windeln zu überzeugen. Dann könnten wir beide durchschlafen, und ich müsste morgens nicht gleich wieder alles waschen.

»Ich will keine Windel, verdammt! Ich bin ein erwachsener Mensch. Irgendwo gibts eine Grenze.«

»Dann wasche ich aber auch nicht mehr deine Matratze, Mama. Irgendwo gibt es auch bei mir eine Grenze.«

»Der Mensch gehört nach Hause«, hat meine Mutter früher mehrmals gesagt. »Alles andere ist gegen die Würde.«

Leider bleibt beim aktuellen Konzept meine eigene Würde auf der Strecke. Jede Mahlzeit muss ich wie für ein Kind in Häppchen schneiden, bei allem muss ich helfen. Auch heute überwache ich wieder ihr Zähneputzen und weise sie darauf hin, dass sie die Zahninnenflächen vergessen hat.

Als sie endlich im Bett liegt - ohne Windel -, stelle ich mein Tinder-Profil fertig. Ich mache ein paar Selfies, auf Samis Anraten von schräg oben. Das wirkt angeblich attraktiver und bringt mehr Matches. Natürlich ziehe ich vorher die neue Jeans und das Hemd an.

Bei schummrigen Lichtverhältnissen sehe ich gar nicht so bescheuert aus wie sonst. Sami sagt, ein gutes Selbstwertgefühl ist beim Online-Dating die halbe Miete. Bei mir kommt höchstens ein Zehntel der Miete zusammen. Selbstwertgefühl lässt sich leider nicht bei Dressman kaufen.

Heute sind alle extrem auf ihr Äußeres fixiert. Alle wollen mindestens überdurchschnittlich gut aussehen, am besten zu den obersten zehn Prozent gehören. Wer sind dann die restlichen neunzig?

Ich schäme mich für mein Gesicht, meinen Körper, mein ganzes momentanes Leben. Nicht mal entspannt einen runterholen kann ich mir, weil ich mich kaum anfassen mag. Dass jemand mich so annimmt, wie ich bin, obwohl ich mich selbst nicht akzeptiere, ist nicht gerade wahrscheinlich. Aber who knows, die Hoffnung stirbt zuletzt.

Ich drehe mich einmal um mich selbst. Scheiße, auch in dieser Jeans muss ich aufpassen, dass man meinen Hintern nicht sieht. Liegt das am Schnitt oder an meiner Figur? Wohl an Letzterem. Ich habe halt einen kräftigen Arsch. Den kompensiert dann der kleine Schwanz. Und mein genialer Humor.

Was solls. Ich aktiviere mein Profil. Los gehts.

Wenn ich ehrlich bin, gibt es im richtigen Leben längst eine Frau, die ich toll finde. Aber mit ihr wird es nie was werden, das ist einfach nicht realistisch.
Markus

Wenn die Weihnachtsferien hinter einem liegen und man sich wieder halbwegs vom Familiendauerstress und der Völlerei erholt hat, stehen schon die Skiferien vor der Tür: Gewuchte und Gezerre von sperrigem Gepäck, komplizierte Reisen an schwer erreichbare Orte. Und dort ist es dann entweder so eisig oder so warm, dass an Skilaufen nicht zu denken ist und sich alle von morgens bis abends drinnen in der Blockhütte auf die Nerven gehen.

Außerdem schwitze ich in dieser Zeit immer besonders viel. Väter schwitzen sowieso oft. Beim ersten Kind wird man ständig vor dem Schlafmangel und dem Stress in der Beziehung gewarnt, kein Sexleben mehr und so weiter, aber von dem Dauerschwitzen erzählt einem keiner. Als alleinerziehender Mehrfachvater kriege ich vermutlich Mineralienmangel, so oft, wie ich schwitze: Beim Anziehen der Kinder und beim Ausziehen. Beim Packen der Tasche für den Spielplatz. Beim Tragen der Jüngsten, die es nicht mehr bis nach Hause schafft. Beim Tragen des Laufrads, das leider aus Vollholz ist. Und das erste Fahrrad natürlich aus Vollmetall. In den viel zu langen Sommerferien, wenn die Kinder mit Ausflügen bei Laune gehalten werden wollen, schwitze ich beim Rucksäcke-Packen und Mücken-Wegwedeln. Sind diese Ausflüge wirklich alle nötig? Es ist doch noch kein Kind umgekommen, weil es die süße Hafenaltstadt von Porvoo nicht gesehen hat.

Der Mensch lebt etwa achtzig Jahre. Je älter ich werde, umso deutlicher sehe ich, wie wenig Zeit das im Grunde ist. Man müsste die eigenen vier Wände und das eigene Viertel gar nicht verlassen. Das ganze Gerenne und die viele Logistik jedes Mal, wenn man aufbricht - sind die es wirklich wert?

Alleinerziehend zu sein, wirkt sich extrem auf das Zeitempfinden aus. Die Tage dauern ewig, aber das Jahr ist ruckzuck um. Eigentlich kommt ja jetzt erst der Skiurlaub, aber mich stresst bereits der näher rückende Sommerurlaub. Und danach sind gleich wieder Herbstferien, quasi kurze Sommerferien mit Scheißwetter, und obendrein gibt es den Dreikönigstag, Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten und noch haufenweise andere Feiertage, von denen niemand die Bedeutung kennt. Trotzdem sind sie aus Sicht der Berufsverbände wichtig, private Ruhezeiten und so. Hat auch Jesus schon Computerspiele gezockt?

Ich will die Arbeitsbelastung von Leuten aus anderen Berufsgruppen gar nicht kleinreden. Eine Krankenschwester mit Schichtdienst braucht zur Regenerierung jeden einzelnen Urlaubs- und Feiertag. Für mich aber ist es bei der Arbeit weitaus entspannter als in den Ferien. Der Job im Finanzwesen folgt einer klaren Logik, und die Kollegen hören mir zu, sind kooperativ, ziehen sich selbstständig an und essen, ohne zu murren.

Wenn ich irgendwann sterbe, bin ich vielleicht einer der wenigen, die dann sagen: Hätte ich doch mehr gearbeitet und nicht so viel Zeit zu Hause verbracht. Aber als Alleinerziehender konnte ich mir das nicht aussuchen.

Ich sage es ungern, aber es ist die Wahrheit: Schon die Woche vor den Ferien ist purer Stress. Man muss die ganze Vorbereitung stemmen und alles Mögliche einkaufen. Ada hat ihre Skihandschuhe verloren, also muss ich wieder los. Dieses Mal in die Kamppi-Mall, ich will zu Polarn o Pyret. Die beiden Älteren lasse ich zu Hause, auf die Gefahr hin, dass sie sich die Köpfe einschlagen. Vielleicht hilft Dauerfernsehen, das Schlimmste zu verhindern. Ich parke die beiden auf dem Sofa und schalte den Kinderkanal ein.

Draußen regnet es. Ich schiebe Ada mit dem Buggy über das Kopfsteinpflaster, wie...

mehr

Autor

Miika Nousiainen, geboren 1973, schreibt scharfe, sanfte und tragikomische Romane über überraschende Themen wie Langstreckenlauf, den Wunsch, schwedisch zu sein, und Zahnmedizin. Auf Deutsch erschienen von ihm bislang Verrückt nach Schweden und Die Wurzel alles Guten. Miika Nousiainen arbeitet nebenher als Journalist und schreibt fürs Fernsehen. Er lebt in Helsinki.

Elina Kritzokat übersetzte bereits die ersten beiden erschienenen Romane von Miika Nousiainen ins Deutsche. 2019 wurde sie mit dem Finnischen Staatspreis ausgezeichnet.