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Die vier Leben der Marta Feuchtwanger

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
422 Seiten
Deutsch
Aufbau Verlage GmbHerschienen am21.06.20211. Auflage
'Eine Frau sollte keine Angst haben vor dem Fallen.' Marta Feuchtwanger Muse, Grande Dame, Ikone des deutschen Exils - Marta Feuchtwanger gehört neben Katia Mann und Alma Mahler-Werfel zu den großen Dichterfrauen des 20. Jahrhunderts. Manfred Flügge erzählt das Leben dieser außergewöhnlichen Frau, die durch ihre Schönheit, ihren selbstbewussten Witz und ihre Lebensklugheit schon die Zeitgenossen faszinierte. Ein unvergleichliches Frauenschicksal, ein spannender Eheroman, ein plastisches Zeitbild und, schließlich, eine Lektion zum Thema Glück - brillant geschrieben und gestützt auf umfangreiches, teilweise bisher unerschlossenes Material, darunter die intimen Tagebücher Lion Feuchtwangers.


Manfred Flügge, geboren 1946, studierte Romanistik und Geschichte in Münster und Lille. Von 1976 bis 1988 war er Dozent an der Freien Universität Berlin. Heute lebt er als freier Autor und Übersetzer in Berlin.

2014 erhielt er den 'Literaturpreis Hommage à la France der Stiftung Brigitte Schubert-Oustry' und in Cognac den Prix Jean Monnet du Dialogue Européen.

Im Aufbau Verlag sind seine Bücher 'Die vier Leben der Marta Feuchtwanger', 'Das Jahrhundert der Manns', 'Stadt ohne Seele. Wien 1938', 'Das flüchtige Paradies. Deutsche Schriftsteller im Exil an der Côte d'Azur' und 'Stéphane Hessel - ein glücklicher Rebell' lieferbar.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

Klappentext'Eine Frau sollte keine Angst haben vor dem Fallen.' Marta Feuchtwanger Muse, Grande Dame, Ikone des deutschen Exils - Marta Feuchtwanger gehört neben Katia Mann und Alma Mahler-Werfel zu den großen Dichterfrauen des 20. Jahrhunderts. Manfred Flügge erzählt das Leben dieser außergewöhnlichen Frau, die durch ihre Schönheit, ihren selbstbewussten Witz und ihre Lebensklugheit schon die Zeitgenossen faszinierte. Ein unvergleichliches Frauenschicksal, ein spannender Eheroman, ein plastisches Zeitbild und, schließlich, eine Lektion zum Thema Glück - brillant geschrieben und gestützt auf umfangreiches, teilweise bisher unerschlossenes Material, darunter die intimen Tagebücher Lion Feuchtwangers.


Manfred Flügge, geboren 1946, studierte Romanistik und Geschichte in Münster und Lille. Von 1976 bis 1988 war er Dozent an der Freien Universität Berlin. Heute lebt er als freier Autor und Übersetzer in Berlin.

2014 erhielt er den 'Literaturpreis Hommage à la France der Stiftung Brigitte Schubert-Oustry' und in Cognac den Prix Jean Monnet du Dialogue Européen.

Im Aufbau Verlag sind seine Bücher 'Die vier Leben der Marta Feuchtwanger', 'Das Jahrhundert der Manns', 'Stadt ohne Seele. Wien 1938', 'Das flüchtige Paradies. Deutsche Schriftsteller im Exil an der Côte d'Azur' und 'Stéphane Hessel - ein glücklicher Rebell' lieferbar.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783841215598
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum21.06.2021
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.7076
Seiten422 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse9626 Kbytes
IllustrationenMit 21 Abbildungen
Artikel-Nr.5778366
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Leib und Seele

»Ich habe gar nicht an mich geglaubt.«

M. F.

Auf den Kinderbildern blickt sie noch kess und neugierig in die Welt. Über den Augen der Jugendlichen liegt ein leichter Schleier, sanfte Trauer und verhaltener Stolz. Etwas bedrückt sie, sie muss es verbergen und will sich doch in Szene setzen. Traut sie der Welt nicht, oder hat man ihr Selbstvertrauen gebrochen? Zugleich sucht sie, ein großes Tuch über den rundlichen Kopf gelegt, nach einer trotzigen Pose, in der sie sich behaupten kann.

Geboren wurde Marta am 21. Januar 1891 in München als drittes Kind von Leopold und Johanna Löffler, wohlhabenden, wenn auch nicht reichen Geschäftsleuten, die seit 1884 eine Wohnung im Haus Nummer 4 der Windenmachergasse bewohnten, mit Blick auf die Frauenkirche. Ein Großvater der Mutter, ein geborener Feuchtwang, war nach dem frühen Tod seiner Eltern von einer Tante namens Reitlinger adoptiert worden. Er wurde ein erfolgreicher Händler und später Bankier. Seine schönen Töchter lockten junge Offiziere ins Haus, die den Umgang mit Juden sonst eher mieden. Sie tanzten mit den Mädchen und erhielten vom Vater günstige Kredite. Nach dem Krieg von 1870/71 ließ sich keiner mehr von ihnen blicken. Der in Schwierigkeiten geratene Bankier wollte die Offiziere verklagen, doch seine Töchter flehten ihn an, die schmucken Uniformträger in Frieden zu lassen. Er gab nach, grämte sich und ist bald darauf gestorben.

Seine Witwe, geborene Landauer, eine energische und attraktive Person, eröffnete ein Geschäft für Damenbekleidung. Beim Verkauf halfen die drei Töchter Sidonie, Ida und Johanna. Ein junger Kaufmann namens Leopold Löffler, Sohn eines Viehhändlers aus Augsburg, verliebte sich bei der Hochzeit der ältesten Reitlinger-Tochter in die jüngste, heiratete sie und zog mit ihr nach München. Johanna Löffler war eine geschickte Schneiderin und nähte ihre elegante Garderobe selbst. Sie und ihr Mann verkauften Stoffe auf den Marktplätzen verschiedener Städte und waren zunächst gemeinsam mit dem Pferdewagen unterwegs. Sie übernahmen das Geschäft der Großmutter und nannten die Firma Löffler & Landauer. Daraus wurde bald ein Kaufhaus, das auch Läden in kleinen Gemeinden belieferte.

Das erste Kind der Löfflers, Emilie, starb 1884 im Alter von zwei Monaten. Die zweite Tochter, im August 1885 geboren, war früh an Typhus erkrankt und behielt eine Behinderung zurück. Ida hatte blaue Augen und blondes Haar und war sehr gutmütig. Sie wurde nicht in eine Schule geschickt, sondern erhielt daheim Privatstunden. Dann saß die sechs Jahre jüngere Marta auf dem Fußboden dabei, hörte aufmerksam zu und lernte allerlei.

Leopold Löffler war das ganze Jahr im Zweispänner unterwegs, auch im Winter. Wenn er nach Hause kam, war das ein großes Ereignis. Am Sonntagmorgen durfte Marta zu ihm ins Bett, aber da las er meist die Zeitung. Marta fühlte sich allein, zu Hause gab es keine Zärtlichkeit, selten eine Bestätigung, kaum ein gutes Wort. Es war aber nicht ihre Art, die Dinge einfach hinzunehmen. Notfalls provozierte sie Reaktionen. So beschuldigte sie ihre sanfte Schwester, sie gestoßen zu haben. Doch als die Mutter jene bestrafen wollte, warf sich Marta dazwischen: »Es hat ja nicht sehr weh getan.« Sie wollte nur gelobt werden und hatte dafür diesen Auftritt inszeniert. Die Mutter sagte es ihr auf den Kopf zu. »Aber wie hast du das herausbekommen?«, fragte Marta. Die Mutter: »Der kleine Vogel hat es mir erzählt.« Nach späteren Untaten kniete Marta vor dem Käfig des Kanarienvogels nieder und bat: »Sag das bitte nicht der Mama!«

Im Juni 1896 starb Martas Schwester Ida an Meningitis. Die Mutter war deprimiert, fühlte sich schuldig. Sie magerte stark ab, war so schmal und dünn, dass der Wind sie hochhob, als er um die Frauenkirche pfiff und in ihre weiten Kleider gefahren war. Marta bog sich vor Lachen, als sie ihre Mutter in die Luft gehen sah.

Die Löfflers wohnten in der zweiten Etage eines vierstöckigen Hauses mit Schlafzimmer, Esszimmer, Salon (auch Malzimmer genannt) und Küche. Als von einer Nachbarwohnung ein Raum hinzukam, erhielt Marta ihr eigenes Zimmer. In der Windenmachergasse standen nur sechs Gebäude, eines davon gehörte der Handelsbank, die später die gegenüberliegenden alten Gebäude aufkaufte und zu einem einzigen Komplex umbauen ließ. Von ihrem Zimmer aus schaute die zehnjährige Marta auf die Baustelle, sah das Haus aus rotem Sandstein allmählich wachsen. Zwei junge Italiener arbeiteten dort als Dekorateure, ein blonder und ein schwarzhaariger. Marta sah zu, wie sie Verzierungen anbrachten, und fragte sich, welchen von beiden sie lieber mochte, konnte sich aber nicht entscheiden und empfand das als tragisch. Es war ihr erster bewusster Ausblick auf die Männerwelt.

Ihre Mutter freundete sich mit einer ehemaligen Hofdame an, die im selben Haus wohnte und ihr zuweilen edles Porzellan schenkte. Die Frauen schwärmten für König Ludwig II., auch wenn dem Märchenkönig längst sein schwachsinniger Bruder Otto nachgefolgt war, an dessen Stelle seit 1886 Prinzregent Luitpold die Amtsgeschäfte führte. Luitpold betrieb eine aktive Förderung der bildenden Kunst, was von den Malern dankbar anerkannt wurde, die er zuweilen in ihren Ateliers besuchte. Nun erst wurde München zur Kunst- und Künstlerstadt, während in Berlin seit 1888 ein eigenwilliger und leicht größenwahnsinniger Kaiser regierte. Bei seinem ersten Besuch an der Isar schrieb Wilhelm II. ins Goldene Buch: »Der Wille des Monarchen ist das höchste Gesetz.« In München galten, besonders in der Kunst, andere Gesetze.

Die Löfflers gehörten zu den Reformjuden, die in Münchens jüdischer Gemeinde die Mehrheit bildeten. Sie hatten eine Haushaltshilfe und ein Kindermädchen, die Mutter aber kochte selbst, denn der Vater legte zumindest daheim Wert auf koschere Küche. Man ging jeden Samstag zur Synagoge, und fast jeden Sonntag gab es ein Familientreffen in einem Restaurant, wo man nicht immer koscher aß. Der Großvater, ein aufgeklärter Mensch und Spinoza-Leser, hatte zu seiner Frau gesagt: »Du musst nicht in den Tempel gehen. Wenn du zu Hause arbeitest, tust du auch etwas für Gott.« Und so hielt es auch noch die nächste Generation. Martas Mutter und deren Schwestern hatten keine Schulbildung bekommen.

Auf der höheren Schule nahm Marta am Religionsunterricht teil. Jeden Sonntagabend bereitete sie sich auf diese Montagsstunden vor, in denen sie etwas Hebräisch und ganze Passagen aus dem Gebetbuch herzusagen lernte, doch ohne Sinn und Zusammenhang. Jüdische Freundinnen hatte sie nur wenige, und in der Schule bekam sie den katholischen Antijudaismus zu spüren. Bei einem Ausflug ins Umland riefen ihr Bauernjungen nach: »Saujüdin, dreckige!« Marta, die sich nicht leicht einschüchtern ließ, rief zurück: »Ihr Sauchristen!« Antwort: »Wollen wir raufen?« Und tatsächlich prügelte sie sich mit ihnen. Die wütende Marta war stärker, als sie von sich selbst glaubte, riss einen Burschen zu Boden, drückte ihr Knie auf seine Brust, was die überraschten Provokateure in die Flucht trieb.

Ein schweres Schicksal, so kam es der jungen Marta vor, hatten die Juden nur anderswo, fern im russischen Osten oder in Frankreich, wo der Armeehauptmann Alfred Dreyfus der Spionage beschuldigt wurde, nur weil er ein Jude war. Ihr Judentum hielten die Löfflers beinahe versteckt, vollzogen die Riten möglichst diskret. Die Mutter genierte sich, wenn der Vater an Pessach laut sang und man die Türen öffnete als Zeichen, dass der Messias willkommen sei. 1903 ereignete sich in der russischen Stadt Kischinjow ein Pogrom. Fünfzig Juden wurden dabei getötet, Hunderte verletzt, viele flohen in den Westen. In der Münchner Synagoge improvisierte der Kantor ein Klagelied, in dem der Name Kischinjow immer wieder vorkam, was bei Marta einen tiefen Eindruck hinterließ. Einige Flüchtlinge gelangten auch nach München. Martas Onkel, ein Bankier, sagte: »Wir wollen diese verdreckten Juden hier nicht haben.« Die zwölfjährige Marta hielt ihm entgegen: »Sie müssen doch schmutzig sein, wenn man sie aus ihrer Heimat vertrieben hat.« Der Onkel erwiderte nichts. Zu Hause aber musste Marta in der Ecke stehen, weil sie Widerworte gegeben hatte. Den Flüchtlingen schenkte man etwas Geld und schickte sie weiter nach Holland. Marta hielt das für ungerecht. Und vor allem: Sie hielt mit ihrer Ansicht nicht hinter dem Berg.

Als sie fünfzehn war, lernte sie auf einem Ball einen selbstbewussten jungen Juden aus dem Osten kennen. Von ihm hörte sie zum ersten Mal, dass sie sich nicht genieren müsse, eine Jüdin zu sein; sie solle vielmehr stolz darauf sein. Wenn sie sich unglücklich fühlte, ging sie in die benachbarte Frauenkirche. Der Innenraum war meist nur schwach beleuchtet. Manchmal übte ein Knabenchor. Sie lauschte dem Gesang und fühlte Trost und Erleichterung. Die gedämpfte Stimmung tat ihr gut. Die Riten und Formen des Gottesdienstes in der Synagoge fand sie streng, der Rabbiner predigte laut und lang, was sie nur einschüchterte.

Ihre Familie besuchte jeden Samstag die Synagoge und achtete die großen Feiertage. Die Hauptsynagoge, die von Reformierten geleitet wurde, lag ganz in der Nähe. Marta und ihre Mutter gingen auch gern zur kleinen Synagoge der orthodoxen Gemeinde, die vor allem von den Familien Fränkel und Feuchtwanger unterstützt wurde. Es gab zwar einen Chor, aber keine Orgel wie bei den Reformierten, und der Rabbi predigte sanftmütiger. Und hier drückte man ihr eine Bibel in die Hand zur eigenständigen Lektüre. Die Atmosphäre war eher wie bei den Katholiken, doch der Raum war dunkel, schlicht und eng. Die Frauen in der Reformsynagoge schwätzten...
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Autor

Manfred Flügge, geboren 1946, studierte Romanistik und Geschichte in Münster und Lille. Von 1976 bis 1988 war er Dozent an der Freien Universität Berlin. Heute lebt er als freier Autor und Übersetzer in Berlin.

2014 erhielt er den "Literaturpreis Hommage à la France der Stiftung Brigitte Schubert-Oustry" und in Cognac den Prix Jean Monnet du Dialogue Européen.

Im Aufbau Verlag sind seine Bücher "Die vier Leben der Marta Feuchtwanger", "Das Jahrhundert der Manns", "Stadt ohne Seele. Wien 1938", "Das flüchtige Paradies. Deutsche Schriftsteller im Exil an der Côte d'Azur" und "Stéphane Hessel - ein glücklicher Rebell" lieferbar.