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Schneiderei Graf - Schicksalszeiten

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
375 Seiten
Deutsch
beHEARTBEATerschienen am01.12.20211. Aufl. 2021
Bad Godesberg, 1958: Die junge Edith Graf arbeitet in der familieneigenen Herrenschneiderei. Dabei wünscht sie sich nichts sehnlicher als eine Anstellung in der großen Schneiderei in Mehlem, wo die feinen Damen der Bonner Republik in edle Stoffe gekleidet werden. Doch Ediths Welt gerät ins Wanken: Gerüchte um eine mögliche Nazi-Vergangenheit ihres Vaters werden laut. Sie beginnt, sich mit der Geschichte ihrer Familie auseinanderzusetzen. Aber auch ihre Liebe zu dem Freigeist Paul vergrößert die Kluft zu ihrer Familie. Wünscht diese sich doch eine Heirat mit dem eher bodenständigen Heinz. Wird Edith dennoch ihren eigenen Weg gehen?
eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.



Susanne Kriesmer wurde 1979 in Andernach am Rhein geboren und ist auf einem Bauernhof aufgewachsen. Nach dem Abitur in Bonn-Bad Godesberg machte sie eine Lehre zur Buchhändlerin. Von ihrer Mutter - einer gelernten Schneiderin - bekam sie ihre erste Nähmaschine geschenkt und näht seitdem in ihrer Freizeit. Mit dem Schreiben von Büchern begann sie nach der Geburt ihrer drei Kinder. Susanne Kriesmer lebt mit ihrer Familie am Rande der Vulkaneifel.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,99
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR2,99

Produkt

KlappentextBad Godesberg, 1958: Die junge Edith Graf arbeitet in der familieneigenen Herrenschneiderei. Dabei wünscht sie sich nichts sehnlicher als eine Anstellung in der großen Schneiderei in Mehlem, wo die feinen Damen der Bonner Republik in edle Stoffe gekleidet werden. Doch Ediths Welt gerät ins Wanken: Gerüchte um eine mögliche Nazi-Vergangenheit ihres Vaters werden laut. Sie beginnt, sich mit der Geschichte ihrer Familie auseinanderzusetzen. Aber auch ihre Liebe zu dem Freigeist Paul vergrößert die Kluft zu ihrer Familie. Wünscht diese sich doch eine Heirat mit dem eher bodenständigen Heinz. Wird Edith dennoch ihren eigenen Weg gehen?
eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.



Susanne Kriesmer wurde 1979 in Andernach am Rhein geboren und ist auf einem Bauernhof aufgewachsen. Nach dem Abitur in Bonn-Bad Godesberg machte sie eine Lehre zur Buchhändlerin. Von ihrer Mutter - einer gelernten Schneiderin - bekam sie ihre erste Nähmaschine geschenkt und näht seitdem in ihrer Freizeit. Mit dem Schreiben von Büchern begann sie nach der Geburt ihrer drei Kinder. Susanne Kriesmer lebt mit ihrer Familie am Rande der Vulkaneifel.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783751715270
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum01.12.2021
Auflage1. Aufl. 2021
Reihen-Nr.1
Seiten375 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.6073438
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

»Hast du das heute in der Zeitung gelesen?«, fragte Rita.

Edith war so in den Anblick des alten Lastkahns auf dem Rhein versunken, dass sie nur abwesend nickte.

»Mensch, Edith! Hörst du mir überhaupt zu? Du liest doch keine Zeitung, also kannst du es gar nicht gelesen haben.« Rita warf keck ihren Kopf nach hinten, und ihr blonder Pferdeschwanz wippte mit.

»Ich lese wohl Zeitung!«, antwortete Edith. Sie rutschte auf der Bank nach vorn. Wie so oft hatte sie sich nach der Arbeit mit Rita getroffen, um ein wenig am Rhein entlangzuspazieren. Dabei konnten sie den Rheinschiffern bei der Arbeit zusehen und sich über dies und das unterhalten. Nachdem sie schon ein gutes Stück gegangen waren, hatten sie sich im Schatten einer großen Linde auf einer Bank niedergelassen.

»Ja, aber nur am Sonntag, wenn dein Vater dich bittet, ihm beim Frühstück die Schlagzeilen aus dem Bonner General-Anzeiger vorzulesen.«

Edith verdrehte die Augen. »Ich lese Zeitung. Punkt.«

»Ja, klar.« Rita tippte sich an die Stirn und kicherte. Mit der Schulter stupste sie Edith an, die plötzlich mitkichern musste. Einfach, weil Ritas Gekichere immer so ansteckend war.

Nachdem sie sich wieder beruhigt hatten, beschlossen sie weiterzugehen. Es war noch früh am Abend. Ein leichter Sommerwind wehte über die Rheinpromenade unterhalb von Bad Godesberg und ließ ihre weiten Tellerröcke mal hierhin, mal dorthin schwingen. Auch Edith hatte das braune Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, mit einer blauen Schleife, weil das ihre Lieblingsfarbe war.

»Was hast du denn heute in der Zeitung gelesen?«, fragte sie Rita endlich.

»Heute ...«, Rita zog die Augenbrauen hoch, um zu zeigen, dass sie das, was auch immer es war, ganz abenteuerlich fand, »stand in der Zeitung, dass das Gleichberechtigungsgesetz in Kraft getreten ist.« Immer noch waren ihre Augenbrauen weit oben.

»Das Gleichberechtigungsgesetz?«, fragte Edith, die sich darunter so gar nichts vorstellen konnte. »Was soll das sein?«

»Frauen dürfen jetzt in der Ehe mitentscheiden«, erwiderte Rita, als sei das ganz und gar absurd. »Und sie dürfen ihr eigenes Geld verwalten.«

»In der Ehe? Welche Frau hat denn da eigenes Geld?«, fragte Edith, die das Ganze auch zunehmend ungeheuerlich fand.

»Und jetzt kommt noch das Tollste: Frauen dürfen nach der Heirat ihren Geburtsnamen als Namenszusatz zum Familiennamen führen!«

»Wie bitte?«

»Also«, Rita grinste, »wenn du jetzt meinen Bruder heiraten würdest, dann ...«

»Dein Bruder ist doch noch ein Hosenscheißer!«, unterbrach Edith ihre Freundin wütend. »Der geht gerade erst in die Schule!«

Wieder gab Rita ihr ansteckendes Rita-Kichern von sich. »Das weiß ich doch, das ist nur ein Beispiel. Also, angenommen, du würdest meinen Bruder heiraten, dann könntest du dich Edith Graf-Meyer nennen. Oder Meyer-Graf.«

»Meyer-Graf? Was für ein Unsinn!«, rief Edith empört aus, musste dann aber auch ins Lachen ihrer Freundin einstimmen.

Sie gingen von der Rheinpromenade die Rheinallee hinauf, als Edith auffiel, dass ihre sonst so ausgelassene Freundin still geworden war.

»Was ist denn plötzlich mit dir los?«, fragte sie besorgt.

»Ach, ich muss an die alte Mecker denken.«

Edith schmunzelte. Eigentlich hieß Ritas Vermieterin Becker, aber weil sie laut Rita in einem fort schimpfte, hatte sie sie kurzerhand umgetauft.

»Ständig schnüffelt sie in meinem Zimmer herum, wenn ich auf der Arbeit bin. Und wenn ich das Haus betrete, dann steht sie vor mir und sagt, ich hätte mein Bett in der Früh nicht ordentlich genug gemacht.« Rita verdrehte die Augen. Edith auch. Aber nicht wegen der alten Meckerziege, sondern weil sie liebend gern mit Rita getauscht hätte. Ein eigenes möbliertes Zimmer zu haben, nicht mehr bei den Eltern zu wohnen, das wäre schön. Dafür würde sie auch die pedantische Kriegerwitwe in Kauf nehmen.

Rita schien ihren Ärger aber schon wieder vergessen zu haben, das war bei ihr oft so. In einem Moment ließ sie sich über etwas aus, im nächsten war alles wieder vergessen. Sie drehte sich mitten im Schritt im Kreis, blieb dann abrupt stehen und sagte: »Weißt du, was wir machen sollten? Wir sollten am Wochenende ausgehen.«

»Ausgehen?« Edith zog die Augenbrauen zusammen.

»Nicht, was du jetzt schon wieder denkst. Nicht abends, nachmittags.«

»In ein Café oder eine Wirtschaft?«

»Ich hatte an einen Tanztee gedacht. Das wäre doch fein. Ein bisschen schwofen. In der Insel oder im Dreesen.« Wieder drehte sich Rita im Kreis. Ihr Tellerrock flog hoch.

»Ach, du weißt doch, dass ich nicht gut tanzen kann. Ich war nur ein paarmal in der Tanzschule. Meine Eltern sehen das nicht gern.«

»Papperlapapp. Was das Tanzen angeht, brauchst du nur einen Mann, der gut führen kann. Und zu deinen Eltern - die müssen ja nicht hinsehen. Vielleicht müssen sie es noch nicht einmal wissen.« Rita lächelte Edith verschwörerisch zu.

»Ich kann doch meine Eltern nicht anlügen!«

»Wer hat denn von anlügen gesprochen? Du sollst es einfach nur nicht sagen.«

Edith biss sich auf die Unterlippe. In solchen Dingen war Rita immer völlig unbesorgt. Sie musste ja auch nicht, so wie sie, den Eltern Rede und Antwort stehen. »Ich weiß nicht«, antwortete sie ausweichend.

»Oder wir nehmen einfach deinen Bruder mit«, sagte Rita leichthin.

Aha, dachte Edith, daher weht der Wind. »Meinen Bruder? Hast du etwa ein Auge auf ihn geworfen. Am Ende willst du eine Meyer-Graf werden.«

»Vielleicht«, erwiderte Rita und grinste.

»Gib's zu, du willst ja nur meine Schwägerin werden, damit wir Verwandte sind.«

»Du hast es erfasst.« Und da war es wieder, das Rita-Gekichere.

Auf der anderen Straßenseite kam ihnen ein älteres Ehepaar entgegen. Edith sah ihnen an, dass sie Ritas Gelächter missbilligten. Als die Dame die Nase rümpfte, prustete Edith los. Sie stieß ihre Freundin mit dem Ellenbogen an und nickte zu dem Paar hinüber. Rita erfasste die Situation sofort und brüllte vor Lachen. Das konnten auch die alten Herrschaften nicht mehr ignorieren.

»Was fällt euch zwei Backfischen ein?«, rief der Mann zu ihnen herüber.

Edith und Rita nahmen die Beine in die Hand und liefen, immer noch lachend, die Rheinallee hinunter.

»Kommst du noch mit zu mir? Dann kann ich dir zeigen, was ich aus dem Pikee gezaubert habe.«

Nachdem sie ein ganzes Stückchen gerannt waren, spazierten Edith und Rita wieder gemächlich nebeneinanderher. Von diesem Stoff hatte Rita Edith schon vor ein paar Tagen erzählt. Sonnengelb wäre er, hatte sie gesagt. Mit ein, zwei Webfehlern in der Struktur. Nichts Auffälliges, aber Grund genug, dass der Pikee in der großen Damenschneiderei Kurt Klemens Modelle in Mehlem ausgesondert worden war. Ständig brachte Rita wunderbare Stoffe von der Arbeit mit. Fließenden Georgette oder glänzenden Jacquard, einmal sogar etwas hauchzarten Chiffon. Das war etwas ganz anderes als die langweiligen Stoffe, die Ediths Vater für die Anzüge in der familieneigenen Herrenschneiderei in Bad Godesberg verwendete.

»Aber nur ganz kurz«, sagte Edith.

»Weil sonst die Frau Mama und der Herr Papa böse werden«, stichelte Rita.

»Du hast gut reden, du musst dich nur mit der Mecker herumplagen.«

»Was heißt denn hier nur? Die hat mich auf dem Kieker. Am Ende setzt sie mich noch vor die Tür.«

Edith seufzte. Dass Rita immer so übertreiben musste. »Das wird sie nicht tun, und das weißt du auch. Du bist eine verlässliche junge Dame mit einem regelmäßigen Einkommen. Die Becker wäre schön blöd, wenn sie dich wegen einem nicht ordentlich genug gemachtem Bett hinauswerfen würde.«

»Genau, ich bin eine junge Dame!« Rita hielt sich die Hand unter das Kinn und klimperte mit den Augen.

»Und was für eine!« Edith lachte. »Aber jetzt lass uns ein bisschen schneller gehen, damit ich mir ansehen kann, was du aus dem Pikee genäht hast, und trotzdem rechtzeitig zum Abendbrot zu Hause bin.«

Sie bogen von der Rheinallee in die Hensstraße ein und am Ende in die Beethovenallee. Gegenüber der Herz-Jesu-Kirche stand die Villa der Witwe Becker.

Rita kramte noch in der Rocktasche nach dem Schlüssel, da wurde die Tür schon von der Dame des Hauses persönlich geöffnet.

»Ach, da sind sie ja, Fräulein Meyer«, sagte die Witwe Becker, »und wie ich sehe haben sie wieder das Fräulein Graf mitgebracht.« Sie neigte den Kopf und sah die beiden über ihre filigrane Brille hinweg an.

Edith und Rita machten sofort einen Knicks. »Guten Abend, Frau Becker«, sagten sie im Chor.

»Fräulein Meyer, ich hoffe doch sehr, dass Sie nicht wieder bis in die späten Abendstunden ihre Nähmaschine rattern lassen. Bei einem solchen Krach...
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Susanne Kriesmer wurde 1979 in Andernach am Rhein geboren und ist auf einem Bauernhof aufgewachsen. Nach dem Abitur in Bonn-Bad Godesberg machte sie eine Lehre zur Buchhändlerin. Von ihrer Mutter - einer gelernten Schneiderin - bekam sie ihre erste Nähmaschine geschenkt und näht seitdem in ihrer Freizeit. Mit dem Schreiben von Büchern begann sie nach der Geburt ihrer drei Kinder. Susanne Kriesmer lebt mit ihrer Familie am Rande der Vulkaneifel.
Schneiderei Graf - Schicksalszeiten