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Tage der Mondschnecke

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
448 Seiten
Deutsch
Woow Bookserschienen am17.09.20211. Auflage
Eigentlich interessiert Lucy sich nicht besonders für Naturwissenschaft, obwohl ihre Mutter eine bekannte Meeresbiologin war. Aber als einheimische Fischer einen großen Weißen Hai an Land ziehen, ist Lucys Neugier doch geweckt: Wie ist der Hai so weit nach Norden gekommen? Lucy beschließt, ihr Biologie-Schulprojekt zu den Raubfischen zu machen und so die Arbeit ihrer Mutter weiterzuführen. Je länger sie sich mit den faszinierenden Tieren beschäftigt, desto mehr wird ihr bewusst, wie wenig Erinnerungen sie an ihre Mutter hat. Doch durch die Haie knüpft Lucy eine Verbindung zu ihr.

Kate Allen wurde in Massachusetts geboren. Sie schrieb schon während ihrer Schulzeit Geschichten und studierte später Kreatives Schreiben. Nach ihrem Abschluss begann sie aber als Lehrerin zu arbeiten. Ihren Traum, eines Tages ein Buch zu veröffentlichen, verlor sie zum Glück trotzdem niemals aus den Augen. ?Tage der Mondschnecke? ist ihr Debüt. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Minneapolis.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR18,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR13,99

Produkt

KlappentextEigentlich interessiert Lucy sich nicht besonders für Naturwissenschaft, obwohl ihre Mutter eine bekannte Meeresbiologin war. Aber als einheimische Fischer einen großen Weißen Hai an Land ziehen, ist Lucys Neugier doch geweckt: Wie ist der Hai so weit nach Norden gekommen? Lucy beschließt, ihr Biologie-Schulprojekt zu den Raubfischen zu machen und so die Arbeit ihrer Mutter weiterzuführen. Je länger sie sich mit den faszinierenden Tieren beschäftigt, desto mehr wird ihr bewusst, wie wenig Erinnerungen sie an ihre Mutter hat. Doch durch die Haie knüpft Lucy eine Verbindung zu ihr.

Kate Allen wurde in Massachusetts geboren. Sie schrieb schon während ihrer Schulzeit Geschichten und studierte später Kreatives Schreiben. Nach ihrem Abschluss begann sie aber als Lehrerin zu arbeiten. Ihren Traum, eines Tages ein Buch zu veröffentlichen, verlor sie zum Glück trotzdem niemals aus den Augen. ?Tage der Mondschnecke? ist ihr Debüt. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Minneapolis.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783961775811
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum17.09.2021
Auflage1. Auflage
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse7940 Kbytes
Artikel-Nr.7897932
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

5. Der Sturm

Ich legte den Hörer auf und schaltete den Fernseher aus. Meine Kopfhaut knisterte wie der schwarz gewordene Bildschirm. Ich fühlte mich ruhelos wie der Wind, der draußen durch die Blätter der Bäume fegte. Meine Mutter im Fernsehen zu sehen, war mir vorgekommen wie ein Traum, in dem wir beide noch immer beisammen waren. Und ich wollte, dass dieser Traum andauerte. Ich fragte mich, wo das Interview herkam und ob es womöglich noch mehr Videomaterial gab. Außerdem wünschte ich mir, mich an jedes einzelne Wort von Mom erinnern zu können.

Mein Blick fiel auf ein Foto, das auf dem Bücherregal stand. Ich nahm es in die Hand und drückte es an mich. Vermutlich war es kurz vor der Sezierung eines toten Hais aufgenommen worden. Mom trug einen weißen Ganzkörperanzug, der sie aussehen ließ wie eine Malerin, und auf ihrem Kopf leuchtete eine Stirnlampe wie ein Stern. Sie kniete in der Dunkelheit neben einem riesigen Hai, den der Ozean an den Strand gespült hatte. Seine Zähne strahlten ebenso hell wie Moms Kopflampe.

Das Gesicht meiner Mutter war nur einen knappen Meter von den geöffneten Kiefern des Hais entfernt, doch sie wirkte so entspannt, als posierte sie für ein Familienfoto mit Dad und mir. Natürlich war mir klar, dass sie keine Angst zu haben brauchte, denn das Tier war tot und würde nicht plötzlich seinen Kopf heben, um sie in Stücke zu reißen. Mom war in Sicherheit und konnte in Ruhe wissenschaftliche Daten sammeln. Doch das Besondere an meiner Mutter war, dass sie auch in der Nähe eines lebendigen Hais gelassen geblieben wäre.

Als ich mir das Foto näher anschaute, bemerkte ich, dass in Moms Brusttasche etwas Glänzendes steckte. Vielleicht ein silberner Stift, der mithilfe eines Bügels festgeklemmt war. Ob es sich um einen Tintenroller oder Kugelschreiber handelte? Mit Tintenrollern ließ sich besser zeichnen, weil sie weicher waren. Wie sie den Stift wohl benutzt hatte, während ihre Hände in Fischgedärmen steckten? Hatte sie während der Sezierung etwas geschrieben oder gezeichnet? Sie war keine große Künstlerin gewesen. Ich hingegen schon.

Ich nahm den Telefonhörer wieder ab und wählte Freds Nummer.

»Fred«, begann ich, »lass uns am Naturführer arbeiten.«

»Okay.«

»Ich möchte den Hai zeichnen«, fügte ich hinzu.

»Am Kai?«

»Ja.«

»Wir treffen uns draußen«, sagte er.

Ich lief über den knarzenden Holzboden, um aus dem Fenster zu schauen. Im Licht der Straßenlaterne stellten sich die Blätter in Windrichtung auf, so als ob es bald anfangen würde zu regnen. Mr. Patterson saß noch immer auf seiner Terrasse und lauschte den beiden Radios.

In der Küche suchte ich die Anrichte nach meinem Schlüssel ab, dann stopfte ich ihn zusammen mit meinem Zeichenblock in den Rucksack, verließ das Haus und ging über die Straße.

»Irgendwas Neues über den Hai?«, rief ich Mr. Patterson zu.

»Die Polizei hat ein Auge auf ihn«, antwortete er.

»Warum denn?«, wollte ich wissen.

»Wer weiß. So ein schauriger Anblick bringt die Leute vielleicht auf dumme Gedanken.«

»Gibt es Neuigkeiten von Dad?«

Mr. Patterson schüttelte den Kopf und deutete auf eins der Radios. »Sie sind immer noch im Hafen.«

Schon sah ich Fred aus der Haustür treten.

»Fred!«, rief ich. »Hier bin ich!«

Er wandte sich um und schlug unsere Richtung ein.

»Der Hai ist noch da«, berichtete ich ihm, während ich am Reißverschluss meines Rucksacks zupfte.

Fred hob die Augenbrauen.

»Lass uns fahren«, sagte ich.

Wir schwangen uns auf die Räder und brausten die dunkle, windige Beach Street hinunter, dann ließen wir den Front Beach und den alten Friedhof hinter uns. Abends hörte man die Wellen oft härter aufschlagen, und heute brachen sie besonders laut. Auf den Balkonen des alten Motels saßen keine Gäste. Wir bogen auf die Main Street ab, strampelten am Buchladen vorbei und rollten bergab. Es war kühler geworden, und ich bereute es, keinen Pullover mitgenommen zu haben.

»Es wird bestimmt gleich regnen«, stellte Fred fest.

»Ich beeil mich mit dem Zeichnen«, versicherte ich ihm.

Als wir uns dem Kai näherten, wirbelten unsere Reifen Kieselsteine auf, die gegen meine Schienbeine prallten. Und dann tauchte der Hai in meinem Blickfeld auf, gefesselt wie ein Entführungsopfer. Kaum einen Steinwurf entfernt von ihm stand ein Streifenwagen des Rockport Police Departments. Ich bremste neben der Fahrerseite des Autos und warf durch das Fenster einen Blick hinein.

»Officer Parrelli!«, rief ich.

Der Polizist las mithilfe einer Taschenlampe Zeitung. »Lucy, was machst du denn hier? Es ist doch schon spät«, sagte er. »Hi, Fred.«

»Ist es okay, wenn wir uns kurz den Hai anschauen?«, fragte ich.

»Nur zu. Danach fahre ich euch beide aber nach Hause, ein Sturm zieht auf.«

Fred und ich ließen unsere Fahrräder auf den Kies fallen und gingen hinüber zum Hai. In der Luft lag ein überwältigend starker Fischgeruch, so als hätte jemand tausend Thunfischdosen auf einmal geöffnet. Im Wasser unterhalb seines Mauls hatte sich ein großer Fleck aus Blut, Schleim und anderen geheimnisvollen Haiflüssigkeiten gebildet. Flutlichter am Dock strahlten den Kadaver an. Ich hob meinen Blick und schaute dem Tier direkt ins Gesicht - falls man es bei einem Hai überhaupt so nannte.

Ein paar seiner Zähne ragten krumm und schief heraus. Der Winkel seines Mauls und seine großen dunklen Augen verliehen ihm etwas Menschliches, so als würde er jeden Moment ein Gespräch beginnen: Was dagegen, wenn ich deinen Dad verspeise?

Der Rest des Körpers wirkte aber alles andere als menschlich. Das Tier war riesig, hatte einen kräftigen Schwanz und breite Flossen. Ich wusste, dass es unter Wasser atmen konnte, war mir aber nicht sicher, ob es richtige Knochen besaß.

Je länger ich in das eine Auge des Hais starrte, desto mehr erschien es mir, als wäre es eher blau als schwarz. Die Schnauze war mit Narben übersät, von denen eine besonders hervorstach. Sie hatte die Form des Buchstabens M, verziert wie bei einer schnörkeligen Schrift.

Fred deutete auf ein fehlendes Stück Rückenflosse. »Was ist da passiert?«

»Ich weiß nicht«, antwortete ich, während ich meinen Rucksack von den Schultern zog. »Vielleicht ein Kampf?« Ich öffnete den Reißverschluss und nahm Bleistift und Zeichenblock heraus.

»Unheimlich, nicht wahr?«, rief uns Officer Parrelli durch das geöffnete Wagenfenster zu.

»Jap!«, stimmte ich zu. »Hat Sookie sich schon entschieden, was er mit dem Hai machen will?«

»Er wird ihn morgen runterholen und entsorgen, glaube ich. Heute Abend ist er unterwegs und feiert.«

»Und Sie bewachen den Hai bis dahin?«, fragte Fred.

»Ja, die Chefin macht sich Sorgen, dass sonst jemand etwas mit ihm anstellen könnte. Und Sookie hat mir eine ganze Kühltruhe voll Hummer versprochen, wenn ich über Nacht hier sitze. Können wir jetzt fahren?«

»Nein«, sagte ich. »Ich brauche noch ein paar Minuten.«

Fred ging vor mir in die Hocke, und ich lehnte den Zeichenblock gegen seinen Rücken.

Dann skizzierte ich mit einer einzigen Linie den merkwürdigen Bogen, den der Haikörper beschrieb. Seine Form erinnerte mich an eine große Nase. Anschließend fügte ich die Haltegurte hinzu und zeichnete die Seile, mit denen das Tier an der Winde befestigt war. Ich gab mir Mühe, alle Details so genau wie möglich abzuzeichnen, um später nachzuvollziehen, wie dieser große Hai mitten in der Luft hängen konnte.

»Was macht Lucy da?«, wollte Officer Parrelli von Fred wissen.

»Sie zeichnet den Hai!«, rief er über seine Schulter.

»Warum?«

»Weil sie Künstlerin ist.«

Ich lächelte, während ich die fleischigen Wülste neben den Gurten auf das Papier brachte, dann fügte ich noch die Flossen und Zähne hinzu. Freds Knie fingen bereits an zu zittern, deshalb musste ich meine Zeichnung vereinfachen.

»Nur noch eine Minute«, vertröstete ich ihn.

»Okay.«

Als ich fertig war, warf ich einen Blick auf mein Werk. Der Hai sah ein wenig wie eine Cartoon-Figur aus, doch den grundlegenden Aufbau hatte ich erfasst. Die Einzelheiten konnte ich später noch ergänzen. Auf einmal fiel mir unser Naturführer ein. Fred und ich hatten vereinbart, von jedem Tier nur eine Zeichnung anzufertigen, und ich fragte mich, ob sich ein toter Hai überhaupt als Motiv eignete. Alle anderen Tiere, die ich bisher gezeichnet hatte, waren lebendig gewesen.

Ich tippte Fred auf den Kopf, um ihm zu signalisieren, dass ich fertig war.

»Danke«, sagte ich.

»Kein Problem.« Er drehte sich um, damit er einen Blick auf die Zeichnung werfen konnte. »Gut getroffen.«

Ich ging näher an den Hai heran und konzentrierte mich auf die Form seiner gezackten Zähne. Schnell legte ich den Zeichenblock auf meinen linken Unterarm und skizzierte die Umrisse der messerscharfen Spitzen. Schon schlug der erste Regentropfen aufs Papier. Ich verpasste meiner Zeichnung den letzten Schliff.

»Ins Auto mit euch, Kinder!«, rief Officer Parrelli, als der Regen heftiger wurde, und entriegelte den Kofferraum des Streifenwagens.

Ich zog meinen Rucksack genau in dem Augenblick zu, als ein richtiger Wolkenbruch einsetzte.

»Da würden locker vier Leichen reinpassen«, stellte ich fest, als Officer Parrelli mein Fahrrad in den Kofferraum hob.

Er schaute mich entgeistert an.

»Das war ein Scherz«, erklärte ich.

Als wir losfuhren, blickte ich dem Hai aus dem Fenster nach. Die dicken Regentropfen hämmerten gegen seine Schnauze, und der trübe Fleck unter seinem Maul wurde immer größer.

In meinem...
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Kate Allen wurde in Massachusetts geboren. Sie schrieb schon während ihrer Schulzeit Geschichten und studierte später Kreatives Schreiben. Nach ihrem Abschluss begann sie aber als Lehrerin zu arbeiten. Ihren Traum, eines Tages ein Buch zu veröffentlichen, verlor sie zum Glück trotzdem niemals aus den Augen. >Tage der Mondschnecke