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Einband grossDas Mädchen aus Oslo
ISBN/GTIN

Das Mädchen aus Oslo

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
184 Seiten
Deutsch
SAGA Egmonterschienen am04.10.2021
Eine zentrale Figur des Buches, Helen Lassen, leidet an einer unheilbaren Krankheit. Bevor sie stirbt, möchte sie ihren damaligen Freund noch einmal sehen, um sich gebührend verabschieden zu können. Sie beauftragt den Privatdetektiv Ask mit der Aufgabe, die sich als mysteriös herausstellt. Ask taucht in die Vergangenheit des Mannes ein und findet heraus, wie er die Frauen und gleichzeitig seine Karriere ausgenutzt hat. Ein tragischer Zwischenfall in Oslofjord macht die Detektivarbeit nicht einfacher! -

Pål Gerhard Olsen (geboren 1959) ist ein norwegischer Schriftsteller. Er wurde in Bergen geboren und hat Soziologie, Norwegisch und Literaturwissenschaften studiert. Im Jahr 1885 hatte er sein Debut und hat seitdem zahlreiche Krimis, Dramen, Romantische Geschichten aber auch Kinderbücher publiziert. Heute ist er als Literaturkritiker für die norwegische Zeitung 'Aftenposten' tätig.
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Produkt

KlappentextEine zentrale Figur des Buches, Helen Lassen, leidet an einer unheilbaren Krankheit. Bevor sie stirbt, möchte sie ihren damaligen Freund noch einmal sehen, um sich gebührend verabschieden zu können. Sie beauftragt den Privatdetektiv Ask mit der Aufgabe, die sich als mysteriös herausstellt. Ask taucht in die Vergangenheit des Mannes ein und findet heraus, wie er die Frauen und gleichzeitig seine Karriere ausgenutzt hat. Ein tragischer Zwischenfall in Oslofjord macht die Detektivarbeit nicht einfacher! -

Pål Gerhard Olsen (geboren 1959) ist ein norwegischer Schriftsteller. Er wurde in Bergen geboren und hat Soziologie, Norwegisch und Literaturwissenschaften studiert. Im Jahr 1885 hatte er sein Debut und hat seitdem zahlreiche Krimis, Dramen, Romantische Geschichten aber auch Kinderbücher publiziert. Heute ist er als Literaturkritiker für die norwegische Zeitung 'Aftenposten' tätig.
Details
Weitere ISBN/GTIN9788726900361
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum04.10.2021
Seiten184 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.8121197
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



eins Lange bevor die Toten mit Salzwasser in den Kopfwunden auftauchten, hätte ich begreifen müssen, dass ich es darauf angelegt hatte. Ich war zu unüberlegt gewesen, war zu schnell darauf eingestiegen. Mit anderen Worten, ich war ganz der Alte.

Aber die Stadt war neu. Ich hatte Bergen hinter mir gelassen und war ein Bürger Oslos geworden - nun konnte ich hoffen, unter dem Schutz des Stadtheiligen St. Halvard zu stehen. Ich schleppte ein ziemlich gemischtes Gepäck mit in die Hauptstadt. Vier Jahre zuvor hatte ich meinen ganzen kriminalistisch überfrachteten Wortschatz in einen Wäschesack gestopft und mich um einen Job in einer Werbeagentur beworben. Ich wollte einen stoßgedämpften Alltag, ich wollte von hübschen, adretten und ausgeglichenen Menschen umgeben sein, die keiner Fliege etwas zuleide tun konnten.

Ich bekam die Stelle. Ich nahm die Verbraucher aufs Korn. Ich legitimierte Bedarf, ich schuf Bedarf. Ich stürzte mich in die Arbeit, war pausenlos kreativ und wurde entsprechend bezahlt. Ich hatte ein paar Beziehungen, für die ich mich mal mehr, mal weniger engagierte, ich ging aus, ins Theater, in Restaurants, in Bars, und wenn Bergen mir zu eng wurde, unternahm ich Wochenendtrips in europäische Großstädte. Alles in allem hielt ich in geradem Kurs auf die Mitte des Jahrzehnts zu.

Aber alles hat seine Zeit. Und die Zeit zehrt. Mein wohlgenährtes Texter-Dasein büßte immer mehr an Glanz ein, bis ich mir eingestehen musste, dass ich mich nach dem Gesetz der Straße zurücksehnte, nach dem Ungeschütztsein, dem Ausgeliefertsein, nach allem, woher ich kam. Ich hatte keine Lust mehr, die Bedürfnisse fremder Leute zu formulieren. Ich wollte sie lieber natura erleben. Die Grundbedürfnisse und nicht die Sekundärbedürfnisse der Werbung. Aber das ging in Bergen nicht. Ich hatte das Gefühl, diese Stadt als Privatdetektiv von innen ausgehöhlt und als Werbemann von außen beschossen zu haben. Also zog ich nach Süden. Oslo hat mir schon immer gefallen, trotz seiner unbeholfenen Stadtplanung. Oslos Besonderheit liegt darin, dass man von außen kommen muss, um den optimalen Nutzen aus dieser Stadt zu ziehen. Erst dann kann man tatsächlich begreifen, was es mit diesem erstaunlichen Konglomerat aus gegensätzlichen Dörfern auf sich hat.

Also eröffnete ich wieder ein Büro. Es lag mitten in der Stadt in der unansehnlichen Sommerrogate, in einem gepflegten Bürogebäude, wo auch Anwälte, Makler verschiedener Ausrichtungen, eine hochspezialisierte Versicherungsgesellschaft und ein ebensolcher Verlag ihre Räume hatten. Die oberste Etage wurde komplett vom Hauptsitz jener Werbeagentur belegt, die sich in Bergen meiner erbarmt hatte: Brot und Spiele, sehr witzig, so was kriegt nur die Werbebranche hin. Für diese erfolgsverwöhnten Jungs, die Mädels nicht zu vergessen, wird das Brot niemals hart, bekommt das Spielbrett niemals einen Knick. Im Gegenteil, jetzt surften sie auf zehn Meter hohen Wellen durchs Internet, eine große Investition, die sie ins nächste Jahrtausend hieven würde, mit mir als unmittelbarem Zeugen - sie hatten mir zwölf Quadratmeter zu einer erschwinglichen Miete abgegeben. Hin und wieder kamen aus der Abteilung Brot und Spiele welche zu Besuch, spendierten Coke sowie allerlei asiatisches Fast Food und erneuerten in regelmäßigen Abständen das Angebot, freiberuflich für sie zu arbeiten, falls der Müßiggang bei mir überhand nehmen sollte.

Helen Lassen sorgte dafür, dass das nicht passierte. Sie nahm an einem Montagvormittag Kontakt mit mir auf, an einem Tag im August, als der Sommer aller Erfahrung nach hätte zu Ende sein müssen. Aber dieser war ein Marathonsommer, es war ein Sommer, der einfach immer weiterging, der sich wie Gottes feuchte Hand auf Oslo legte, und das mit einer Beharrlichkeit, die selbst den Sonnenhungrigsten den Atem rauben konnte. Es war so ein Sommer, der die Urinstinkte der Menschen anfacht, der die Stadt zu einer großen, ausgetrockneten Kehle werden lässt, durch die nie genug Flüssigkeit rinnt.

Ihre Stimme war im unteren Bereich der Tonskala angesiedelt, sie klang wie ein weicher Kontrabass und schärfte sofort meine Aufmerksamkeit. Sie begann das Gespräch mit der Bemerkung, dass wir sozusagen Nachbarn seien. Sie arbeite in der Respekt einflößenden Universitätsbibliothek auf der gegenüberliegenden Seite des völlig überlasteten Kreisverkehrs am Lapsetorget, der - wie es sich für die Stadt, mit der ich es zu tun hatte, gehörte - in eine chaotische Baustelle verwandelt worden war.

«Darüber können wir nicht am Telefon sprechen», fuhr sie fort. «Können wir uns treffen?»

«Ja, das geht. Wollen Sie mich hier besuchen, oder soll ich zu Ihnen hinüberkommen?»

«Wie wäre es mit keinem von beiden?», konterte sie. «Wie wäre es mit Felix?»

«Jetzt gleich?»

«Wenn Ihnen das passt.»

Es passte mir. Es passte ausgezeichnet. Ich saß nur herum und schwitzte hinter schwarzen Jalousien; mein Blick auf die Welt reduzierte sich auf den wirkungslos schwirrenden Tischventilator vor mir. Um präsentabel auszusehen, zog ich mein federleichtes hellgraues Jackett über, dann stellte ich pflichtschuldig den Anrufbeantworter an und ließ die Possenreißer nebenan allein.

Draußen schlug mir die Hitze wie ein durchweichter Boxhandschuh ins Gesicht. Ich setzte die Sonnenbrille auf, um mich vom Tigergrinsen der Sonne nicht blenden zu lassen, und überquerte den sterilen Platz vor dem nicht weniger sterilen Bürogebäude, der einzig von der Statue des alten Säufers und Ehrenmanns Winston Churchill belebt wurde. Da stand er im Gehrock, gebeugt, auf den Stock gestützt und doch unerschütterlich, und blickte in die Ewigkeit. Auf dem Sockel stand gut lesbar die von ihm stammende Parole, «Come then, let us go forward with our united strength», ausgesprochen in jener Schicksalsstunde im Parlament am 13. Mai 1940. Dieser flammenden Aufforderung konnte ich mich nur anschließen, selbst wenn sie bei der Gnadenlosigkeit dieses Sommers völlig undurchführbar schien.

Helen Lassen kam mir mit einer ungezwungenen, selbstsicheren Körperspannung entgegen, sie trug ein rot-weiß kariertes Trägerkleid. Ihr Haar war dunkel und schulterlang, der Mund von fast afrikanischer Sinnlichkeit, die breiten Wangenknochen gaben dem Gesicht Stärke. Zwei Knöpfe des Kleides standen offen und entblößten den üppigen, nicht mehr ganz straffen Brustansatz. Eine Frau, die nicht nur reif, sondern vollreif war, eine Frau im Zenit des Lebens, die gleichzeitig, so schien es mir, den Gedanken einer ewigen Jugend mit einem Schulterzucken verwarf.

Wir gaben uns zur Begrüßung die Hand, betraten die weiß umzäunte Terrasse des Restaurants Felix und fanden einen Tisch im Schatten. Ich fragte sie, was sie trinken wolle. Sie wollte Wein.

«Es ist nie zu früh für ein Glas Wein, oder?», fügte sie hinzu.

«Nie zu früh, selten zu spät», sagte ich und begab mich zur Theke. Ich selbst nahm schwarzen Kaffee. Hitze gegen Hitze. Schwarz gegen die Sonne. Das war mein Rezept. Das Weinglas, das ich ihr hinstellte, war beschlagen, und sie leckte sich als Erstes langsam und genüsslich das Kondensat vom Zeigefinger. Ich nippte am Kaffee. Er hatte zu lange gestanden. In Norwegen, dem wahren Heimatland der Thermoskanne, steht Kaffee immer zu lange. Sie widmete sich mit ihren vollen Lippen dem Wein, ich sah, wie ihr Hals länger wurde, wie seine rückwärtige Beugung die unbestreitbaren Falten glättete, den Hals straffer, schmaler, sehniger werden ließ. Sie setzte das Glas mit einem Anflug von Unwillen ab, nahm jedoch den durstigen Finger nicht weg, ließ ihn um den Rand des Glases kreisen, immer wieder. Die Nasenflügel bebten, ein Träger war wenige Zentimeter nach unten gerutscht.

«Warum haben Sie mich angerufen?», fragte ich.

Sie betrachtete mich. Eingehend. Als liege die Antwort bei mir. «Sie waren der Erste im Alphabet.»

«Auch ein Grund.»

«Es geht um einen Mann. Er heißt Björn Aarhus.»

«Und was ist mit ihm?»

«Ja, was ist mit ihm?» Sie nahm noch einen Schluck, das Glas wurde rasch zu leer für sie, sie stellte es mit einem stillen Lächeln ab, beugte sich über den Tisch und stützte das Kinn auf den Halbkreis ihrer gefalteten Hände, den Kopf etwas zur Seite geneigt.

«Er wird vermisst. Schmerzlich vermisst.»

«Das hört sich ja fast so an, als ...»

«Nein, er nicht. Jedenfalls nicht, soweit ich weiß. Ich bin es, die bald stirbt. Die Ärzte geben mir höchstens noch ein Jahr.»

«Also, ich kann nichts ...», stotterte ich ratlos.

«Nichts sehen? Das ist nur eine Frage der Zeit. Aber daran denke ich nicht. Das habe ich nur in den ersten Tagen getan. Da war ich wütend auf die Ärzte, auf alles und jeden. Ich tat mir Leid. Ich habe geweint und mich eingeschlossen. Aber jetzt kann...

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