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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
300 Seiten
Deutsch
Suhrkamp Verlag AGerschienen am18.07.2022Deutsche Erstausgabe
Die Vulkanologin Anna Arnadóttir sieht sich mit der größten Herausforderung ihrer Laufbahn konfrontiert. Auf der isländischen Halbinsel Reykjanes kommt es zu einem Vulkanausbruch mit unabsehbaren Folgen. Für die Menschen, für das Land, für die Politik. Als Leiterin einer Expertenkommission berät sie die Regierung in dieser Gefahrenlage. Der Kommission gehören Vertreter*innen aus Wissenschaft, Katastrophenschutz, Tourismusverband, Justizministerium und Flughafengesellschaft an. Interessenkonflikte sind vorprogrammiert, und Anna wird in der Einschätzung der Situation immer unsicherer. Die Lage spitzt sich dramatisch zu. War der Ausbruch zunächst eine Touristenattraktion, die sich gut vermarkten ließ, fordert er nun Menschenleben. Und als Anna sich Hals über Kopf in den Fotografen Tómas Adler verliebt, leidet darunter nicht nur ihr Mann, sondern auch die beiden Kinder.

Ein spannender Thriller über Vulkanismus mit einer stürmischen Liebesgeschichte zwischen einer pragmatischen Wissenschaftlerin und einem unkonventionellen Fotografen, die sich inmitten einer Landschaft glühender Lavaströme wie eine weitere Naturgewalt Bahn bricht.


Sigri?ur Hagalín Björnsdóttir, geboren 1974, studierte Journalismus in Salamanca, Spanien und in New York. Sie ist eine in Island sehr bekannte Journalistin und arbeitet für den Icelandic National Broadcasting Service. Blackout Island (st 4889), ihr erster Roman, stand in Island gleich nach Erscheinen 2016 auf den Bestsellerlisten.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR15,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR13,99

Produkt

KlappentextDie Vulkanologin Anna Arnadóttir sieht sich mit der größten Herausforderung ihrer Laufbahn konfrontiert. Auf der isländischen Halbinsel Reykjanes kommt es zu einem Vulkanausbruch mit unabsehbaren Folgen. Für die Menschen, für das Land, für die Politik. Als Leiterin einer Expertenkommission berät sie die Regierung in dieser Gefahrenlage. Der Kommission gehören Vertreter*innen aus Wissenschaft, Katastrophenschutz, Tourismusverband, Justizministerium und Flughafengesellschaft an. Interessenkonflikte sind vorprogrammiert, und Anna wird in der Einschätzung der Situation immer unsicherer. Die Lage spitzt sich dramatisch zu. War der Ausbruch zunächst eine Touristenattraktion, die sich gut vermarkten ließ, fordert er nun Menschenleben. Und als Anna sich Hals über Kopf in den Fotografen Tómas Adler verliebt, leidet darunter nicht nur ihr Mann, sondern auch die beiden Kinder.

Ein spannender Thriller über Vulkanismus mit einer stürmischen Liebesgeschichte zwischen einer pragmatischen Wissenschaftlerin und einem unkonventionellen Fotografen, die sich inmitten einer Landschaft glühender Lavaströme wie eine weitere Naturgewalt Bahn bricht.


Sigri?ur Hagalín Björnsdóttir, geboren 1974, studierte Journalismus in Salamanca, Spanien und in New York. Sie ist eine in Island sehr bekannte Journalistin und arbeitet für den Icelandic National Broadcasting Service. Blackout Island (st 4889), ihr erster Roman, stand in Island gleich nach Erscheinen 2016 auf den Bestsellerlisten.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783518772621
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum18.07.2022
AuflageDeutsche Erstausgabe
Reihen-Nr.5254
Seiten300 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.8184131
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe




Pavane für eine verstorbene Prinzessin

(ein halbes Jahr vorher)


Der magnetische Pol im Norden ist ein äußerst sensibler Ort. Er ist instabil, in ständiger Bewegung, anders als sein standfester Bruder im Süden wandert er unter der Erdkruste auf seiner ewigen Suche nach einem Zufluchtsort und kann nichts für seine Streunernatur. Er zieht die Nadeln der Kompasse hinter sich her auf seiner Reise von den Nunavut-Inseln in Kanada am Nordpol vorbei, dem geographischen, und scheint auf dem Weg nach Sibirien zu sein, aber niemand weiß, warum und was ihn dort hinführt.

Diese mysteriöse Reise des magnetischen Pols beschäftigt mich im Halbschlaf, ich liege mit geschlossenen Augen im Bett und stelle mich schlafend, denke an den schweren Wellengang im Inneren der Erde, an den Erdmantel, der sich unter der Kruste wälzt wie ein schlummernder Drache, wie mein Mann, der neben mir etwas murmelt und sich auf die Seite dreht, den Arm ausstreckt und im Schlaf meine Schulter berührt. Gleich werden unsere Wecker klingeln, ich spüre es, obwohl meine Augen geschlossen sind. Ich kann fast mitzählen, bis die Harfenklänge aus seinem Handy erschallen werden und drei Minuten später der Signalton des Zivilschutzes aus meinem, laut genug, um die Toten am Tag des Jüngsten Gerichts und mich an einem Montagmorgen zu wecken. Meistens schlafe ich tief und fest, weiß die Nacht gut zu nutzen, aber heute erwache ich früh aus einem unruhigen Traum über den magnetischen Pol, das flüssige Eisen im Erdkern, das ihm keine Ruhe lässt, ihn unablässig gen Osten treibt. Diese geheimnisvollen Bewegungen im Erdinneren verfolgen mich manchmal im Schlaf, die Strömungen im Erdmantel, der Mantelplume, die Säule aus heißem Gestein, die unter dem Land aufströmt, angetrieben von dem weißglühenden Kern. Er geistert durch mein Unterbewusstsein, hat sich vor langer Zeit dort eingenistet.

Mein Vater erzählte mir vor dem Einschlafen keine Märchen, »genug der Dummheiten«, sagte er und las mir stattdessen Geschichten über Geologie, Astronomie und Magnetik vor. Er lag neben mir in meinem schmalen Bett und las und erklärte, zeichnete Skizzen von Gesteinsschichten und Ellipsen, Schnittbilder von der Erde, erläuterte die innersten Zusammenhänge des Universums, wie es entstanden ist. Mein Vater roch nach Pfeifentabak, seine großen Brillengläser waren verschmiert, und er war älter und grauer als andere Väter, aber trotzdem der Mittelpunkt meiner Welt. Beim Ausbruch der Hekla 1980 hatte ich solche Angst um ihn, dass ich dachte, mein fünfjähriges Herz würde aufhören zu schlagen. Aber er kam zurück nach Hause, müde und überglücklich, mit Sand in den Haaren, und brachte mir einen Lavaklumpen mit.

»Sieh mal, Kleines, das ist unsere Erde, funkelnagelneu«, sagte er und übergab ihn mir, als wäre er zerbrechlich und unendlich kostbar. Ich traute mich kaum, den Lavaklumpen anzufassen, hatte das Gefühl, er würde noch glühen, aber vielleicht war er nur warm von den großen Händen meines Vaters, rotviolett, so groß wie ein Brötchen, ganz rau und erstaunlich leicht. Er hinterließ spitze Körnchen in meiner Handfläche, ich rieb die Partikel und leckte sie mir von den Fingern, als mein Vater nicht hinsah. Sie schmeckten nach Blut.

Jetzt klingelt der Wecker, mein Mann dreht sich auf die andere Seite, streckt den Arm aus und beendet das Harfengedudel. Ich bleibe mit geschlossenen Augen liegen und versuche, die drei Minuten unter der Bettdecke auszukosten, bevor die Tröte aus meinem Handy schmettert.

Wir liegen mit geschlossenen Augen nebeneinander und tun so, als würden wir schlafen. Ich weiß, dass er wach ist, er weiß, dass ich wach bin, so etwas spürt man nach jahrelanger Ehe. Es gibt wesentlich schlimmere Dinge, als nebeneinanderzuliegen und sich schlafend zu stellen.

Dann setzt er sich auf, gähnt und reckt sich, steht auf, öffnet die Tür und geht in den Flur, seine Fersen ploppen auf den weiß gebeizten Eichendielen - wie können Schritte nur so vertraut sein?

Ich öffne erst die Augen, als ich den Strahl in die Kloschüssel prasseln höre, gewöhne mich an die Dunkelheit, strecke dann die Hand aus, nehme das Handy vom Nachttisch und schalte den Wecker aus, kurz bevor er losgeht. 7.02 Uhr, heute ist der 4. März. Laut Wetteramt gibt es Nordostwind mit 8-13 Metern pro Sekunde, überwiegend sonnig, aber im Tagesverlauf bewölkt es sich an der Südküste, es könnte schneien, Temperaturen um den Gefrierpunkt. Wir müssen am Vormittag fliegen, wenn wir etwas sehen wollen. Die Erdbebenserie vor der Reykjanes-Halbinsel dauert an, das Wetteramt hat in der Nacht mehrere Beben über fünf gemessen, sechs Kilometer ostnordöstlich der Insel Eldey.

Ansonsten ein ganz normaler Montagmorgen, ich gehe duschen und öffne danach Salkas Zimmertür. »Aufwachen, Kleines! Aufstehen, Örn!«, rufe ich und klopfe kräftig an die Tür meines Sohnes. Ich drücke die Türklinke runter, aber er hat abgeschlossen, also klopfe ich noch einmal, denn er muss um acht Uhr in der Fabrik sein. Kein Lebenszeichen hinter seiner Zimmertür, aber er ist erwachsen, schon über zwanzig, und muss lernen, für sich selbst verantwortlich zu sein. 

Mein Mann und ich wandern durchs Haus, ohne uns zu begegnen, wie Planeten auf unterschiedlichen Umlaufbahnen. Wir teilen uns wortlos die morgendlichen Aufgaben. Er hat die Kaffeemaschine schon eingeschaltet, als ich runterkomme, um Orangen zu pressen und Müsli und Sauermilch rauszustellen. Er hängt die Wäsche auf, ich schmiere Pausenbrote, wir rufen abwechselnd die Kinder und scheuchen sie aus den Betten.

Ein ganz normaler Montagmorgen, in der Küche plärrt das Radio, und ich spitze die Ohren, als um halb acht der Nachrichtenüberblick kommt, aber die Beben vor Reykjanes werden nicht erwähnt. Sie sind schon alltäglich geworden und zählen nicht mehr zu den Neuigkeiten. Der Nachrichtenüberblick ist zu Ende, die nächsten Nachrichten kommen um acht Uhr, kurze Stille, dann Klaviermusik, melancholische Klänge, Pavane für eine verstorbene Prinzessin. Sanft und traurig und unendlich schön, ein Klagegedicht für ein totes Kind. Ich schließe die Augen, und die unergründliche Schönheit durchflutet mich und unterbricht die morgendliche Routine.

Als mein Mann die Küche betritt, eine Kapsel in die Kaffeemaschine schiebt und auf die Taste drückt, wird die zarte Musik von dem Rattern verschluckt.

»Was?«, fragt er, als er mein Gesicht sieht. »Was habe ich denn gemacht? Stimmt was nicht?«

»Nein, alles gut«, antworte ich und drehe mich weg.

»Na hör mal«, sagt er lachend. »Weinst du etwa? Weinst du beim Radiohören? Was ist mit dir los?«

Ich schüttele nur den Kopf. Er nimmt mich in die Arme, und ich weiß, dass er mich liebt. Wir sind seit über zwanzig Jahren verheiratet.

Er küsst mich und ruft den Kindern einen Abschiedsgruß zu. Der Tag der Abrechnung rückt näher, die Abgabe der Steuererklärungen. Er muss früh zur Arbeit, seinen Mandanten dabei helfen, ihren Besitz und ihre Einkünfte in Sicherheit zu bringen. »Steuerberatung ist Erzählkunst«, sagt er manchmal, und der Satz trifft genau den Punkt und bringt ihm bei Partys immer Gelächter ein. Zurzeit verfasst er von morgens bis spät in die Nacht Geschichten und Märchen für den Fiskus.

Ich klopfe wieder an Örns Zimmertür, und wenn mich nicht alles täuscht, höre ich ihn verdrossen schimpfen. Salka sitzt schon am Küchentisch, als ich runterkomme, verschlafen und mit zerzausten Haaren in einem gelben Sommerkleid und Strumpfhose.

»Guten Morgen, Kleines«, sage ich und gieße Lebertran auf einen Löffel, »du musst dich wärmer anziehen, draußen ist es eiskalt.«

»Mir ist nicht kalt, ich will ein Kleid anziehen«, protestiert sie, schluckt den Lebertran und spült hastig mit Orangensaft nach.

»Ich möchte, nicht ich will«, korrigiere ich. »Und es ist unvernünftig, sich nicht wettergemäß anzuziehen. Wie nennt man Leute, die...


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Autor

Sigridur Hagalín Björnsdóttir, geboren 1974, studierte Journalismus in Salamanca, Spanien und in New York. Sie ist eine in Island sehr bekannte Journalistin und arbeitet für den Icelandic National Broadcasting Service. Blackout Island (st 4889), ihr erster Roman, stand in Island gleich nach Erscheinen 2016 auf den Bestsellerlisten.
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Björnsdóttir, Sigríður Hagalín