Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Ich bin ja heut so glücklich

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
448 Seiten
Deutsch
Droemer Knaurerschienen am01.03.20221. Auflage
Der große biografische Roman über eine der beliebtesten deutschen Schauspielerinnen der 30er Jahre. Die Geschichte eines tragischen Frauenschicksals von der Autorin des Bestsellers »Als wir unsterblich waren« Charlotte Roth. Berlin 1931: Sie ist der Shooting Star, die Sensation des jungen deutschen Tonfilms. 'Ich bin ja heut so glücklich' singt sie und scheint es ernst zu meinen. Renate Müller, der Münchner Journalistentochter, die mit achtzehn nach Berlin kam, verfällt die Filmwelt quasi über Nacht, obwohl sie so gar nicht dem gängigen Leinwandideal entspricht und weder das süße Püppchen noch den männermordenden Vamp verkörpert. Sie ist gefragt, begehrt, selbst Hollywood ruft nach ihr. Renate könnte so glücklich sein, wie es ihr berühmtes Lied verspricht, doch ihre große Liebe hat sie einem Juden geschenkt und gerät damit ins Visier der braunen Machthaber ...   Berührend, dramatisch und auf der wahren Geschichte der Schauspielerin Renate Müller beruhend.

Charlotte Roth, Jahrgang 1965, ist gebürtige Berlinerin, Literaturwissenschaftlerin und seit zehn Jahren freiberuflich als Autorin tätig. Charlotte Roth hat Globetrotter-Blut und zieht mit Mann und Kindern durch Europa. Sie lebt heute in London, liebt aber ihre Geburtsstadt Berlin über alles. Ihr Debüt, 'Als wir unsterblich waren', war ein Bestseller, dem seitdem zahlreiche weitere Romane über Frauenschicksale vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte folgten.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDer große biografische Roman über eine der beliebtesten deutschen Schauspielerinnen der 30er Jahre. Die Geschichte eines tragischen Frauenschicksals von der Autorin des Bestsellers »Als wir unsterblich waren« Charlotte Roth. Berlin 1931: Sie ist der Shooting Star, die Sensation des jungen deutschen Tonfilms. 'Ich bin ja heut so glücklich' singt sie und scheint es ernst zu meinen. Renate Müller, der Münchner Journalistentochter, die mit achtzehn nach Berlin kam, verfällt die Filmwelt quasi über Nacht, obwohl sie so gar nicht dem gängigen Leinwandideal entspricht und weder das süße Püppchen noch den männermordenden Vamp verkörpert. Sie ist gefragt, begehrt, selbst Hollywood ruft nach ihr. Renate könnte so glücklich sein, wie es ihr berühmtes Lied verspricht, doch ihre große Liebe hat sie einem Juden geschenkt und gerät damit ins Visier der braunen Machthaber ...   Berührend, dramatisch und auf der wahren Geschichte der Schauspielerin Renate Müller beruhend.

Charlotte Roth, Jahrgang 1965, ist gebürtige Berlinerin, Literaturwissenschaftlerin und seit zehn Jahren freiberuflich als Autorin tätig. Charlotte Roth hat Globetrotter-Blut und zieht mit Mann und Kindern durch Europa. Sie lebt heute in London, liebt aber ihre Geburtsstadt Berlin über alles. Ihr Debüt, 'Als wir unsterblich waren', war ein Bestseller, dem seitdem zahlreiche weitere Romane über Frauenschicksale vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte folgten.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783426456958
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum01.03.2022
Auflage1. Auflage
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2487 Kbytes
Artikel-Nr.8384913
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Als der Jubel sich legte, dämpfte Johann, der Hausdiener, die Lichter. Über den Raum senkte sich Schweigen, nur ein paar sterbende Kerzenflammen flackerten im Dunkeln. Die bedeutendste Stunde stand bevor. Die Stunde der Zukunft.

Renate spürte, wie jeder Muskel in ihrem Körper sich spannte. Dies war der Augenblick, auf den sie den ganzen Abend über gewartet hatte. Gleich darauf ließ eine erregte Stimme sie zusammenfahren.

»Lassen Sie mich das doch machen, Frau Müller, ich bitt´ Sie!« Werner, der Nachbarssohn, sprang am Tisch hoch wie ein kleiner Junge und versuchte, Renates Mutter den Löffel aus der Hand zu reißen. »Die Zukunft können Sie mir ruhig anvertrauen. Ich bin doch jetzt kein Kind mehr.«

Renates Mutter hieß Mariquita. Sie war in Südamerika zur Welt gekommen, und ein schlichtes Klara, Anna oder Margarete hätte für sie nicht genügt. Als Volksschülerin hatte Renate sich gewünscht, ihre Mutter würde so heißen wie die Mütter von anderen Kindern und ihre Schwester Gabriele und sie selbst hätten Namen wie Gertrud, Maria oder Else. In Renates Volksschulklasse hatte es vier Gertruds, drei Marias und fünf Elses gegeben, aber weder eine zweite Renate noch eine Gabriele. Die Mitschüler hatten sich über ihren Namen lustig gemacht und »Renate-Granate« hinter ihr hergerufen. Renate war rundlich. Granatenförmig. Ihr einziges Talent schien darin zu bestehen, andere zum Lachen zu bringen. Sie musste selbst dauernd lachen, und sooft sie damit anfing, lachten alle mit.

In manchen Nächten hatte sie sich ausgemalt, morgens früh ins Klassenzimmer zu spazieren, statt zu lachen den Bauch einzuziehen und zu erklären, sie hieße nicht länger Renate, sondern Lotte-Luise.

Inzwischen aber war sie schon zwölf, ging in München auf das Lyzeum und wurde um ihren exotischen Namen beneidet. »Renate, die Wiedergeborene«, nannte sie der Lateinlehrer, und Renate war jetzt froh, dass sie damals nicht hatte tauschen können, sondern vor dem Allerweltsnamen Müller wenigstens ein fesches Renate stand. Alles andere an ihr war so entsetzlich langweilig: Pausbacken, Stupsnase, pummelige Hüften - wer sie zu Gesicht bekam, sah sie kaum richtig an und hatte sie gleich darauf schon wieder vergessen. Das mit dem Lachen war allerdings ein wenig besser geworden, weil sie sich Mühe gab, sich zu beherrschen.

Werner, der noch immer neben ihrer Mutter auf und ab hüpfte, lachte selten. Er hieß mit vollem Namen Werner Josef Lohse, und sein Vater gehörte zu den Freunden von Renates Vater. Wenn im Hause Müller Feste gefeiert wurden, waren die drei Lohses grundsätzlich mit von der Partie. »Dem Himmel sei Dank«, sagte Renates Vater jedes Mal, wenn Werner, seinen Eltern voran, zur Tür hereinkam. »Endlich ein männliches Wesen. Ich dachte schon, mein Schöpfer will mich inmitten der geballten Weiblichkeit verkümmern lassen.«

Der Witz lag nahe, auch wenn ihm mittlerweile ein Bart wuchs: Renates Vater hatte keinen Sohn, sondern zwei Töchter. Er hatte auch weder Vater noch Schwiegervater, stattdessen eine Schwiegermutter, eine Schwiegergroßmutter, zwei frisch verwitwete Schwestern, drei Nichten und eine Schwägerin, die bei jedwedem Anlass vollzählig zur Tür hereinspazierten.

Ganz so geballt, wie Renates Vater es darstellte, war die Weiblichkeit trotzdem nie gewesen. Hier in Emmering, in der Künstlerkolonie vor den Toren Münchens, lebten sie alle wie in einer Familie, und zu den Festen waren männliche Freunde ebenso ins Haus geschneit wie weibliche Verwandte. Bis der Krieg gekommen war. Die Zeit der Frauen und Kinder. Jetzt aber war es damit vorbei. Das neue Jahr würde im Frieden beginnen, und unter die Müller-Frauen, die sich mit Vorliebe in der großen Küche einfanden, um beim Abwasch zu singen, zu tanzen und zu schwatzen, mischten sich nun wieder Männer.

Die, die noch lebten. Die nach Hause zurückgekehrt waren.

Werner dagegen war auch in den Kriegsjahren hier gewesen. Er war schließlich erst fünfzehn und noch kein Mann, sosehr er Renate auch damit in den Ohren lag, dass er doch eigentlich schon als solcher betrachtet werden müsste. »Deutschlands große Stunde verpass ich, nur wegen der paar Jahre«, hatte er ihr vorgejammert. An die Front hatte er gehen wollen, sich freiwillig melden, »für mein Vaterland meine männliche Pflicht tun«.

Renate bewies er damit erst recht, dass er hinter den Ohren nicht nur feucht, sondern pudelnass war. Renates Vater war Journalist, war vom Kulturreferenten und Theaterkritiker zum Kriegsberichterstatter geworden. Was er in seiner Zeitung nicht schreiben durfte, brach aus ihm heraus, sobald er auf Urlaub heimkam: Schützengräben, in denen Soldaten hüfthoch durch Schlamm wateten, Abiturienten, die im Laufen von Bomben zerrissen wurden, Verwundete, die in Bombenkratern ertranken. Wie konnte man sich so etwas wünschen und dann noch von großer Stunde und Mannespflicht schwafeln? Renate nahm es Werner nicht übel. Sie wusste schließlich, dass Jungen länger zum Erwachsenwerden brauchten als Mädchen, aber ernst nehmen konnte sie ihn mit solchem Unfug nicht.

Sie mochte Werner gern. Ihre Freundinnen mochten ihn allerdings nicht und deren Mütter noch weniger. Sie nannten ihn einen Flegel, den jemand Manieren hätte lehren müssen, einen Taugenichts, mit dem es übel enden würde. »Aber du magst ihn natürlich - du magst ja jeden«, hatte Hetty, Renates Banknachbarin im Lyzeum, gelästert, und ganz unrecht hatte sie damit nicht.

Renate sah sich in der großen Wohnstube um, in der die Freunde ihrer Familie versammelt waren, und hätte nicht einen benennen können, gegen den sie etwas hatte. Sie mochte Menschen, und die Menschen mochten sie, zumindest seit die Jahre der Renate-Granate-Hänseleien vorbei waren. Sie war vielleicht niemandem die Liebste und Wichtigste, aber es störte sich auch keiner an ihr oder schloss sie aus.

Manchmal wünschte sie sich aber genau das: im Herzen eines Menschen, der nicht ihr Vater, ihre Mutter oder ihre Schwester war, einen besonderen Raum einzunehmen. Da das aber nicht möglich schien, war alles gut, so wie es war. Sie hatte Menschen um sich, die ihr wohlgesonnen waren, hatte in ihrer Welt ihren Platz und fühlte sich geborgen.

Für Werner war dieser Wunsch, für jemanden das Nonplusultra zu sein, aber offenbar stärker und unbezähmbar. Erst heute Vormittag hatte er Renate wieder gefragt, ob sie ihn mochte, und als sie ihm ihr übliches: »Aber freilich, du Dummkopf«, zur Antwort gab, hatte er sich damit nicht abspeisen lassen.

»Nicht so, wie du all die anderen magst«, hatte er beharrt. »Das ist nichts wert. Was jeder haben kann, das will ich nicht.«

»Es kann ja nicht jeder haben«, beschied ihn Renate. »Bestimmt gibt´s ganz arme, traurige Geschöpfe auf der Welt, die mag kein Mensch.«

»Die sind mir egal«, sagte Werner. »Ich rede nicht von irgendeinem Hinz und Kunz, sondern von mir.« Hübsch hatte er ausgesehen, mit der schwarzen Tolle in der Stirn und der blitzenden Empörung in den Augen. Aber auch mächtig verbohrt. Renate verspürte eine unbändige Lust, zu lachen, doch sie wusste, sie hätte ihn damit verletzt.

»Du redest doch immer von dir«, erwiderte sie schließlich.

»Weil es sonst keiner tut«, kam es bitter zurück. »Also sag´s mir: Magst du mich wirklich? Magst du mich lieber als die verwöhnten Bonzensöhnchen in den Lodenmänteln, die euch die Schultaschen nach Hause tragen?«

Das war eines von Werners Problemen: Helmut Lohse, sein Vater, war als Künstler auf keinen grünen Zweig gekommen und unterrichtete nun als Privatlehrer. Er hatte sein Auskommen, aber er war nicht reich und wohl aus diesem Grund ständig ein wenig griesgrämig. Auch Renates Vater galt nicht als reich, obwohl es Renate so vorkam. Er besaß hier draußen in Emmering dieses schöne Haus mit einem noch schöneren Garten, der bis hinunter ans Ufer des Flusses Amper reichte, ein Badesteg wartete dort auf den Sommer, und im Schilf um den Steg lag ihr Boot. Für Renate war das Reichtum genug. Sie hatten alles, was sie brauchten, und mehr: einen selbst in Kriegsjahren reichlich gedeckten Tisch, eine Kalesche für Stadtfahrten, die der getreue alte Oscar zog, und ihre unbezahlbare »Adaate«, die zum Hausmädchen avancierte Kinderfrau, deren Taufnamen »Agathe« Gabi und Rena einst verballhornt hatten und die nun niemand mehr anders rief.

Werner aber meinte mit Reichtum etwas anderes, das war Renate bewusst. »Also los, jetzt sag schon«, hatte er sie aufgefordert. »Magst du mich lieber als die anderen?«

Renate hatte kurz überlegt, dann hatte sie genickt. Natürlich mochte sie ihn nicht lieber als ihre Eltern, ihre Schwester, Großmutti, Uri und die lustige Schar ihrer Tanten und Cousinen, aber an die hatte Werner sicher auch nicht gedacht. Und ihre Freundinnen? Die Söhne der anderen Nachbarn? Gar so genau brauchte sie es nicht zu nehmen, hatte sie befunden. Ihr Vater hatte ihr einmal, an ihrem Geburtstag, erklärt, das Wichtigste, das er ihr auf dem Weg in ihr Leben mitgeben wolle, sei der Glaube an sich selbst. Daran mangelte es Werner. Warum sollte sie ihm also nicht ein bisschen Aufschwung verleihen?

»Nicht nur nicken«, insistierte Werner. »Sprich´s aus.«

»Ja, ich mag dich am liebsten«, sagte Renate und sah, wie in seine Augen ein Leuchten trat.

»Du bist meine Beste, kleines Renatchen. Und die bleibst du auch. Dass ich auf dich warten muss, weil du noch so klein bist, macht mir nichts aus.«

Renate hatte sich gefreut, weil es schön war, anderen eine Freude zu bereiten....
mehr

Autor

Charlotte Roth, Jahrgang 1965, ist gebürtige Berlinerin, Literaturwissenschaftlerin und seit zehn Jahren freiberuflich als Autorin tätig. Charlotte Roth hat Globetrotter-Blut und zieht mit Mann und Kindern durch Europa. Sie lebt heute in London, liebt aber ihre Geburtsstadt Berlin über alles. Ihr Debüt, "Als wir unsterblich waren", war ein Bestseller, dem seitdem zahlreiche weitere Romane über Frauenschicksale vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte folgten.

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt