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Der Mann, der auf einen Hügel stieg und von einem Weinberg herunterkam

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
DuMont Buchverlag GmbHerschienen am22.06.20221. Auflage
Carsten Henn ist Weinjournalist, Autor diverser Weinsachbücher und -krimis, hat Weinbau studiert, die besten Weine der Welt verkostet - und ist doch beim Versuch gescheitert, selbst Winzer zu werden. In einem Weinberg an der Mosel versuchte er sich am Riesling, dem heiligen Gral des deutschen Weinbaus. Doch seinem Tropfen fehlte einfach das gewisse Etwas. Hier geht er der Frage nach, warum er sein Wissen nicht in die Praxis umsetzen konnte. Er trifft Winzer mit unterschiedlichsten Philosophien, vom Verfechter der Devise des kontrollierten Nichtstuns bis hin zum Spiritualisten. Er macht Blindproben mit biertrinkenden Freunden und besucht Deutschlands kundigsten Altweinhändler. Nach und nach entdeckt Carsten Henn Wein als Mittel der Wahl auf dem Weg zur Achtsamkeit. Doch was bedeutet das für ihn und sein Leben?

CARSTEN HENN ist Kulinariker durch und durch. Er hält Hühner und Bienen, studierte Weinbau in Adelaide (Australien), besitzt einen Steilstweinberg an der Terrassenmosel, ist ausgebildeter Barista und neben seiner Arbeit als Schriftsteller einer der renommiertesten Restaurantkritiker und Weinjournalisten Deutschlands. Seine Romane und Sachbücher haben eine Gesamtauflage von über einer halben Million Exemplare und wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt. Mit >Der Buchspazierer< stand er über
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR20,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextCarsten Henn ist Weinjournalist, Autor diverser Weinsachbücher und -krimis, hat Weinbau studiert, die besten Weine der Welt verkostet - und ist doch beim Versuch gescheitert, selbst Winzer zu werden. In einem Weinberg an der Mosel versuchte er sich am Riesling, dem heiligen Gral des deutschen Weinbaus. Doch seinem Tropfen fehlte einfach das gewisse Etwas. Hier geht er der Frage nach, warum er sein Wissen nicht in die Praxis umsetzen konnte. Er trifft Winzer mit unterschiedlichsten Philosophien, vom Verfechter der Devise des kontrollierten Nichtstuns bis hin zum Spiritualisten. Er macht Blindproben mit biertrinkenden Freunden und besucht Deutschlands kundigsten Altweinhändler. Nach und nach entdeckt Carsten Henn Wein als Mittel der Wahl auf dem Weg zur Achtsamkeit. Doch was bedeutet das für ihn und sein Leben?

CARSTEN HENN ist Kulinariker durch und durch. Er hält Hühner und Bienen, studierte Weinbau in Adelaide (Australien), besitzt einen Steilstweinberg an der Terrassenmosel, ist ausgebildeter Barista und neben seiner Arbeit als Schriftsteller einer der renommiertesten Restaurantkritiker und Weinjournalisten Deutschlands. Seine Romane und Sachbücher haben eine Gesamtauflage von über einer halben Million Exemplare und wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt. Mit >Der Buchspazierer< stand er über
Details
Weitere ISBN/GTIN9783832182373
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum22.06.2022
Auflage1. Auflage
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2039 Kbytes
Artikel-Nr.8452124
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1. Wie ich in Deutschlands wertvollstem Weinberg dilettierte

(Rebschnitt beim Weingut Keller)

Es ist der 8. März, und ich stehe im wertvollsten Weinberg Deutschlands.

Vielleicht.

Denn wo die Rebstöcke stehen, aus deren Trauben Klaus Peter Keller seinen legendären Riesling gewinnt, hat er offiziell nie bekannt gegeben. Sein »G-Max« ist eine Ikone, der einzige deutsche trockene Riesling, der international Kultcharakter besitzt und zu Höchstpreisen verkauft wird. Man bekommt ihn nur, wenn man eine sogenannte Keller-Kiste mit insgesamt zwölf Weinen kauft, die um die tausendsechshundert Euro kostet. Das heißt: wenn man überhaupt eine der begehrten Kisten zugeteilt bekommt. Versucht man eine Flasche »G-Max« einzeln zu kaufen, ist man schnell über tausend Euro los. Übrigens: Der Name klingt zwar nach Raketenstart ins All, ist aber im Grunde bodenständig. Das »G« steht für einen Vorfahren namens Georg, der sich um den Hausberg der Familie, den Hubacker, verdient gemacht hat, das »Max« für Klaus Peters zweiten Sohn Maximilian. Also ein Wein, der Vergangenheit und Zukunft des Weingutes verbindet.

Sie werden sich fragen, warum Klaus Peter so ein Geheimnis um seinen Wein macht? Nun ja, leider kommt es immer wieder vor, dass nachts Weinberge abgeerntet und Trauben gestohlen werden. Oder Weinberge verwüstet. Auch dass Weingüter erpresst werden, indem gedroht wird, ihre Rebstöcke zu vergiften. Manchmal stecken Kollegen dahinter, denn Neid ist auch in der vermeintlich idyllischen Welt des Weins keine Seltenheit.

Ich stehe in einem Weinberg, eher einem Hügel, im Anbaugebiet Rheinhessen, das sich im Dreieck Bingen-Mainz-Worms erstreckt. Deutschlands größtes Weinbaugebiet war früher für Massenwein wie Liebfrauenmilch verschrien, heute sind hier einige der besten Winzer der Nation ansässig.

Der Himmel ist bewölkt, es ist acht Grad kalt, meine Füße stecken in zu engen Wanderschuhen, die ich ewig nicht mehr getragen habe. Sie hatten im Keller schon Spinnweben angesetzt. Mein Blaumann war nicht mehr zu finden, hat sich vermutlich selbstständig gemacht und ist in eine Schreinerei ausgewandert. Und was meinen Fitnessgrad betrifft, der gleicht dem eines ausgebeulten Sofakissens. Kein Wunder, ist meine Tätigkeit doch eine schreibende. Und daher auch eine sitzende. Im ersten Lockdown bin ich noch häufig raus in die Natur, die einzige Freiheit, die blieb, genießend, aber schon bei Lockdown zwei habe ich mich in aller Schlaffheit der heimischen Isolation ergeben. Dumme Idee. Denn mein Stresslevel haben die Ausflüge in die Natur immer gesenkt. Bei VINUM, dem Weinmagazin, dessen Chefredakteur ich bin, gibt es im Januar und Februar immer sehr viel zu tun, weil alles für das Jahr aufgegleist werden muss. Mit anderen Worten: Ich starte gleichermaßen unfit wie gestresst ins Jahr. Ein frohes neues auch!

Ehrlich gesagt bete ich, dass wir nicht im »G-Max«-Weinberg stehen.

Ausgerechnet der Rebschnitt steht heute an, die erste Arbeit im Winzerjahr. Mir zittern die Hände, wenn ich daran denke, dass ich einen Rebstock dieses Edelrieslings verhunzen könnte. Jeder Stock erbringt ungefähr eine Flasche Wein. Ein falscher Schnipp, und mehrere Hundert Euro sind vernichtet. Ganz ehrlich: ein bisschen viel Verantwortung. Vor allem, weil es einige Jahre her ist, dass ich diese Arbeit in meinen eigenen Weinbergen an der Mosel ausgeführt habe. Und die sind auch der Grund, warum ich hier bin: Mein Weinprojekt ist damals krachend gescheitert. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, selbst einen Riesling herzustellen, noch dazu einen großen, trockenen. Absolut vermessen. Die Frage, was ich damals genau falsch gemacht habe, lässt mich einfach nicht los.

Und ich werde immer wieder an mein Scheitern erinnert. Nicht nur, weil ich als Weinjournalist regelmäßig Rieslinge verkoste, sondern auch im Privaten.

An Weihnachten machen wir in der Familie immer ein paar Flaschen Wein auf. Beim letzten Mal war eine davon ein Riesling Marke Henn, ein anderer Riesling stammte vom Weinberg Clemens Busch. Selber Jahrgang, die Weinberge liegen nicht allzu weit auseinander.

Der Unterschied zwischen beiden traf mich wie ein rechter Haken.

Und ich starrte lange auf die beiden Gläser vor mir. Probierte immer wieder. Schenkte mir nach.

Es gab schon Weihnachtsabende, an denen ich geselliger war.

»Mein« Wein war nicht Meilen, sondern Welten vom anderen entfernt. Eigentlich nicht überraschend, ich wusste, dass es bessere Weine gibt, aber es an diesem Abend zu schmecken, mein Scheitern so ungeschminkt an einem Abend der familiären Harmonie vor Augen geführt zu bekommen, das machte etwas mit mir.

Es war ja kein einfaches Scheitern. Es war ein jahrelanges Scheitern. Jedes Jahr aufs Neue. Insgesamt fast zehn Jahre lang.

Sie kennen sicher den Spruch: Scheitern, wieder aufstehen, besser scheitern.

Wir waren sehr progressiv.

Wir wählten: Scheitern, wieder aufstehen, noch miserabler scheitern. Ich entschied, der Sache auf den Grund zu gehen. Und zwar so richtig.

Ich liebe Riesling, seine Fähigkeit, den Boden, das Kleinklima, das Wetter, die Handschrift des Winzers zu spiegeln, ich liebe seine Säurestruktur, seine Aromen, und ich liebe ihn, weil er wie Heimat schmeckt. Riesling war meine erste große Weinliebe. Die vergisst man nie.

Wenn einer weiß, was es mit dieser Liebe auf sich hat, dann natürlich Klaus Peter, der den anerkannt größten trockenen Riesling erzeugt. Nicht nur Deutschlands, sondern der ganzen Welt. Denn nirgendwo, so viel Nationalstolz darf sein und ist auch angemessen, wächst so großartiger Riesling wie bei uns.

Aus dem Elsass und Österreich kommen ebenfalls wundervolle Rieslinge, auch aus den USA und Australien, aber Deutschland ist für diese Rebsorte das Gelobte Land.

Neben mir klacken die Rebscheren in einem Walzertakt, alle außer mir sind schon einige Tage oder Wochen beim Schnitt, ich bin nur diesen einen zugigen Nachmittag dabei. Die Arbeit für den Auftakt dieses Buches könnte nicht passender gewählt sein. Beim Rebschnitt befreit man den Stock vom überschüssigen Holz des Vorjahres. Man formt und verjüngt ihn, schenkt ihm einen Neubeginn. Auch für mich soll es einer sein.

Hier und heute fängt meine Reise an.

Und ich hoffe sehr, dass ich mir mit der mörderisch scharfen Rebschere keine Fingerkuppe abschneide.

Warum tue ich mir das an? Warum lege ich es darauf an, mich - mit einer scharfen Klinge in der Hand - vor Klaus Peter Keller zu blamieren? Kurz gesagt: weil ich mich schon einmal blamiert habe. Und zwar über viele Jahre kontinuierlich.

Wenn ich aus meinen Romanen lese, die sich häufig um das Thema Genuss drehen, oftmals spielt Wein eine Rolle, werde ich zuverlässig auf folgende Art angekündigt:

»... und Herr Henn ist auch Winzer, er hat ein Weingut an der Mosel.«

Nein.

Egal, wie oft ich so anmoderiert werde: Ich bin kein Winzer und habe kein Weingut. War ich nie, hatte ich nie. Ich bin Weinjournalist, Chefredakteur der VINUM, habe in Australien Weinbau studiert, mehrere Sachbücher zum Thema Wein geschrieben, sitze in den Jurys renommierter Weinpreise, habe etliche weltberühmte Weine verkosten dürfen, aber ich bin kein Winzer. Irgendwer hat das mal geschrieben, und seitdem wird es ständig kolportiert. Folgendes steckt dahinter: Ich war Teil einer Gruppe, die drei Parzellen Weinberge in St. Aldegund an der Mosel gekauft hat. Fünf Jahre habe ich diese mit den anderen bewirtschaftet, alles händisch, ausgebaut (also im Keller aus den Trauben etwas Trinkbares werden lassen) hat den Wein dann einer, der es kann, nämlich Uli Stein, der Winzer, nicht der Zeichner. Wenn ich in dieser Zeit etwas war, dann höchstens Traubenproduzent, und ein hundsmiserabler noch dazu.

Dieses Weinprojekt an der Mosel ist gescheitert.

In Bausch und Bogen.

Eigentlich ist es nicht mein Weinbauprojekt gewesen, sondern - zu Beginn - das von vier Männern, die sich mit hehren Plänen zusammentaten. Einer davon war mein Bruder, einer ein geschätzter Weinjournalistenkollege und einer ein Kumpel von diesem. Ich erinnere mich noch, wie Letzterer mit seinem Wagen bei dem Weingut vorfuhr, das uns jahrelang betreute, und wir uns zum ersten Mal sahen. Von diesem Moment an existierte Antipathie, für die ich noch nicht mal einen Grund nennen konnte. Wir mochten uns nicht. Es wurde nicht besser, als er einige Wochen später ein großes Regelwerk für unser Projekt aufsetzte. Aber die Idee, endlich eigene Weinberge zu besitzen, war so verlockend, so schimmernd und sexy, dass ich all die Zweifel beiseiteschob. Wie ein entblößtes Frauenbein, das einen vergessen lässt, dass die Besitzerin des Beins einen irren Blick und ein scharfes Messer hat.

Ich wollte endlich das, was ich so verehre, mit der eigenen Hände Arbeit herstellen. Davon träumte ich schon seit Langem, und über die Jahrzehnte war die Liebe zum Wein und damit auch dieser Wunsch immer größer geworden. Ich wusste um die harte Arbeit, die das Verfolgen dieses Traums bedeuten würde, aber ich stellte mir die Schufterei auch befriedigend vor. Mich körperlich zu verausgaben in der schönen Natur. Und irgendwann einen Wein in der Hand zu halten, den ich wirklich von Anfang bis Ende geschaffen hatte.

Also mit den anderen zusammen.

Es war von Anfang an der Wurm drin. Eines der Grundprobleme: Drei von vier hatten klare Vorstellungen, wie »ihr« Projekt laufen sollte, aber es war eben ein Gemeinschaftsprojekt. Die Arbeitsteilung war ein Riesenthema, ständig dachte jemand, die anderen machten zu wenig oder die Arbeit falsch (Rebschnitt! Lese! In einem Jahrgang hat einer von...
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