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Stürzen Liegen Stehen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Verlagsbuchhandlung Liebeskinderschienen am14.02.2022Deutsche Erstausgabe
Drei Männer reisen zur Station K auf Alexander Island in der Antarktis: zwei junge Geowissenschaftler, die die veraltete Kartografierung auf den neuesten Stand bringen sollen, sowie Robert Wright, der Stationsleiter. Als die drei auf einer Exkursion in einen schweren Sturm geraten, kommt es zur Katastrophe. Die Männer verlieren im dichten Schneetreiben Sichtkontakt, plötzlich ist jeder auf sich allein gestellt. Zunächst schafft es nur Robert zurück zur Station. Dort angekommen, reagiert er nicht auf die Funksprüche der beiden anderen und fordert auch keine Hilfe bei der Basisstation an, so wie es das Notfallprotokoll zwingend vorsieht ... Als Robert schließlich evakuiert und in ein Krankenhaus in Santiago de Chile gebracht wird, reist seine Frau Anna nach Südamerika, um ihn nach Hause zu begleiten. Fortan muss sie ihre eigene Karriere zurückstellen und sich um ihren Mann kümmern. Der hat infolge der dramatischen Ereignisse sein Sprachvermögen verloren. Niemand scheint zu wissen, was genau sich zugetragen hat auf Station K. Nur Robert könnte darüber Aufschluss geben.

Jon McGregor wurde 1976 auf den Bermudainseln geboren und wuchs in der Grafschaft Norfolk auf. Er hat bislang zwei Erzählungsbände und fünf Romane veröffentlicht, für die er mehrfach ausgezeichnet worden ist, u.a. mit dem Somerset Maugham Award, dem Betty Trask Award und dem International Dublin Literary Award. Drei seiner Romane waren für den Booker Prize nominiert. Jon McGregor lebt in Nottingham.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR16,99

Produkt

KlappentextDrei Männer reisen zur Station K auf Alexander Island in der Antarktis: zwei junge Geowissenschaftler, die die veraltete Kartografierung auf den neuesten Stand bringen sollen, sowie Robert Wright, der Stationsleiter. Als die drei auf einer Exkursion in einen schweren Sturm geraten, kommt es zur Katastrophe. Die Männer verlieren im dichten Schneetreiben Sichtkontakt, plötzlich ist jeder auf sich allein gestellt. Zunächst schafft es nur Robert zurück zur Station. Dort angekommen, reagiert er nicht auf die Funksprüche der beiden anderen und fordert auch keine Hilfe bei der Basisstation an, so wie es das Notfallprotokoll zwingend vorsieht ... Als Robert schließlich evakuiert und in ein Krankenhaus in Santiago de Chile gebracht wird, reist seine Frau Anna nach Südamerika, um ihn nach Hause zu begleiten. Fortan muss sie ihre eigene Karriere zurückstellen und sich um ihren Mann kümmern. Der hat infolge der dramatischen Ereignisse sein Sprachvermögen verloren. Niemand scheint zu wissen, was genau sich zugetragen hat auf Station K. Nur Robert könnte darüber Aufschluss geben.

Jon McGregor wurde 1976 auf den Bermudainseln geboren und wuchs in der Grafschaft Norfolk auf. Er hat bislang zwei Erzählungsbände und fünf Romane veröffentlicht, für die er mehrfach ausgezeichnet worden ist, u.a. mit dem Somerset Maugham Award, dem Betty Trask Award und dem International Dublin Literary Award. Drei seiner Romane waren für den Booker Prize nominiert. Jon McGregor lebt in Nottingham.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783954381463
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum14.02.2022
AuflageDeutsche Erstausgabe
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse896 Kbytes
Artikel-Nr.8916409
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1 /

Als der Sturm unerwartet losbrach, wurde Thomas Myers auf die Knie geworfen.

In der Ferne verdunkelte sich die Luft. Er hörte ein Heulen, und alles um ihn wurde weiß. Die Heftigkeit des Sturms hatte er nicht erwartet. Er verbarg den Kopf in den Armen und legte sich flach aufs Eis, um nicht weggerissen zu werden.

Seine Hand bewegte sich unwillkürlich zu seinem Handy, obwohl er wusste, dass er keinen Empfang hatte und kein Handy.

Es war ein Gefühl, als würden ihm die Kleider vom Körper gerissen und die Luft aus der Lunge gesaugt.

Er hatte gehört, es fühle sich an, als stecke man in einem Düsentriebwerk. Als wüsste irgendjemand, wie das war, in einem Düsentriebwerk zu stecken. Die Leute sagten so etwas, aber die Worte stimmten nicht immer.

Es gab nur noch das Brüllen des Sturms. Einzig sein Gewicht auf dem Eis sagte ihm, welche Richtung oben war in der Welt. Er konnte die anderen nicht mehr sehen. Er konnte gar nichts mehr sehen.

Wichtig war, ruhig zu bleiben und eine Bestandsaufnahme der Situation zu machen. Denk an die Ausbildung: Unterschlupf finden oder bauen, sich nicht vom Fleck rühren, mit den Teamkollegen Kontakt aufnehmen, in Bewegung bleiben, Ruhe bewahren.

Es gab gewisse Widersprüche in der Ausbildung.

Nachdenken war schwierig, wenn der Sturm so wahnsinnig wütete.

Er wusste nicht, wo das Funkgerät war. Er konnte die anderen nicht sehen. Er musste seine Kamera finden.

Er hatte sein Kamerastativ auf dem Festeis aufgebaut, um das stille Wasser des Sunds im Vordergrund und die Felswand des Priestley Head im Hintergrund einzufangen. Luke war beim Motorschlitten und der restlichen Ausrüstung geblieben. Zehn, vielleicht fünfzehn Meter links von ihm. Vielleicht mehr. Doc war mit dem anderen Motorschlitten losgefahren und den Priestley Head hochgestiegen, um dem Bild Perspektive zu verleihen. Wenn kein Mensch auf den Fotos zu sehen war, konnte man sich die Dimensionen dieser Landschaft unmöglich vorstellen. Seit ihrer Ankunft kämpfte Thomas mit diesem Problem. Auf den Bildern, die er bisher gemacht hatte, sah alles zu klein aus. Die fernen Gipfel. Der Bergkamm zu beiden Seiten des Tals. Der Gletscher. Die sich knirschend aneinander reibenden Eisberge, in deren Inneren das Licht blau schimmerte. Es war schwierig, das auf einem Foto darzustellen. Er hatte ein Bild komponiert, mit Doc oben auf der Steilklippe von Priestley Head, wie er aufs Wasser hinausschaut. Er hatte ihn über Funk instruiert, wo er sich hinstellen sollte; danach musste er das Funkgerät irgendwo abgelegt haben. Doc machte sich gut als Polarforscher. Er hatte den richtigen Bart dafür. Das Wasser schillerte grau, und die Berge wirkten im Kontrast zu Doc leuchtend weiß. Die Belichtungsautomatik spielte verrückt. Es gab einen Temperatursturz. Thomas drehte sich um und sah, wie sich schwarze Wolken über dem Everard-Gletscher zusammenballten. Er war gerade dabei, die Kamera vom Stativ zu nehmen, als der Windstoß ihn urplötzlich erfasste und auf die Knie warf.

Er musste das Funkgerät irgendwo hingelegt haben, während er das Stativ justierte. Nachdem er mit Doc gesprochen hatte. Er musste es in die Nähe seiner Füße gelegt haben. Es konnte nicht weit weg sein.

Der Wind war zu stark, er konnte sich nicht aufrichten, deswegen robbte er auf Ellbogen und Knien vorwärts. Vorwärts und nach links. Er rief nach Luke und hörte nichts. Er tastete nach dem Funkgerät. Er schob sich noch ein Stückchen weiter, dann zögerte er. Die Kamera musste eigentlich auch dort liegen. Er rief lauter nach Luke.

Er hatte keine Angst, noch nicht. Luke war ja nicht weit weg. Er blieb ruhig. Beobachtete die Umgebung genau.

Sie waren mit dem Motorschlitten von der Schutzhütte hergefahren, am Hang von der Hochebene hinunter und über die Schneepiste hinweg. Die Motorschlitten hatten sie in sicherer Entfernung zum Wasser abgestellt. Mit einem war Doc zum Fuß von Priestley Head gefahren und dann auf die Steilklippe geklettert. Nicht mehr als zehn Minuten entfernt. Sobald der Sturm nachließ, würden sie wieder zusammenfinden. Er hatte die Kamerataschen bei Luke gelassen und war hinaus aufs Meereis gegangen, in Richtung Wasser. Zehn Meter. Zwanzig. Mehr nicht. Es war glattes, stabiles Eis. Der Sturm war urplötzlich vom Gipfel des Everard-Gletschers südöstlich hinter ihnen herabgefegt. Thomas kauerte mit dem Rücken zum Wind. Luke müsste mit dem Motorschlitten und den Taschen links von ihm sein. Zu seiner Linken und etwas geradeaus. Er schob sich in diese Richtung und drehte das Gesicht aus dem schneidenden Wind.

Ruhe bewahren. An Ort und Stelle bleiben. Kontakt herstellen.

Er hätte das Funkgerät nicht aus der Hand legen sollen. Er hätte sich nicht von Luke entfernen sollen. Er hätte nicht Ja sagen sollen zu Docs Idee, auf den Priestley Head zu steigen, nur für ein Foto. Hätte er sich nur nicht von der Landschaft ablenken lassen. Doc tat immer so, als wäre es nichts Besonderes, aber es war schwer, nicht ständig stehen zu bleiben und zu staunen. So viel Eis und Schnee und Meer und Himmel. Gletscher und Klippen und Eisberge und Geröll. Verwitterung und Windformen und Erosionsskulpturen. Die Luft so klar, dass die Entfernungen schrumpften und die Farben strahlten.

Der Wind tobte immer noch. Langsam kroch ihm die Kälte unter die Kleidung.

Er glaubte, das Knistern des Funkgeräts zu hören, war sich aber nicht sicher. Der Wind heulte sehr laut in seinen Ohren. Er kam auf alle viere und tastete im treibenden Schnee.

»Kommen ... K ... K ...«

»Thomas, bist ... Kommen.«

Es war Luke, kaum zu verstehen. Es war seltsam, ihn über Funk zu hören, wenn er doch so nah war.

Er lauschte, wieder Lukes Stimme. Worte waren nicht auszumachen, aber der Klang war vertraut. Er drehte sich, bis er in die Richtung der Stimme blickte. Der Wind traf ihn von links. Er kauerte sich zusammen und lauschte reglos, aber er hörte nur den tobenden Wind. Auf dem Eis zu liegen war ein Fehler. Nicht nass werden. Ruhe bewahren, an Ort und Stelle bleiben, nicht nass werden.

Er kam auf die Füße, richtete sich aber nicht auf. Immer neue Windböen schleuderten ihn herum. Rissen an ihm. Er machte zwei Schritte, die Arme vor sich ausgestreckt. Der Wind trieb ihn von hinten. Er hörte wieder Lukes Stimme. Jetzt war sie hinter ihm. Der Klang veränderte sich, und er sah offenes Wasser vor seinen Füßen. Schwappendes Grau gegen Weiß. Etwas stimmte nicht. Das Wasser müsste eigentlich hinter ihm sein. Er wich zurück. Allmählich wurde ihm wirklich kalt.

Er sah auf das graue Wasser und konzentrierte sich. Der Wind ließ ein wenig nach, traf ihn aber immer noch von links im Gesicht. Die Windrichtung musste gewechselt haben. Langsam drehte er sich um einhundertachtzig Grad.

Mit ausgestreckten Armen tastete er sich zentimeterweise vorwärts.

Wieder das Knistern des Funkgeräts. Irgendwo vor ihm. Er konnte Luke hören, der Doc Wright aufforderte, sich zu melden. Tief gebeugt bewegte er sich auf die Stimme zu. Er fragte sich, warum Doc nicht antwortete. Er machte langsame, gleichmäßige Schritte, aber er merkte, wie sich sein Puls beschleunigte. Er hörte wieder Lukes Stimme. Sie klang jetzt schwächer. Thomas hatte ein Dauerrauschen in den Ohren und war sich nicht mehr sicher, dass er das Funkgerät überhaupt hörte. Der Wind traf ihn von rechts beißend im Gesicht, und die Augen zu öffnen tat weh. Er machte drei weitere Schritte und stand wieder vor offenem Wasser. Er sah, wie es über den Eisrand schwappte. Das Funkgerät war nicht mehr zu hören.

Er machte alles falsch. Als der Sturm losbrach, hätte er an Ort und Stelle bleiben sollen. Er hätte sich nicht vom Fleck bewegen dürfen. Er konnte irgendwo in der Nähe von Luke und dem Motorschlitten oder ganz woanders sein. Womöglich war Luke in die falsche Richtung losgelaufen, um nach ihm zu suchen. Er hätte an der Stelle bleiben sollen, deren Position er kannte. Er hätte da bleiben sollen, wo man ihn finden konnte, sobald der Sturm vorbei war. Er brüllte wieder Lukes Namen. Seine Stimme wurde vom Sturm verschluckt.

Er bewegte sich, um warm zu bleiben. Das ohrenbetäubende Heulen des Sturms machte das Denken schwer. Jetzt war das Funkgerät hinter ihm zu hören. Die beißende Kälte ging ihm allmählich durch und durch. Der Wind war schneidend und erbarmungslos.

Die Menge an Kalorien, die man hier unten zu sich nehmen musste. Einfach nur genug zu essen artete in Arbeit aus.

Er hörte wieder den Funk und tastete neben seinen Füßen. Lukes Stimme klang schrill und weit weg. Die Verbindung war ständig unterbrochen. »Doc, Thomas, kommen. Doc, kommen ... Ist da jemand?«

Er musste nur Luke finden, am Motorschlitten hatten sie etwas zu essen. Das dunkelgraue Wasser schwappte gegen den Eisrand. Das Unwetter war...
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Jon McGregor wurde 1976 auf den Bermudainseln geboren und wuchs in der Grafschaft Norfolk auf. Er hat bislang zwei Erzählungsbände und fünf Romane veröffentlicht, für die er mehrfach ausgezeichnet worden ist, u.a. mit dem Somerset Maugham Award, dem Betty Trask Award und dem International Dublin Literary Award. Drei seiner Romane waren für den Booker Prize nominiert. Jon McGregor lebt in Nottingham.