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Die Freundinnen vom Strandbad

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
592 Seiten
Deutsch
Ullstein Taschenbuchvlg.erschienen am28.07.2022Auflage
Die erfolgreiche Müggelseesaga geht weiter! Ost-Berlin, August 1961. Wie früher verbringen Martha und Betty gemeinsam einen Nachmittag im Strandbad Müggelsee, doch alles ist anders: Die Dritte im Bunde, Clara, ist nach West-Berlin geflohen, um sich ein neues Leben aufzubauen. Betty ist mit dem linientreuen Regisseur Kurt verheiratet. An seiner Seite erhofft sie sich, im Filmgeschäft Fuß zu fassen, doch er betrügt sie. Martha spielt unterdessen mit dem Gedanken, sich den Oppositionellen anzuschließen. Und ausgerechnet Betty wird von der Stasi gezwungen, Martha auszuspionieren, um ihre Schauspielkarriere zu retten. Die Leben der Frauen entwickeln sich in völlig unterschiedliche Richtungen, und ihre Freundschaft droht endgültig zu zerbrechen. Werden die drei trotz aller politischen Widrigkeiten eines Tages wieder vereint sein?  

Julie Heiland wurde 1991 geboren. Sie hat Journalistik studiert und eine Rhetorik- und Schauspielausbildung gemacht. Sie lebt in der Nähe von München.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR11,99
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR11,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextDie erfolgreiche Müggelseesaga geht weiter! Ost-Berlin, August 1961. Wie früher verbringen Martha und Betty gemeinsam einen Nachmittag im Strandbad Müggelsee, doch alles ist anders: Die Dritte im Bunde, Clara, ist nach West-Berlin geflohen, um sich ein neues Leben aufzubauen. Betty ist mit dem linientreuen Regisseur Kurt verheiratet. An seiner Seite erhofft sie sich, im Filmgeschäft Fuß zu fassen, doch er betrügt sie. Martha spielt unterdessen mit dem Gedanken, sich den Oppositionellen anzuschließen. Und ausgerechnet Betty wird von der Stasi gezwungen, Martha auszuspionieren, um ihre Schauspielkarriere zu retten. Die Leben der Frauen entwickeln sich in völlig unterschiedliche Richtungen, und ihre Freundschaft droht endgültig zu zerbrechen. Werden die drei trotz aller politischen Widrigkeiten eines Tages wieder vereint sein?  

Julie Heiland wurde 1991 geboren. Sie hat Journalistik studiert und eine Rhetorik- und Schauspielausbildung gemacht. Sie lebt in der Nähe von München.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783843728591
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum28.07.2022
AuflageAuflage
Reihen-Nr.2
Seiten592 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3384 Kbytes
Artikel-Nr.9094784
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1.

Clara

Neumond. Nicht ein Stern am Himmel.

Es war ihr, als würde der Wind Alex´ Worte zu ihr tragen. »Versprich mir, dass du es schaffst. Dass wir uns eines Tages wiedersehen.«

Clara ging zügig. Das Zentrum von Teltow mit seinen Villen und den erhabenen Platanen hatte sie bereits hinter sich gelassen. In der Ferne konnte sie den Kirchturm Mitternacht schlagen hören. Geisterstunde. Nur einmal war ihr ein Mann auf der anderen Straßenseite entgegengekommen. Eilig war Clara in die nächstgelegene Gasse gehuscht und hatte sich hinter einer Mülltonne versteckt, bis die Luft rein war. Sie war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, wahrscheinlich hob sich nur das Weiß ihrer Augen von der Nacht ab. Ob ihr anzusehen war, was sie vorhatte? Eine junge Frau in Männerkleidung mitten in der Nacht in Grenznähe?

Obwohl Clara sich anstrengte, leise zu gehen, war es ihr, als würde dennoch jeder ihrer Schritte geräuschvoll widerhallen. Vermutlich konnte man sogar ihr Herz schlagen hören. Die Nacht war ungewöhnlich kalt für August, was laut Radio am Ostwind lag. Immer wieder stach eine eisige Böe zu, ungebremst, da am Rand von Teltow kaum Häuser standen. Das war auch der Grund, weshalb das Grenzgebiet hier nicht lückenlos von Scheinwerfern ausgeleuchtet war wie innerhalb der Stadt. Dort wusste man nie, wer einen von wo aus beobachtete. Doch hier gab es nicht mal Straßenlaternen, es war stockdunkel. Ihr Weg führte sie am Teltowkanal entlang in Richtung Potsdam. Sehen konnte sie den Kanal nicht, aber sie hörte ihn. Das Rauschen, das leise Gluckern ...

Auf einmal stürzten Erinnerungen auf sie ein wie Felsbrocken, drohten sie unter sich zu begraben. Sie sah Betty und Martha auf ihren Fahrrädern, auf dem Weg zum Müggelsee. Sie selbst auf Marthas Gepäckträger, die Beine lang ausgestreckt. Die Süße von Eis auf den Lippen, die Sonne im Gesicht. Ihr Bauch schmerzte vom vielen Lachen.

Sie sah ihre Mutter, wie sie morgens im alten Bademantel ihres Vaters in der Küche Kaffee kochte und dabei zu den Schlagern aus dem Kofferradio mitsummte.

Prompt standen Tränen in ihren Augen, die sie mit dem Ärmel ihres Pullovers fortwischte. Es war ihr, als würde ihr Herz versuchen, sie mit aller Gewalt zurückzuzerren, zum Parkplatz des Gasthofs Schwarzer Adler, wo sie sich unter Tränen von ihren Freunden verabschiedet hatte, zurück in den Käfer, zurück nach Köpenick, zurück nach Hause ...

Geh weiter. Du musst jetzt tapfer sein.

Nach vielleicht dreißig Minuten erreichte sie die alte Brücke der Friedhofsbahn, die von Wannsee nach Teltow geführt hatte, bis sie vor wenigen Tagen unterbrochen worden war. Hier war Ende, Stacheldraht war gespannt. Clara lauschte in die Dunkelheit, doch es herrschte Totenstille. Sie zog Schuhe, Hose und Pullover aus, versteckte alles in einem Gebüsch. Nur das langärmlige schwarze Sporthemd, das Alex ihr geschenkt hatte, und eine kurze Turnhose behielt sie an, band sich die Plastetüte mit ihren Dokumenten mit Heftpflaster um den Bauch. Das Schilf am Ufer wuchs dicht, vermutlich, weil hier seit geraumer Zeit keine Schiffe mehr fuhren. Die trockenen Halme knackten verräterisch unter ihren nackten Füßen.

»Von Teltow bis nach Westberlin, also zwischen Brücke und Kontrollpunkt, sind es etwa hundert Meter«, hatte Alex gesagt. »Ich schätze, dass du eine halbe Stunde für die Strecke brauchst.« Er hatte ihr alles genau erklärt. Hatte ihr geschildert, ab wo sie schwimmen musste, mit welchen signaltechnischen Anlagen zu rechnen war, und hatte ihr außerdem die Grenzanlagen aufgezeichnet. Eine Brücke, auf der Soldaten patrouillierten, war seiner Meinung nach das größte Hindernis.

Alex ...

Seine blauen Augen. Das schiefe Grinsen. Das Gefühl, mit dem sein Anblick sie erfüllte ...

Ihm war es gelungen, ihr behutsam ihre Rüstung abzunehmen. Sie hatten viel zu wenig Zeit miteinander gehabt ...

Sie stieg in den Kanal. Das Wasser war kalt. Ihr Körper verkrampfte sich, als es ihre Knie berührte, ihre Oberschenkel, ihre Hüften. Schließlich ließ sie sich nahezu geräuschlos hineingleiten und tauchte unter. Sie öffnete die Augen: um sie herum vollkommene Schwärze, vollkommene Stille. Sah so der Tod aus?

Mit langen entschlossenen Schwimmzügen arbeitete sie sich durchs Wasser voran, folgte dem Verlauf des Kanals. Manchmal hallten von fern Stimmen übers Wasser, Hunde bellten. Nicht bewegen, ermahnte sie sich dann. Sobald Ruhe herrschte, schwamm sie weiter. Unmöglich zu sagen, wie viel Zeit vergangen war, als sie endlich vor sich die Holzbrücke der Grenztruppen in der Dunkelheit ausmachen konnte. Langsam schwamm sie weiter, machte keine Welle, kein Geräusch, hatte die Brücke fast erreicht.

Auf einmal Stimmen. Zwei Soldaten betraten die Holzbrücke.

»Seit se nach Leipzig jezogen is, werd ick nich mehr aus ihr schlau. Die is völlig verändert. Ick hab noch jesagt, dass se hierbleiben soll. Vati hat ihr ja sogar ´ne Stelle in der Fabrik anjeboten, aber da hat die nur mit die Augen jerollt. Ick will studieren , hat se mir anjefahren.«

Clara wagte nicht zu atmen.

»Hm«, brummte der Zweite. »Weiber, einfach nich zu vastehn.«

Die zwei Soldaten setzten sich in Bewegung, schritten die Brücke ab. Clara zog sich tiefer in die Deckung des Schilfs zurück.

Plötzlich ein gefährliches Zischen direkt neben ihr. Ein paar schreckliche Sekunden lang dachte sie, sie hätte einen Alarm ausgelöst, und eine Leuchtkugel wäre in den Himmel aufgestiegen und hätte sie verraten. Aber es war nur ein Schwan, der sein Revier verteidigte. Von dem Geräusch irritiert, schlug ein Hund an.

»Wat war det?«, fragte einer der Soldaten.

Das Licht einer Taschenlampe suchte das Wasser ab. In letzter Sekunde tauchte Clara unter, ihre Hände tasteten verzweifelt am schlammigen Grund, bekamen eine Wurzel zu fassen. Daran hielt sie sich fest. In der Tiefe war es noch kälter, und allmählich ging ihr die Luft aus. Über ihr wanderte noch immer das Licht der Taschenlampe hin und her, hin und her ... Ihre Lungen drohten zu platzen. Halte durch ... Nur noch ein bisschen ...

Keine Luft ...

Sie durchbrach die Wasseroberfläche. Sterne tanzten vor ihren Augen. Sie rang nach Luft, presste sich eine Hand auf den Mund.

»Ick hör doch wat!«

»Kiek ma eener an, ´n Schwan!«, erwiderte der andere. »Kann wohl nich schlafen. Komm, ick muss mal pullern.«

In der Dunkelheit sah Clara das majestätische Tier davongleiten.

Die beiden Männer gingen weg.

Inzwischen war ihr die Kälte so tief in die Knochen gekrochen, dass Arme und Beine ganz steif waren. Wie lange war sie schon im Wasser? Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren.

Weiter.

Knapp vor der Brücke nahm sie eine hauchzarte Reflexion wahr. Drähte waren wie Angelsehnen über dem Wasser von Brückenpfosten zu Brückenpfosten gespannt. Signaltechnische Anlagen.

Wieder tauchen, so tief wie nur möglich.

Dunkelheit.

So bitterkalt ...

Noch ein kleines Stück ...

Auf einmal ein stechender Schmerz in ihrem Unterschenkel. Ein heftiger Krampf. Sie hatte keine andere Wahl, musste auftauchen. Ihr Atem ging heftig und schnell, aber trotzdem bekam sie kaum Luft. Alles drehte sich.

Das kennst du doch vom Schwimmtraining. Man muss dann tief in den Bauch ein- und ausatmen. Beruhige dich. Du darfst jetzt nicht hyperventilieren.

Dann auf einmal der Gedanke: Du hast es geschafft. Du bist tatsächlich unter der Brücke durch ...

»Von der Holzbrücke sind es noch etwa hundertfünfzig Meter«, rief sie sich Alex´ Worte in Erinnerung. »Dort befindet sich die eigentliche Grenze: Links ist Westberlin, da beginnt die Freiheit.«

Das schaffst du.

Gerade, als sie weiterschwimmen wollte, hörte sie über sich, dass die Soldaten zurückgekommen waren.

»Mach ihr doch ´nen Antrag, vielleicht kommt se dann zurück nach Berlin.«

Zigarettenrauch stieg von der Brücke in die Nacht auf. Zwei dunkle Gestalten zeichneten sich vor dem Himmel ab. Die Gewehre ragten an ihren Rücken in die Luft. Claras Puls beschleunigte sich. Sie hatte ihren Körper nicht mehr unter Kontrolle. Ihr Schlottern würde sie noch verraten.

»Mal gucken. Sag mal, hast du det auch jehört?«

Sie schob die Faust in den Mund, dämpfte das Klappern ihrer Zähne. Obwohl sie nicht religiös war, schickte sie ein Stoßgebet in Richtung Himmel. Bitte, lieber Gott, wenn es dich gibt, dann lass mich das hier überleben. Die da oben haben mir schon so viel genommen. Mach, dass sie mir nicht auch noch mein Leben nehmen ...

»Ach, wird schon nix sein. Allet jut. Jetz komm.« Die Zigarettenkippe wurde vor ihr ins Wasser geschnippt und trieb davon.

Dann wieder Stille.

Clara tauchte unter und näherte sich mit ruhigen Schwimmzügen der eigentlichen Grenze zwischen Ost und West....
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