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Die leise Last der Dinge

von
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
688 Seiten
Deutsch
Eisele eBookserschienen am01.09.2022Auflage
»Ein Triumph!« MATT HAIG, Autor von 'Die Mitternachtsbibliothek' Hast du je darüber nachgedacht, dass auch Bücher Gefühle haben?  Ein Jahr nach dem Unfalltod seines Vaters beginnt der dreizehn Jahre alte Benny Oh Stimmen zu hören. Es sind die Stimmen der Gegenstände in seinem Zuhause - seine Sneakers, eine zerbrochene Weihnachtskugel, ein Blatt welker Salat. Gleichzeitig beginnt seine Mutter Annabelle, Dinge zu horten, bis es kaum mehr einen freien Platz auf dem Fußboden oder in den Regalen ihres Hauses gibt.  Mutter und Sohn drohen in ihrer Trauer den Halt zu verlieren - bis sie auf ein Buch stoßen, das sie womöglich zu retten imstande ist ... Mit liebenswerten Figuren, einer fesselnden Geschichte und der Auseinandersetzung mit den Themen Trauer, Erwachsenwerden und unser Verhältnis zu materiellen Dingen legt die Booker-Preis-nominierte Ruth Ozeki einen klugen, verspielten, mitreißenden, herzerwärmenden und absolut einzigartigen Roman vor.  Ausgezeichnet mit dem Women's Prize for Fiction 'Tiefgründig und unterhaltsam zugleich.' - USA Today 'Ozeki ist eine Autorin mit viel Fantasie und einem subversiven Sinn für Humor. ' Los Angeles Times

Ruth Ozeki ist Romanautorin, Filmemacherin und zen-buddhistische Priesterin. Für ihre Arbeiten wurde sie vielfach ausgezeichnet und schaffte es mit ihrem Roman Geschichte für einen Augenblick, übersetzt in 28 Sprachen, auf die Shortlist des Booker Prize. Zuletzt erhielt sie für ihren neuen Roman Die leise Last der Dinge den Women's Prize for Fiction 2022. Sie ist Mitglied der Everyday Zen Foundation und lebt in West-Massachusetts, wo sie Kreatives Schreiben am Smith College lehrt.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR26,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR18,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR14,99

Produkt

Klappentext»Ein Triumph!« MATT HAIG, Autor von 'Die Mitternachtsbibliothek' Hast du je darüber nachgedacht, dass auch Bücher Gefühle haben?  Ein Jahr nach dem Unfalltod seines Vaters beginnt der dreizehn Jahre alte Benny Oh Stimmen zu hören. Es sind die Stimmen der Gegenstände in seinem Zuhause - seine Sneakers, eine zerbrochene Weihnachtskugel, ein Blatt welker Salat. Gleichzeitig beginnt seine Mutter Annabelle, Dinge zu horten, bis es kaum mehr einen freien Platz auf dem Fußboden oder in den Regalen ihres Hauses gibt.  Mutter und Sohn drohen in ihrer Trauer den Halt zu verlieren - bis sie auf ein Buch stoßen, das sie womöglich zu retten imstande ist ... Mit liebenswerten Figuren, einer fesselnden Geschichte und der Auseinandersetzung mit den Themen Trauer, Erwachsenwerden und unser Verhältnis zu materiellen Dingen legt die Booker-Preis-nominierte Ruth Ozeki einen klugen, verspielten, mitreißenden, herzerwärmenden und absolut einzigartigen Roman vor.  Ausgezeichnet mit dem Women's Prize for Fiction 'Tiefgründig und unterhaltsam zugleich.' - USA Today 'Ozeki ist eine Autorin mit viel Fantasie und einem subversiven Sinn für Humor. ' Los Angeles Times

Ruth Ozeki ist Romanautorin, Filmemacherin und zen-buddhistische Priesterin. Für ihre Arbeiten wurde sie vielfach ausgezeichnet und schaffte es mit ihrem Roman Geschichte für einen Augenblick, übersetzt in 28 Sprachen, auf die Shortlist des Booker Prize. Zuletzt erhielt sie für ihren neuen Roman Die leise Last der Dinge den Women's Prize for Fiction 2022. Sie ist Mitglied der Everyday Zen Foundation und lebt in West-Massachusetts, wo sie Kreatives Schreiben am Smith College lehrt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783961611508
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum01.09.2022
AuflageAuflage
Seiten688 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2884 Kbytes
Artikel-Nr.9123696
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Das Buch

1

Beginnen wir also mit den Stimmen.

Wann hat er sie zum ersten Mal gehört? Als er noch klein war? Benny war schon immer ein kleiner Junge, der sich nur langsam entwickelte, so als sträubten sich seine Zellen dagegen, sich zu vermehren und in der Welt Raum einzunehmen. Als er zwölf wurde, scheint er mehr oder weniger zu wachsen aufgehört zu haben, im selben Jahr, in dem sein Vater starb und seine Mutter anfing, Gewicht zuzulegen. Die Veränderung war unauffällig, aber es schien, als würde Benny im selben Maß schrumpfen, in dem seine Mutter zunahm, als würde sie sich den Kummer ihres kleinen Sohns mit einverleiben.

Ja. So war es wohl.

Vielleicht begannen die Stimmen also auch damals, kurz nachdem Kenny gestorben war? Er wurde bei einem Autounfall getötet - nein, eigentlich wurde er von einem Lastwagen überrollt. Kenny Oh war Jazz-Klarinettist, hieß aber in Wirklichkeit Kenji, also wollen wir ihn auch so nennen. Er spielte meistens Swing, Big-Band-Sachen, auf Hochzeiten und Bar Mitzwas und in angesagten Hipster-Clubs downtown, wo die Typen alle Bärte und Pork-Pie-Hüte trugen, karierte Hemden und mottenzerfressene Tweedjacken von der Heilsarmee. Nach einem seiner Gigs war er noch ausgegangen, um zu trinken oder sich was reinzupfeifen oder was er sonst so mit seinen Musikerfreunden machte - nur ein kleines bisschen Koks vielleicht, aber es muss wohl so viel gewesen sein, dass er, als er auf dem Heimweg stolperte und hinfiel, keine Notwendigkeit sah, gleich wieder aufzustehen. Er war nicht mehr weit von zu Hause entfernt, nur ein paar Meter noch bis zu dem klapprigen Tor, das zur Rückseite seines Hauses führte. Wenn er es geschafft hätte, ein Stück weiter zu kriechen, wäre ihm nichts passiert, aber stattdessen blieb er einfach auf dem Rücken liegen, im trüben Lichtkegel einer Straßenlaterne neben dem Müllcontainer vor dem Secondhandladen der Gospel Mission. Die langen kalten Wintertage neigten sich dem Ende zu, und in der Gasse hing der Frühlingsnebel. Er lag da, starrte hinauf ins Licht und in die winzigen Nebeltröpfchen, die glitzernd durch die Luft tanzten. Er war betrunken. Oder high. Oder beides. Das Licht war wunderschön. Er hatte sich am frühen Abend mit seiner Frau gestritten. Vielleicht tat ihm das jetzt leid. Vielleicht nahm er sich im Geiste vor, sich zu bessern. Wer weiß schon, was er in diesem Moment tat? Vielleicht schlief er auch ein. Hoffentlich. Jedenfalls hat er dort noch gelegen, als ungefähr eine Stunde später ein Lastwagen die Gasse entlangratterte.

Der Fahrer konnte nichts dafür. Die Gasse war voller Spurrillen und Schlaglöcher. Sie war mit halb ausgeleerten Müllbeuteln, Essensabfällen, vollgesogenen Kleiderbündeln und kaputten Haushaltsgeräten übersät, die die Mülltaucher zurückgelassen hatten. Im fahlen grauen Licht der nebligen Morgendämmerung konnte der Fahrer zwischen dem Abfall und dem schlanken Körper des Musikers, der mittlerweile von Krähen belagert war, nicht unterscheiden. Die Krähen waren Kenjis Freunde. Sie versuchten lediglich, ihm zu helfen, indem sie ihn warm und trocken hielten, aber jeder weiß, dass Krähen Abfall lieben. Ist es da ein Wunder, dass der Fahrer Kenji für einen Müllsack hielt? Der Fahrer hasste Krähen. Krähen brachten Unglück, und deshalb hielt er mit dem Laster direkt auf sie zu. Er hatte Kisten mit lebenden Hühnern für die chinesische Schlachterei am Ende der Gasse geladen. Er trat aufs Gaspedal und spürte, wie die Räder über den Körper hinwegrumpelten, während die Krähen direkt vor seiner Frontscheibe aufflogen und ihm die Sicht versperrten, sodass er die Kontrolle verlor und in die Laderampe der Eternal Happiness Printing Company Ltd. schlitterte. Der Lastwagen kippte um, und die Hühnerkisten flogen in hohem Bogen heraus.

Der Lärm von kreischenden Vögeln weckte Benny, dessen Zimmerfenster auf die Gasse hinausging. Er lag da und lauschte, dann schlug die Hintertür zu. Ein hoher, dünner Schrei stieg von der Gasse auf, entrollte sich wie ein Seil, schlängelte sich wie ein lebender Tentakel durch sein Fenster, packte ihn und zerrte ihn aus dem Bett. Er ging ans Fenster, zog die Vorhänge zur Seite und spähte auf die Straße hinunter. Der Himmel begann sich gerade aufzuhellen. Er konnte den umgekippten Lastwagen sehen, dessen Räder sich drehten. Die Luft war voller flatternder Flügel und fliegender Federn, obwohl die in Käfigen aufgezogenen Hühner gar nicht richtig fliegen konnten. Sie sahen nicht einmal wie richtige Vögel aus. Sie erinnerten ihn an die Tribbles aus Raumschiff Enterprise, wie sie da kopflos in eine dunkle Ecke flüchteten. Der dünne Schrei straffte sich wie eine Klaviersaite, lenkte Bennys Blick auf eine geisterhafte Gestalt, von einer Wolke aus transparentem Weiß umhüllt, die Quelle des Geräuschs, die Quelle seines Lebens: seine Mutter, Annabelle.

Sie stand im Nachthemd da, allein im Lichtkegel der Laterne. Um sie herum war alles in Bewegung, Federn stoben wie Schnee durch die Luft, aber sie stand vollkommen reglos da, wie eine versteinerte Prinzessin, dachte Benny. Sie blickte auf etwas, was vor ihr auf dem Boden lag, und plötzlich wusste er, dass das Etwas sein Vater war. Von seinem Fenster aus konnte er das Gesicht seines Vaters nicht sehen, aber er erkannte seine Beine, die angewinkelt waren und zuckten, so als würde Kenji tanzen, nur dass er jetzt auf der Seite auf dem Boden lag.

Seine Mutter machte einen Schritt auf ihn zu. »Neeein!«, schrie sie und fiel auf die Knie. Ihr üppiges goldenes Haar floss über ihre Schultern, fing das Licht der Laterne ein und umhüllte den Kopf ihres Mannes. Sie beugte sich vor, und während sie versuchte ihn aufzurichten, wimmerte sie: »Nein, Kenji, nein, nein, bitte, es tut mir leid, ich hab´s nicht so gemeint ...«

Ob er sie hören konnte? Hätte er in diesem Moment die Augen geöffnet, hätte er das schöne Gesicht seiner Frau gesehen, das über ihm schwebte wie ein bleicher Mond. Vielleicht tat er es ja. Er hätte die Krähen gesehen, die auf den Dächern und schaukelnden Stromleitungen saßen und ihn beobachteten. Und wenn er über die Schulter seiner Frau hinweggeblickt hätte, hätte er seinen Sohn gesehen, der ihn von seinem Fenster aus ebenfalls beobachtete. Er wird ihn wohl gesehen haben, denn nun beruhigten sich seine tanzenden Beine, hörten auf zu zucken und regten sich nicht mehr. Wenn in diesem Moment Annabelle Kenjis Mond war, dann war Benny sein Stern, und als er ihn hell funkelnd am blassen Morgenhimmel sah, bewegte Kenji leicht den Arm, hob die Hand und wackelte mit den Fingern.

Als hätte er mir zugewinkt, dachte Benny später. Als hätte er mir zum Abschied gewinkt.

Kenji starb auf dem Weg ins Krankenhaus. Die Beerdigung fand in der darauffolgenden Woche statt. Es war an Annabelle, die nötigen Vorkehrungen zu treffen, aber sie war nicht besonders gut darin, solche Dinge zu organisieren. Im Gegensatz zu Kenji war sie kein besonders kontaktfreudiger Mensch, und als Ehepaar hatten sie kaum Besuch gehabt oder Leute zu sich eingeladen. Sie hatte nur wenig Freunde, wenn überhaupt welche.

Der Bestatter stellte ihr viele Fragen über die Familie und den Glauben des Verstorbenen, die sie kaum beantworten konnte. Sie wusste nichts über etwaige Familienangehörige. Er war in Hiroshima zur Welt gekommen, und seine Eltern waren gestorben, als er noch ein Kind war. Seine Schwester, damals noch ein Säugling, hatte man in die Obhut von Tante und Onkel gegeben, während Kenji bei seinen Großeltern in Kyoto aufwuchs. Er sprach nur selten über seine Kindheit, erwähnte nur, dass seine Großeltern sehr traditionell und streng gewesen seien und er sich nicht gut mit ihnen verstanden habe; aber natürlich waren sie inzwischen auch tot. Vermutlich lebte seine Schwester noch, aber er hatte den Kontakt zu ihr verloren. Wenn Annabelle ihn in den ersten Jahren ihrer Ehe danach fragte, lächelte er nur, strich ihr über die Wange und sagte, dass sie die einzige Familie sei, die er brauche.

Was seinen Glauben anging, so wusste sie, dass seine Großeltern Buddhisten gewesen waren. Er hatte ihr einmal erzählt, dass er während seines Studiums eine Zeit lang in einem Zen-Kloster gelebt hatte. Sie erinnerte sich noch daran, wie er gelacht hatte. Witzig, was? Ich, ein Mönch! Und sie lachte damals auch, weil er ihr kein bisschen mönchisch erschien. Er sagte, er brauche keine Religion, denn er habe ja den Jazz. Der einzige religiöse Gegenstand, den er besaß, war eine hübsche Gebetskette, die er manchmal ums Handgelenk trug. Aber sie hatte ihn nie damit beten sehen. Angesichts seiner buddhistischen Wurzeln fand sie es nicht richtig, dass ein christlicher Geistlicher die Trauerfeier abhielt, und deshalb antwortete sie auf die Fragen des Bestatters: Nein, es gebe keine Familie, nein, er sei nicht religiös gewesen, und sie wünsche auch keine Trauerfeier. Der Bestatter wirkte enttäuscht.

»Und was ist mit Ihrer Familie?«, fragte er eilfertig, und als sie zögerte, fügte er hinzu: »In Zeiten wie diesen ist es gut, die Familie um sich ...«

Eine schemenhafte Erinnerung blitzte in ihr auf. Sie dachte an den ausgezehrten Körper ihrer Mutter im Krankenhausbett. Die schattenhafte Gestalt ihres Stiefvaters, der in ihrer Zimmertür stand. »Nein«, unterbrach sie ihn entschieden. »Wie ich bereits sagte, keine Familie.«

Verstand er es nicht? Dass sie und Kenji ganz allein auf der Welt waren und dass es das war, was sie zusammenschweißte, bis Benny geboren wurde.

Der Bestatter sah auf seine Uhr und ließ nicht locker. Er fragte sie, wie sie über eine offene Aufbahrung denke. Wieder zögerte sie, worauf er ihr die Sache erklärte. Der Anblick...

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Ruth Ozeki ist Romanautorin, Filmemacherin und zen-buddhistische Priesterin. Für ihre Arbeiten wurde sie vielfach ausgezeichnet und schaffte es mit ihrem Roman Geschichte für einen Augenblick, übersetzt in 28 Sprachen, auf die Shortlist des Booker Prize. Sie ist Mitglied der Everyday Zen Foundation und lebt in West-Massachusetts, wo sie Kreatives Schreiben am Smith College lehrt.