Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Als wir schön waren

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
400 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am15.11.20221. Auflage
Daniel, ein junger Israeli, reist ziellos durch Südamerika, will sein altes Leben vergessen. Er beginnt eine stürmische Liebe mit der getriebenen Nora. Sie arbeitet angeblich am «Ozean», einem geheimnisvollen Projekt, das in fremde Erinnerungen eintauchen lässt. Dann ist Nora plötzlich tot. Warum? Und gibt es den «Ozean» wirklich? Daniel muss nicht nur Noras Geschichte auf den Grund gehen, sondern sich auch seiner eigenen stellen. Jahre zuvor: Daniels glückliche Kindheit nahe Gaza endet jäh, als seine Mutter bei einem Anschlag stirbt. Sein Freund Magouri kümmert sich um ihn, wird ihm alles, was zählt. Doch dann, bei der Armee, geht Daniel ganz als Soldat auf, während Magouri nicht nur lieber surft, sondern auch politisch völlig anders denkt. Immer tiefer zieht sich der Riss, bis ein furchtbarer Verrat die beiden für immer trennt. Für immer? Oder kann Daniel Magouri wiederbegegnen, ihn verstehen, wenn er Noras Projekt zu Ende bringt, den «Ozean» findet? Ron Leshem erzählt sinnensatt und mit großer Wärme von Liebe und zerbrechender Freundschaft, die nebenher den Nahostkonflikt begreiflich macht - und von der spannenden Suche nach einer verlorenen Erinnerung, in der vielleicht die Zukunft liegt.

Ron Leshem, geboren 1976 in Tel Aviv, ist Roman- und Drehbuchautor und ehemaliger israelischer Geheimdienstoffizier. Er arbeitet in Hollywood und Tel Aviv, hat unter anderem die international gefeierte Serie «Euphoria» mitentwickelt und das Drehbuch der Serie «No Man's Land» mitgeschrieben. Seine Romane «Der geheime Basar» und «Wenn es ein Paradies gibt» standen in Israel monatelang auf der Bestsellerliste. «Wenn es ein Paradies gibt» wurde mit Israels wichtigstem Literaturpreis, dem Sapir-Preis, geehrt und unter dem Titel «Beaufort» verfilmt; der Film erhielt auf der Berlinale den Silbernen Bären und war für den Oscar nominiert. Zuletzt erschien «Als wir schön waren» (2022).
mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR14,99

Produkt

KlappentextDaniel, ein junger Israeli, reist ziellos durch Südamerika, will sein altes Leben vergessen. Er beginnt eine stürmische Liebe mit der getriebenen Nora. Sie arbeitet angeblich am «Ozean», einem geheimnisvollen Projekt, das in fremde Erinnerungen eintauchen lässt. Dann ist Nora plötzlich tot. Warum? Und gibt es den «Ozean» wirklich? Daniel muss nicht nur Noras Geschichte auf den Grund gehen, sondern sich auch seiner eigenen stellen. Jahre zuvor: Daniels glückliche Kindheit nahe Gaza endet jäh, als seine Mutter bei einem Anschlag stirbt. Sein Freund Magouri kümmert sich um ihn, wird ihm alles, was zählt. Doch dann, bei der Armee, geht Daniel ganz als Soldat auf, während Magouri nicht nur lieber surft, sondern auch politisch völlig anders denkt. Immer tiefer zieht sich der Riss, bis ein furchtbarer Verrat die beiden für immer trennt. Für immer? Oder kann Daniel Magouri wiederbegegnen, ihn verstehen, wenn er Noras Projekt zu Ende bringt, den «Ozean» findet? Ron Leshem erzählt sinnensatt und mit großer Wärme von Liebe und zerbrechender Freundschaft, die nebenher den Nahostkonflikt begreiflich macht - und von der spannenden Suche nach einer verlorenen Erinnerung, in der vielleicht die Zukunft liegt.

Ron Leshem, geboren 1976 in Tel Aviv, ist Roman- und Drehbuchautor und ehemaliger israelischer Geheimdienstoffizier. Er arbeitet in Hollywood und Tel Aviv, hat unter anderem die international gefeierte Serie «Euphoria» mitentwickelt und das Drehbuch der Serie «No Man's Land» mitgeschrieben. Seine Romane «Der geheime Basar» und «Wenn es ein Paradies gibt» standen in Israel monatelang auf der Bestsellerliste. «Wenn es ein Paradies gibt» wurde mit Israels wichtigstem Literaturpreis, dem Sapir-Preis, geehrt und unter dem Titel «Beaufort» verfilmt; der Film erhielt auf der Berlinale den Silbernen Bären und war für den Oscar nominiert. Zuletzt erschien «Als wir schön waren» (2022).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644013681
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum15.11.2022
Auflage1. Auflage
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4376 Kbytes
Artikel-Nr.9141067
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Der Berg der Verwünschung

- - - -

Maghouri widmete sich mit allem, was er hatte, meinem Glück, hütete mich wie eine junge, treue Bulldogge und wusste immer die richtigen Worte zu sagen. Er nahm mich in den Arm und versprach: Ich lass dich nicht einen Meter allein, geh niemals von dir weg, wir bleiben zusammen, das ganze Leben. Sein Lächeln überzeugte mich, dass nichts Gebrochenes schlecht ist, gebrochen, das ist schön, solange man einen Plan hat, es zu reparieren. Und einen solchen hatte er, einen vierstufigen Plan, der mich happy machen sollte.

Mehr als alles andere auf der Welt hasste ich fremde Häuser, und jetzt plötzlich, im Alter von sechzehn, zog ich bei einer Familie ein, die nicht meine war. Es waren liebe Menschen, Dalija und Chagai Chananel. Das Sekretariat der Siedlung hatte beschlossen: Sie würden sich meiner annehmen. Und ich wehrte mich nicht, denn die andere Idee, die im Raum stand, war, dass ich zu Verwandten nach Tel Aviv käme, sprich: weg von Maghouri. Das gewohnte Umfeld muss bleiben, sagten die Experten, man darf dem Jungen nicht jeden Rahmen nehmen. Also spendete jemand ein Jugendbett, und Chagai Chananel stellte es im Zimmer seiner beiden Söhne auf, von denen einer mit mir in der Klasse war. Sie waren behutsam mit mir, nachsichtig, dennoch verbrachte ich in ihrem Haus nur das bisschen Zeit, das sein musste, ein paar kurze Stunden jede Nacht. Die Maghouris kamen als Adoptivfamilie nicht infrage. Das Sozialamt kriegte regelmäßig Berichte über gewalttätige Übergriffe vonseiten Yaakovs, Maghouris Vater. Der drehte immer mal wieder durch: Die Siedlung nähme ihm die Luft zum Atmen, sperre ihn ein. Er vermisste Afula, an das er seit seiner Kindheit gewöhnt war, trank zu viel und schlug dann zu. Der Strand wurde uns beiden zu unserem eigentlichen Zuhause, zu unserem Ankerplatz. Dort vergaßen wir, wer wir waren.

Die erste Stufe in Maghouris Glücksplan, der mich heilen sollte, waren die Wellen. Bis zu dem Tag war Maghouri der gewesen, der surfte, und ich der, der sich nicht traute, der im Sand saß und auf ihn wartete. Er bohrte Wasserröhren in die Wellen, intubierte aus beiden Richtungen, flog wie ein Torpedo. Ich hockte unterdessen am Strand und machte Schulaufgaben, schrieb für das Mitteilungsblättchen der Siedlung, für das Schulmagazin, für die Internetseite der Landjugendorganisation. Und ich schrieb Geschichten, die ich ihm hinterher vorlesen würde. Aber er meinte zu mir: «Sababa, Pokémon, geht klar. Träum schöne Träume und schreib sie von mir aus auch auf, aber vorher lebst du erst mal. Also hör auf rumzuheulen und komm ins Wasser.» Er nannte mich Pokémon, weil ich, seiner Meinung nach, den breiten Mund und das runde Gesicht einer Comicfigur hatte. Sein neues Ziel lautete, mir nicht nur das Surfen beizubringen, sondern gemeinsam mit mir auch das Todesmanöver hinzukriegen, das er selbst noch kein Mal geschafft hatte, nämlich off the lip surfen: mit der Spitze des Boards steil nach oben aus der obersten Lippe der Welle herausgeschossen kommen, quasi in den Himmel, und dann kehrtmachen und wieder nach innen surfen, das Ding runterreiten und die nächste Welle erwischen.

Um zu surfen, musste ich locker werden, musste mich wohl in meinem Körper fühlen. Seit dem Unglück aber kümmerte mich nicht mehr, was andere von mir dachten, war mir keine Energie mehr geblieben, mich durch Fragen belasten zu lassen, wie ob meine Brust wirklich behaart genug war, ob ich männlich genug wirke und meine Bauchmuskeln quadratisch aussehen. Alles war bedeutungslos geworden.

Wir setzten uns in den Sand, und Maghouri begann mit seiner ersten Lektion, erklärte, wohin der Wind weht und von wo die Strömung kommt. Er konnte jede Senke im Meeresboden beschreiben.

Erste Regel: Bis nach Ägypten abgetrieben zu werden, ist nicht gerade ratsam. Du gehst ins Wasser, suchst dir einen Fixpunkt am Strand und behältst ihn im Gedächtnis, immer.

Zweite Regel: Es lohnt sich nicht, gegen einen Felsen zu crashen. Besser, du lernst alle Felsen auswendig.

Dritte Regel: Das Wasser ist immer in Bewegung, verändert sich, und auch der beste Surfer der Welt kann es nicht wirklich vorhersagen. Erweise dem Meer Ehre wie Gott, lass es dich beherrschen, du bist nur Gast auf ihm. Wenn du versuchst, es zu beherrschen, ertrinkst du in Überheblichkeit.

Wind aus Südwest ist von heute an deine große Liebe, verkündete er.

Wir standen mit dem Gesicht nach Westen und warteten auf ihn, warteten auf den Angriff, auf eine neue Wellensession. Das Meer zwingt dich, Geduld zu entwickeln, du wartest manchmal stundenlang, und dann kommt eine Königswelle, und es gibt nichts auf der Welt, was du mehr willst, als darauf zu reiten, aber du musst dich beherrschen, darfst nicht gleich die erste nehmen, besser, du hörst ihr erst mal zu. Ein Angriff dauert in der Regel zwischen zwei und fünfzehn Minuten, und bei uns kommen immer so zwei bis sechs Wellen zusammen angerauscht.

Noch immer waren wir am Strand, und er brachte mir bei, eins zu werden mit dem Board, genau ausbalanciert an der richtigen Stelle darauf zu gleiten, damit die Spitze nicht unter Wasser geriet. Seine Anatomie zu erfassen, seine Maße zu verinnerlichen. Maghouri gab sich alle Mühe, nicht über mich zu lachen, mich geduldig anzuspornen.

«Die Beine weniger breit, Pokémon, und häng nicht an der Seite rüber. Die Beine schön eng zusammen, den Oberkörper drückst du hoch, die Hände machen erst mal gar nichts, nur die unteren Rippen hast du gegen das Board gepresst. Der untere Rücken angespannt, die Hände stützt du auf Brusthöhe aufs Brett, so, und schon bist du ausbalanciert. Kommst hoch, wackelst nicht, ohne Hände, hältst das Gleichgewicht wie auf einem dünnen Seil. Keine Kontrolle», beharrte er, «krieg das in deinen Kopf rein, Kontrolle gibt´s nicht und wird´s nie geben, nicht übers Board und auch sonst über gar nichts. Und nix ist vorhersehbar. Wir paddeln zur Welle und wissen gar nichts.»

Maghouri stellte sich hinter mich, die Arme ausgebreitet, und brüllte: «Lass dich fallen! Vertrau mir, lass dich nach hinten fallen!» Er wollte überprüfen, mit welchem Bein ich instinktiv den Fall abfing. So könne man herausfinden, welches Bein das dominante sei, denn das müsse den vorderen Teil des Surfbretts kontrollieren. Alle würden sich im Fall nach hinten abstützen, aber ich ließ mich einfach in seine Arme fallen, ohne einen Ausfallschritt zu machen, so sehr vertraute ich ihm. Der Versuch scheiterte.

«Komm, wir versuchen eine andere Methode», lachte er, nicht unzufrieden. Erneut baute er sich hinter mir auf und gab mir diesmal einen kräftigen Stoß, um zu sehen, mit welchem Bein ich den Fall abfing. Ich landete auf den Händen.

«Meine Beine sind nicht zu gebrauchen, was?», fragte ich besorgt. Zwei linke Beine. Wir versuchten einen letzten Test. Maghouri stellte sich vor mich hin und brüllte: «Spring! Spring einfach nach vorne! Na mach schon, mit einem Fuß, ohne viel nachzudenken, ohne groß zu überlegen!»

Ich sprang. Mein vorderer Fuß war der rechte. Er meinte: «Okay, du bist ein Goofy-Pokémon. Wer mit dem rechten Fuß vorne surft, wird goofy genannt.»

Jeden Morgen um sechs trafen wir uns an den Gewächshäusern, klemmten uns das Board untern Arm und fuhren mit dem Rad zum Strand. Unterwegs dehnten wir schon mal Hals, Schultern und Handgelenke, ließen Hüfte und Ellbogen kreisen. Der Staub der Lastwagen puderte uns gelb, und wir konnten es kaum erwarten, abgespült zu werden. Auf den Felsen, auf dem Weg runter zum Strand. Maghouri dachte sich für uns Atemübungen aus, ein auf bloßen Vermutungen basierendes Herz-Lungen-Ausdauertraining, er versuchte, meine Lungen daran zu gewöhnen, ohne Luft auszukommen.

Ins Wasser staksten wir schließlich mit dem Board in einer Hand, auf Hüfthöhe. Auch die Sexyness dieses Ins-Wasser-Watens will geübt sein. Wir warteten eine kleine Welle ab, machten erst die Spitze des Boards nass, drückten sie ein wenig unter Wasser und ließen dann das ganze Brett überspülen, bis es von selbst schwamm, legten uns, wenn das Wasser tief genug war, darauf und begannen zu paddeln.

Vierte Regel: Wenn du fühlst, dass der Sturz vom Brett unausweichlich ist, gib dich ihm hin, fall runter, aber schwank nicht hin und her wie ein Palmwedel. Flieg im hohen Bogen krachend in die Welle, lass den Schaum dich überspülen, bis er sich beruhigt hat. Lass dich nach hinten fallen, weg vom Board, und sieh bloß zu, dass es dich nicht auf die Hörner nimmt. Lass dich auch nicht bis auf den Meeresboden schleudern, aber tauch ruhig tief ein und stell dir vor, du würdest Sand vom Boden aufheben. Das ist ganz entspannt da unten, die Welle findet dich dort nicht. Wenn du dann wieder auftauchst, halt dir die Hände über den Kopf, damit dir das Board keine Gehirnerschütterung verpasst. Und lass ihm ruhig den Vortritt in Richtung Strand.

«Fühl es einfach», bimste Maghouri mir ein, aber das war nicht einfach. Fühl das Meer, fühl das Board, fühl dich selbst mit allem eins werden, fühl die Umgebung.

In den ersten Tagen bin ich gefühlt tausend Mal rausgepaddelt, ins Tiefe, und wieder zurück. Hab meine Zeit gestoppt, um mich selbst davon zu überzeugen, dass ich besser wurde. Er machte mir vor, wie man nur mit den Händen paddelt, das Wasser mit den Fingern durchkämmt, eine Drehung mit einer Hand hinbekommt. Danach saß ich eine ganze Woche nur. Auf einem Surfbrett sitzen ist weniger einfach, als man meint, also dort sitzen und dabei nicht untergehen, die Beine gespreizt, der Körper senkrecht wie der Rotor eines Hubschraubers, mit dem Rücken zur Welle. Ich versuchte, auf den Gleichklang der Strömung zu lauschen, die fehlende Kontrolle zu lieben, und wenn kleine Wellen kamen, schob...
mehr

Autor

Ron Leshem, geboren 1976 in Tel Aviv, ist Roman- und Drehbuchautor und ehemaliger israelischer Geheimdienstoffizier. Er arbeitet in Hollywood und Tel Aviv, hat u.a. die international gefeierte Serie «Euphoria» mitentwickelt und das Drehbuch der Serie «No Man's Land» mitgeschrieben. Seine Romane «Der geheime Basar» und «Wenn es ein Paradies gibt» standen in Israel monatelang auf der Bestsellerliste. «Wenn es ein Paradies gibt» wurde mit Israels wichtigstem Literaturpreis, dem Sapir-Preis, geehrt und unter dem Titel «Beaufort» verfilmt; der Film wurde mit dem Silbernen Bären der Berlinale ausgezeichnet und war für den Oscar nominiert. Zuletzt erschien «Als wir schön waren» (2022).
Weitere Artikel von
Leshem, Ron