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Mord mit Limmatblick

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
246 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am13.07.2022
Der erfolglose Krimi-Autor Florian Berger will sich in einem vornehmen Zürcher Hotel erschießen - stattdessen findet er eine leblose Frau mit einer Schusswunde. Dabei wird er vom Portier überrascht. In Panik flieht er, verfolgt von der Polizei. Warum muss kurz darauf eine andere junge Frau sterben? Hängen die Verbrechen mit einem Abbruchhaus zusammen? Die Polizei ermittelt gegen Florian, während dieser zusammen mit seiner Kollegin Cressida Kandel den Mörder sucht und sich dabei in Lebensgefahr begibt.

Susanne Mathies, geboren 1953 in Hamburg, lebt in Zürich. Sie promovierte in Wirtschaftswissenschaft und in Philosophie. Die Autorin schreibt auf Deutsch und Englisch. Bisher hat sie mehrere Kriminalromane sowie zahlreiche Gedichte und Kurzgeschichten in verschiedenen Zeitschriften und Anthologien veröffentlicht. Sie gehört der Redaktion der orte-Literaturzeitschrift an und ist Mitherausgeberin der orte Poesie Agenda.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextDer erfolglose Krimi-Autor Florian Berger will sich in einem vornehmen Zürcher Hotel erschießen - stattdessen findet er eine leblose Frau mit einer Schusswunde. Dabei wird er vom Portier überrascht. In Panik flieht er, verfolgt von der Polizei. Warum muss kurz darauf eine andere junge Frau sterben? Hängen die Verbrechen mit einem Abbruchhaus zusammen? Die Polizei ermittelt gegen Florian, während dieser zusammen mit seiner Kollegin Cressida Kandel den Mörder sucht und sich dabei in Lebensgefahr begibt.

Susanne Mathies, geboren 1953 in Hamburg, lebt in Zürich. Sie promovierte in Wirtschaftswissenschaft und in Philosophie. Die Autorin schreibt auf Deutsch und Englisch. Bisher hat sie mehrere Kriminalromane sowie zahlreiche Gedichte und Kurzgeschichten in verschiedenen Zeitschriften und Anthologien veröffentlicht. Sie gehört der Redaktion der orte-Literaturzeitschrift an und ist Mitherausgeberin der orte Poesie Agenda.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839273081
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum13.07.2022
Reihen-Nr.2
Seiten246 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.9224305
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


2. Im Storchen

»Mit Limmatblick.« Florian war selbst überrascht, mit welcher Kaltblütigkeit er dem Mann an der Rezeption ins Auge blicken konnte. Der Portier war fast einen Kopf kleiner als er selbst, wirkte jedoch imposant und absolut unerschütterlich. Das musste an den markant ausgeprägten Gesichtszügen liegen, so etwas hatte Florian vor Jahren mal in einer Zigarrenreklame gesehen, »Knowing« stand dort unter dem leicht verwitterten Heldenkonterfei. Oder Dieter Bohlen, der sah so ähnlich aus, bei dem wusste auch keiner, woher er sein ungeheures Selbstbewusstsein nahm, aber es funktionierte anscheinend. Und einen Mann aus dieser Heldengattung getraute Florian sich gerade anzulügen. Das war ein gutes Zeichen für das Gelingen seines Vorhabens.

»Der Preis spielt keine Rolle«, fügte er hinzu. Der Mann an der Rezeption verzog keine Miene. Wahrscheinlich hielt er Florian für einen Neureichen, vielleicht für einen Start-up-Millionär, der sich noch nicht daran gewöhnt hatte, sich etwas leisten zu können. Dass er nichts sagte, war ein Vorwurf an den Gast, schauen Sie mal, ich bin zu vornehm, Sie auf Ihre billige Art aufmerksam zu machen.

»Möchten Sie lieber eine klassisch-elegante Einrichtung oder das neu designte zeitgenössische Ambiente?«, fragte der Rezeptionist.

Die Worte »neu designt« riefen bei Florian eine Gänsehaut hervor. Diese peinlichen Anglizismen, die global tönen sollten, hatten sich in Zürich in letzter Zeit immer mehr ausgebreitet. Und nicht nur in Zürich! Aber mit diesem Problem musste die Welt nun allein klarkommen. Er war draußen.

»Elegant, bitte.«

»Sie haben Glück. Unsere Juniorsuite mit Limmatblick ist gerade frei. Wie lange möchten Sie bleiben?«

»Ich bleibe für eine Nacht.«

»Darf ich Sie dann um Ihre Kreditkarte bitten?«

»Selbstverständlich, hier ist sie.« Florian kramte seine Coop Master Card aus dem Portemonnaie. Besonders vornehm wirkte sie nicht. Immerhin sah man ihr von außen nicht an, dass Florians Kreditlimit schon seit über einem Monat überzogen war. Er beobachtete, wie der Portier die Karte durch das Lesegerät zog. Es passierte nichts - das Gerät ging nicht in die Luft, die Karte wurde nicht geschreddert.

»Vielen Dank, Herr Berger. Hier ist Ihre Zimmerkarte, für den zweiten Stock. Den Lift finden Sie dort drüben. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt in unserem Haus!«

Die Juniorsuite gefiel ihm auf den ersten Blick nicht besonders, das enttäuschte ihn sehr. Ihm lagen noch Lenas Worte in den Ohren, immer wieder hatte sie vom Storchen geschwärmt. »Noblesse und Schweizer Tradition sind da auf geniale Art verbunden«, so etwas in dieser Art hatte sie oft gesagt, »Man fühlt sich wohl und bleibt trotzdem aufrecht, fühlt sich gut aufgehoben und ist trotzdem nicht in Versuchung, sich gehen zu lassen. In so einem Hotel könnte ich Dauergast sein.« Da schwang im Unterton natürlich der Vorwurf mit, dass Florian ihr so etwas nie bieten könnte, weder jetzt noch in Zukunft. Irgendwie störte es ihn, feststellen zu müssen, dass Lena sich für dieses Ambiente begeistert hatte. In einem berühmten Fünfsternehotel hätte er mehr Eleganz erwartet. Aber für Geschmack und Grandezza hätte er in einem Palazzo in Venedig absteigen müssen, fiel ihm ein. Angelina Jolie und Johnny Depp in The Tourist. Auf der anderen Seite passte zu viel Grandezza natürlich überhaupt nicht zu seinem durchschnittlichen beziehungsweise eher unterdurchschnittlichen Leben. Ein bisschen gediegen über die Stränge hauen, das entsprach gerade noch seinem Lebensentwurf. Leider. Und es wäre größenwahnsinnig, daran jetzt noch etwas ändern zu wollen.

Das große Zimmer war in einem Pseudo-Biedermeierstil eingerichtet, mit dichten goldenen Brokatvorhängen, und es roch nach einem süßlichen Duftspray. Über der Schreibtischplatte lag eine durchsichtige Glasscheibe, ordentlich blank geputzt, gegen Gästeschmutz und Gebrauchsspuren. Florian setzte sich wider besseres Wissen auf den unbequemen glänzend gepolsterten Stuhl, öffnete sein Notebook und legte es vor sich auf den Schreibtisch. Trotz allem, einmal musste er es noch versuchen. Doch das altbekannte beklemmende Gefühl stellte sich sofort ein, als er das Dokument mit dem Titel Doppeltes Spiel im Spiegel öffnete. Bisher enthielt es nur die Worte »Erstes Kapitel« und die Erinnerungen an viele wieder gelöschte erste Absätze. Meistens gelangen ihm die ersten paar Worte noch ganz ordentlich, aber sie führten nie in eine packende Geschichte, ließen keine Entwicklung ahnen, sondern standen einsam am Rand eines Sumpfes von ausufernden Beschreibungen. Florian spürte, wie ihm sein übliches bleiernes Joch Nacken und Schultern herunterdrückte, ihn dumpf machte, jeden Gedanken im Keim erstickte. Ein Plot, wenigstens eine interessante Hauptfigur, musste ihm einfallen. Dieses Problem quälte ihn seit über einem Jahr. Er hatte keine Ideen mehr, brachte einfach nichts zustande, hatte das Schreiben verlernt. Früher hatte er zum Aufwärmen Schreibübungen gemacht, Ecriture automatique, doch jetzt funktionierte nicht einmal mehr das. Stahlringe schlossen sich um seine Handgelenke und klemmten sie am Rand des Schreibtisches fest, sobald er sich entschloss, mit dem Schreiben anzufangen. Sie würden sich erst dann öffnen, wenn er aufstand, das wusste er aus Erfahrung.

Seine Entscheidung war richtig. So konnte er nicht weitermachen, diese ständige Wiederholung des gleichen Misserfolgs nicht mehr ertragen. Jedes Mal wurde die Niederlage erdrückender, weil sie die beschämende Erinnerung früheren Nichtgelingens als schweres Gepäck auf dem Buckel trug. Er hatte das Gefühl, bei seinen Schreibversuchen ständig mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen, mit zunehmender Wucht. Ohne dass jemand auch nur das geringste Mitgefühl oder wenigstens Verständnis aufbrachte. Lena hatte recht damit, ihn rauszuwerfen, es war ja immer schlimmer geworden mit ihm. Zeit, dem Ganzen ein Ende zu setzen.

Obwohl ihn nichts mehr freuen konnte, empfand er eine fast wohltuende Genugtuung darüber, dass Jahreszeit und Ambiente stimmungsmäßig zu seinem Vorhaben passten. Ein heftiger Regen prasselte gegen die Fensterscheiben, der tintenblaue Abendhimmel war schwarz verhangen, die Limmat floss bleiern vorbei. Selbst die blau-weiß geringelten Pfosten an der Anlegestelle des Storchen wirkten im Schein der Lampen trist, wie Theaterkulissen, die man vergessen hatte einzusammeln. Boote fuhren im Februar nicht, schon gar nicht abends. Am Limmatquai gegenüber waren vereinzelte Fußgänger zu sehen, überdacht von schwarzen Schirmen, die ihre Flügel wie aasgierige Krähen nach unten beugten. Zu einer anderen Jahreszeit wäre es sicher schwierig gewesen, im Storchen ein Zimmer zu bekommen. Florian lächelte grimmig. Der einzige Gast, das wäre ein guter Titel für einen Roman. Wenn er noch schreiben könnte, hätte er sich das jetzt notiert.

Er zog die schweren Vorhänge zur Seite und öffnete die Flügeltüren zur Limmat. Kein Balkon, nur ein schmiedeeisernes Gitter spannte sich vor dem unteren Teil der Türöffnung. Vorsichtig schob er seine Schuhspitzen durch die Gitterstäbe, um das Gefühl des Draußenseins so weit wie möglich auskosten zu können. Der Regen traf ihn mit harten Spitzen auf Stirn und Wangen, das tat gut, ein Kampf gegen die Naturgewalten, zurechtgeschnitten auf das Format eines Schreibtischtäters. Eines Schreibtischnichttäters. Die Stille breitete sich um ihn aus, nur vom Regenrauschen übertönt, irgendwo gurrte eine Taube. So stehen bleiben, nichts denken, den Geräuschen zuhören, die die Stille verstärkten, dazu den Regen riechen, das sollte sein letztes Erleben vor dem Schlussstrich sein.

Ein scharfer Gestank zog ihm in die Nase. Rauchte da ein Kellner unter ihm auf der Terrasse? Nein, das musste aus dem Zimmer neben ihm kommen. Nun hörte er auch Stimmen, ein Murmeln. Ein paar Wortfetzen wehten zu ihm herüber. »Nicht auch noch â¦« - »auf gar keinen Fall â¦« - »keine Gefahr mehr« - »ich dachte«. Ein plötzlicher Windstoß riss an dem Fensterflügel, wollte ihn gegen die Wand schleudern, Florian konnte ihn gerade noch festhalten. Durch die Geländerstangen vor dem Fenster flatterte ein schmaler Zettel herein und ließ sich neben Florians Fuß nieder. Als er ihn aufhob, konnte er plötzlich die Stimmen aus dem Nebenzimmer ganz klar hören. »Nein! Lassen Sie das! Auf gar keinen Fall!« - »Geben Sie mir das sofort zurück!« - »Das war nicht â¦«

Dann ein Knall. Und plötzlich Stille.

Verdammt. Noch nicht einmal in Ruhe Abschied nehmen ließen sie ihn. All diese Leute, die sich seit seiner Kindheit regelrecht gegen ihn verschworen hatten. Seine Mutter, die ihn zum Musterknaben ausbilden wollte, völlig gegen seine ureigensten Neigungen, was diese noch verstärkt hatte. Seine Lehrer, die ihn mit dem Urteil »begabt, aber faul« in seinen Neigungen unterstützt hatten. Seine erste Freundin an der Schule, die es cool fand, dass er nichts auf die Reihe bekam, dann jedoch mit ihm Schluss machte, weil ihm vom Kiffen immer schlecht wurde. Seine Mitstudenten an der Uni, die ihn die Studentenzeitung machen ließen, sodass er eine gute Entschuldigung hatte, nie das Studium abzuschließen. Und Lena! Warum hatte sie es drei Jahre lang mit ihm ausgehalten, wenn sie ihn so unmöglich und unfähig fand? War er für sie einfach nur »besser als nichts« gewesen? Jetzt war er selbst auf dem Weg ins Nichts. Wenn sie ihn einfach mal alle in Ruhe lassen würden.

Wütend bückte er sich und hob den Zettel auf. Es war ein Kassenzettel für zehn Kaffee-Vollautomaten von einem...

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Susanne Mathies, geboren 1953 in Hamburg, lebt in Zürich. Sie promovierte in Wirtschaftswissenschaft und in Philosophie. Die Autorin schreibt auf Deutsch und Englisch. Bisher hat sie mehrere Kriminalromane sowie zahlreiche Gedichte und Kurzgeschichten in verschiedenen Zeitschriften und Anthologien veröffentlicht. Sie gehört der Redaktion der orte-Literaturzeitschrift an und ist Mitherausgeberin der orte Poesie Agenda.