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Wiener Machenschaften

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
278 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am10.08.2022
Von allen Bahnhöfen der Stadt brechen junge Männer in den frisch ausgerufenen Krieg auf. Als auf dem Nordbahnhof ein junger Soldat tot aufgefunden wird, ruft das Kriminaloberinspektor Dr. Fried auf den Plan. Der erfahrene Ermittler ist gefragt, denn bei dem Toten handelt es sich um den unehelichen Sohn des Kriegsministers. Bei seinen Nachforschungen deckt Dr. Fried Verstrickungen von Familienmitgliedern des Ministers und politisch brisante Ungereimtheiten im Kriegsministerium auf. Doch wer ist der Mörder?

Michael Ritter wurde 1967 in Wien geboren und arbeitet als Verleger und Literaturwissenschaftler. Er kann auf zahlreiche literaturwissenschaftliche Veröffentlichungen zurückblicken, darunter eine Biografie über Nikolaus Lenau. Er schreibt historische Romane und (historische) Kriminalromane mit Wien- sowie Italienbezügen. Ritter lebt und arbeitet in Wien. Mehr Informationen zum Autor unter: www.michael-ritter.eu
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,50
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
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EUR10,99

Produkt

KlappentextVon allen Bahnhöfen der Stadt brechen junge Männer in den frisch ausgerufenen Krieg auf. Als auf dem Nordbahnhof ein junger Soldat tot aufgefunden wird, ruft das Kriminaloberinspektor Dr. Fried auf den Plan. Der erfahrene Ermittler ist gefragt, denn bei dem Toten handelt es sich um den unehelichen Sohn des Kriegsministers. Bei seinen Nachforschungen deckt Dr. Fried Verstrickungen von Familienmitgliedern des Ministers und politisch brisante Ungereimtheiten im Kriegsministerium auf. Doch wer ist der Mörder?

Michael Ritter wurde 1967 in Wien geboren und arbeitet als Verleger und Literaturwissenschaftler. Er kann auf zahlreiche literaturwissenschaftliche Veröffentlichungen zurückblicken, darunter eine Biografie über Nikolaus Lenau. Er schreibt historische Romane und (historische) Kriminalromane mit Wien- sowie Italienbezügen. Ritter lebt und arbeitet in Wien. Mehr Informationen zum Autor unter: www.michael-ritter.eu
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839273500
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum10.08.2022
Reihen-Nr.2
Seiten278 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.9224325
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Erstes Kapitel:
14. September

Was waren das für irrsinnige Zeiten! Dr. Otto W. Fried mochte es nicht, wenn jemand von den »schrecklichen Zeiten« sprach, die gerade herrschten, und dann gleich noch obendrein die »guten alten Zeiten« beschwor, die angeblich ach so viel besseren. Am allerwenigsten mochte er so etwas an sich selbst.

Doch jetzt saß er da, an seinem Stammplatz im Café am Graben im Trattnerhof, vor sich aufgeschlagen die von ihm bevorzugte Neue Freie Presse, und dachte sich genau das. Er las das Feuilleton, das im unteren Drittel der Titelseite begann und sich jeweils über den unteren Bereich der beiden Folgeseiten weitererstreckte. »Eine Fahrt aufs Schlachtfeld« lautete der Titel des Berichts, verfasst vom Kriegskorrespondenten der Zeitung, der am Ende namentlich zeichnete: Roda Roda.

Der bekannte Literat beschrieb die großen Kraftwagen des Roten Kreuzes, die Vorbereitungen für Krankentransporte, aufgestapelte Tragbahren, einen Ofen in der Mitte eines Raumes, umgeben von einem Drahtgitter, damit die Patienten ihm nicht zu nahe kommen konnten. Und Verwundete, die hinzuströmten, Leicht- und Schwerverletzte, Tiroler Magyaren, Steirer und Ruthenen, Infanteristen, Artilleristen. Die Ärzte teilten sie nach der Schwere ihrer Verletzungen auf diverse Wagen ein, die sie in verschiedene Spitäler und Krankenstationen bringen würden.

Dr. Fried schüttelte heftig den Kopf und bemerkte gar nicht, dass Herr Johann, der Kellner, vor ihm stand.

»Haben der Herr Regierungsrat noch einen Wunsch?«, fragte er und schien sich über den älteren Herrn zu wundern, der in einen innigen Dialog mit der Zeitung vertieft war. Dabei kannte er ihn schon seit vielen Jahren, seinen Stammgast, der die unangenehme Eigenschaft hatte, die Zeitungen aus den Lesegestellen zu lösen und zu kleinen, kompakten Paketen zusammenzufalten, wenn er sie zu Ende gelesen hatte. Dann musste Herr Johann sie wieder auffalten und glätten und in die Halterung einspannen.

»Wie?« Dr. Fried tauchte aus einer anderen Welt auf und kehrte in die Beschaulichkeit seines Kaffeehauses zurück.

»Ein kleines Mittagsmenü haben wir gehabt, danach die Jaus n«, zählte Herr Johann auf, als wollte er bereits abkassieren und den Gast aus dem Lokal komplimentieren.

»Äh - ja?« Dr. Fried schien mit seinen Gedanken noch immer nicht im Hier und Jetzt angekommen zu sein.

»Na ja, Herr Regierungsrat, die Jaus n is jetzt auch schon über eine Stunde her. Da, schauen S , der Rest von Ihrem Kaffee ist eiskalt. Also: Haben Sie noch einen Wunsch?«

Dr. Fried schüttelte den Kopf, diesmal aber nicht über die Szenen, die Roda Roda beschrieb. Ein kurzer, schneller Krieg hätte es werden sollen, ein rascher Rachefeldzug gegen Serbien, das den Thronfolger Franz Ferdinand so schändlich ermordet hatte. Als »Strafurteil« hatte seine Lieblingszeitung den Feldzug bezeichnet - an genau jenem Tag, als der Kaiser Serbien den Krieg erklärt hatte. Das war vor eineinhalb Monaten gewesen. Alle Zeitungen hatten die Kriegserklärung an Serbien abgedruckt. Dr. Fried hatte das »Kriegsmanifest des Kaisers«, einen Aufruf mit dem Titel »An meine Völker!«, in der Neuen Freien Presse gelesen. Ihm war es kalt über den Rücken gelaufen an jenem überhaupt nicht kalten 29. Juli, dem Tag nach der offiziellen Kriegserklärung.

Hatte der senile alte Mann auf dem Thron wirklich geglaubt, das werde eine kurze, schnelle Strafaktion, bei der man den bösen Mann zur Rechenschaft zöge? Der Monarch war mit seinen vierundachtzig Jahren wohl schon lange nicht mehr in der Verfassung, die Dinge richtig zu analysieren und die entsprechenden Entscheidungen zu treffen. So sah das jedenfalls Dr. Fried, und das seit vielen Jahren. Er gehörte zu den gar nicht so wenigen Menschen, die sich gewünscht hatten, Erzherzog Franz Ferdinand hätte bereits vor längerer Zeit den Thron übernommen. Nach dessen Tod Ende Juni war es dafür nun definitiv zu spät.

»Ich glaub , ich zahle«, überlegte Dr. Fried und begann, die Zeitung zu falten.

Herr Johann verdrehte die Augen, wie er es immer tat, wenn er Dr. Fried bei der Misshandlung einer Zeitung beobachtete, doch er formte seine Missbilligung auch dieses Mal nicht in Worte.

»Menü und Jaus n, also wie immer«, fasste Herr Johann zusammen und öffnete seine große Kellnergeldbörse.

Dr. Fried holte Kronenscheine aus der Innentasche seines Sakkos, wo er sie locker verstaut hatte. Seine Tochter Amalia hatte ihm das alte Portemonnaie abgenommen und ihn getadelt, wie abgenutzt und rissig es sei. So etwas sei eine Schande für einen Mann von Welt. Ja, die Welt, die sich in immer rasender werdendem Wahn drehte. Amalia wollte ihm ein neues besorgen, ganz ähnlich seinem alten, damit er sich nicht umgewöhnen müsse, versprochen!

»Hier!« Dr. Fried gab Herrn Johann die übliche Summe und das ebenso übliche Trinkgeld dazu.

»Zu großzügig, Euer Gnaden!«, bedankte sich der Kellner und deutete eine Verbeugung an.

Er verstaute den Schein in seiner Börse und wies mit einer Bewegung des Kinns auf die Zeitung. »Den Drecksschweinen werden wir bald den Garaus gemacht haben!«, knurrte er böse und zog die Augenbrauen zusammen.

Dr. Fried wusste, wen und was er meinte. Diverse politische Themen waren schon öfters Gesprächsstoff gewesen, und die Ansichten seines Kellners kannte Dr. Fried daher nur zu gut. Aber er widersprach ihnen nicht. Nie. Es hatte einfach keinen Sinn, simple Gemüter von komplexen Zusammenhängen und inneren Widersprüchen überzeugen zu wollen.

»Serbien muss sterbien«, wiederholte Herr Johann einen von vielen Propagandasprüchen, mit denen die jungen Soldaten der k. u. k. Monarchie zurzeit an die Front getrieben wurden.

»Das wird der ruhmvolle Abschluss der Regentschaft unseres Kaisers«, fügte er noch hinzu und nahm Teller sowie Gläser von Dr. Frieds Tisch auf.

»Ja, sicher«, murmelte Dr. Fried nur und erhob sich langsam.

Sein Rücken hatte sich verkrampft und er stand krumm über den kleinen Tisch gebeugt da. Langsam, fast fühlte es sich an wie eine Ewigkeit, gelang es ihm, sich gerader und gerader aufzurichten. Schließlich drückte er das Kreuz durch, schnaufte laut und genoss es, den Schmerz schwinden zu spüren.

»Das wird nicht mehr in diesem Leben«, sagte er zu Herrn Johann, der ihm vom Garderobenständer Hut, Mantel und Stock brachte.

»Geht es zurück in die Liesl?«, fragte der Kellner und half dem Kriminaloberinspektor in den Mantel.

Die »Liesl« war der Hauptsitz der Polizei, in dem auch Dr. Frieds Büro untergebracht war. Das Gebäude lag an der Elisabethpromenade, die nach der ermordeten Kaiserin Elisabeth benannt worden war. Der Volksmund hatte für das Polizeigebäude eine lockere »Liesl« daraus gemacht. 

»Ja«, bestätigte Dr. Fried. »Heute ist Montag, heute wollen meine Leute ihre aktuellen Anweisungen erhalten oder sich für ihre gute Arbeit loben lassen.«

Er lachte kurz auf, verabschiedete sich von Herrn Johann und schlenderte aus dem Café hinaus auf den spätsommerlichen Graben.

Diese Kriegseuphorie! Dr. Fried hatte es von Anfang an nicht begreifen können. Wie konnten die Menschen, egal welchen Alters, egal welcher Bildung, so blöde sein, sich für diesen Krieg zu begeistern? Sahen sie denn nicht, dass das alles in eine viel größere Katastrophe führen musste als die eines nur kurzzeitigen Gemetzels mit einem kleinen Königreich, das alle für schwach und unbedeutend hielten?

Der Graben war eine der vornehmsten Flaniermeilen der Reichshauptstadt. Menschen spazierten unbelastet in Richtung Kohlmarkt oder Stephansplatz, bewunderten die prachtvollen Auslagen der Geschäfte und genossen einen Sonnentag, der nichts Böses erahnen ließ. Die Weltgeschichte war weit weg, irgendwo ganz anders.

Dr. Fried hatte einen Fußweg von vielleicht zwanzig Minuten vor sich. Er ging gerne zu Fuß. Das war gut für seinen Rücken. Auch Amalia sagte ihm das regelmäßig. Nicht dass sie Medizin studiert hätte, aber immerhin war sie eine Doktorin der Psychologie. Ihre Anstellung bei der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung gab ihr jene seelische Festigung und Ablenkung, die sie benötigte, seit ihr Vater ihren frisch angetrauten Ehemann Max wegen Mordes hatte verhaften müssen. Das beruhigte Dr. Fried sehr. Seit dem Abschluss des Prozesses und der Verurteilung zu fünfzehn Jahren Haft gegen Ende des vorletzten Jahres lebte Amalia wieder bei ihm und hatte ihr altes Zimmer bezogen.

In seinem Büro würde er nun gemeinsam mit dem Novak den Kommissaren die neuen Fälle zuteilen, laufende Untersuchungen überprüfen und das eine und andere persönliche Gespräch mit seinen Ermittlern führen. Und vielleicht sogar sich berichten lassen, dass ein Fall gelöst worden war. Auch das kam ja vor. Schließlich war es nicht so, wie man oft in der Bevölkerung schimpfen hörte, dass die Polizei nur die Kleinen bestrafte und die Großen durch die Netze schlüpfen ließ. Aber dieses Denken entsprang der Haltung, immer auf die anderen zeigen zu wollen, um von den eigenen Schandtaten abzulenken. Dr. Fried kannte die Psychologie der Täter zur Genüge.

Die Luft war nicht mehr so geladen und unangenehm feucht wie noch in den beiden zurückliegenden Monaten. Schlagartig mit Beginn des Septembers hatte sich eine angenehme Wetterlage eingestellt, warm, sonnig, kaum Regentage. Zum Glück nicht heiß. So ließ es sich im Büro sehr gut aushalten.

Dr. Fried schritt zügig die Herrengasse hinunter und querte die Freyung. Das Plätschern, das vom Austriabrunnen...

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Autor

Michael Ritter wurde 1967 in Wien geboren und arbeitet als Verleger und Literaturwissenschaftler. Er kann auf zahlreiche literaturwissenschaftliche Veröffentlichungen zurückblicken, darunter eine Biografie über Nikolaus Lenau. Er schreibt historische Romane und (historische) Kriminalromane mit Wien- sowie Italienbezügen. Ritter lebt und arbeitet in Wien.
Mehr Informationen zum Autor unter: www.michael-ritter.eu