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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
464 Seiten
Deutsch
Picus Verlagerschienen am24.08.20221. Auflage
Niemand ahnt, was in der schweigsamen, störrischen Maria schlummert, der die Mutter, um sie zu beschäftigen, Papier und Bleistift gibt. Als Erwachsene studiert sie an der Wiener Akademie, wird nach ihrer Ru?ckkehr nach Kärnten zum Provinzstar und geht eine Liebesbeziehung mit einem um zehn Jahre ju?ngeren Schu?ler ein, Arnulf Rainer. Die beiden inspirieren sich in der fruchtbaren Nachkriegszeit gegenseitig, werden aber auch zu Konkurrenten. Klagenfurt wird rasch zu klein, sie gehen nach Wien. Arnulf spielt besser auf der Klaviatur des Kunstmarkts, Ku?nstlerinnen bringt die Männergesellschaft wenig Wertschätzung entgegen. Aber Maria malt. Maria kämpft. Sie geht nach Paris, nach New York. Mit beinahe achtzig zieht sie in ihrem Atelier, hinter dem Zoo Schönbrunn, Bilanz. Was sie nicht weiß: Ihre eigentliche Karriere als Ku?nstlerin liegt noch vor ihr. Ein großer Roman u?ber eine große Ku?nstlerin: Maria Lassnig, eine der wichtigsten österreichischen Malerinnen, in einer wahrhaftigen Biografie.

Kirstin Breitenfellner wurde 1966 in Wien geboren. Ihr erster Berufswunsch war Kinderbuchautorin. Es sollte einige Jahre und den Umweg über ein Studium der Germanistik, Philosophie und Slawistik, drei Romane und einen Gedichtband erfordern, bis sie dieses Ziel erreichte. Daneben arbeitet sie als Literaturkritikerin, Journalistin und Yogalehrerin. Im Picus Verlag erschienen ihre Kinderbücher »Das Echo des Schiffs heißt Fisch« (gemeinsam mit Raoul Krischanitz), »Lisa und Lila dürfen bleiben« (gemeinsam mit Mathias Nemec) und »Das Geheimnis der Schnee-Eule« (gemeinsam mit Bianca Tschaikner). Außerdem sind ihre Romane »Bevor die Welt unterging« und zuletzt 2022 »Maria malt« im Picus Verlag erschienen.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR28,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR20,99

Produkt

KlappentextNiemand ahnt, was in der schweigsamen, störrischen Maria schlummert, der die Mutter, um sie zu beschäftigen, Papier und Bleistift gibt. Als Erwachsene studiert sie an der Wiener Akademie, wird nach ihrer Ru?ckkehr nach Kärnten zum Provinzstar und geht eine Liebesbeziehung mit einem um zehn Jahre ju?ngeren Schu?ler ein, Arnulf Rainer. Die beiden inspirieren sich in der fruchtbaren Nachkriegszeit gegenseitig, werden aber auch zu Konkurrenten. Klagenfurt wird rasch zu klein, sie gehen nach Wien. Arnulf spielt besser auf der Klaviatur des Kunstmarkts, Ku?nstlerinnen bringt die Männergesellschaft wenig Wertschätzung entgegen. Aber Maria malt. Maria kämpft. Sie geht nach Paris, nach New York. Mit beinahe achtzig zieht sie in ihrem Atelier, hinter dem Zoo Schönbrunn, Bilanz. Was sie nicht weiß: Ihre eigentliche Karriere als Ku?nstlerin liegt noch vor ihr. Ein großer Roman u?ber eine große Ku?nstlerin: Maria Lassnig, eine der wichtigsten österreichischen Malerinnen, in einer wahrhaftigen Biografie.

Kirstin Breitenfellner wurde 1966 in Wien geboren. Ihr erster Berufswunsch war Kinderbuchautorin. Es sollte einige Jahre und den Umweg über ein Studium der Germanistik, Philosophie und Slawistik, drei Romane und einen Gedichtband erfordern, bis sie dieses Ziel erreichte. Daneben arbeitet sie als Literaturkritikerin, Journalistin und Yogalehrerin. Im Picus Verlag erschienen ihre Kinderbücher »Das Echo des Schiffs heißt Fisch« (gemeinsam mit Raoul Krischanitz), »Lisa und Lila dürfen bleiben« (gemeinsam mit Mathias Nemec) und »Das Geheimnis der Schnee-Eule« (gemeinsam mit Bianca Tschaikner). Außerdem sind ihre Romane »Bevor die Welt unterging« und zuletzt 2022 »Maria malt« im Picus Verlag erschienen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783711754745
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum24.08.2022
Auflage1. Auflage
Seiten464 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2298 Kbytes
Artikel-Nr.9804827
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1. Kapitel Die Maske

Das Kind sitzt im Leiterwagen. Seine Augen sind offen, aber es sieht ins Leere. Denkt es etwas? Es fühlt. Es fühlt die Träne im Augenwinkel, denn die Sonne blendet, als die Frau, zu der das Mädchen Mutter sagen soll, an ihr vorbei zur Großmutter ins Haus geht. Drüben flirren die Blätter der kurzstämmigen Birken.

Riedi!, rufen die Kinder, die schon dort drüben in den Kronen hängen und ihre sonnengebräunten, sehnigen Körper hin und her schwingen. Das Schwingen wirft Farbtupfer in die Luft, die Formen bilden, wie kleine Kristalle, wie Schneeflocken, nur dass es Sommer ist. Riedi friert. Neben dem Leiterwagen hängen reife Himbeeren, aber Riedi schaut nicht hin. Sie hört die Kinder. Sie denkt nicht daran, hinüberzulaufen. Sie schließt die Augen und sieht immer noch bunte Flecken, die jetzt in verschiedene Richtungen wandern. Wenn sie alleine ist, tut sie das oft. Farben sind Freunde. Sie sind traurig und froh, sie können fühlen, wie Riedi selbst. Sie sind warm und kalt, trotzig und weich gestimmt. Nur sprechen können sie nicht. Aber das ist nichts Schlechtes. Das kann das Kind auch nicht. Oder will es nicht?

Red endlich was, sagt die Großmutter, die selbst nur spricht, wenn es notwendig ist. Starr nicht so!

Ein leichter Wind streicht Riedi über die Wangen, wie ein Hauch von einem Engel, von dem die Großmutter redet, wenn Riedi schlafen muss. Die Großmutter kann von dem Engel reden, aber nur Riedi kann ihn fühlen. Sie ist allein. Und sie ist nicht allein. Sie hat das Licht am Morgen, das durch die Fensterläden bricht. Sie hat das kalte Wasser, das ihre Wangen heiß werden lässt. Sie hat die Steinstufen, die warm werden von der Sonne und ihr zeigen, dass sie Füße besitzt, die ihr in die Fußsohlen einbrennen, dass sie lebt. Sie hat den Brunnen und sein kaltes Wasser, das die Füße zuerst streichelt und dann heiß werden lässt mit tausend Nadelstichen, unter das man den Kopf halten kann, bis die Haare im Nacken und vor dem Gesicht kleben wie ein Helm, wie eine Maske aus kühlem Metall.

Riedi besitzt kein Spielzeug, aber sie besitzt den Schnee, der zwischen den Zähnen schmilzt, wenn man ihn zu essen versucht, und der unter den Schuhen knirscht, wenn man den Hühnern ihre Körner bringt. Sie besitzt den Duft der Kräuterkammer. Und sie besitzt das Messer der Großmutter, das so spitz ist wie ein Schwert und so weich in der Hand liegt wie ein Stück Seife. Sie besitzt den Strohsack, der sich zusammendrückt, wenn man sich drauflegt. Sie besitzt das Bettzeug, gefüllt mit Türkenfedern, das wärmt, obwohl es ganz leicht ist. Die trockenen Blätter nimmt die Großmutter von den Maiskolben ab, bevor der Mais gedroschen wird. So nutzt der Kukuruz ihnen zweimal, einmal von innen und einmal von außen. Riedi hat ein Gesäß, das das Holz des Leiterwagens berührt, sie fühlt es durch den festen Stoff des Kittels hindurch. Sie fühlt alles. Das Kratzen des Stoffes und seine braune Kraft, die die Haut warmhält. An dem Gesäß sind die Beine dran. Sie sind kurz, aber Riedi kann sie wachsen lassen, wenn sie die Augen schließt. Sie werden so lang wie der Bach hinter dem Haus der Großmutter. Wie zwei Schlangen, die Monster sind. Das linke bäumt sich unter dem Stich eines spitzen Schwertes auf. Es zuckt. Es juckt.

Riedi öffnet die Augen, sie sieht die Gelse davonfliegen und blickt auf die Stelle, die jetzt rot wird und anschwillt. Sie sieht ihre Arme, die in einem zu kurzen Hemd stecken, und ihre Beine, die aus dem Hemd herauswachsen und es immer kürzer aussehen lassen, obwohl das Hemd gleich lang bleibt.

Das Kind wächst, sagt die Großmutter und schaut missbilligend drein, so als ob Wachsen nichts Gutes wäre.

Riedis Finger sind rund und schmutzig, ihr Körper ist stämmig und fest. Sie ist ein quadratisches Kind, genauso breit wie hoch. Das hat die Mutter gesagt, als sie das letzte Mal da war. Quadratische Kinder sind keine guten Kinder. Sie können nicht mit einer Mutter zusammenleben, sondern müssen bei der Großmutter bleiben, bis sie lang geworden sind.

Sie sitzt so langlat wie eine Uroma, klingt die Stimme von Vroni an Riedis Ohr.

Kommst du jetzt endlich spielen?, sagt Vroni und rüttelt an Riedis Schulter.

Riedis Magen knurrt. Sie hat Hunger. Die Großmutter ist gar nicht im Haus, sie ist auf dem Feld und erntet Erdäpfel. Dazu hebt sie die Erdschollen mit dem Spaten und holt dann die Erdäpfel mit ihren großen braunen Händen heraus, um sie nicht zu beschädigen. Die Frau, die ihre Mutter ist, wird die Großmutter im Haus nicht finden und gleich zurückkommen. Sie werden zu Mittag mit ihr zusammen Erdäpfel essen, die weich und mehlig auf der Zunge kleben, die sie zerdrückt. Die Welt ist nicht nur außen, sie kommt auch nach innen. Riedi kann schlucken, und die von der Zunge zerdrückte Frucht wandert den Schlund hinunter in den Magen, den sie füllt mit einem warmen Gefühl. Das Gefühl kommt von den Erdäpfeln der Großmutter, nicht von der Großmutter selbst.

Die Großmutter ist eine ernste Frau. Sie hat zur Seite fallende Augen wie ein kleiner Hund und einen strichgeraden Mund, der immer mürrisch aussieht, auch wenn sie doch einmal lachen muss. Manchmal nennt sie Riedi Honighäfele. Das tut gut. Oder Tschapele und Tschinkale. Das sind Wörter von ihrem eigenen Vater. Tschinkale sagt die Großmutter, wenn sie Riedi lieb hat. Tschapele, wenn sie sich ärgert oder Maria wieder ein Missgeschick passiert ist. Wenn die Großmutter Maria sagt, hat Riedi etwas falsch gemacht. Riedi heißt Maria, so wie die Großmutter und so wie die heilige Mutter Gottes, aber niemand nennt sie so, denn sie ist ja auch nicht heilig. Meistens sagt die Großmutter nichts. Riedi weiß, dass die Großmutter kein lediges Kind bei sich haben will, weil ledige Kinder eine Schande sind, für die man sich schämen muss. Dass das ledige Kind nichts dafür kann, ändert seine Schande nicht.

Wenn Riedi etwas falsch gemacht hat, muss sie auf dem Holzscheit knien. Zum Beispiel wenn ihr etwas runtergefallen ist oder sie vergessen hat, etwas zu tun, was ihr die Großmutter befohlen hat. Und Riedi vergisst oft. Sie vergisst die Dinge, die sie tun soll, weil sie sich selbst vergisst. Sie ist langsam.

Schau nicht immer ins Narrenkastl, sagt die Großmutter, aber sie bleibt dabei ernst, und Riedi kommt sich vor wie ein Narr, sie hört die Schellen an den Eselsohren ihrer unsichtbaren Narrenkappe, denn sie ist dumm wie ein Narr.

Wenn Riedi auf dem Holzscheit kniet, kann sie nicht mehr schauen. Dann ist sie nicht mehr sie selbst, sondern wird ausgefüllt von ihren Knien, die schreien von den Stichen des Scheits, das in ihr Knie schneidet wie ein Messer, wie das spitze Messer, mit dem die Großmutter das Huhn absticht, das dann noch weiterläuft, obwohl es tot ist. Riedi will weglaufen, aber sie muss knien, bis die Großmutter sie erlöst.

Riedi, sagt Vroni, ganz nah an ihrem Ohr. Hörst du wieder die Flöhe husten?

Riedi isst gar keine Erdäpfel und kniet nicht auf dem Scheit, sie sitzt immer noch im Leiterwagen und öffnet jetzt die Augen.

Kommst du spielen?, fragt Vroni und lächelt.

Vronis Mutter ist Schneiderin, ihr Vater arbeitet im Wald, sie wohnen nicht in einer Keusche, sondern in einem Haus, aber sie erlauben Riedi trotzdem, mit Vroni und ihren Brüdern zu spielen. Hinter Vroni tauchen zwei Gesichter auf. Riedi kneift ihre Augen zusammen. Die drei Gesichter unter den Haaren, blond wie Besenstroh, verschmelzen zu einem. Das Gesicht gehört ihnen zusammen: Vroni und ihren Brüdern, Martin und Hubert. Riedi hat keine Geschwister.

Musst wieder mit ihr reden wie mit einem kranken Schimmel?, fragt Martin.

Ja, sagt Vroni.

Riedi kann schon reden, wenn sie will. Aber sie weiß oft nicht, wozu sie reden soll. Beim Spielen weiß sie das immer. Ohne reden kann man nicht spielen. Und beim Spielen weiß man immer, was man sagen soll und wer man ist. Man kann sich ausmachen, wer die Königin und wer die Hexe ist, wer die Mutter und wer das Kind ist, das die Mutter kaltherzig wegschicken muss. Dann ergibt sich das, was man zu reden hat, von selbst.

Die Zunge soll dir verdorren und ein Blitz vom Himmel fahren, sagt Riedi und schaut Martin böse an.

Diesen Satz sagt die Urgroßmutter immer, und ihr dicker Kropf, so groß wie eine Brust, nur dass er am Hals hängt, wackelt dabei bedrohlich. Wenn die Leute zu viel reden, stellt sich Riedi manchmal vor, wie ihre großen rosafarbenen Zungen langsam kleiner und runzliger werden, so klein und dunkel wie Dörrzwetschken. Vor allem wenn sie von Sachen reden, die Riedi nicht versteht.

Die Großmutter streichelt ihr manchmal übers Haar, zum Beispiel, wenn sie von dem Engel spricht, der über dem Kind wacht. Sie schlafen im gleichen Bett. Es ist schon warm, wenn die Großmutter hineinkriecht.

Mach Platz, Riedi, sagt sie und murmelt dann noch ihr Abendgebet, bevor sie...
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Autor

Kirstin Breitenfellner wurde 1966 in Wien geboren. Ihr erster Berufswunsch war Kinderbuchautorin. Es sollte einige Jahre und den Umweg über ein Studium der Germanistik, Philosophie und Slawistik, drei Romane und einen Gedichtband erfordern, bis sie dieses Ziel erreichte. Daneben arbeitet sie als Literaturkritikerin, Journalistin und Yogalehrerin. Im Picus Verlag erschienen ihre Kinderbücher »Das Echo des Schiffs heißt Fisch« (gemeinsam mit Raoul Krischanitz), »Lisa und Lila dürfen bleiben« (gemeinsam mit Mathias Nemec) und »Das Geheimnis der Schnee-Eule« (gemeinsam mit Bianca Tschaikner). Außerdem sind ihre Romane »Bevor die Welt unterging« und zuletzt 2022 »Maria malt« im Picus Verlag erschienen.

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