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Komponisten in Bayern. Dokumente musikalischen Schaffens

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
112 Seiten
Deutsch
Allitera Verlagerschienen am01.09.2015
Komponist, Improvisator am Klavier, Musikwissenschaftler, Buchautor, Hochschullehrer und vieles mehr: Peter Michael Hamel ist einer der facettenreichsten deutschen Musiker seiner Zeit. Als 68er revoltierte er gegen die Selbstzufriedenheit der Adenauerjahre, als musikalisches Enfant terrible gegen die Grenzen zwischen U- und E-Musik und gegen die Dogmen der Neuen Musik. Er suchte nach neuen Horizonten, ging bei indischen Musikern in die Lehre und war ein Wegbereiter von populären Entwicklungen wie der »Weltmusik« oder der »New Age«-Bewegung. Genauso vielseitig wie der Komponist ist auch seine Musik: Sein Werk umfasst Improvisation, Kammermusik in verschiedensten Besetzungen, Vokalmusik von Kabarettsongs bis hin zur tiefgründig gestalteten Missa, Symphonien, Solokonzerte und Musiktheater. Peter Michael Hamel findet aus der Haltung des Improvisierens seine Inspiration. Dementsprechend ist seine Musik emo¬tional packend, ohne dass ihr profundes Handwerk und eine architektonisch durchdachte Konstruktion abgesprochen werden könnten. So sehr Peter Michael Hamel in die Welt hinausstrebt, er fühlt sich doch in Bayern, in seiner Geburtsstadt München und im Chiemgau, wo er lebt, und vor allem in der Libe¬ralitas bavariae verwurzelt. Sein Münchner Hochschullehrer Günter Bialas und sein Mentor Carl Orff ermutigten ihn einst, seinen Weg in aller Freiheit und Offenheit zu gehen. Diese pädagogische Grundhaltung nahm er mit nach Ham¬burg, wo es ihm als Hochschullehrer ein Anliegen war, seinen Studenten Weltoffenheit und die Fähigkeit zu vermitteln, Grenzen zu überwinden, sei es zwi¬schen den einzelnen Musiksparten, sei es zwischen den Kulturen unserer Welt. Die einzelnen Beiträge dieses Bandes beleuchten aus unterschiedlichen Perspektiven zentrale Aspekte zu Hamels Leben und Schaffen und machen neugierig, seine Musik aufzuführen und zu hören.mehr
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Produkt

KlappentextKomponist, Improvisator am Klavier, Musikwissenschaftler, Buchautor, Hochschullehrer und vieles mehr: Peter Michael Hamel ist einer der facettenreichsten deutschen Musiker seiner Zeit. Als 68er revoltierte er gegen die Selbstzufriedenheit der Adenauerjahre, als musikalisches Enfant terrible gegen die Grenzen zwischen U- und E-Musik und gegen die Dogmen der Neuen Musik. Er suchte nach neuen Horizonten, ging bei indischen Musikern in die Lehre und war ein Wegbereiter von populären Entwicklungen wie der »Weltmusik« oder der »New Age«-Bewegung. Genauso vielseitig wie der Komponist ist auch seine Musik: Sein Werk umfasst Improvisation, Kammermusik in verschiedensten Besetzungen, Vokalmusik von Kabarettsongs bis hin zur tiefgründig gestalteten Missa, Symphonien, Solokonzerte und Musiktheater. Peter Michael Hamel findet aus der Haltung des Improvisierens seine Inspiration. Dementsprechend ist seine Musik emo¬tional packend, ohne dass ihr profundes Handwerk und eine architektonisch durchdachte Konstruktion abgesprochen werden könnten. So sehr Peter Michael Hamel in die Welt hinausstrebt, er fühlt sich doch in Bayern, in seiner Geburtsstadt München und im Chiemgau, wo er lebt, und vor allem in der Libe¬ralitas bavariae verwurzelt. Sein Münchner Hochschullehrer Günter Bialas und sein Mentor Carl Orff ermutigten ihn einst, seinen Weg in aller Freiheit und Offenheit zu gehen. Diese pädagogische Grundhaltung nahm er mit nach Ham¬burg, wo es ihm als Hochschullehrer ein Anliegen war, seinen Studenten Weltoffenheit und die Fähigkeit zu vermitteln, Grenzen zu überwinden, sei es zwi¬schen den einzelnen Musiksparten, sei es zwischen den Kulturen unserer Welt. Die einzelnen Beiträge dieses Bandes beleuchten aus unterschiedlichen Perspektiven zentrale Aspekte zu Hamels Leben und Schaffen und machen neugierig, seine Musik aufzuführen und zu hören.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783869067926
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum01.09.2015
Reihen-Nr.58
Seiten112 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4700 Kbytes
Artikel-Nr.9841680
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Hans Schmidt-Mannheim
Gespräch mit Helmut Bieler

im Dezember 2014

Hans Schmidt-Mannheim: Meistens werden Komponisten im hohen Alter - oder noch später - mit einer Monographie geehrt. Der Bayerische Tonkünstlerverband hat wohl seine Gründe, diese Ehrung einem wirklichen Tonkünstler bereits zu seinen Lebzeiten zukommen zu lassen. - Lieber Helmut, wir sind sehr lange befreundet, und ich möchte gerne beim vertrauten Du bleiben. Welche frühen musikalischen Anregungen hast du in deinem Elternhaus erhalten?

Helmut Bieler: Mein Vater war Volksschullehrer. Er selbst war sehr musikalisch, hat auch die Orgel und ordentlich Klavier gespielt, ist aber schon sehr früh während der Kriegszeit gestorben. Er hatte eine Nervenkrankheit. Sein Trigeminusnerv war eingeklemmt, und er hatte immer furchtbare Kopfschmerzen. Aber man sagte ihm, im Krieg gibt's keine Kranken. Er war ein erklärter Anti- Nazi. Er ließ in der Schule nicht die Nazi-Lieder singen und hat keine Nazi-Gedichte mit den Kindern einstudiert. Der Bürgermeister (es war in Nordhessen) sagte zu sich: Warte, dem Bieler zeig ichs. Er war ein echter Nazi und hat ihn in den Krieg geschickt - und nach sechs Wochen war mein Vater tot. Zu der Zeit war ich vier Jahre alt. Ich habe mich damals ans Klavier gesetzt und improvisiert. Mit sechs Jahren habe ich dann angefangen, richtig ordentlich zu spielen.

HSM: â¦mit Unterricht?

HB: Nach Lamerden, einem Ort 40 Kilometer nördlich von Kassel im Kreis Hofgeismar, kam ein Flüchtling aus der Bukowina (Rumänien), ein sehr guter Geiger, der allerdings sehr langsam und schwerfällig Klavier spielte. Bei ihm habe ich Unterricht gehabt, er hat mir die Noten beigebracht. Die Begeisterung für die Musik hat er bei mir geweckt und die entsprechende Literatur auch erklärt. Davon habe ich profitiert. - Meine Mutter war auch sehr musikalisch, hat sehr hübsch gesungen, war musikalisch aber in keiner Weise ausgebildet. Im Dorf hat sie zum Beispiel die Frauengruppen zum Singen im Gottesdienst vorbereitet.

HSM: Hat sie auch im Chor gesungen?

HB: Ja, soweit in dem kleinen Ort ein Chor existierte. Da gab es nicht viele musikalische Koryphäen. Aber dieser Geiger Leopold Zawichowski war für mich so eine Art Vaterfigur, ein Ersatzvater, der mich musikalisch gefördert hat. - Ich bin dann nach Hofgeismar ans Gymnasium gekommen. In dem Ort gab es einen guten Klavierlehrer, Herr Hermann, der aber ursprünglich Friseur gewesen ist. Der hat so viel Furore dort im Ort gemacht. Er war ein sehr guter Lehrer. Zu ihm sind in Hofgeismar alle in den Klavierunterricht gegangen, die guten Klavierunterricht haben wollten - und ich auch, nicht beim Musiklehrer an der Schule. Der war etwas unstet, ein guter, vielleicht genialer Musiker. Er hat Aufführungen mit Chor und Orchester einstudiert und dirigiert, war aber am Unterricht wenig interessiert. - Eine Episode: Es war stengstens verboten, auf den Instrumenten in der Schule zu spielen. Ich erinnere mich, dass wir einmal nicht in die Pause durften, weil es geregnet hat. Wir gingen zum Musikunterricht ins Musikzimmer. Dort habe ich Klavier gespielt, Schumann - aus den Kinderszenen. Kein Schüler durfte auf dem Instrument spielen. Die Klasse war ganz brav â¦

HSM: Wie alt warst du da?

HB: Elf oder zwölf Jahre. Der Musiklehrer stürmte über den Gang, stand an der Türe â¦, dann erstarrte er, sagte gar nichts, und ich bin schnell auf meinen Platz gegangen. Aber ich habe seitdem die Klavierstücke, die er im Unterricht besprach, vorspielen müssen. Bis dahin hatte ich eine drei in Musik, weil er immer nur die Liedtexte abfragte. Das war die Musiklehre ⦠Von Kindheit an habe ich mir die Texte immer schlecht gemerkt. Lieder im Konfirmationsunterricht oder Gedichte. Das war für mich eine Qual. Volksliedtexte habe ich mir ohne Melodie nicht merken können. Später hatte ich dann im Musikunterricht immer eine eins. Ungefragt!

HSM: Albert Einstein ist es ja auch nicht besser ergangen ⦠- Hast du damals schon musikalische Gedanken zu Papier gebracht?

HB: Ich habe viel improvisiert, stundenlang zu Hause, alles Mögliche und alles im spätromantischen Stil. Ich hatte viel Schumann gespielt und in diesem Stil dann auch improvisiert, ganz traditionell. Zuerst Menuette, auch Walzer, später größere Stücke. Als ich zwölf Jahre alt war, hat mir mein Bruder gesagt: Schreib doch mal auf, was du da spielst. Ich habe ihn dann gefragt: Wie macht man das mit dem Aufschreiben? Er: Spiel es mir vor, ich schreib es dir auf. Das konnte er. Er war am Klavier recht gut und ein guter Musiker. Dann habe ich das selber gekonnt und mit zwölf, dreizehn Jahren wild komponiert, ganz fleißig, und viel geschrieben.

HSM: Ist das alles erhalten?

HB: Irgendwo existiert das schon, aber es steht nicht im Werkverzeichnis! Ich habe ganz oben im Schrank einen Stapel, da sind solche Sachen aufgehoben.

HSM: Was hast du, außer dem Klavier, noch für ein Instrument gespielt oder erlernt?

HB: Erst viel später, in Bayreuth, habe ich mit Geige angefangen. Das war im Graf-Münster-Gymnasium, allerdings nur Gruppenunterricht, bei Herrn Dotzauer, einem sehr guten Musiker.

HSM: Nochmals zurück zu deinem Lebensweg. Wie bist du von Hofgeismar nach Bayreuth gekommen?

HB: Das war im Jahr 1953. Meine Mutter hatte wieder geheiratet. Ein Grund war: Sie wollte ihren Söhnen eine vernünftige Ausbildung zukommen lassen. Der Schulbesuch hat damals etwas gekostet. So sind wir nach Bayreuth gekommen. Da hatte ich das Glück, Unterricht bei Robert Spilling zu haben. Der hat den Philharmonischen Chor geleitet, hat an der damaligen Handelsschule, der jetzigen Berufsschule, unterrichtet und sehr viel Privatunterricht gegeben. Er war für mich eine echte Vaterfigur. Wir sind samstags immer zum Fußball gegangen - oder am Sonntag. Bei ihm habe ich dann Klavierunterricht gehabt, sehr ordentlich, und auch in Komposition hat er mich weit gebracht. Er hat selbst komponiert, hat beim Bayerischen Rundfunk in Nürnberg viele Rundfunkaufnahmen gespielt - als Komponist und Pianist. Er hat dann auch Festspielsängerinnen und -sänger korrepetiert.

Sie hatten damals am Festspielhaus keine regelmäßigen Kräfte. Dort hat er viele solcher Leute begleitet, auch wenn sie ihre Konzerte in Bayreuth gegeben haben. Da war er sehr gefragt. Es gab dann einen Zeitpunkt, an dem Robert Spilling sagte: So, jetzt bist du inzwischen besser als ich. Jetzt übernimmst du alle meine Aufgaben. Da habe ich dann die Festspielsänger und Instrumentalisten begleitet als Pianist, auch korrepetiert, auch im Philharmonischen Chor und dadurch auch Chorarbeit kennengelernt â¦

HSM: ⦠und eine gewisse Routine im Begleiten â¦

HB: Im Schulorchester habe ich auch Klavier gespielt, die Bläser ersetzt - oder überhaupt das Ganze vom Klavier her abgestützt. An der OR (Oberrealschule) gab es ja nur das kleine Streichorchester. Das war gar nicht so schlecht. Dabei habe ich gelernt, Klavierauszüge zu spielen - eine für mich ganz wertvolle Geschichte. Ich wurde ans Klavier gesetzt, um die fehlenden Stimmen vom Orchester zu ersetzen - beziehungsweise die schwachen Stimmen gut zu präsentieren.

HSM: Das weitet ja auch den Blick. Du hast da sicher nicht nur Wagner gespielt. Hast du auch Puccini und Ähnliches gemacht? Aber die Sachen wurden wohl in Bayreuth nicht aufgeführt â¦

HB: Wenig. Wir hatten im Philharmonischen Chor Pfitzner und das Brahms- Requiem im Programm, oder das Mozart-Requiem zum Beispiel. Die Themen kreisten meist um Bruckner und die Spätromantiker. Ich habe da wirklich gelernt, Klavierauszüge zu spielen und die Chorpartituren. Das Spielen der großen Partituren habe ich dort nebenbei gelernt - mit ordentlicher Vorbereitung zu Hause - und später auch das Spielen vom Blatt.

HSM: ⦠die Kunst des Weglassens â¦

HB: ⦠und die Kunst, im Moment das Wichtige herauszufinden und dann auch spontan zu spielen. Und zur Hochschulzeit während des Studiums habe ich das bereits gekonnt.

HSM: Da hast du durch die Praxis eine umfassende Kenntnis der Materie erworben.

HB: Die Psalmensinfonie von Strawinsky haben wir auch aufgeführt. Dadurch bin ich auch zur Neuen Musik gekommen.

HSM: War das so ein Tor?

HB: Ja, unbedingt. Vor allem Hindemith. Mein Lehrer Robert Spilling hat mir gesagt: So, jetzt spielst du mal Neue Musik. Das war mir relativ unbekannt. Dann hat er mir Hindemith vorgelegt, die Klaviersonaten erst mal. Die zweite und die fünfte. Die habe ich dann mit großer Begeisterung gespielt, auch andere Stücke. Ich habe damals noch romantisch weiterkomponiert, und da sagte er: Mensch, schreib doch mal ein paar falsche Töne rein. So fing das an. Es waren für ihn falsche Töne! Ich bin nach Hause gegangen und dachte: Falsche Töne, wie mache ich das? Da fing ich dann so allmählich an, auch andere, nicht gerade falsche Töne hineinzusetzen, mich aber anders, neu zu orientieren. Mit anderem System, einer erweiterten Tonalität, nicht romantisch, sondern mehr neoklassizistisch - und bin dann hineingerutscht in diese Neue Musik. Das hat mir dann richtig Spaß gemacht. Ich habe gemerkt: Das reizt mich ungeheuer.

Ich habe dann so allmählich relativ früh bestimmte Vorstellungen entwickelt von dissonanten Klängen, die sich gegeneinander...
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