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336 Seiten
Deutsch
Verlag Anton Pusteterschienen am27.05.2022
Abgeschottet. Ausgedient. Kalt war es geworden. Die Stadt wirkte stiller als in den Jahren zuvor, Mirabellpark und Plätze fast menschenleer. An vielen Schaufensterscheiben klebten Plakate: Abverkauf wegen Geschäftsaufgabe. Europa und die Welt hatten schwere Jahre hinter sich. An Kälte hatte sich Wolff, leitender Redakteur eines großen deutschen Medienunternehmens, mittlerweile gewöhnt. Im Münchner Funkhaus war die vitale Gesprächskultur längst zum Erliegen gekommen. Einsilbig mied man einander. Was ihm beim Rundgang um die vornehme Salzburger Villa besonders zu denken gab, waren die schweren schmiedeeisernen Gitter vor jedem Fenster. Suchte hier jemand Schutz? Oder war gar hier gefangen? Ein in sich gekehrter Hörfunkregisseur, eine Schauspielerin am Ende ihrer Karriere, ein Toningenieur im Krankenbett, ein undurchsichtiger Salzburger Kunsthändler - und ein Gemälde des Landschaftsmalers Carl Wilhelm Hübner, das offenbar einst in der Nationalgalerie Oslo hing. Was verbindet sie miteinander? Wolff, der schon in Christoph Lindenmeyers Roman Teufelsgasse mit journalistischem Spürsinn einen mysteriösen Todesfall aufklären konnte, sieht sich in Hexenloch unvermittelt in eine beklemmende Serie von Ereignissen zwischen Salzburg und München verstrickt ...

geboren 1945 in Berchtesgaden, ist Journalist, Dozent und Autor. Nach seinem Studium der evangelischen Theologie in Erlangen, Heidelberg und München war er Leitender Redakteur im Bayerischen Rundfunk, u.a. als Kulturchef im Hörfunk. Er ist Honorarprofessor für Christliche Publizistik (Universität Erlangen) und Mitglied des deutschen PEN-Zentrums. Im Verlag Anton Pustet erschienen: Rebeller, Opfer, Siedler - die Vertreibung der Salzburger Protestanten (2015 und 2016), Der Birnbaum im Pfarrgarten - eine evangelische Gemeinde im Nationalsozialismus (2019) sowie die Romane Teufelsgasse (2021) und Hexenloch (2022)
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BuchKartoniert, Paperback
EUR22,00
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EUR14,99

Produkt

KlappentextAbgeschottet. Ausgedient. Kalt war es geworden. Die Stadt wirkte stiller als in den Jahren zuvor, Mirabellpark und Plätze fast menschenleer. An vielen Schaufensterscheiben klebten Plakate: Abverkauf wegen Geschäftsaufgabe. Europa und die Welt hatten schwere Jahre hinter sich. An Kälte hatte sich Wolff, leitender Redakteur eines großen deutschen Medienunternehmens, mittlerweile gewöhnt. Im Münchner Funkhaus war die vitale Gesprächskultur längst zum Erliegen gekommen. Einsilbig mied man einander. Was ihm beim Rundgang um die vornehme Salzburger Villa besonders zu denken gab, waren die schweren schmiedeeisernen Gitter vor jedem Fenster. Suchte hier jemand Schutz? Oder war gar hier gefangen? Ein in sich gekehrter Hörfunkregisseur, eine Schauspielerin am Ende ihrer Karriere, ein Toningenieur im Krankenbett, ein undurchsichtiger Salzburger Kunsthändler - und ein Gemälde des Landschaftsmalers Carl Wilhelm Hübner, das offenbar einst in der Nationalgalerie Oslo hing. Was verbindet sie miteinander? Wolff, der schon in Christoph Lindenmeyers Roman Teufelsgasse mit journalistischem Spürsinn einen mysteriösen Todesfall aufklären konnte, sieht sich in Hexenloch unvermittelt in eine beklemmende Serie von Ereignissen zwischen Salzburg und München verstrickt ...

geboren 1945 in Berchtesgaden, ist Journalist, Dozent und Autor. Nach seinem Studium der evangelischen Theologie in Erlangen, Heidelberg und München war er Leitender Redakteur im Bayerischen Rundfunk, u.a. als Kulturchef im Hörfunk. Er ist Honorarprofessor für Christliche Publizistik (Universität Erlangen) und Mitglied des deutschen PEN-Zentrums. Im Verlag Anton Pustet erschienen: Rebeller, Opfer, Siedler - die Vertreibung der Salzburger Protestanten (2015 und 2016), Der Birnbaum im Pfarrgarten - eine evangelische Gemeinde im Nationalsozialismus (2019) sowie die Romane Teufelsgasse (2021) und Hexenloch (2022)
Details
Weitere ISBN/GTIN9783702580957
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisDRM Adobe
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum27.05.2022
Seiten336 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3121 Kbytes
Artikel-Nr.9859147
Rubriken
Genre9201
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Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

Es war noch Zeit.

Wolff hatte es nicht eilig.

Er hatte es sich in vielen Jahren angewöhnt, vor der Zeit am Ort zu sein. Sich einen Überblick zu verschaffen. Die Atmosphäre zu spüren. Die Wege zu erkunden. Entspannt da zu sein, wenn es so weit war.

Am Vormittag noch hatte sich eine Konferenz im Münchner Funkhaus endlos in die Länge gezogen, die Wortbeiträge aus den Programmbereichen und Redaktionen konnten vorausberechnet werden. Von wem sie kamen und worum es ging. Wolff hatte sich nicht an der Debatte beteiligt. Er wusste, dass die Entscheidung längst auf der Führungsebene und in den Ausschüssen der Aufsichtsgremien getroffen war. Wozu sollte eine solche Alibidiskussion taugen? Aber es war spannend für ihn gewesen, als unbeteiligter Beobachter seine eigene Prognose zu kontrollieren. Wer sagt was? Wie wird argumentiert? Wie hoch ist das Erregungspotenzial? Wer verlässt genervt die Konferenzrunde vorzeitig?

Wolff arbeitete lang genug in diesem Haus, um die soziografischen Prozesse zu kennen. Selten lag er daneben. Zweimal - doch - nur zweimal hatte er heute Vormittag daneben gelegen. Denn zwei jüngere Redakteurinnen meldeten sich, drängten sich vor. Wolff fand das gut, obwohl er damit nicht gerechnet hatte. Sie argumentierten knapp und scharf, aber ohne jede Emotion gegen die geplante Zusammenlegung mehrerer aktueller Redaktionen, begründeten ihre Position sehr klar. Sie glaubten, die Veränderung im Organisationsschema noch aufhalten zu können. Dabei war sie längst als Beschlussvorlage der Intendanz in den Gremien beraten und in einer nichtöffentlichen Sitzung auch beschlossen worden. Er vertraute seinen verlässlichen Informanten. Auch seiner Informantin aus dem Rundfunkrat, die ganz offensichtlich Wolff, seine Arbeit als Führungskraft, als Autor und als Moderator im Programm schätzte. An die Namen der beiden nassforschen Kolleginnen konnte er sich nicht mehr erinnern. Er hatte bisher auch nicht mit ihnen zu tun gehabt. Trotzdem war es ihm peinlich. Schließlich hätte er sich erkundigen können. Das würde er nächste Woche nachholen.

In den letzten Jahren war die offene Gesprächskultur im Haus endgültig zusammengebrochen. Es war weitgehend totenstill gewesen, leer, ohne Bewegung. Selbst die Dame am Empfang, die Wolff seit mehr als einem Jahrzehnt kannte und in ihrer Freundlichkeit ihm gegenüber zu schätzen gelernt hatte, klagte immer wieder darüber, wenn Wolff kurz bei ihr stehen blieb. »Kein Mensch, wissen Sie. Kein freundliches Wort mehr. Wir wissen gar nicht, auf wen wir warten. Warum wir hier sitzen.«

»Das geht vorbei«, hatte Wolff ihr geantwortet. Sie hatte ihm zugenickt. »Glauben Sie?«

Die meisten seiner Kolleginnen und Kollegen arbeiteten im Home-office. Nur wenige aus den aktuellen Redaktionen kamen ins Haus. Die Moderationen außerhalb der Sendekomplexe und Studios ließen sich nicht in Heimarbeit realisieren. Die vertrauten Winkel der Raucher waren verwaist, die Informationsbörse der Kantine funktionierte nicht mehr. Selbst in der wärmenden Frühlingssonne vor dem Hochhaus stand in den Pausen niemand mehr herum. Es herrschte eine kalte Funktionalität. Jeder und jede, die es konnten, hielten Abstand. Noch schwirrten die Mauersegler nicht über der Stadt, aber der Mai würde kommen. Alles wird gut, zitierte Wolff in Gedanken den bayerischen Ministerpräsidenten.

Die einst übervolle Tiefgarage war immer noch fast leer. Das lag neben dem Homeoffice auch daran, dass so viele Redaktionen bereits im künftigen Sendezentrum weit außerhalb der Innenstadt arbeiteten. Kommen weniger Menschen in das Funkhaus, dann gibt es weniger Probleme. Zudem verzichteten immer mehr junge Leute auf ein eigenes Auto. Brauchten sie eines, dann nutzen sie Carsharing oder kamen auf E-Rollern zum Dienst. Inzwischen gab es längst einige Ladestationen für Elektrofahrzeuge in der Tiefgarage.

Wolff startete seinen Wagen. Er würde in aller Gelassenheit nach Salzburg fahren. Er freute sich darauf, die noch schneebedeckten Alpen wiederzusehen, im Radio Ö1 zu hören und vom Urlaub zu träumen, auch wenn er keinen hatte. In der Rösterei auf dem Irschenberg würde er frische Kaffeebohnen kaufen, Brasil und Verona, und sich einen Cappuccino zum Mitnehmen bestellen.

Jetzt war er hier.

In diesem Außenbereich Salzburgs war er noch nie gewesen, vielleicht war er einmal nachts auf dem Heimweg nach München vorbeigekommen, aber er war sich nicht sicher. In der Dunkelheit achtete er nicht wie tagsüber auf die sich verändernden Architekturen im Umkreis der Stadt, auf die immer spröder werdende Landschaftsgestaltung und die Versiegelung einstiger Felder. Wer wusste denn schon, wie es hier vor einigen Jahren noch ausgesehen hatte? Grün. Ländlich. Schatten unter den Bäumen. Wind über den Wiesen und Feldern. In den Außenbezirken herrschte eine Gebrauchsarchitektur vor. Einfallslos. Zweckbestimmt. Frei von jeder Ästhetik bei der Fassadengestaltung. Kreuz und quer gestellt, als gäbe es keine Bebauungspläne. Vielleicht aber dienten diese, weil es sie wohl ganz sicher geben musste, auch ganz anderen Interessen. Wer kannte noch die alten Pläne der einstigen Dorfkerne, ihre architektonische Harmonie, die Plätze, Bäche und die Sichtachsen im ländlich bebauten Raum? Jetzt war längst alles zur Stadt geworden. Die Außenbezirke fraßen sich auf das Zentrum zu, die Stadt floss in ihre Umgebung hinein. Nur da und dort leuchteten vereinzelte Bauten aus der Farblosigkeit der Stadtgestaltung auf. Solitäre, Einzelstücke, freistehende Gebäude ohne Bezug auf die Umgebung, glitzernd wie Diamanten, die in der Einförmigkeit der Außenbezirke fast dekadent anmuteten. Eine faszinierende Ästhetik, die völlig isoliert wirkte. Wie vom Himmel herabgefallen. Denn ihrem Beispiel folgte kein anderes Neubauprojekt.

Wolff sah, dass hier alles doch ganz anders war.

Hier. Sein Navigationsgerät hatte ihn in das Quartier etwas südlich von Parsch in den Stadtteil Aigen geführt, einen der teuersten Wohnbezirke der Landeshauptstadt Salzburg. Der Bahnhof liegt nahe, der Turm der Stadtpfarrkirche zum Heiligen Johannes dem Täufer ragt mit seiner großen und seiner kleinen Kirchturmzwiebel über die Dächer. Wolff hatte nach der Vormittagskonferenz in München im Internet kurz recherchiert: In Aigen wohnten vor allem Prominente und Reiche, wobei - wie er dachte - es zwischen beiden nur geringe Unterschiede gibt. Porsche. Die Piechs. Thyssen-Henne. Beckenbauer. Alter und neuer Geldadel. Und dann und wann war auch ein bedeutender Mensch aus der Kultur hierhergezogen. Musik. Theater. Show.

Die Villa Walburga, umbenannt in Villa Lamberg, später die Villa der Familie Trapp. Sound of Music, ein Park außen herum, landwirtschaftliche Flächen. 1938, hatte Wolff gelesen, hatten die Trapps emigrieren müssen, um sich einer Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entziehen. Die Villa blieb deshalb aber nicht unbewohnt.

Ein alter und ein neuer Friedhof. Raumgreifende Familiengräber hatten keinen Platz mehr auf dem Gottesacker des alten Kirchleins, das kurz vor dem Ersten Weltkrieg um seine eigene Achse gedreht und erweitert worden war. Ein Schloss. Ein Park. Irgendwie, dachte Wolff, ein Legoland als Kontrast zur Salzburger Altstadt, miniaturisiert, übersichtlich, einem Kurort für die einstigen Verwaltungsbeamten und Militärs ähnlich, die sich hier ansiedelten. Wolff hatte das alles gar nicht gewusst, aber er fuhr nicht gern zu Terminen in Orte, über die er keine Informationen hatte. Oft kaufte er sich eine Lokalzeitung, um dann seine Gesprächspartner mit lokalen Kenntnissen zu überraschen. Eine schlichte Methode, die aber immer Wirkung zeigte.

Wer hier zwischen Aigen und Parsch wohnte, interessierte ihn nicht. Wer hier zuhause ist, muss seinen Müll in den Tonnen entsorgen, im Supermarkt einkaufen, zur Apotheke fahren oder im nächstgelegenen italienischen Feinkostladen zwischen Kaffeesorten, Champagner und anderen Spezialitäten auswählen, aber - so stellte es sich Wolff vor - sie werden höchstwahrscheinlich nicht selbst in die Geschäfte gehen. Es gibt dafür Personal. Gärtner, Zugehfrauen, Hauswirtschafterinnen, Chauffeure, persönliche Referenten, oder wie man das nennt. Die Annahme ist unrealistisch, dass die Hauseigentümer sich in die Schlange der Kunden vor den Geschäften oder dem Postamt einreihen. Die Apotheken liefern frei Haus. Auf den Briefkästen sind meist keine Namen angegeben. Die Briefträger wissen trotzdem genau, wohin sie die Post auszuliefern haben. Die Parkplätze vor den Villen sind meist für zwei Fahrzeuge angelegt, die Garagentore breiter als ein Stand auf dem Salzburger Weihnachtsmarkt, und morgens werden viele Fahrzeuge noch gar nicht bewegt, weil die Dienstfahrzeuge mit laufendem Motor vor den Häusern stehen.

Ob es so wirklich zugeht?

Wolff war sich sicher, dass es sich morgens in diesem Viertel nicht anders verhielt als im Taunus nahe Frankfurt am Main, oder in Wiesbaden, wo die Investmentchefs und die Banker wohnen, die...
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Autor

geboren 1945 in Berchtesgaden, ist Journalist, Dozent und Autor. Nach seinem Studium der evangelischen Theologie in Erlangen, Heidelberg und München war er Leitender Redakteur im Bayerischen Rundfunk, u.a. als Kulturchef im Hörfunk. Er ist Honorarprofessor für Christliche Publizistik (Universität Erlangen) und Mitglied des deutschen PEN-Zentrums. Im Verlag Anton Pustet erschienen: Rebeller, Opfer, Siedler - die Vertreibung der Salzburger Protestanten (2015 und 2016), Der Birnbaum im Pfarrgarten - eine evangelische Gemeinde im Nationalsozialismus (2019) sowie die Romane Teufelsgasse (2021) und Hexenloch (2022)

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt