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Hannah Arendt und Heinrich Blücher

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
311 Seiten
Deutsch
Insel Verlag GmbHerschienen am15.05.20231. Auflage
1936 lernen sich Hannah Arendt und Heinrich Blücher im Exil in Paris kennen. Vier Jahre später heiraten sie und finden aneinander eine geistige und menschliche Heimat.

Unterschiedlicher kann ein Ehepaar wohl kaum sein: Arendt aus bildungsbürgerlich-jüdischem Elternhaus, Studentin bei Martin Heidegger und Karl Jaspers, schließlich streitbare Denkerin, die bis heute Kontroversen auslöst. Blücher hingegen aus proletarischen Verhältnissen, der als Professor der Philosophie bei Studenten und Kreativen einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Miteinander waren sie fast unzertrennlich, über dreißig Jahre lang haben sie sich Anregungen gegeben, gestritten, einander vertraut und Freundschaften mit Künstlern, Literaten und Philosophen gepflegt. Ihre Erfahrungen als Flüchtlinge und Immigranten blieben für das politische Denken und Handeln des Ehepaars Arendt-Blücher bestimmend.

Neben Briefen und Schriften des Paares bezieht Barbara von Bechtolsheim in dieser reich bebilderten Doppelbiografie Gespräche mit Zeitzeugen sowie die Vorlesungen Blüchers ein und vermittelt damit einen Eindruck von der philosophischen Werkstatt inmitten des prickelnden New York der Nachkriegsjahre bis hin zu Arendts Berichterstattung über den Eichmann-Prozess.


Barbara von Bechtolsheim studierte Literaturwissenschaft, Philosophie und Psychologie in München und Stanford. Sie hat Lehraufträge in Literatur- und Kulturwissenschaft an diversen Hochschulen und forscht über die Kreativität von Paaren. Als literarische Übersetzerin vermittelt sie vielseitig zwischen der amerikanischen und der deutschen Kultur.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR21,99

Produkt

Klappentext1936 lernen sich Hannah Arendt und Heinrich Blücher im Exil in Paris kennen. Vier Jahre später heiraten sie und finden aneinander eine geistige und menschliche Heimat.

Unterschiedlicher kann ein Ehepaar wohl kaum sein: Arendt aus bildungsbürgerlich-jüdischem Elternhaus, Studentin bei Martin Heidegger und Karl Jaspers, schließlich streitbare Denkerin, die bis heute Kontroversen auslöst. Blücher hingegen aus proletarischen Verhältnissen, der als Professor der Philosophie bei Studenten und Kreativen einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Miteinander waren sie fast unzertrennlich, über dreißig Jahre lang haben sie sich Anregungen gegeben, gestritten, einander vertraut und Freundschaften mit Künstlern, Literaten und Philosophen gepflegt. Ihre Erfahrungen als Flüchtlinge und Immigranten blieben für das politische Denken und Handeln des Ehepaars Arendt-Blücher bestimmend.

Neben Briefen und Schriften des Paares bezieht Barbara von Bechtolsheim in dieser reich bebilderten Doppelbiografie Gespräche mit Zeitzeugen sowie die Vorlesungen Blüchers ein und vermittelt damit einen Eindruck von der philosophischen Werkstatt inmitten des prickelnden New York der Nachkriegsjahre bis hin zu Arendts Berichterstattung über den Eichmann-Prozess.


Barbara von Bechtolsheim studierte Literaturwissenschaft, Philosophie und Psychologie in München und Stanford. Sie hat Lehraufträge in Literatur- und Kulturwissenschaft an diversen Hochschulen und forscht über die Kreativität von Paaren. Als literarische Übersetzerin vermittelt sie vielseitig zwischen der amerikanischen und der deutschen Kultur.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783458776420
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum15.05.2023
Auflage1. Auflage
Seiten311 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.9932976
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Kapitel 1

Auftakt - »Zwischen zwei Menschen entsteht manchmal, wie selten, eine Welt.«


»Liebste, ich bitte Dich: kauf' Dir den Pelz. Liebe Freundin, ich rate Dir dringend, Dir diesen Pelz zu kaufen. Liebe Frau, kaufe sofort einen Pelz ...« Wenige Zeilen später wendet sich dieser Rat zum Erwerb eines winterlichen Luxusartikels assoziativ: »Eins ist sicher: in der kalten Jahreszeit kann ich Dir keine Reise mehr gestatten, denn es ist das Recht des Mannes, sich an seiner Frau zu wärmen - so sprach Jehova wahrscheinlich zu Adam.«1 Schade, dass eine solche Briefstelle nicht im Briefwechsel veröffentlicht wurde, vielleicht zu privat oder nicht der Intellektualität entsprechend, für die dieses Paar bekannt ist. Begeisterung und Sinnlichkeit kennzeichnen diese furiose Korrespondenz - immer im Wechsel mit den intellektuellen Fäden, die sie enthält.

Heinrich Blücher wirbt hier galant um die gut aussehende, gebildete und faszinierende Hannah Arendt, und er sieht in ihr schon jetzt die Grande Dame, die nicht nur gern gehört, sondern auch gern gesehen wird.

Zu Anfang besucht er sie in ihrer beengten Unterkunft in der Emigrantenmetropole Paris. Hannah Arendt hat eine besondere Ausstrahlung: Auf den Fotos der frühen Jahre sehen wir ihre ebenmäßigen Gesichtszüge, das schwarze Haar gescheitelt und zurückgebunden, ein ruhiger, konzentrierter, immer nachdenklicher Blick. Sie legt Wert auf damenhafte Kleidung. Wie ihr seit Jugendjahren bewusst ist, sieht sie jüdisch aus, und dies verleiht ihr einen gewissen Zauber. Nie sieht man sie ohne ihre Zigarette, die ihr bei allem akademischen Ernst etwas Bohèmehaftes gibt. Seit ihren Jungmädchenjahren versammelt sie die Intellektuellen um sich und steht im Mittelpunkt philosophischer Debatten. Sie setzt durchaus ihre weiblichen Reize ein, um bestimmte Gesprächspartner für sich einzunehmen.

Einer Anekdote zufolge lädt sie anfangs zum Abendessen auch ihren Hebräisch- und Jiddischlehrer Chanan Klenbort ein, um mit »Monsieur« nicht allein zu sein. Aber diese Vorsichtsmaßnahmen währen nicht lang. Sie finden aneinander eine geistig-sinnliche Faszination, die sich für die Nachwelt in den Briefen sowie in ihren Schriften erhalten hat. Er flaniert unter dem Namen Heinrich Larsen, seinem Deckdamen bei der KPD, durch die Passagen von Paris. Er hat keine Ausweispapiere bei sich und verheimlicht seine kommunistische Vergangenheit. Er trägt Anzug, Hut und Spazierstock, raucht Pfeife und später Zigarren und gibt sich dandyhaft. Seinen richtigen Namen übersetzt er ins Französische: Seine Postkarten an Hannah weisen als Absender Henri Blucher auf. Seiner selbstironisch gewählten Berufsbezeichnung »Drahtzieher« macht er alle Ehre. Konspiration und Gefahr in seiner kommunistischen Umtriebigkeit gefallen ihm - und verleihen ihm zusätzlich etwas Verführerisches. Hannah gibt ihm den Kosenamen »Monsieur«.

Paris 1936, Exil und Heimat für die jüdischen Intellektuellen nach ihrer Flucht aus Deutschland, solange sie hier geduldet werden. Logieren in billigen Hotels, Flanieren durch die Passagen der Metropole. Die habe sich - so Hannah Arendt in ihrem Essay über Walter Benjamin2, den sie Benji nennt und mit dem sie und Heinrich gern Schach spielen - »mit einer Selbstverständlichkeit ohnegleichen seit Mitte des vorigen Jahrhunderts allen Heimatlosen als zweite Heimat angeboten. Weder die ausgesprochene Fremdenfeindlichkeit der Bewohner noch die ausgeklügelten Schikanen der einheimischen Fremdenpolizei haben daran je etwas zu ändern vermocht.«3 Die jungen Liebenden genießen das neue Zuhause, oder besser die Zwischenstation, als »ein großzügig gebautes und geplantes Interieur in freier Luft, über dem das Himmelsdach sinnfälligste Realität wird«.4 Die Wohnverhältnisse sind bescheiden, nichts Dauerhaftes, so dass die Stadt Paris einen romantischen Raum fürs Spazieren, Philosophieren und Flirten bieten muss. »In Paris fühlt sich der Fremde heimisch, weil man diese Stadt bewohnen kann wie sonst nur die eigenen vier Wände. Und wie man eine Wohnung nicht dadurch bewohnt und wohnlich macht, dass man sie benutzt - zum Schlafen, Essen, Arbeiten -, sondern dadurch, dass man sich in ihr aufhält, so bewohnt man eine Stadt dadurch, dass man es sich leistet, ziel- und zwecklos durch sie zu flanieren, wobei der Aufenthalt durch die zahllosen Cafés gesichert ist, welche die Straßen flankieren und an denen das Leben der Stadt, die Flut der Passanten, vorbeizieht.«5 Rückblickend vergleicht sie diese Kulisse ihrer jungen Beziehung mit dem späteren gemeinsamen amerikanischen Exil: »In der Öde amerikanischer Vororte oder auch den Wohnbezirken der Großstädte, wo das gesamte Straßenleben sich auf der Fahrbahn bewegt und man auf den zu Fußsteigen zusammengeschmolzenen Trottoirs oft kilometerweit nicht einem Menschen begegnet, hat man das genaue Gegenteil von Paris vor Augen.«6 In diesem frühlingshaften Paris lernen sie sich kennen, und zwar in einem Café in der Rue Soufflot, in dem der Philosoph Walter Benjamin gern weilt. Dessen Wohnung in der Rue Dombasle 10, Rive Gauche, unweit von Hannah Arendts wechselnden Hotelzimmern, entwickelt sich zum Treffpunkt namhafter Emigranten, die sich hier in ihrer jeweiligen Exilerfahrung eine geistige Heimat einrichten. Zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen bildet sich ein Freundeskreis, in dessen Mittelpunkt bald das junge Paar steht. Französische Politik, deutsche Philosophie und Literatur sind ihre Themen. In der Rückschau wird der langjährige Freund Hans Jonas, den Hannah seit 1924 aus ihrer Marburger Studienzeit kennt, in seiner Trauerrede ihr »Genie der Freundschaft« würdigen. Zu den Freunden gehören der bereits erwähnte Chanan Klenbort, der ebenfalls aus Berlin emigrierte Psychoanalytiker Fritz Fränkel, dem wir zusammen mit Heinrich noch begegnen werden, der Rechtsanwalt Erich Cohn-Bendit, der ebenfalls wegen ihm drohender Verhaftung nach Paris emigriert ist, sowie der aus kommunistischen Berliner Kreisen mit Heinrich befreundete Maler Carl Heidenreich, der wegen seiner als entartet deklarierten Kunst und seiner kommunistischen Aktivitäten zur Flucht gezwungen wurde. In diesem jüdisch-marxistisch-philosophisch geprägten Raum der Begegnungen übt man sich im Dialog, jener für Arendt und Blücher so zentralen und wegweisenden Art des Denkens. Man bemüht sich, gemeinsam zu verstehen, wie es geschehen konnte, dass alle Tradition an ein Ende gekommen zu sein scheint.

Dass Hannah Arendt und Heinrich Blücher so schnell zueinanderfinden, mag erstaunen, denn sosehr sie sich in dem Bedürfnis nach geistiger Auseinandersetzung und Unabhängigkeit einig sind, so verschieden ist doch ihre Herkunft: sie die brillante Philosophin aus gutbürgerlichem jüdischem Hause, die sich nicht als Philosophin verstehen mag und mit ihren siebenundzwanzig Jahren einige Lebenserfahrung besitzt, und der vierunddreißigjährige Mann der Tat, der ein deutscher Philosoph hatte werden wollen und durch die verpasste Chance einer Revolution ernüchtert ist. Doch genau an dieser Stelle ergänzen sich die Theoretikerin und der Praktiker in ihrem Anliegen, sich auseinanderzusetzen und aktiv am Weltgeschehen zu beteiligen. Im Zwiegespräch entfaltet sich ein poetisches Denken, das tatsächlich paradigmatisch Neues eröffnet. Sie müssen einander aufmerksam zugehört haben, so wie sie auch in ihren Briefen immer gegenseitig auf die Gedanken und Berichte des anderen eingehen. Freunde berichten, dass sie gerade das kontroverse Diskutieren genießen konnten, sie kamen ja von sehr verschiedenen Standpunkten zusammen, aber diese Wortgefechte gehörten wohl zur wachsenden Leidenschaft und befeuerten diese noch.

Beim Flanieren durch die Passagen von Paris lassen sie sich von endlosen Gesprächen beflügeln und begründen ihre produktive intellektuelle Werkstatt, in der sich ein gewisser Alltag einspielt. Es gibt auch das Glück der Selbstverständlichkeit, die Rücksicht auf jeweils unterschiedliche Bedürfnisse, Zeiten am Schreibtisch und Zeiten im Sessel. Wenn Hannah morgens bei reichlich Kaffee und einem ausgedehnten Frühstück ihrer gewöhnlich melancholischen Stimmung nachhängt, ehe sie dem Tag gewachsen ist, hat er gelegentlich keine Lust mehr auf diese düstere Laune und verzieht sich wieder ins Bett, um ein Schläfchen zu halten.

Von ihrer politischen Arbeit lässt Hannah sich nicht ablenken und reist kurz nach dem Kennenlernen im August...
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Autor

Barbara von Bechtolsheim studierte Literaturwissenschaft, Philosophie und Psychologie in München und Stanford. Sie hat Lehraufträge in Literatur- und Kulturwissenschaft an diversen Hochschulen und forscht über die Kreativität von Paaren. Als literarische Übersetzerin vermittelt sie vielseitig zwischen der amerikanischen und der deutschen Kultur.
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