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Wilsberg - Sein erster und sein letzter Fall

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
240 Seiten
Deutsch
Grafit Verlagerschienen am20.10.2022
Nach 32 Jahren und 21 Fällen: Kultdetektiv Wilsberg ermittelt zum allerletzten Mal! 1989 bekommt der junge Rechtsanwalt Wilsberg die Chance, in einem spektakulären Mordprozess die Verteidigung zu übernehmen: Der Angeklagte Frank Knieriem feuert kurz vor Prozessbeginn seinen bisherigen Verteidiger und Wilsberg springt ein. Die Beweise sind erdrückend, aber mit Unterstützung seiner Freundin Shirin gelingt es Wilsberg wider Erwarten, eine Entlastungszeugin zu finden. Kurz darauf steht in seinem Leben allerdings kein Stein mehr auf dem anderen. Gut dreißig Jahre später trifft Wilsberg, inzwischen ein alternder Privatdetektiv, erneut auf Knieriem - im Zuge einer Geiselnahme. Und sein einstiger Mandant lässt keinen Zweifel daran, dass er mit Wilsberg noch eine Rechnung offen hat ...

Jürgen Kehrer lebt in Münster und Berlin. Er ist der geistige Vater des münsterschen Privatdetektivs Georg Wilsberg, der 1990 in »Und die Toten lässt man ruhen« seinen ersten Auftritt hatte. Seit 1995 ermittelt Wilsberg auch im Fernsehen und gehört inzwischen zu den beliebtesten ZDF-Krimis am Samstagabend.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextNach 32 Jahren und 21 Fällen: Kultdetektiv Wilsberg ermittelt zum allerletzten Mal! 1989 bekommt der junge Rechtsanwalt Wilsberg die Chance, in einem spektakulären Mordprozess die Verteidigung zu übernehmen: Der Angeklagte Frank Knieriem feuert kurz vor Prozessbeginn seinen bisherigen Verteidiger und Wilsberg springt ein. Die Beweise sind erdrückend, aber mit Unterstützung seiner Freundin Shirin gelingt es Wilsberg wider Erwarten, eine Entlastungszeugin zu finden. Kurz darauf steht in seinem Leben allerdings kein Stein mehr auf dem anderen. Gut dreißig Jahre später trifft Wilsberg, inzwischen ein alternder Privatdetektiv, erneut auf Knieriem - im Zuge einer Geiselnahme. Und sein einstiger Mandant lässt keinen Zweifel daran, dass er mit Wilsberg noch eine Rechnung offen hat ...

Jürgen Kehrer lebt in Münster und Berlin. Er ist der geistige Vater des münsterschen Privatdetektivs Georg Wilsberg, der 1990 in »Und die Toten lässt man ruhen« seinen ersten Auftritt hatte. Seit 1995 ermittelt Wilsberg auch im Fernsehen und gehört inzwischen zu den beliebtesten ZDF-Krimis am Samstagabend.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783987080005
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum20.10.2022
Seiten240 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1641 Kbytes
Artikel-Nr.9995138
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


2

Oktober 1989

»Anwaltskanzlei« war ein ziemlich hochtrabender Name für die beiden Räume, die ich hinter dem Ladenlokal einer Biobäckerei an der Hammer Straße gemietet hatte. Es gab noch einen Zugang über den Hof, allerdings musste man dann eine Lagerhalle durchqueren, die der Biobäcker mit ausrangiertem Zeugs vollgestellt hatte.

Daher empfahl ich allen, die mich besuchen wollten, besonders aktuellen und zukünftigen Mandanten, den Weg durch die Bäckerei zu nehmen. Zum beiderseitigen Vorteil. Ich zahlte wegen der ungünstigen Lage eine geringe Miete und die Bäckerei erweiterte ihre Kundschaft. Wer mochte, konnte sich die Wartezeit mit einem Brötchen oder einem der hervorragenden Mandelhörnchen aus dem Backladen verkürzen. Sigi, meine Sekretärin, hatte die Anweisung, unseren Kunden die nebenan erhältlichen Bioprodukte anzupreisen. Einschließlich des fair gehandelten Kaffees, für den ich mit der Bäckerei eine Monatspauschale vereinbart hatte. Das ersparte uns das lästige Kaffeekochen.

Sigis Büro, in dem sie hinter einem der zwei neu angeschafften Atari-ST-Computer - der andere stand in meinem Büro - und einer Telefonanlage thronte, diente gleichzeitig als Wartezimmer. Ein paar aus dem Sperrmüll gefischte Stühle und ein wackliges Tischchen, auf dem die täglichen Ausgaben der taz, der Frankfurter Rundschau und - für die ganz Hartgesottenen - der Westfälischen Nachrichten lagen, mussten reichen, um meine Mandanten bei Laune zu halten. Allzu anspruchsvoll und damit zahlungskräftig waren sie ohnehin nicht. Ich schlug mich und die Kanzlei mit Rechtsstreitigkeiten durch, die sich fast ausschließlich um Bagatelldelikte drehten. Ein paar Gramm Haschisch zu viel in der Tasche, einen Polizisten bei einer Demo falsch angeguckt, solche Sachen. Es reichte für mich zum Überleben, aber Urlaub fiel bereits unter die Kategorie »entbehrlicher Luxus«.

Ich stellte meinen klapprigen Golf in der Nähe der Josefskirche ab, steckte mir einen Zigarillo an und schlenderte die Hammer Straße entlang. Trotz allem ging es mir mit meiner Entscheidung, mich selbstständig zu machen, ganz gut. Nach dem Jurastudium und der Referendarzeit hatte ich ein paar Jahre in einer großen Kanzlei gearbeitet. Doch der Druck, den Umsatz steigern und mich mit Mandanten abgeben zu müssen, die bei jeder Begegnung den Wunsch nach einem Wannenbad aufkommen ließen, nervte mich von Monat zu Monat mehr. Gleichzeitig verlor die Aussicht, irgendwann in den Kreis der Seniorpartner aufzusteigen und wie sie mit einem protzigen Porsche in der firmeneigenen Tiefgarage zu parken, stetig an Reiz.

Nach drei Jahren hatte ich gekündigt, mit meiner Bank über einen Gründerkredit verhandelt und die Räume in der Bäckerei gemietet. Der Stresspegel sackte von da an erfreulich nach unten, leider parallel mit den Umsatzzahlen. Denn die spektakulären Fälle, von denen ich immer geträumt hatte, blieben Mangelware.

Mein derzeitiges Highlight war ein Prozess gegen Tierversuchsgegner, meine Mandantin eine Soziologiestudentin, die zusammen mit Gleichgesinnten Hunde aus einem Forschungslabor eines Pharmakonzerns entführt oder, wie sie es nannte, befreit hatte. Dummerweise war an den Hunden ein Medikament getestet worden, dessen plötzliches Ausbleiben katastrophale Folgen hatte. Die Hälfte der Hunde starb, die andere Hälfte wurde, weil den Aktivisten nichts Besseres einfiel, mehr oder weniger komatös zum Forschungslabor zurückgebracht. Kurz darauf geriet einer der Tierbefreier in die Hände der Polizei. Mit dem Versprechen, ohne Gefängnisstrafe davonzukommen, hatte man ihn zum Kronzeugen gegen die übrigen umgedreht. Schlechte Aussichten also für meine Mandantin. Davon wollten ihre Eltern, die mich bezahlten, nichts wissen. Ich solle gefälligst einen Freispruch erwirken, verlangte die Mutter, alles andere sei inakzeptabel.

Ich trat den Zigarillo aus, stiefelte in die Bäckerei und nahm gleich noch einen Kaffee mit auf den Weg in meine Geschäftsräume. Sigi saß an ihrem Schreibtisch und tippte sekretärinnenhaft auf dem Computer herum.

»Morgen«, sagte ich. »Irgendwelche Anrufe?«

»Guten Morgen, Georg«, erwiderte Sigi. »Und ja. Sogar zwei.«

»Mach s nicht so spannend.«

Sigi hob einen Daumen. »Anruf eins, man möchte dich als Pflichtverteidiger gewinnen.«

In der linken Szene Münsters kursierte mein Name. Ich war bekannt dafür, nicht vor Körperverletzung zum Nachteil eines Polizisten oder Landfriedensbruch zurückzuschrecken. Manche Staatsfeinde hielten mich sogar für einen der ihren. Ich ließ sie meistens in dem Glauben. »Um was geht es?«

»Mord.«

Die Kaffeetasse in meiner Hand klapperte. Fast hätte ich sie mitsamt der Untertasse fallen gelassen. »Wie, Mord?«

»Frank Knieriem«, sagte Sigi. »Soll vor einem halben Jahr seine Freundin ermordet haben.«

Ich hatte darüber in der Zeitung gelesen. Angeblich eine Beziehungstat. Mann tötet Freundin aus Eifersucht. »Und wie ist der auf mich gekommen?«

Sigi betrachtete mich mitleidig. »Vermutlich nicht, weil du so genial bist. Eher, weil alle anderen abgesagt haben. Tut mir leid, dir das sagen zu müssen, Georg, aber du bist nicht seine erste Wahl. Knieriem hatte bereits einen Verteidiger, dem er jetzt, kurz vor Prozessbeginn, das Vertrauen entzogen hat. Deshalb braucht er dringend Ersatz.«

»Egal«, sagte ich. »Ein Mordprozess ist unbezahlbare Werbung für unsere Kanzlei. Das treibt die dickeren Fische ins Netz.«

Sigi nickte. »Habe ich mir auch gedacht.«

»Und du hast â¦«

»Geantwortet, dass du es machst. Ja.«

»Okay«, sagte ich gedehnt. »Beim nächsten Mal würde ich lieber vorher gefragt werden.«

»Wie du meinst«, schnippte Sigi.

Ich ging rückwärts zur Tür. »Sag bitte alle Termine für heute ab. Ich fahre zum Gericht und zur Staatsanwaltschaft und anschließend zur JVA, um mit Knieriem zu reden.«

Sigi hob Daumen und Zeigefinger. »Willst du nicht wissen, von wem der zweite Anruf kam?«

Ich stöhnte. »Meinetwegen.«

»Carlo Ponti.«

»Der Betreiber des Bad? Die Schlagzeuglegende?«

Sigi zog ihre ungezupften Brauen hoch. »Kennst du noch jemanden in Münster, der so heißt?«

In meinem vorherigen Leben als Großkanzleianwalt mit Anzug- und Krawattenpflicht hatte ich Carlo Ponti mal in einem Unterhaltsprozess vertreten. Anscheinend war es mir dabei gelungen, meine Abneigung gegen seine Egozentrik geschickt zu verbergen. »Und was will er?«

»Er fühlt sich beleidigt. Von so einem Stadtmagazin hier in Münster. Du sollst die Redakteure verklagen oder, besser noch, ans Kreuz nageln. Habe ich jedenfalls so verstanden, er redet ziemlich schnell und ohne Punkt und Komma. Irgendwann habe ich abgeschaltet.«

»Alles klar«, sagte ich. »Ich rufe ihn an. Heute oder in den nächsten Tagen.«

»Er machte nicht den Eindruck, als würde er lange warten wollen.«

Ich drehte mich um und öffnete die Tür. »Du wirst schon mit ihm fertig.«

»Vergiss nicht, dass du morgen um neun im Amtsgericht sein musst!«, rief Sigi mir hinterher.

Der Tierbefreierprozess. Wie könnte ich den vergessen?

Nachdem ich im Gericht die Formalitäten erledigt und mir bei der Staatsanwaltschaft eine Kopie der Akten besorgt hatte, fuhr ich zum Gefängnis. Das münstersche Gefängnis war eines der ältesten Deutschlands, ein sternförmiger Rotklinkerbau, der noch fast genauso aussah wie zur Zeit seiner Entstehung Mitte des 19. Jahrhunderts. Damals lag er noch außerhalb der Stadt, inzwischen stand er mittendrin und war umgeben von einigen der begehrtesten Wohnviertel Münsters, ein Luxusausblick, auf den seine Insassen wahrscheinlich gerne verzichtet hätten.

Ich wies mich aus und wurde in einen der Räume gebracht, die für ungestörte Gespräche zwischen Rechtsanwälten und Häftlingen vorgesehen waren. Ein paar Minuten später lieferte man Frank Knieriem bei mir ab. Knieriem war eine imposante Erscheinung, mindestens einen Meter neunzig groß, athletisch gebaut und mit Oberarmen, die ihn zum Türsteher qualifiziert hätten. Eine Strähne seines schulterlangen, beneidenswert dichten blonden Haars hing ihm ins Gesicht und wurde von ihm ab und zu mit einer ruckartigen Kopfbewegung zur Seite geschleudert. Ich schätzte ihn auf Ende zwanzig bis Anfang dreißig, um seinen Mund spielte ein grundloses Macholächeln, das Männer wie er oft verwenden, um ihr Revier zu markieren. Nicht mal die Fesseln an seinen Händen schienen ihn sonderlich zu stören.

Knieriem setzte sich an den Tisch, auf dem ich die Akten ausgebreitet hatte. »Haben Sie mal eine Zigarette?«

Ich erklärte ihm, dass ich keine Zigaretten, sondern nur Zigarillos rauchen würde.

»Dann eben einen Zigarillo.«

Ich gab ihm einen braunen Stängel und zündete mir selbst einen an. In dem kleinen Raum gab es kein Fenster, meine Kleidung würde hinterher sowieso müffeln, also konnte ich auch gleich mitrauchen. »Wie sind Sie auf mich gekommen?«

»Jemand hat mir von Ihnen erzählt.«

»Wer?«

»Weiß ich nicht mehr.« Knieriem hockte breitbeinig auf seinem Stuhl und schaute mich trotz gleicher Augenhöhe irgendwie von oben herab an. »Spielt das eine Rolle?«

»Nein. Nur Marktforschung. Aber eines würde mich tatsächlich interessieren: Was hat Ihr erster Anwalt falsch gemacht?«

»Der hat nicht verstanden, was ich will.«

»Und das heißt?«

Knieriem beugte sich vor, die Kette zwischen seinen Handgelenken rasselte. »Damit eines klar ist, Herr Wilsberg: Ich will keine Absprache mit der Staatsanwaltschaft, keine mildernden Umstände oder wie das heißt....
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Jürgen Kehrer lebt in Münster und Berlin. Er ist der geistige Vater des münsterschen Privatdetektivs Georg Wilsberg, der 1990 in »Und die Toten lässt man ruhen« seinen ersten Auftritt hatte. Seit 1995 ermittelt Wilsberg auch im Fernsehen und gehört inzwischen zu den beliebtesten ZDF-Krimis am Samstagabend.