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Die Reisenden der Nacht

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
415 Seiten
Deutsch
Bastei Entertainmenterschienen am26.05.20231. Aufl. 2023
Vier Frauen, vier Generationen und Entscheidungen, die ein Leben prägen


Was, wenn mein Kind nur dann leben kann, wenn ich es weggebe? Die junge Schriftstellerin Ally steht vor genau dieser Frage. Ihre Tochter Lilith ist hochintelligent, doch Hitlers Rassenideologie spricht Mischlingskindern wie ihr jegliches Existenzrecht ab. Schweren Herzens schickt Ally sie mit einem jüdischen Ehepaar ins sichere Kuba, während sie selbst zurückbleibt.

Jahre später steht Lilith auf Kuba vor derselben Entscheidung, denn ihr Mann Martin wird von den Männern Fidel Castros verfolgt und getötet. Auch sie sieht sich gezwungen, ihre Tochter, Nadine, in Sicherheit zu bringen. Lange herrscht Schweigen - bis Nadines Tochter Luna es wagt, sich auf die Suche nach ihren Wurzeln zu machen. Was sie über die Geschichte ihrer Familie erfährt, bewegt sie zutiefst ...

Liebe und Verlust, Krieg und Hoffnung - vom Aufstieg des Nationalsozialismus über die kubanische Revolution bis zum Fall der Berliner Mauer

Ein besonderer Roman von eindringlicher Intensität, der lange im Gedächtnis bleibt



Armando Lucas Correa lebt in Manhattan und arbeitet dort als Herausgeber des wichtigsten Magazins der spanischen Gemeinschaft in den USA, PEOPLE EN ESPAÑOL. Zuvor arbeitete er auf Kuba als Herausgeber eines Kulturmagazins. Für seine journalistischen Arbeiten wurde er bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem von der NATIONAL ASSOCIATION OF HISPANIC PUBLICATIONS und der SOCIETY OF PROFESSIONAL JOURNALISM.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextVier Frauen, vier Generationen und Entscheidungen, die ein Leben prägen


Was, wenn mein Kind nur dann leben kann, wenn ich es weggebe? Die junge Schriftstellerin Ally steht vor genau dieser Frage. Ihre Tochter Lilith ist hochintelligent, doch Hitlers Rassenideologie spricht Mischlingskindern wie ihr jegliches Existenzrecht ab. Schweren Herzens schickt Ally sie mit einem jüdischen Ehepaar ins sichere Kuba, während sie selbst zurückbleibt.

Jahre später steht Lilith auf Kuba vor derselben Entscheidung, denn ihr Mann Martin wird von den Männern Fidel Castros verfolgt und getötet. Auch sie sieht sich gezwungen, ihre Tochter, Nadine, in Sicherheit zu bringen. Lange herrscht Schweigen - bis Nadines Tochter Luna es wagt, sich auf die Suche nach ihren Wurzeln zu machen. Was sie über die Geschichte ihrer Familie erfährt, bewegt sie zutiefst ...

Liebe und Verlust, Krieg und Hoffnung - vom Aufstieg des Nationalsozialismus über die kubanische Revolution bis zum Fall der Berliner Mauer

Ein besonderer Roman von eindringlicher Intensität, der lange im Gedächtnis bleibt



Armando Lucas Correa lebt in Manhattan und arbeitet dort als Herausgeber des wichtigsten Magazins der spanischen Gemeinschaft in den USA, PEOPLE EN ESPAÑOL. Zuvor arbeitete er auf Kuba als Herausgeber eines Kulturmagazins. Für seine journalistischen Arbeiten wurde er bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem von der NATIONAL ASSOCIATION OF HISPANIC PUBLICATIONS und der SOCIETY OF PROFESSIONAL JOURNALISM.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783751742115
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum26.05.2023
Auflage1. Aufl. 2023
Seiten415 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2235 Kbytes
Artikel-Nr.10124060
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1
Berlin, März 1931

In der Nacht von Liliths Geburt stürmte und schneite es, obwohl es dem Kalender nach bereits Frühling war.

Die Fenster waren geschlossen, die Vorhänge zugezogen. Ally Keller wand sich vor Schmerzen auf dem feuchten Laken. Die Hebamme fasste um ihre Fußgelenke und verkündete: »Diesmal kommt es.«

Nach der Presswehe, der allerletzten, würde sich Allys Leben ändern. Marcus, dachte sie. Sie wollte seinen Namen rufen.

Aber Marcus konnte ihr nicht antworten. Er war weit weg. Der einzige Kontakt, den sie noch hatten, waren gelegentliche Briefe. An seinen Geruch konnte sie sich kaum noch erinnern. Sogar sein Gesicht verschwand für einen Moment im Dunkeln. Sie sah sich auf dem Bett liegen wie eine Fremde, als wäre der gebärende Leib nicht ihrer.

»Marcus«, brachte sie leise hervor, während ihre Gedanken rasten.

Nach allem, was sie zusammen durchgemacht hatten, nach allem, was sie miteinander geredet und geteilt hatten, war er für sie zu einem Schatten geworden. Ihr gemeinsames Kind würde ohne Vater aufwachsen. Vielleicht hatte er es eigentlich doch nicht gewollt. Vielleicht war das ihrer Tochter vom Schicksal vorherbestimmt. Welches Recht hatte sie, sich einzumischen?

In der Nacht von Liliths Geburt dachte Ally an ihre Mutter. Sie konnte sich an kein einziges Schlaflied, keine Umarmung, keinen Kuss erinnern. Ihre Kindheit hatte sie umgeben von Lehrern verbracht, sie hatte ihre Handschrift und ihren Sprachgebrauch vervollkommnet, neue Vokabeln und korrekte grammatische Konstruktionen gelernt. Rechnen war ein Albtraum, Naturwissenschaft langweilig, und Erdkunde verwirrte sie. Am liebsten flüchtete sie sich in Fantasiegeschichten, die sie auf Reisen in die Vergangenheit mitnahmen.

»Du kommst besser zu uns in die wirkliche Welt«, sagte ihre Mutter. »Das Leben ist kein Märchen.«

Aber sie ließ Ally ihren eigenen Weg gehen. Sie hatte wohl schon damals geahnt, wie Allys Leben sein würde und dass sie nicht die Macht hatte, das zu ändern. Angesichts der Richtung, in die sich Deutschland entwickelte, wusste sie, dass ihre rebellische, eigensinnige Tochter ein hoffnungsloser Fall war. Im Nachhinein sah Ally ein, dass sie recht gehabt hatte.

»Sie schlafen ein!« Die aufgeregte Stimme der Hebamme, deren Hände von einer gelblichen Flüssigkeit verfärbt waren, unterbrach Allys Gedanken. »Sie müssen sich konzentrieren, wenn Sie das hinter sich bringen wollen.«

Die Hebamme war erfahren. Sie konnte die notwendigen neunhundert Stunden Praxis vorweisen und hatte über hundert Frauen entbunden.

»Kein einziges Kind ist unter meinen Händen gestorben, und auch keine Mutter«, hatte sie erklärt, als Ally sie engagierte.

»Sie ist eine der Besten«, hatte die Frau von der Vermittlung ihr versichert. »Eines Tages wird es ein Gesetz geben, nach dem alle Geburten in unserem Land von einer deutschen Hebamme begleitet werden müssen«, hatte sie mit erhobener Stimme hinzugefügt. »Reinheit für Reinheit.«

Vielleicht hätte ich mir eine Unerfahrene suchen sollen, die überhaupt nicht weiß, wie man ein Kind zur Welt bringt, dachte Ally.

»Schauen Sie mich an!«, schnauzte die Hebamme. »Sie müssen sich anstrengen, sonst kann ich meine Arbeit nicht richtig machen. Sie schaden meinem Ruf.«

Ally fing an zu zittern. Die Hebamme schien es eilig zu haben. Vermutlich wartet noch eine andere Schwangere auf sie. Und immer wieder ging ihr durch den Kopf, dass diese Frau ihre Finger in ihr hatte und in ihr herumtastete, um ein Leben zu retten, während sie ein anderes zerstörte.

In der Nacht von Liliths Geburt versuchte Ally, sich vorzustellen, sie wäre wieder mit Marcus in Düsseldorf, in der Wohnung am Flussufer. Verborgen im Mondschein hatten sie heimlich Pläne geschmiedet für ihr Leben als Familie, als wäre so etwas je möglich gewesen. Das Morgenlicht überraschte sie immer. Eins nach dem anderen schlossen sie die Fenster und zogen die Vorhänge zu, damit wieder Dunkelheit herrschte, die zu ihrer Zuflucht geworden war.

»Wir sollten abhauen«, hatte sie einmal zu Marcus gesagt, als sie aneinandergeschmiegt im Bett lagen.

Still wartete sie auf seine Reaktion, obwohl sie wusste, dass es für ihn nur eine Antwort gab. Niemand konnte ihn überzeugen, seine Meinung zu ändern.

»Wenn es hier schon schlecht für uns aussieht, wird es in Amerika nur noch schlimmer«, sagte er immer. »Jeden Tag behandeln uns mehr Menschen, als wären wir ihre Feinde.«

Für Ally war Marcus´ Angst abstrakt. Sie speiste sich aus verborgenen Kräften wie bei einer sich aufbauenden Woge, die sie nicht sehen konnten, in der sie aber eines Tages alle ertrinken würden. Deshalb zog Ally es vor, seine Ahnungen und die seiner Künstlerfreunde zu ignorieren. Sie vertraute darauf, dass der Sturm vorbeiziehen würde.

Marcus träumte davon, Schauspieler zu werden. Er hatte schon einmal in einem Film mitgespielt, in einer Nebenrolle als Musiker, und er hatte vorgeschlagen, sie solle mit ihm nach Paris gehen, wo er hoffte, ein neues Engagement zu finden. Doch dann war sie schwanger geworden, und das hatte alles geändert.

Ihre Eltern waren außer sich gewesen. Sie hatten Ally in ihre leerstehende Wohnung in Berlin-Mitte geschickt, damit sie dort ihr Kind austrug und ihre Schande verbarg. Das sei das Letzte, was sie für sie täten, hatten sie erklärt. Wie sie anschließend leben wolle, sei allein ihr Problem, damit hätten sie nichts mehr zu tun. Als Ally den Brief las, den ihre Mutter ihr geschrieben hatte, hörte sie ihre feste, selbstsichere Stimme mit dem bayerischen Tonfall. Ally hatte seitdem nichts mehr von ihr gehört.

Vom Tod ihres Vaters erfuhr sie aus der Zeitung. Am selben Tag bekam sie auch ein Schreiben, das sie über die kleine Erbschaft informierte, die er ihr hinterlassen hatte. Sie stellte sich vor, dass in ihrem Elternhaus in München gebetet wurde, Ave Maria bei zugezogenen Vorhängen und gekünstelten Unterhaltungen, die in Gemurmel endeten. Sie dachte an ihre Mutter, die sich in Trauer hüllte, in eine Trauer, die an dem Tag begonnen hatte, als Ally sie verließ. Ally war überzeugt, dass ihre Mutter verfügen würde, ihren Tod nicht öffentlich bekannt zu geben, damit er unbemerkt bliebe und ihre Tochter keine Gelegenheit bekäme, um sie zu weinen. Ally verdiente nicht einmal das. Die Rache ihrer Mutter war Schweigen.

Ally erinnerte sich an das Gefühl, wie sie plötzlich allein in der großen Wohnung in Berlin gewesen war, sich in den Fluren verlaufen hatte, in den Räumen, die voller Schatten und in einem schlammigen Grün gestrichen waren, das sie zu verschlingen drohte.

Bald darauf war sie in dieses Mietshaus in einer schäbigen Sackgasse umgezogen.

Um diese Zeit kamen die ersten Briefe von Marcus. Das ist nicht das Land, in dem mein Kind aufwachsen soll. Komm nicht zurück nach Düsseldorf, das Leben hier wird jeden Tag schwieriger. In Amerika wollen sie uns auch nicht. Niemand will uns. Manche seiner Briefe waren keine Antwort auf ihre, sondern Tiraden.

Ein Schrei erfüllte den Raum. Er war aus ihrer Brust gekommen, aus ihrer engen Kehle. Es fühlte sich an, als würde sie entzweigerissen. Der stechende Schmerz im Bauch zog in den ganzen Körper, und sie klammerte sich verzweifelt an die Gitterstäbe am Kopfende des Bettes.

»Marcus!«, rief sie heiser.

Die Hebamme fuhr erschrocken zurück. »Wer ist Marcus? Der Vater? Hier ist niemand. Los jetzt, nicht aufhören. Sie haben es fast geschafft. Noch einmal pressen, dann ist es da!«

Allys Körper versteifte sich, und ein Schauder durchlief sie. Ihre trockenen Lippen zitterten. Ihr Bauch spannte sich an und schrumpfte dann, als ob das lebende Wesen darin sich aufgelöst hätte. Sie hatte einen Sturm hervorgerufen. Sie fühlte Windböen und Regen herabpeitschen. Donnerschläge und Hagelkörner prasselten auf sie ein. Sie wurde zerrissen. Ihr Bauch zog sich zusammen. Sie spreizte ihre bleischweren Beine und stieß etwas aus, etwas Molluskenhaftes. Der Winzling hatte alle Wärme aus ihrem Bauch mitgenommen. Sie zitterte am ganzen Körper.

Es war eine Weile ruhig. Ally schloss die Augen. Tränen mischten sich mit Schweißperlen. Die Hebamme hob das reglose Kind an den Füßen hoch und schnitt die Nabelschnur durch. Mit der anderen Hand warf sie den Mutterkuchen in eine Schale mit blutigem Wasser und begann neben dem Bett, das Neugeborene mit lauwarmem Wasser zu waschen.

»Es ist ein Mädchen.« Ihre Stimme hallte durch den Raum, in dem es davon abgesehen auffallend still war.

Was ist passiert? Warum schreit meine Tochter nicht? Sie ist tot, dachte Ally.

Ihre Kehle brannte, in ihrem Bauch pochte es. Sie spürte ihre Beine nicht mehr.

In dem Moment fiepte das Kind wie ein verwundetes Tier. Allmählich wimmerte es lauter, weinte schließlich, und dann schrie es.

In der Zwischenzeit trocknete die Hebamme das Baby ab. Sie wirkte nun schon entspannter, da sie ihre Arbeit getan hatte. Ally sah, wie sie das bläuliche Gesicht betrachtete und wieder nervös wurde. Sauerstoffmangel, schloss sie. Versuchsweise öffnete die Hebamme den Mund des Neugeborenen und inspizierte den Rachenraum. Weil sie offenbar glaubte, etwas blockiere die Luftröhre, griff sie mit dem Zeigefinger in den Rachen. Sie schaute auf das Kind und dann zu Ally.

Das Baby hörte nicht auf zu schreien, während die Hebamme es in ein sauberes Tuch wickelte, sodass nur noch das Gesichtchen hervorguckte. Sie schürzte die Lippen und übergab Ally ihre winzige Tochter wie einen befremdlichen...

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Armando Lucas Correa lebt in Manhattan und arbeitet dort als Herausgeber des wichtigsten Magazins der spanischen Gemeinschaft in den USA, PEOPLE EN ESPAÑOL. Zuvor arbeitete er auf Kuba als Herausgeber eines Kulturmagazins. Für seine journalistischen Arbeiten wurde er bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem von der NATIONAL ASSOCIATION OF HISPANIC PUBLICATIONS und der SOCIETY OF PROFESSIONAL JOURNALISM.
Die Reisenden der Nacht

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt