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Die Nacht der Zugvögel

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
416 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am29.03.2023
Manchmal merkt man erst, wie wichtig eine Person ist, wenn sie nicht mehr da ist ...
Nisha träumt davon, ihrer geliebten Tochter ein besseres Leben zu ermöglichen. Allein deshalb verlässt sie ihre geliebte Heimat und beginnt weit weg ein Leben als Kindermädchen. Der Preis ist hoch, denn die Sehnsucht nach ihrem Kind droht Nisha fast zu zerreißen. Für ihre Arbeitgeberin Petra wird sie als Kindermädchen schnell unverzichtbar, doch trotz der vermeintlichen Nähe macht Petra sich kaum die Mühe, auch den Menschen Nisha mit seinen Ängsten, Sorgen und Hoffnungen kennenzulernen.
Erst als Nisha plötzlich verschwindet und Petra schockiert feststellen muss, wie gleichgültig die Polizei darauf reagiert, folgt sie Nishas Spuren. Was sie entdeckt, wird sie selbst und ihr Leben für immer verändern ...
Ein schmerzlich-schöner Roman von einer Autorin, die sich traut, auch unbequeme Fragen zu stellen und den Vergessenen eine Stimme zu geben.
»Christy Lefteri ist eine mutige, provokante Autorin, deren Geschichten uns noch lange verfolgen.« Heather Morris, Autorin des SPIEGEL-Bestsellers »Der Tätowierer von Auschwitz«

Christy Lefteri wuchs als Tochter zypriotischer Geflüchteter in London auf. Sie unterrichtet Kreatives Schreiben an der Brunel University. 2016 und 2017 verbrachte sie die Sommermonate als Freiwillige in einem von der Unicef unterstützten Geflüchtetenlager in Athen. Die Geschichten, die die Menschen ihr dort erzählten, inspirierten sie dazu, den Bestseller »Das Versprechen des Bienenhüters« zu schreiben. »Die Nacht der Zugvögel« ist bereits ihr zweiter Roman bei Limes.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR14,99

Produkt

KlappentextManchmal merkt man erst, wie wichtig eine Person ist, wenn sie nicht mehr da ist ...
Nisha träumt davon, ihrer geliebten Tochter ein besseres Leben zu ermöglichen. Allein deshalb verlässt sie ihre geliebte Heimat und beginnt weit weg ein Leben als Kindermädchen. Der Preis ist hoch, denn die Sehnsucht nach ihrem Kind droht Nisha fast zu zerreißen. Für ihre Arbeitgeberin Petra wird sie als Kindermädchen schnell unverzichtbar, doch trotz der vermeintlichen Nähe macht Petra sich kaum die Mühe, auch den Menschen Nisha mit seinen Ängsten, Sorgen und Hoffnungen kennenzulernen.
Erst als Nisha plötzlich verschwindet und Petra schockiert feststellen muss, wie gleichgültig die Polizei darauf reagiert, folgt sie Nishas Spuren. Was sie entdeckt, wird sie selbst und ihr Leben für immer verändern ...
Ein schmerzlich-schöner Roman von einer Autorin, die sich traut, auch unbequeme Fragen zu stellen und den Vergessenen eine Stimme zu geben.
»Christy Lefteri ist eine mutige, provokante Autorin, deren Geschichten uns noch lange verfolgen.« Heather Morris, Autorin des SPIEGEL-Bestsellers »Der Tätowierer von Auschwitz«

Christy Lefteri wuchs als Tochter zypriotischer Geflüchteter in London auf. Sie unterrichtet Kreatives Schreiben an der Brunel University. 2016 und 2017 verbrachte sie die Sommermonate als Freiwillige in einem von der Unicef unterstützten Geflüchtetenlager in Athen. Die Geschichten, die die Menschen ihr dort erzählten, inspirierten sie dazu, den Bestseller »Das Versprechen des Bienenhüters« zu schreiben. »Die Nacht der Zugvögel« ist bereits ihr zweiter Roman bei Limes.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641286859
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum29.03.2023
Seiten416 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1982 Kbytes
Artikel-Nr.10228390
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



3
Yiannis

Am Tag, an dem Nisha verschwand, noch bevor ich realisierte, dass sie fort war, begegnete ich im Wald einem Mufflon. Was absolut verblüffend war. Diese uralte Wildschafart, die bei uns heimisch ist, sieht man nämlich nur äußerst selten. Bekannt als extrem scheu, ziehen sich diese Tiere normalerweise in die entlegeneren Gebirgsregionen zurück. Noch nie war ich einem von ihnen im Flachland begegnet, schon gar nicht so weit im Osten. Wenn ich erzählte, dass ich einen Mufflon gesehen hatte, noch dazu unten an der Küste, würde man mich für verrückt erklären; diese Meldung würde es garantiert in die Nachrichten schaffen. Schon da hätte ich merken müssen, dass etwas nicht stimmte. Vor langer Zeit hatte ich gelernt, dass die Erde gelegentlich einen Weg findet, zu uns zu sprechen. Man braucht nur mit den Augen und den Ohren eines Kindes hinzusehen und zu lauschen. Das war etwas, das mein Großvater mir beigebracht hatte. Aber an jenem Tag im Wald, als ich plötzlich dieses Schaf vor mir hatte, dachte ich nicht daran.

Es kündigte sich durch Blätterrascheln und knirschenden Waldboden an. Ich war an diesem späten Oktobermorgen hergekommen, um die Singvögel einzusammeln. Dazu war ich an die Küste rausgefahren, in einen Landstrich westlich von Larnaka, unweit der Dörfer Alethriko und Agios Theodoros, wo es noch wilde Olivenhaine und Johannisbrotbäume sowie Orangen- und Zitronenplantagen gibt. Außerdem wachsen hier Akazien und Eukalyptusbäume, dicht an dicht - ein exzellenter Flecken zum Wildern. In den frühen Morgenstunden hatte ich meine Leimruten ausgebracht - Hunderte davon, strategisch in Bäumen platziert, die die Vögel auf ihrer Suche nach essbaren Beeren ansteuern. Zusätzlich hatte ich in den Baumkronen Geräte aufgehängt, die Aufnahmen von Vogelrufen abspielten. Damit lockte ich meine Beute an. Dann suchte ich mir ein gutes, geschütztes Versteck und machte Feuer.

Ich benutzte Olivenzweige als Spieße und röstete über den Flammen Halloumi und Brot. Im Rucksack hatte ich eine Thermoskanne Kaffee und ein Buch gegen die Langeweile. Auf keinen Fall wollte ich an Nisha und die Dinge denken, die sie gestern Nacht gesagt hatte, an ihren ernsten Gesichtsausdruck beim Verlassen meiner Wohnung, an ihre angespannten Kiefermuskeln.

Diese Gedanken umschwirrten mich zusammen mit den Fledermäusen, und ich versuchte, sie fortzuscheuchen, einen nach dem anderen. Ich wärmte mich am Feuer, aß und lauschte im Halbdunkel dem Gezwitscher der Vögel.

Bisher war die Jagd ereignislos wie immer verlaufen.

Irgendwann schlief ich am Lagerfeuer ein und träumte, Nisha bestünde aus purem Sand. Vor meinen Augen löste sie sich auf, wie eine Sandburg, die von den Wellen fortgespült wird.

Die aufgehende Sonne war mein Wecksignal. Zum Wachwerden trank ich einen letzten Schluck Kaffee aus der Kanne und kippte den Rest ins Feuer. Dann trat ich die übrigen Flammen und Glutnester aus. Die Erinnerung an den Traum begann bereits zu verblassen, während das Dickicht um mich herum allmählich zu neuem Leben erwachte. Im Normalfall verdiene ich mit einem einzigen Jagdgang mehr als zweitausend Euro, und diesmal hatte ich besonderes Glück - schätzungsweise zweihundert Mönchsgrasmücken klebten an den Leimruten. Diese kleinen Singvögel, die im Winter von Europa nach Afrika ziehen, um der Kälte zu entfliehen, sind mehr wert als ihr Gewicht in Gold aufgewogen. Sie kommen von Westen her, über das Gebirge, und machen Zwischenstopp auf unserer Insel, bevor sie ihre Reise übers Meer in Richtung Ägypten fortsetzen. Im Frühjahr treten sie dann die Rückreise an und treffen vom Süden her auf die Küste Zyperns. Diese Vögel sind so klein, dass man sie mit einer Flinte niemals treffen würde. Außerdem gelten sie hierzulande als gefährdete Art und stehen deshalb unter besonderem Schutz.

An diesem Punkt bekam ich es jedes Mal mit der Angst zu tun. Immer wieder sah ich mich fast zwanghaft über die Schulter um, aus Furcht, ich könnte auf frischer Tat ertappt und ins Gefängnis gesteckt werden. Dann wäre ich geliefert. Das war mein größter Schwachpunkt - die Panik, die mich zuverlässig überkam, kurz bevor es ans Töten der Vögel ging. Doch jetzt herrschte absolute Stille im Wald, nicht das leiseste Knacken war zu hören. Lediglich Vogelgezwitscher und das Rauschen des Windes in den Wipfeln.

Vorsichtig entfernte ich den ersten Vogel von der Rute, indem ich das Gefieder sachte vom Kleber löste. Wie es aussah, hatte der kleine Kerl alles versucht, um sich zu befreien. Je heftiger sie sich sträuben, desto stärker kleben sie nämlich fest. Ich hielt das Tier zwischen den Handflächen fest und spürte sein kleines Herz rasen. Dann biss ich ihm blitzschnell ins Genick, um sein Leiden zu beenden, und ließ das leblose Tier in den großen schwarzen Müllsack fallen. Es ist die gnädigste Art, sie zu töten - mit einem schnellen, tiefen Biss ins Genick.

Den ersten Sack hatte ich bereits voll und auch schon begonnen, die Federn und Beeren mit den Lippen von den Leimruten zu zupfen, damit ich sie ein weiteres Mal verwenden konnte, als ich plötzlich Laub rascheln hörte.

Mist. Für einen Moment war ich wie versteinert und hielt vor Schreck die Luft an. Fieberhaft suchte ich die unmittelbare Umgebung ab, und da war er, auf einer von dichtem Gestrüpp gesäumten Lichtung. Der Mufflon starrte mich seelenruhig an. Er stand im langen Schatten der Bäume, und erst als die Sonne weiterwanderte und das Licht sich veränderte, machte ich eine erstaunliche Entdeckung: Statt wie gewöhnlich rot und braun war sein kurzes Fell von goldener Farbe; die beiden gebogenen Hörner waren bronzen. Und er hatte exakt die gleichen bernsteinfarbenen Löwenaugen wie Nisha.

Im ersten Moment dachte ich, ich träume. Sicher lag ich immer noch neben der Feuerstelle und schlief.

Ich machte einen Schritt auf das Tier zu, woraufhin der goldene Mufflon ein Stück zurückwich. Seine Haltung aber blieb aufrecht und kraftvoll, die Augen unbeirrt auf mich gerichtet. Langsam nahm ich den Rucksack herunter und holte ein Stück Obst heraus. Der Mufflon scharrte mit den Hufen und senkte den Kopf, sodass er zu mir aufsah, halb wachsam, halb drohend. Ich legte den Pfirsichschnitz auf meine flache Hand und streckte sie ihm hin. Dann hielt ich still, reglos wie ein Baum. Ich hoffte, der Widder würde näher kommen.

Während ich seine anmutige Schönheit bewunderte, stieg eine Erinnerung in mir auf, klar und deutlich. Im vergangenen März waren Nisha und ich zusammen ins Troodos-Gebirge gefahren. Sie liebte es, am Sonntagvormittag, wenn sie nicht arbeiten musste, ausgedehnte Wanderungen zu machen. Oft ging sie mit mir in den Wald, um Pilze, wilden Spargel, Malven oder gelegentlich auch Schnecken zu sammeln. An diesem Tag hatte ich mir fest vorgenommen, nach einem Mufflon Ausschau zu halten. Ich hoffte, wir würden in den Tiefen des Waldes oder auf einem Felsvorsprung, an der Schwelle zwischen Erde und Himmel, einen entdecken. Wir waren so hoch oben wie nie zuvor, und sie schob aufgeregt ihre Hand in meine.

»Wir suchen also nach einem Schaf?«, fragte sie.

»Streng genommen, ja.«

»Ich habe schon viele Schafe gesehen.« In ihren Augen lag ein amüsierter Ausdruck, als würde sie sich über mich lustig machen.

»Ich sag doch, es sieht nicht aus wie ein Schaf! Es ist ein ganz wunderbares Geschöpf.«

»Okay. Wir suchen also nach einem Schaf, das nicht wie ein Schaf aussieht.« Sie schirmte die Augen ab und ließ den Blick über das Gelände schweifen, als würde sie ernsthaft Ausschau halten.

»Exakt«, sagte ich todernst.

Das brachte sie zum Lachen, und ihr Lachen entwischte in die Weiten des Himmels. In diesem Moment hatte ich das Gefühl, sie schon ewig zu kennen.

Wir waren stundenlang gelaufen und wollten gerade wieder umkehren, um vor der Abenddämmerung zurück zu sein, als ich an einer steilen Felskante plötzlich eines stehen sah. Ich erkannte auf Anhieb, dass es sich um ein weibliches Tier handelte, da es vergleichsweise kleine, nur leicht gebogene Hörner hatte, und auch das typische Vlies der Männchen aus längerem drahtigem Fellhaar unterhalb des Trägers fehlte. Ich deutete wortlos zu der Stelle, damit Nisha es auch sah.

Das Mufflonschaf bemerkte uns und schaute direkt zu uns.

Nisha starrte das Tier voll ehrfürchtigem Staunen an. »Wie schön«, flüsterte sie. »Sieht aus wie ein Reh.«

»Sag ich doch.«

»Überhaupt nicht wie ein Schaf.«

»Siehst du!«

»Sein Fell ist glatt und braun ... und es hat einen so sanften Gesichtsausdruck. Fast, als wollte es uns etwas sagen. Sieht es nicht haargenau so aus, als würde es gleich mit uns reden?«

Ich antwortete nicht und betrachtete stattdessen Nisha, die vor Begeisterung übers ganze Gesicht strahlte.

Da war ein Glanz in ihren Augen, als würden die Farben des Waldes aus ihnen herausleuchten, als wäre eine geheimnisvolle Energie, ein flinkes Tier, das sich bisher im Dickicht der Bäume versteckt hielt, plötzlich zum Leben erwacht. Sie ließ meine Hand los und machte ein paar zaghafte Schritte auf den Mufflon zu. Erstaunlicherweise wich er daraufhin von der Felskante zurück und kam näher. Noch nie hatte ich erlebt, wie sich eins dieser Tiere an einen Menschen heranwagte. Nisha streckte ihm ihre Hand mit unendlicher Sanftheit entgegen, wartete geduldig ab. Gleichzeitig aber stand ihr Körper unter Hochspannung. Es ging allein von ihren Augen aus: In ihnen loderte ein Gefühl, das ich nicht klar bestimmen konnte.

In diesem Moment spürte ich eine tiefe Kluft zwischen uns dreien, als würden sie...

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Autor

Christy Lefteri wuchs als Tochter zypriotischer Geflüchteter in London auf. Sie unterrichtet Kreatives Schreiben an der Brunel University. 2016 und 2017 verbrachte sie die Sommermonate als Freiwillige in einem von der Unicef unterstützten Geflüchtetenlager in Athen. Die Geschichten, die die Menschen ihr dort erzählten, inspirierten sie dazu, den Bestseller »Das Versprechen des Bienenhüters« zu schreiben. »Die Nacht der Zugvögel« ist bereits ihr zweiter Roman bei Limes.