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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am16.08.2023
Klug, zeitgeistig und voller Esprit: der neue Roman von der Autorin des Bestsellers »Das Vogelhaus«.
Eine Gruppe von Freunden verlässt in den 1920er-Jahren Paris, um eine Kommune auf dem Land zu gründen. In ihrem Wohnprojekt Der Grüne Weg wollen sie im Einklang mit der Natur leben. Mann und Frau sollen gleichberechtigt sein, sie verschreiben sich dem Vegetarismus, Naturismus und Anarchismus.
Ein Jahrhundert später entdeckt die Philosophiestudentin Sam ein Tagebuch aus der damaligen Gemeinschaft und ist von dem Projekt fasziniert. Sam überzeugt ihre Partnerin und ein befreundetes Paar, von Amsterdam nach Friesland zu ziehen und auf einem Bauernhof ebenfalls ein neues, freies Leben zu beginnen. Doch schnell werden die hohen Ansprüche von der Wirklichkeit eingeholt, und sie müssen sich mit den Grenzen der freien Liebe und der Angst vor der Einsamkeit auseinandersetzen.

Eva Meijer, geboren 1980 in Hoorn, Niederlande, ist Philosophin und Schriftstellerin. Sie hat Romane, Kurzgeschichten, Gedichte und Essays veröffentlicht und wurde zu einem Thema über die Sprachen der Tiere promoviert; die Dissertation erschien bei der New York University Press. Ihr Roman »Das Vogelhaus« gewann den Leserpreis des BNG-Literaturpreises und wurde für den Libris- und den ECI-Literaturpreis nominiert. 2017 wurde Eva Meijer für ihr Gesamtwerk mit dem Halewijn-Preis ausgezeichnet, und »Was Tiere wirklich wollen« erhielt den Hypatia-Preis für das beste philosophische Buch, das von einer Frau geschrieben wurde. Eva Meijer forscht an der Universität von Wageningen.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextKlug, zeitgeistig und voller Esprit: der neue Roman von der Autorin des Bestsellers »Das Vogelhaus«.
Eine Gruppe von Freunden verlässt in den 1920er-Jahren Paris, um eine Kommune auf dem Land zu gründen. In ihrem Wohnprojekt Der Grüne Weg wollen sie im Einklang mit der Natur leben. Mann und Frau sollen gleichberechtigt sein, sie verschreiben sich dem Vegetarismus, Naturismus und Anarchismus.
Ein Jahrhundert später entdeckt die Philosophiestudentin Sam ein Tagebuch aus der damaligen Gemeinschaft und ist von dem Projekt fasziniert. Sam überzeugt ihre Partnerin und ein befreundetes Paar, von Amsterdam nach Friesland zu ziehen und auf einem Bauernhof ebenfalls ein neues, freies Leben zu beginnen. Doch schnell werden die hohen Ansprüche von der Wirklichkeit eingeholt, und sie müssen sich mit den Grenzen der freien Liebe und der Angst vor der Einsamkeit auseinandersetzen.

Eva Meijer, geboren 1980 in Hoorn, Niederlande, ist Philosophin und Schriftstellerin. Sie hat Romane, Kurzgeschichten, Gedichte und Essays veröffentlicht und wurde zu einem Thema über die Sprachen der Tiere promoviert; die Dissertation erschien bei der New York University Press. Ihr Roman »Das Vogelhaus« gewann den Leserpreis des BNG-Literaturpreises und wurde für den Libris- und den ECI-Literaturpreis nominiert. 2017 wurde Eva Meijer für ihr Gesamtwerk mit dem Halewijn-Preis ausgezeichnet, und »Was Tiere wirklich wollen« erhielt den Hypatia-Preis für das beste philosophische Buch, das von einer Frau geschrieben wurde. Eva Meijer forscht an der Universität von Wageningen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641262273
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum16.08.2023
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1416 Kbytes
Artikel-Nr.10228451
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1. Mai 1924

Clémence zeigte auf die hellgrünen Blätter der neugeborenen Salatpflänzchen. »Da fängt der Gemüsegarten an.« Ich folgte ihr am Rand entlang - trockene dunkle Erde zwischen meinen Zehen, Steinchen, zerfallendes altes Laub. »Hier stehen die Tomaten. Zucchini, Kartoffeln, Lauch. Die Zwiebeln.« Den Hintergrund bildete eine Reihe niedriger alter Bäume mit knorrigen Stämmen, einander zugeneigt wie die alten Männer auf einem Dorfplatz. »Das sind die Apfelbäume. Die Birnen stehen dort und die Pflaumen bei der Weide an der Ecke. Bis die reif sind, dauert es noch etwas.« In der Stadt lassen sich die Jahreszeiten an den Temperaturen ablesen und dem, was die Leute anziehen, kaum jedoch an der Reifung von Früchten, am Geruch des Grases oder am Verhalten der Vögel. »Hier.« Von einem Strauch pflückte sie zwei hellrote Erdbeeren. Sie gab mir die größere, biss selbst in die andere. Die Erdbeere war noch sauer. »Du musst aus der Sonne gehen, du verbrennst dir die Haut.« Ich schlug die Augen nieder. Zum ersten Mal an diesem Tag fühlte ich mich nackt.

»Seht mal.« Georges drehte den Eimer, den er vor sich hielt, mit der Öffnung zu uns hin. »Schwefelporlinge.«

»Georges kann Schwefelporlinge nicht von Birkenporlingen unterscheiden. Nur gut, dass ich dabei war. Er hätte uns alle vergiftet.« Louis kam mit einem Geschirrtuch in der Hand aus der Küche. Er war brauner als Clémence, wettergegerbt und muskulös, und roch stark nach Schweiß. Ich hätte ihn fast nicht wiedererkannt, als wir hier ankamen. In Paris trug er die schweren Anzüge mit großem Jackett, die in Mode waren, in Schwarz oder Dunkelblau, Schuhe mit stumpfer Spitze - und er war immer glatt rasiert. Jetzt lässt er den Bart stehen, und seine Haare sind lang - es verleiht ihm die Ausstrahlung von einer alten Eiche, weise und in sich ruhend. Louis hat uns vor zwei Monaten hierher eingeladen, weil sie sich vergrößern wollen. Georges und er kennen sich schon seit mindestens zehn Jahren; Louis hat eine Vorlesung an der École normale supérieure gehalten, als Georges dort Geschichte studierte, und seither arbeiten sie zusammen.

Ich habe beide bei einem Diskussionsabend über gewaltlosen Widerstand im Café de Flore kennengelernt, vor auch schon wieder fast vier Jahren. Die Veranstaltung fand im Keller statt, der dunkel und verraucht ist, an den Wänden wuchern schwarze Schimmelgebilde wie Fantasiebäume. Ich suchte mir ein Plätzchen auf einer Holzbank hinten im Raum, neben einem hoch aufgeschossenen Jungen mit kurzem Kraushaar und stilisiertem Oberlippenbart, der sich als Victor Martin vorstellte. Georges und Louis hielten eine Präsentation über Anarcho-Primitivismus, ich gab ihnen im Anschluss einen Prospekt vom Foyer, dem neuen vegetarischen Lokal an der Rue Mathis, wo ich dienstags kochte. Clémence war an dem Abend übrigens auch dort, zusammen mit ihrem damaligen Ehemann Solomon LeFèvre, dem Erfinder des Kugelschreibers, der viel zu früh auf tragische Weise bei einem Luftschiffunfall ums Leben gekommen ist. Ihr gab ich keinen Prospekt - sie trug ein teures Kleid und bewegte sich, als käme sie aus einer anderen Welt als wir.

Georges war ein paar Wochen später ins Foyer gekommen. Ich setzte mich nach meiner Schicht zu ihm, und wir redeten bis tief in die Nacht - ich erzählte ihm sogar von meiner Kindheit in Vilnius, von meinem abgebrochenen Studium in Genf. Er hatte sich wie ich mit der Untersuchung von Zusammenhängen zwischen Anarchismus und Vegetarismus befasst.

Georges zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Habt ihr schon Hunger?«

»Die Suppe steht auf dem Herd.« Victor saß am Esstisch und fädelte bunte Perlen auf Schnüre, um einen Fliegenvorhang für die Hintertür daraus zu machen. Er sah auch unbekleidet schmuck aus, seine honigfarbene Haut schimmerte, das Brusthaar kräuselte sich keck.

Clémence machte eine Flasche Wein auf.

»Ich dachte, ihr seid keine Befürworter von Alkohol.«

»Ein, zwei Gläser sind gut für den Blutkreislauf. Und wir müssen doch eure Ankunft feiern.« Sie schenkte fünf Gläser ein. »Louis, kommst du?«

Georges ließ sich mit seinem hageren Leib neben mir am Tisch nieder und ächzte. »Das Holz scheuert am Hintern.«

Louis nahm auf dem Diwan uns gegenüber Platz, stellte seinen Körper zur Schau. Mag sein, dass ihm die Nacktheit schon zur zweiten Natur geworden war, aber für mich hatte es etwas Demonstratives. Beine breit, Schultern zurück.

»Du hast dir ein schönes Fleckchen ausgesucht.« Louis hatte schon seit Jahren geplant, aus der Stadt wegzuziehen. Voriges Jahr ist dann sein Vater gestorben, der ihm, obwohl sie entzweit waren, Geld hinterlassen hat, von dem er diesen Bauernhof kaufen konnte.

»Das war nicht ich.« Louis zeigte auf Clémence und erzählte, dass sie es war, die davon gehört habe. An einem kalten Tag im Februar seien sie hergekommen, um ihn sich anzusehen. Ein Nachbar - ein alter Klappergreis mit höchstens noch zwei oder drei Zähnen im Mund - habe gleich seinen Hund auf sie losgelassen. »Aber als er Clémence´ Rehaugen sah, war alles gut.« Der Bauernhof gehöre Monsieur Renard, erzählte er, oder eigentlich dessen altem Mütterchen, das im vergangenen November beim ersten Frost gestorben sei. »Er wollte ihn gern loswerden.«

Clémence fragte, ob das Manifest schon fertig sei. Victor zog ein Blatt aus der Schreibmaschine und begann vorzulesen. Ich trank einen Schluck Wein. Als Erstes wurden meine Füße warm, dann folgten meine Fingerspitzen.

Manifest zur Förderung des Zusammenlebens von Mensch und Natur und des Friedens im Allgemeinen

Rousseau schrieb schon 1762 in seinem Gesellschaftsvertrag, dass wir als Menschen frei geboren werden, danach jedoch in Fesseln leben. Auch heute noch hält uns die Gesellschaft, in der wir leben, gefangen - nicht nur wegen der Ungleichheit an Macht und Besitz, sondern auch weil wir ...

Victor schaute auf. »Der Gedanke ist noch nicht ausgereift.«

Wir haben sieben Prinzipien aufgestellt, nach denen man leben sollte.
Frieden ist der Weg zum Fortschritt.
Wir wollen im Einklang mit der Natur leben.
Vegetarismus ist die logische Konsequenz aus den ersten beiden Prinzipien: Wir töten nicht.
Wir praktizieren Naturismus, da Kleidung unserer Verbundenheit mit der Natur und miteinander im Wege stünde.
Autorität ist immer unbegründet, und unsere Gemeinschaft ist deshalb anarchistisch.
Besitz korrumpiert, und deshalb gehört in unserer Gemeinschaft alles allen.
...

»Nummer sieben haben wir noch nicht.«

»Ich finde die Liste noch nicht wirklich überzeugend«, meinte Clémence, von ihrem Wein nippend. »Der Hinweis auf Rousseau ist zwar durchaus angebracht, aber schon ein bisschen abgedroschen, und zudem war der natürlich eine höchst problematische Person angesichts seiner vielen Kinder und seiner Haltung gegenüber Frauen.« Sie schlug mir aufs Knie. »Das ist Punkt sieben: Frauen und Männer sind gleich.«

Louis nickte. »Natürlich. Petrus!« Der kleine weiß-braune Terrier hatte im Garten gedöst, bis ein Schmetterling auf seiner Nase landete; nun rannte er von Hecke zu Hecke und kläffte unsichtbare Feinde an. Louis rief ihn noch einmal, rannte dann durch die Küche nach draußen und warf eine Gabel nach ihm. Petrus merkte gar nichts davon.

Victor spannte das Blatt wieder in die Schreibmaschine. »Siebtens: Frauen und Männer sind gleich und müssen gleich behandelt werden.«

Georges gähnte. »Pardon.«

»Sophie, könntest du das bitte umschreiben? Du bist viel poetischer als diese Herren.« Clémence´ Hand lag immer noch auf meinem Knie. Louis runzelte die Brauen.

»Tut mir leid, Schatz. Deine Ideen sind gut, aber deine Feder ist so zähflüssig.« Sie stand auf und küsste ihn auf den Scheitel. »Zeit für ein Bad.« Sie lief mit leichtem Hüftschwung quer durchs Zimmer, Fußabdrücke im Teppich hinterlassend. Keiner von uns schaute ihr nach.

Clémence und Louis schlafen im größten Zimmer, auf der Vorderseite des Hauses, ausgestattet mit einem wuchtigen Himmelbett aus Eiche und Fenstern mit Butzenscheiben. Victor hat das kleine Gästezimmer mit dem Alkoven unten auf der Rückseite des Hauses bekommen, wo nie die Sonne hineinscheint. Georges und ich durften das Zimmer im ersten Stock beziehen. Die Matratzen der beiden schmalen Betten dort waren von einer dicken Staubschicht bedeckt, und als ich den Fenstervorhang aufziehen wollte, fiel er von der Wand. Georges hängte stattdessen ein Laken vors Fenster, auf das der Baum davor gleich seinen Schatten warf. Die Betten haben wir zusammengeschoben und in ein Doppelbett mit harter Kante in der Mitte verwandelt.

»Ich muss mal eben die Augen zumachen.« Georges ließ sich rücklings aufs Bett fallen, lag kurz da wie tot und richtete sich wieder auf. »Kommst du auch?«

Ich roch mich selbst. »Ich gehe mich erst waschen.« Der Versuchung widerstehend, die Arme vor meinen Körper zu halten, lief ich stolz aufgerichtet nach unten. Dort war es kühler, und der Temperaturunterschied machte mir eine Gänsehaut. Ich nahm ein verwaschenes blaues Handtuch und einen Brocken Seife aus dem Vorratsschrank. Vom Wohnzimmer her ertönte Musik.

Ach, das Leben, es ist nur Leben

Ach, das Leben, es ist nur Zeit

Die Akeleien werden blühen

Der Morgen wiederkehren und der Mai

Das alte Leben, das alte Leben

Die ersten Dinge, die ich...

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Autor

Eva Meijer, geboren 1980 in Hoorn, Niederlande, ist Philosophin und Schriftstellerin. Sie hat Romane, Kurzgeschichten, Gedichte und Essays veröffentlicht und wurde zu einem Thema über die Sprachen der Tiere promoviert; die Dissertation erschien bei der New York University Press. Ihr Roman »Das Vogelhaus« gewann den Leserpreis des BNG-Literaturpreises und wurde für den Libris- und den ECI-Literaturpreis nominiert. 2017 wurde Eva Meijer für ihr Gesamtwerk mit dem Halewijn-Preis ausgezeichnet, und »Was Tiere wirklich wollen« erhielt den Hypatia-Preis für das beste philosophische Buch, das von einer Frau geschrieben wurde. Eva Meijer forscht an der Universität von Wageningen.