Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Meeresleuchten

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
272 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am12.04.2023
Neufundland: Das Forscherteam einer nahe gelegenen Universität hat in einem kleinen Hafen eine Forschungsstation eingerichtet, um das geheimnisvolle Phänomen des zuletzt häufig auftretenden Meeresleuchtens zu untersuchen. Der jungen Meeresbiologin Vivienne geht durch Zufall ein der Wissenschaft unbekanntes Wesen ins Netz: eine Art Fisch, doch Vivienne fühlt sich sofort emotional mit dem Wesen verbunden, das weibliche Merkmale trägt und offensichtlich zu starken Empfindungen fähig ist. Als Viviennes Vorgesetzte versuchen, die unglaubliche Entdeckung für ihre Zwecke auszunutzen, droht die Kreatur zu sterben, und Vivienne muss eine Entscheidung treffen.

Melissa Barbeau ist Gründungsmitglied des Port-Authority-Schreibzirkels. Ihre Geschichten wurden in verschiedenen Anthologien veröffentlicht. »Meeresleuchten« ist ihr erster Roman, der in Kanada begeistert aufgenommen wurde und auch international Beachtung fand. Melissa Barbeau lebt in Torbay, Neufundland.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextNeufundland: Das Forscherteam einer nahe gelegenen Universität hat in einem kleinen Hafen eine Forschungsstation eingerichtet, um das geheimnisvolle Phänomen des zuletzt häufig auftretenden Meeresleuchtens zu untersuchen. Der jungen Meeresbiologin Vivienne geht durch Zufall ein der Wissenschaft unbekanntes Wesen ins Netz: eine Art Fisch, doch Vivienne fühlt sich sofort emotional mit dem Wesen verbunden, das weibliche Merkmale trägt und offensichtlich zu starken Empfindungen fähig ist. Als Viviennes Vorgesetzte versuchen, die unglaubliche Entdeckung für ihre Zwecke auszunutzen, droht die Kreatur zu sterben, und Vivienne muss eine Entscheidung treffen.

Melissa Barbeau ist Gründungsmitglied des Port-Authority-Schreibzirkels. Ihre Geschichten wurden in verschiedenen Anthologien veröffentlicht. »Meeresleuchten« ist ihr erster Roman, der in Kanada begeistert aufgenommen wurde und auch international Beachtung fand. Melissa Barbeau lebt in Torbay, Neufundland.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641285470
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum12.04.2023
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2059 Kbytes
Artikel-Nr.10228716
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


AUF SEE

Die Nachtluft ist warm über dem leuchtenden Meer. Wellen schlagen gegen den Schiffsrumpf. Mit einem Platschen durchbricht etwas die Oberfläche der Bucht, und Vivienne wirft einen Blick über Bord. Die Luft riecht nach Salzwasser und brackiger Bilge. Die Brise weht auch Landgerüche herbei - Rauch von ersterbenden Feuern, die an den fernen Stränden wie entfachte Streichhölzer brennen, Heuwiesen, das Aroma der Wälder. Eine Welt der Düfte, bestehend aus Basis- und Kopfnoten, Gerüche, die vordergründig sind, und solche, die später kommen, die länger nachwirken. Wie Parfüm. Landgeräusche gibt es ebenfalls, aber sie sind weit weg und winzig. Splitter von Gelächter, das herzschlagartige Bassbrummen eines Radios, wie durch eine dicke Glasscheibe, immer leiser werdend, während die Nacht auf die Morgendämmerung zuschlurft.

Langsam schneidet das Boot eine Schneise durch eine phosphoreszierende Wolke. Vivienne hält es lange genug an, um etwas in eine Tabelle einzutragen - Dinoflagellaten -, und lässt den Motor leerlaufen. Der Mond hoch oben ist blau. Als sie zu ihm aufblickt, erstrahlt ihr Gesicht in seinem Schein. Once in a blue moon. Den Ausdruck hat sie natürlich schon einmal gehört. Once in a blue moon bedeutet: fast nie. Ungefähr dasselbe gilt für den alten Evinrude-Außenbordmotor. Fast nie startet er beim ersten Ziehen - Vivienne renkt sich, wenn sie ihn anwerfen will, oft beinahe die Schulter aus. Fast nie hört sie von Eliza. Und fast nie wird in dieser Bucht noch ein Wal gesichtet.

Aber heute ist es buchstäblich so. Der Mond ist blau, zumindest aus der Perspektive des Boots, das auf dem ruhigen Meer schaukelt. Vivienne versucht, ihn zu kategorisieren, sich vorzustellen, wo er im Farbspektrum einzuordnen ist. Näher an Grün als an Violett. Türkis mit einer Art Schimmern. Eine Täuschung durch atmosphärischen Druck oder Sternenstaub oder Smog oder irgendwelche Emissionen in der oberen Stratosphäre. Eine Fischschuppe am Himmel.

Was auch immer das Blau verursacht hat, dort hängt er, angeschwollen, schwanger, und das reflektierte Licht färbt die Luft und das Wasser und das kleine Boot. Sättigt alles in der Bucht, sogar Vivienne selbst, als wäre der Mond mit einem blauen Farbfilter versehen und als befände sie sich in einem Film.

Sie ist den ganzen Sommer über in Damson Bay gewesen und hat Proben gesammelt und Messungen durchgeführt. Die meiste Zeit hat sie mit Warten verbracht. Warten auf Genehmigungen und Warten darauf, dass das Wetter mitspielt. Warten auf Anrufe, die nie kommen. Warten am Ufer, während der Wind weht und die Brandung gegen die Flutgrenze schlägt, ganze Wochen hat sie wegen einiger Sommerstürme vergeudet. Warten auf ruhige Nächte und Tage. Warten auf Seegang ohne tückische Wellen.

Diese frühmorgendliche Exkursion hat sie damit begonnen, in Ufernähe herumzutuckern, hat sich in und um die Helling und das Pfahlwerk des Kais geschoben, ist entlang der rutschigen Felsen am Ende des Strands gefahren. Sie hat sich mit einem Thermometer über Bord gebeugt, um die Wassertemperatur zu messen, und Proben von den Quallenschwaden entnommen, die den Hafen verstopfen. Jetzt hat sie die schützende Ufernähe hinter sich gelassen und ist um die Ecke in die weite Bucht gebogen. Sie fährt dicht an die Granitfelswand heran und schaltet den Motor aus. Das Boot driftet in der Strömung in einem lethargischen Kollisionskurs zum Steilhang. Die Ozeanwelt unter dem Kiel zu ihren Füßen ist eigenartig und fantastisch. Vivienne leuchtet mit einer Taschenlampe ins Wasser. Der Lichtstrahl fängt Krebse ein, die zwischen winkenden Seetangwedeln herumhuschen. Plattfische schwimmen auf das Licht zu.

Vivienne holt Quallen hoch, wiegt sie und hält ihre Größe und die Anzahl und die Art mit einem wasserfesten Stift in einer laminierten Tabelle fest, bevor sie die meisten zurückwirft. Manche lässt sie in Plastikbehälter voller Meerwasser fallen, den Fundort auf den Deckeln vermerkt, bevor sie zum nächsten Standort fährt, wo sie wieder von vorn beginnt. Ihre Augen gewöhnen sich an die Dunkelheit, noch während der erste Hauch des Sonnenaufgangs den Horizont erwärmt. Quallen mit gewölbten Oberseiten und herunterhängenden Tentakeln und Seestachelbeeren mit fluoreszierenden Bändern gleich Landebahnen, die sich über ihre ganze Länge hin erstrecken und bei der Nahrungsaufnahme leuchten, pulsieren durchs Wasser. Vivienne holt eine Handangel vom Boden des Boots und wirft den Pilker über Bord aus, beobachtet, wie sich die flaschengrüne Schnur abspult. Am Haken haben sich zwei schillernde Körper verfangen, die er nun auf dem Weg zum Meeresboden mit sich in die Tiefe reißt.

Die Fischer in der Bucht hatten sie damals im Juni, nachdem sie den bleiernen, blind vom Bootsboden hochstarrenden Köder erspäht hatten, ermahnt, die Saison beginne erst in ein paar Wochen. Man hatte sie vor der Beamtin des DFO, des Department of Fisheries and Oceans, gewarnt und ihr diese Frau bis hin zu den raupenartigen Augenbrauen beschrieben. Sie hatten ihr Geschichten von beschlagnahmten Booten, von Anhängern und Lastwagen erzählt, die direkt am Strand konfisziert wurden, doch ihre Mienen hatten sich verändert, als sie ihnen die Genehmigung zur Probenentnahme zeigte, die Erlaubnis, außerhalb der Saison zu fischen, und zwar so viel sie wolle. Die Genehmigung hatte sie zur Beschwichtigung gezückt und mit dem Plastik-Ziplocbeutel, der sie vor der Feuchtigkeit schützen sollte, herumgewedelt und davon gefaselt, sie sammle Quallen fressende Raubfische, falls sie denn welche finden könne. Sie hatte angefangen, sich nach den größten Jägern hier in der Gegend zu erkundigen - Meeresschildkröten und Thunfische -, bis sie merkte, dass um sie herum vollkommenes Schweigen herrschte. Ihre Stimme verlor sich, als sie fragte, ob man hier je Haie sehe, und jemand antwortete, ja, sicher. Das Schweigen war tief wie ein Brunnen, und sie war hineingestürzt, oder vielleicht hatte man sie auch gestoßen.

Dennoch gab es Warnungen und Ratschläge, als sie von ihren Plänen sprach, allein hinauszufahren. Allgemeines Kopfschütteln angesichts der Vorstellung von ihr des Nachts allein auf dem Wasser.

Vivienne dreht die hölzerne Angelspule in trägen Kreisen. Der Meeresboden scheint weit unten zu sein, das Boot ist abgedriftet, während sie töricht zum Mond hochschaute. Sie bewegt die Angelschnur, ein gemächliches, stetes Auf und Ab. Langeweile und Meditation. Das viele Pilken mit der Handleine den Sommer über hat die Farbe vom Rand des wellentraktierten Dollbords abgerieben. Vivienne spürt, dass etwas an der Schnur zerrt, und beginnt zu ziehen, eine Hand nach der anderen, bis die Schnur schlaff wird. Sie zieht weiter, denn manche Fische schwimmen mit der Schnur nach oben. Noch zweimal, linke Hand über der rechten, und die Schnur spannt sich wieder. Das Gewicht! Ein großer Kabeljau oder vielleicht sogar der Heringshai, von dem man ihr erzählt hatte, es gebe ihn in der Bucht. Kühn genug, um emporzuschnellen und einen Fisch direkt von einer Angelleine zu holen, Fischer ziehen einen Kabeljau hoch, und sein Hinterteil ist glatt abgebissen. Ihre Hände tun allmählich weh, und der Schmerz, der seit zwei Wochen in ihrem Rücken schlummert, flammt zwischen den Schulterblättern heftig auf. Eine Gestalt wird auf dem Weg zur Wasseroberfläche deutlicher erkennbar, bei ihrem Anblick verfängt sich Viviennes Atem in ihrer Kehle wie an einem Angelhaken, und es folgt ein Moment, als die Schnur an der Rudergabel hängen bleibt und sie befürchtet, sie werde ihr aus den Händen gleiten, aber dann zieht sie ein letztes Mal und zerrt ihren Fang über die Seite und direkt in die Plastikfischkiste am Boden des Boots.

Die Kreatur ist länger als die Kiste und dünn, ihre Schwanzflossen hängen über den Rand, Seetang tropft von ihren Schultern. Sie könnte sich über die Seite des Boots stemmen und zurück ins Wasser springen, aber der Haken steckt in ihrer Wange, und während sie zappelt, verheddert sich die Schnur um ihren seetangübersäten Rumpf, und es vergehen nur Momente, so scheint es, bis sie keuchend und reglos am Bootsboden liegt.

Vivienne greift sofort nach dem Eiscreme-Eimer, den sie sonst zum Schöpfen von Wasser aus dem Boot benutzt, und beugt sich über Bord, zu einem umgekehrten Schöpfen, um die Fischkiste fünf Zentimeter hoch mit Meerwasser zu füllen. Die Kreatur schiebt, nach Sauerstoff schnappend, eine Seite ihres mit Kiemen bewehrten Gesichts in die Lache. Sie liegt auf dem Haken, der sich in ihr Gesicht gegraben hat, und während sie mühsam nach Atem ringt, drückt er sich tiefer in ihr Fleisch. Rote Blütenblätter blühen unter ihrer Wange auf und durchziehen das Wasser. Es erinnert Vivienne an einen Teebeutel, der das Wasser in einer Tasse Tee verfärbt, wenn man ihn mit einem Löffel ausdrückt, und sie fragt sich, was passieren würde, wenn sie mit dem Fuß auf das Gesicht der Kreatur treten würde.

Die Luft ist warm. Das Meer leuchtet. Ein Beben durchläuft den Körper der Kreatur, und dann liegt sie still da. Vivienne glaubt, dass sie das Bewusstsein verloren hat. Sie fragt sich, ob sie atmen kann. Einen Augenblick, einen einzelnen Atemzug lang, während das Boot auf dem strahlenden Meer kaum schaukelt, stellt Vivienne sich vor, wie sie den Haken des Pilkers vom Gesicht der Kreatur löst. Sie stellt sich vor, wie sie den Fisch aus der Plastikkiste ins Meer kippt, in einem roten Wasserfall, und wie das Rot in den endlos schlagenden Wellen zu Pink verblasst und dann zu nichts. Vivienne stellt sich vor, wie die Kreatur davonschwimmt, mit dem Schwanz aufs Wasser schlägt, doch bevor der Fisch unter den Wellen abtauchen kann, verschwindet die Fantasievorstellung.

Stattdessen springen...

mehr

Autor

Melissa Barbeau ist Gründungsmitglied des Port-Authority-Schreibzirkels. Ihre Geschichten wurden in verschiedenen Anthologien veröffentlicht. »Meeresleuchten« ist ihr erster Roman, der in Kanada begeistert aufgenommen wurde und auch international Beachtung fand. Melissa Barbeau lebt in Torbay, Neufundland.