Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Wir und die Flüchtlinge

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
112 Seiten
Deutsch
Christian Brandstätter Verlagerschienen am21.11.20221. Auflage
Während Migration immer öfter als politisches Druckmittel eingesetzt wird - etwa bei der russischen Invasion der Ukraine oder im Syrien-Krieg - wird bei größeren Fluchtbewegungen in Europa rasch die Frage aufgeworfen: Gefährdet irreguläre Migration die Demokratie? Der Migrationsexperte Gerald Knaus zeigt, wie sehr Flucht auch unsere Werte infrage stellt: Ist es moralisch, zwischen Flüchtlingen und anderen Migranten zu unterscheiden? Oder unmoralisch, es nicht zu tun? Sind wir besonders empathisch, weil Europa in den letzten Jahren weltweit am meisten Geflüchtete aufgenommen hat? Oder Heuchler, weil an Europas Grenzen mehr Menschen sterben als irgendwo anders? Über Flucht zu sprechen heißt, auch über Moral, Politik und die Natur des Menschen zu sprechen. Zugleich zeigt Knaus auf, wie Lösungen für humane Grenzen und mehr Schutz für Flüchtende aussehen.

Gerald Knaus berät als international gefragter Experte Regierungen und Institutionen bei den Themen Flucht, Migration und Menschenrechte. Der in Salzburg geborene und heute in Berlin lebende Gründungsdirektor der Denkfabrik European Stability Initiative (ESI) studierte er Philosophie, Politik und Internationale Beziehungen in Oxford, Brüssel und Bologna, war Gründungsmitglied des European Council on Foreign Relations und Associate Fellow am Carr Center for Human Rights Policy der Harvard University's John F. Kennedy School of Government. 2020 erschien im Piper-Verlag sein Spiegel-Bestseller Welche Grenzen brauchen wir?. Dr. Hannes Androsch war Finanzminister und Vizekanzler in der Ära Kreisky, Generaldirektor der CA und ist heute als Industrieller tätig. Gemäß seinem Selbstverständnis als Citoyen ist er vielfältig engagiert. Er ist ein gefragter Kommentator zum Zeitgeschehen sowie Herausgeber und Autor zahlreicher Publikationen.
mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR15,99

Produkt

KlappentextWährend Migration immer öfter als politisches Druckmittel eingesetzt wird - etwa bei der russischen Invasion der Ukraine oder im Syrien-Krieg - wird bei größeren Fluchtbewegungen in Europa rasch die Frage aufgeworfen: Gefährdet irreguläre Migration die Demokratie? Der Migrationsexperte Gerald Knaus zeigt, wie sehr Flucht auch unsere Werte infrage stellt: Ist es moralisch, zwischen Flüchtlingen und anderen Migranten zu unterscheiden? Oder unmoralisch, es nicht zu tun? Sind wir besonders empathisch, weil Europa in den letzten Jahren weltweit am meisten Geflüchtete aufgenommen hat? Oder Heuchler, weil an Europas Grenzen mehr Menschen sterben als irgendwo anders? Über Flucht zu sprechen heißt, auch über Moral, Politik und die Natur des Menschen zu sprechen. Zugleich zeigt Knaus auf, wie Lösungen für humane Grenzen und mehr Schutz für Flüchtende aussehen.

Gerald Knaus berät als international gefragter Experte Regierungen und Institutionen bei den Themen Flucht, Migration und Menschenrechte. Der in Salzburg geborene und heute in Berlin lebende Gründungsdirektor der Denkfabrik European Stability Initiative (ESI) studierte er Philosophie, Politik und Internationale Beziehungen in Oxford, Brüssel und Bologna, war Gründungsmitglied des European Council on Foreign Relations und Associate Fellow am Carr Center for Human Rights Policy der Harvard University's John F. Kennedy School of Government. 2020 erschien im Piper-Verlag sein Spiegel-Bestseller Welche Grenzen brauchen wir?. Dr. Hannes Androsch war Finanzminister und Vizekanzler in der Ära Kreisky, Generaldirektor der CA und ist heute als Industrieller tätig. Gemäß seinem Selbstverständnis als Citoyen ist er vielfältig engagiert. Er ist ein gefragter Kommentator zum Zeitgeschehen sowie Herausgeber und Autor zahlreicher Publikationen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783710606571
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum21.11.2022
Auflage1. Auflage
Seiten112 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1229 Kbytes
Artikel-Nr.10286377
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Dass Gewalt und Rechtsverletzungen an Europas Grenzen so gut belegt sind, ist nicht selbstverständlich, sondern das Ergebnis einer enormen Anstrengung. In den letzten Jahren haben Medien aus ganz Europa zusammengearbeitet, um Gewalt an den EU-Außengrenzen zu dokumentieren. Im Oktober 2021 schrieb Der Spiegel, seine Journalisten hätten »mehr als acht Monate lang an den EU-Außengrenzen in Griechenland und Kroatien recherchiert - gemeinsam mit den europäischen Partnermedien Lighthouse Reports, SRF-Rundschau, ARD-Studio Wien, dem ARD-Magazin Monitor, Libération, Novosti, RTL Kroatien und Pointer.« Berichte dazu lesen sich wie das Drehbuch für einen Film:

»Die beteiligten Reporterinnen und Reporter legten sich selbst auf die Lauer, als Fischer verkleidet. Sie steuerten Drohnen über die Grenzgebiete und werteten Satellitenaufnahmen und Hunderte weitere Videos aus, die ihnen zugespielt wurden. Sie sprachen mit mehr als einem Dutzend Quellen in den Sicherheitsbehörden und verfolgten die digitalen Spuren der Männer, die mit ihren Masken und Schlagstöcken auf Instagram und Facebook posieren.«6

Tatsächlich sollten sich ein Drehbuchschreiber und eine Regisseurin dieser Geschichte annehmen und einen Film über Tatorte, dunkle Geheimnisse und über die Verantwortung, die Macht und die Grenze des Einflusses freier Medien drehen. Es wäre eine Erzählung über Journalistinnen und Journalisten, die angesichts der Geschichten, die sie aufdecken, immer fassungsloser werden. Und die sich zunehmend machtlos fühlen, als sie bemerken, dass selbst schockierende Berichte an der beschriebenen Politik nichts ändern.

Ein Film, basierend nur auf wahren Ereignissen.
Szene 1: AyÅes Flucht

Wir sind an der griechisch-türkischen Grenze, mit einem Blick von oben auf den oft unterschätzten, lebensgefährlichen Grenzfluss, den Evros. Dazu eingeblendet ein Datum: Mai 2019.

Wir sehen die 28-jährige Mathematiklehrerin AyÅe ErdoÄan und ihre zwei Begleiter, die sich eines Morgens in der Nähe eines griechischen Dorfs verstecken. Die drei haben gerade erst den Fluss überwunden, sind aus der Türkei, wo AyÅe zu sechs Jahren Haft verurteilt worden war, nach Griechenland geflohen. Der Spiegel recherchierte und beschrieb ihre Geschichte:

»AyÅe ErdoÄan durfte bis zum Beginn ihrer Revisionsverhandlung das Gefängnis verlassen, allerdings nur unter der Auflage, im Land zu bleiben ⦠AyÅe ErdoÄan möchte einen Asylantrag stellen. Die Türkin will das Recht in Anspruch nehmen, das die Europäische Union jedem Menschen gewährt, der europäischen Boden erreicht. Zumindest in der Theorie.

Wir sind politische Asylbewerber , sagt AyÅe ErdoÄan in die Kamera. Wir fliehen vor türkischer Verfolgung. Wir verstecken uns in Nea Vyssa und haben Angst vor einem Pushback. Sie schickt die Videos an ihren Bruder Ihsan, der zu diesem Zeitpunkt bereits in Athen ist. Ein Journalist wird sie später auf Twitter veröffentlichen, die griechische Zeitung Kathimerini über ihren Fall berichten. AyÅe ErdoÄan schickt ihrem Bruder ihren Standort per WhatsApp. Außerdem schreibt sie E-Mails an griechische Menschenrechtsanwälte und an den Chef des Uno-Flüchtlingshilfswerks UNHCR ⦠Noch am selben Tag wird AyÅe ErdoÄan über den Evros zurück in die Türkei gebracht. Türkische Grenzbeamte greifen sie am nächsten Morgen um 8.10 Uhr auf, sperren sie ins Gefängnis. Am Tag darauf wird sie verurteilt, weil sie das Land illegal verlassen hat.«7

In Griechenland regierte damals noch der linke Premierminister Alexis Tsipras. Es folgen Originalaufnahmen: Wir sehen ihn, wie er im Parlament darüber spricht, wie wichtig es ist, Flüchtlinge menschlich zu behandeln. Wir sehen auch den Parteichef der damals wichtigsten Oppositionspartei, Kyriakos Mitsotakis, der der Regierung Tsipras Menschenrechtsverletzungen vorwirft und die Behandlung von Flüchtlingen in griechischen Aufnahmelagern kritisiert. Dann sehen wir, wie sich Mitsotakis im Juli 2019 über seinen Wahlsieg freut. Und nun, als neuer Premierminister, vor der Frage steht: Wie sollen sich griechische Grenzschützer verhalten?
Szene 2: Rechte auf dem Papier

Hier kommt ein Erzähler ins Spiel, der den Zuschauerinnen und Zuschauern den Hintergrund des nun Gezeigten in einfachen Worten erklärt: Es geht um das gültige Recht in der Europäischen Union, einer Gemeinschaft von Rechtsstaaten mit der größten Dichte von Menschenrechtsorganisationen in der Geschichte der Menschheit. In der Hand hält der Erzähler Dokumente, aus denen er jeweils einen Satz vorliest, um sie dann theatralisch in eine offene Mülltonne am staubigen Straßenrand der griechischen Insel zu werfen, auf der er sich befindet:

Die Genfer Flüchtlingskonvention.

Die Europäische Menschenrechtskonvention.

Die Kinderrechtskonvention.

Die Antifolterkonvention der Vereinten Nationen.

Die Europäische Konvention gegen Folter.

Die Europäische Grundrechtecharta.

Der Schengener Grenzkodex.

Die EU-Verfahrensrichtlinie (für Asylverfahren).

Und zuletzt ein Handbuch, Ausgabe 2020, herausgegeben vom Europarat und der Europäischen Grundrechteagentur in Wien, zwei der wichtigsten Menschenrechtsorganisationen in Europa: das Handbuch zu den europarechtlichen Grundlagen im Bereich Asyl, Grenzen und Migration.8 »Was haben alle diese Texte gemeinsam?«, fragt der Erzähler: »Überall steht, dass man Männer, Frauen, Kinder, Migranten, Asylsuchende, ja jeden, auf den Grenzbeamte an der Grenze stoßen, menschenwürdig behandeln muss. Das ist das Wichtigste, was Sie wissen müssen.«

Dann werden noch zwei Begriffe erklärt. Erstens: Nichtzurückweisung, vom Französischen abgeleitet: non-refoulement.

»Das Prinzip der Nichtzurückweisung - Non-Refoulement verbietet die Ausweisung, Auslieferung oder Rückschiebung von Personen, wenn die Annahme besteht, dass ihnen im Zielland Folter, unmenschliche Behandlung oder schwere Menschenrechtsverletzungen drohen.«

Zweitens: Pushbacks. Dabei handelt es sich, laut dem Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die Rechte von Migranten, um »Maßnahmen von Staaten, die dazu führen, dass Asylbewerber einfach in ein Land zurückgeschoben werden, ohne dass sie Zugang zu Asylverfahren haben, und ihnen so eine individuelle Prüfung ihrer Schutzbedürftigkeit verweigert wird.« »Pushbacks sind das, was das Nichtzurückweisungsverbot verbietet«, erklärt der Erzähler, setzt sich an den Tisch eines griechischen Lokals und bestellt einen Kaffee.
Szene 3: Gulzars Tod

Wir sind wieder am Evros. Wir sehen Tausende verzweifelte Männer, Frauen und Kinder, griechische und türkische Polizei und Militär, Tränengas und Gewalt. Es ist chaotisch. Wenige Tage zuvor rief der türkische Präsident bei einer Rede im kitschigen Dolmabahçe-Palast am Bosporus Migranten und Flüchtlinge in der Türkei dazu auf, die Landgrenze Richtung Griechenland und EU zu überqueren, da die EU nicht mehr bereit sei, die Türkei, das Land mit den meisten Flüchtlingen in der Welt, wie versprochen angemessen zu unterstützen. Mit Bussen wurden danach Tausende aus Istanbul an die griechische Grenze gebracht. Auch Muhammad Gulzar macht sich mit seiner Frau auf den Weg. Die beiden haben Anfang des Jahres in Istanbul geheiratet. Sie erreichen die Grenze, doch dort finden sie kein Durchkommen. Kurz bevor das Paar aufgibt, um nach Istanbul zurückzukehren, wird Gulzar von einem Schuss tödlich getroffen. Der Schuss kam von der griechischen Seite des Flusses.

Das ist der Auslöser eines journalistischen Großprojektes. Mit dabei sind unter anderem Reporterinnen von Der Spiegel, Mitarbeitende einer neu gegründeten niederländischen Organisation, Lighthouse Reports, und Forschende des Recherchekollektivs Bellingcat, das bald mit dramatischen Enthüllungen zu russischen Geheimdiensten Geschichte schreiben wird. Sie versuchen gemeinsam, Gulzars Tod aufzuklären:

»[Reporter haben] wochenlang auf beiden Seiten der Grenze recherchiert, mehr als zwei Dutzend Augenzeugen befragt, Flüchtlinge, Grenzschützerinnen, Politiker, Ärzte. Sie werteten offizielle Dokumente aus, darunter den Autopsiebericht von Muhammad Gulzar. Die Analysten haben mehr als 100 Videos und Fotos gesichtet, die Migrantinnen und Migranten an der Grenze aufgenommen haben. Die Ergebnisse der Recherche widersprechen den offiziellen Darstellungen, gerade den griechischen, in entscheidenden Punkten. Der Tod von Muhammad Gulzar war vermutlich ein Unglück. Doch...
mehr

Autor

Gerald Knaus berät als international gefragter Experte Regierungen und Institutionen bei den Themen Flucht, Migration und Menschenrechte. Der in Salzburg geborene und heute in Berlin lebende Gründungsdirektor der Denkfabrik European Stability Initiative (ESI) studierte er Philosophie, Politik und Internationale Beziehungen in Oxford, Brüssel und Bologna, war Gründungsmitglied des European Council on Foreign Relations und Associate Fellow am Carr Center for Human Rights Policy der Harvard University's John F. Kennedy School of Government. 2020 erschien im Piper-Verlag sein Spiegel-Bestseller Welche Grenzen brauchen wir?.

Dr. Hannes Androsch war Finanzminister und Vizekanzler in der Ära Kreisky, Generaldirektor der CA und ist heute als Industrieller tätig. Gemäß seinem Selbstverständnis als Citoyen ist er vielfältig engagiert. Er ist ein gefragter Kommentator zum Zeitgeschehen sowie Herausgeber und Autor zahlreicher Publikationen.