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Wiener Anwaltsterben

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
250 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am08.03.2023
Gruppeninspektor Frank Karl wird zu einem Tatort in der Wiener Innenstadt bestellt. Der Kieberer wird jedoch unerwartet von dem Fall abgezogen, denn seinen Vorgesetzten quälen andere Sorgen: Seine Tochter liest, von ihrer Gymnasiallehrerin angeregt, obszöne Texte, die sich schnell als Zitate aus der Weltliteratur herausstellen. Frank Karl klappert die Wohnungen der empörten Eltern ab. Dabei begegnet er nicht nur einzigartigen Exemplaren der Wiener Gesellschaft, sondern stolpert auch ins Bett der Lehrerin - und über die Leiche eines prominenten Anwalts.

Reinhardt Badegruber wurde 1953 in Oberösterreich geboren und ist in Kärnten zur Schule gegangen. Er studierte Kommunikationswissenschaften und Slawistik in Wien und Warschau und war anschließend 39 Jahre lang als Redakteur und Regisseur im ORF tätig, unter anderem als Mitarbeiter der TV-Parlamentsredaktion und Chef der 'Rasenden Reporter' von Radio Wien. Zudem moderierte er Radio-Shows wie 'Sprechen Sie Wienerisch?', 'Schätzen Sie Wien?' und das 'Grätzelquiz'. Badegruber hat 10 Wiener Kriminalerzählungen und Romane veröffentlicht.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,50
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR11,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextGruppeninspektor Frank Karl wird zu einem Tatort in der Wiener Innenstadt bestellt. Der Kieberer wird jedoch unerwartet von dem Fall abgezogen, denn seinen Vorgesetzten quälen andere Sorgen: Seine Tochter liest, von ihrer Gymnasiallehrerin angeregt, obszöne Texte, die sich schnell als Zitate aus der Weltliteratur herausstellen. Frank Karl klappert die Wohnungen der empörten Eltern ab. Dabei begegnet er nicht nur einzigartigen Exemplaren der Wiener Gesellschaft, sondern stolpert auch ins Bett der Lehrerin - und über die Leiche eines prominenten Anwalts.

Reinhardt Badegruber wurde 1953 in Oberösterreich geboren und ist in Kärnten zur Schule gegangen. Er studierte Kommunikationswissenschaften und Slawistik in Wien und Warschau und war anschließend 39 Jahre lang als Redakteur und Regisseur im ORF tätig, unter anderem als Mitarbeiter der TV-Parlamentsredaktion und Chef der 'Rasenden Reporter' von Radio Wien. Zudem moderierte er Radio-Shows wie 'Sprechen Sie Wienerisch?', 'Schätzen Sie Wien?' und das 'Grätzelquiz'. Badegruber hat 10 Wiener Kriminalerzählungen und Romane veröffentlicht.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839274842
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum08.03.2023
Seiten250 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.10294168
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Kapitel 2

Der Tatort lag im vierten Stock eines Jahrhundertwendepalazzos auf der Tuchlauben 44. Frank Karl rumpelte mit dem Mahagonilift hinunter zur »Ebenen Erde«. Wie in diesen schönbrunnergelben Stadthäusern üblich, verlangte eine Metallplakette im Fahrstuhl, man solle 50 Cent in den Schlitz neben dem Start-Knopf schmeißen. Nur die privilegierten, finanziell ohnedies gut ausgestatteten Dauermieter waren im Besitz eines Liftschlüssels, der es ihnen gestattete, ohne Münzeinwurf vor die Tür ihrer Appartements zu schweben. Vor dem Hinauffahren hatte der Gruppeninspektor daher den Hausmeister suchen müssen. Weil dieser nicht sofort kapiert hatte, dass eine Gratisfahrt angesagt war, hatte ihm Frank Karl einen Tritt in den Arsch verpassen müssen. Gleichzeitig hatte er seine Kripo-Marke gezückt. In diesem Augenblick hatte der Jugo sofort verstanden, worum es ging. Er hatte ein betretenes Gesicht gemacht. Jetzt, vor der Talfahrt, hatte der Serbe dem Kieberer sogar die Tür aufgehalten. »Ich bin Liftboy!«, hat er den Gruppeninspektor süßlich angewitzelt. Dann sagte er andächtig: »Kurvin sin«, Hurensohn, was ins Wienerische übersetzt hieß: »Alter, pass nur auf, dass ich dich nicht allein in der Nacht in einer Seitengasse erwische.« Als Frank Karl aus dem Torbogen mit dem Schmiedeeisengitter schritt, schrie ihm der Jugo »Kurac«5 nach. Da wirbelte der Kieberer6 um die Fersenachse, sprang auf den Jugo zu. So viel Ehrlichkeit musste belohnt werden. Er drückte dem Mann einen Fünfer in die Hand.

Frank Karl überlegte, ob er sich ins Café Korb werfen oder das alte Wiener Beisl in der Kleeblattgasse aufsuchen sollte. Er entschied sich für die Kleeblattgasse. Der Waldviertler Kellner, der Herr Franz, stellte ihm, ohne zu fragen, ein Krügel auf den Tisch. »Ein Schnitzel, wie ich annehme?« »Nein«, fuhr ihm der Kieberer über die Panier7, »ich nehm heute eine Blutwurst.« »A Blunzen?«, gab sich der Kellner erstaunt. »Ja, aus beruflichen Gründen.« Fünf Minuten später blieben ihm die Rösti, die er gerade in den Mund schaufelte, im Schlund stecken. Ein Student am Nebentisch hatte soeben aus Albert Camus Der Fall zitiert. Das war ungeheuerlich. Der Jüngling las: »Ein einziger Satz wird â¦ zur Beschreibung des modernen Menschen genügen: Er hurte und las Zeitungen.« Frank Karl hustete. »Welch fataler Irrtum«, belehrte er. »Wer hurt denn heute noch, wo es Aids und die Pornos im Internet gibt.« Und: »Zeitungen liest der moderne Mensch schon gar nicht. Er zieht Twitter, Instagram und Facebook vor.« Der Kieberer spürte Zwiebel in seinen Augen. »Dieser verdammte Camus!« Ihm taten die jungen Menschen am Nebentisch leid. »Unsäglich! Wie kann man heutzutage noch einem Existenzialisten auf den Leim gehen.« »Ist mit der Blutwurst was nicht in Ordnung?«, wollte der Herr Franz wissen, als der Gruppeninspektor aufsprang. »Heut ist mir alles zu viel! It s a bloody Monday.« Frank Karl warf zwei Zwanziger auf das Tischtuch. Viel zu viel, aber auch das war ihm wurscht. In ihm stieg archaische Wut auf. Er marschierte um die Peterskirche herum. An der Pestsäule Am Graben8 angekommen, hatte er keine Chance mehr, nach seinem Willen zu gehen. »Am besten ist, man zwängt sich in eine dieser Touristentrauben, die von einer Brillenschlange mit Touristenwimpel angeführt werden. In dieser chinesischen, japanischen oder koreanischen Gruppe wirst du automatisch zum Stock im Eisen9 geschoben.« An der Trichtermündung zur Kärntner Straße platzte die Menschenblase. Sie löste sich auf. Frank Karl jaulte wie ein Hund. Er krümmte sich. Ein Italiener hatte ihm einen Stoß in die Magengrube versetzt. Mit dem Ellenbogen. Unabsichtlich. »Scusi!« In seinem Schmerz humpelte der Gruppeninspektor die Rolltreppe zur U-Bahnstation Stephansplatz hinab. In der Tiefe des Tunnels stank es nach Leim und Kadaver. Hier hatte der Teufel gepfurzt. Von der roten U1 wechselte er in die violette U2, fuhr bis zum Schottentor. Dort ließ er sich ans Tageslicht spülen. Noch 50 Meter, dann war er daheim, in jener Bierschwemme, in der er seine Jugend verschwendet hatte. Er krachte seinen Arsch auf einen Klappsitz im Schanigarten. Sofort schossen ihm die Blutbilder vom Tatort ins Hirn: eine exzessive Orgie, wie ein Prachtgemälde an einem Hochaltar. Auf Kirchenbildern wird gepeitscht, gezwackt, gestochen, gesotten, gerädert und enthauptet. Junge Körper werden gequält, denn: Schönheit gehört bestraft. Die Computerkids von heute machen es den Gläubigen nach. Sie holen sich in Games Altarbilder auf Laptops ins Kinderzimmer. Da werden Weltraumritter massakriert. Blutvulkane ejakulieren. Frank Karl überlegte: Vielleicht projizieren die IT-Nachwuchs-Cops von der Spurensicherung in ihrer Einschätzung auch bloß Spielfantasien an die blutige Wand. Die sind doch auch nur Ausgeburten dieser binären Grausamkeit: Da hat ein Perverser eine Jungfrau geschlachtet. Eine einfache, griffige Aufklärungshypothese. Die jungen Polizisten sind oversext. Dazu der Testosteron-Flash. »Rüden schlecken ihre Eier«, schreiben lateinamerikanische Schriftsteller. »Was aber ist«, flüsterte ihm der Ernüchterer in seinem Schädel zu, »wenn sich die Frau freiwillig an die Wand geworfen hatte? Wollte sie Abklatsch sein?«

Beim Stichwort »geil« klickte der Computer in Frank Karls Hirn. Die Festplatte spuckte ein Erinnerungs-Video aus. Ilse, die junge Polizistin aus dem Tatortteam, war ihm beim Verlassen der blutigen Wohnung in die Arme gelaufen. Frech wie immer: »90 Prozent der Gewalttaten gegen Frauen werden durch Familienangehörige verübt. Die Täter sind Brüder, Ehegatten, Väter, Onkel und Großväter, meistens ältere Männer.« Bei »ältere Männer« hatte ihm Ilse ihren Blick in den Brustkorb genagelt. »Soll ich mich jetzt fremdschämen?«, hatte er zurückgeschnauzt. Aus ihren Augen sprach der Satz: »So einem Sandler wie dir ist ein derartiges Massaker durchwegs zuzutrauen.« Irgendwie konnte er Ilse verstehen, denn er selbst vermied es tunlichst, nach dem Aufstehen in den Badezimmerspiegel zu schauen, denn er wollte nicht gleich in der Früh kotzen. Er hasste diese Krähe, die ihm aus dem Glas entgegenglotzte, schließlich war er schon mit 30 ein Klon seines eigenen Großvaters gewesen. Seine »Verwendung« im Kriminaldienst hatte er dem seinerzeitigen Polizeipräsidenten zu verdanken, weil er gemeinsam mit dem »Gottöbersten« eine Zeit lang die Schulbank der Universität gedrückt hatte. Was Frank Karl damals studiert hatte, - war es Geschichte, Germanistik oder Psychologie? - war ihm nicht mehr erinnerlich, denn er hatte über zehn Studien abgebrochen, was ihn aber für die Kripo prädestinierte, denn auf diese Weise hatte er viele der führenden Verbrecher von heute schon in der Frühphase ihrer Karriere kennengelernt.

»Wie kann man als Wiener Kieberer«, schnauzte ihn sein direkter Vorgesetzter, der Oberst F., schon beim Vorstellungsgespräch an, »bloß Frank Karl heißen? Das ist vollkommen unösterreichisch!«

»Sie haben recht, Herr Oberst«, schlug Frank Karl die Hacken zusammen, »mein Vater war Piefke10, aber er ist schon zwei Jahre nach meiner Geburt nach Deutschland abgehaut. Es war der Exekutor hinter ihm her.«

Der Oberst räusperte sich verlegen, denn er wollte keineswegs in den Ruch der Fremdenfeindlichkeit geraten, zumal die »Bundesrepublikaner« mit den Türken das größte Gastarbeiterkontingent stellten. »Na ja«, hüstelte er gutmütig, »für seinen Familiennamen kann man ja schließlich nichts.« Dann jammerte er aber dennoch: »Wenn Sie wenigstens Karl Frank hießen.«

»Soll ich mich auf Matuschek umtaufen lassen?«, fragte Frank Karl unschuldig.

Fast wäre der Oberst explodiert. Häkelte11 ihn der Typ? Zuletzt entschied er sich aber für einen jovialen Abgang: »Eines muss man Ihnen lassen: Den Wiener Schmäh haben Sie drauf.«

»Was hältst du von dem Vogel?«, fragte damals der Oberst den erfahrenen Kriminalbeamten Gustav Loiber, der den »frisch g fangten Frank« unter seine Fittiche nehmen sollte. Der Loiber zuckte bloß mit den Achseln: »Bist du frank und bist du frei, komm zur Wiener Polizei.«

*

Oberst F. ist Frank Karls direkter Vorgesetzter, von Anfang an ein Berufsfreund, wobei in Wien ein »Berufsfreund« oft ein »Intimfeind« ist. Nur ist man halt mit diesem per Du. Frank Karl will seinem Berufsfreund seine Interpretation des Blutbildes auf der Tuchlauben darlegen. Doch der Oberst interessiert sich im Augenblick nicht für experimentelle Aktmalerei. Ihn verletzt gerade obszöne Poesie.

»Du pädophiles Schwein!«, schrie der Oberst und knallte ihm einen Papierstoß auf den Mittagstisch. »Was hast du dir dabei gedacht, derartig perverse Schriften auf den Tisch im Sitzungszimmer zu platzieren.«

»Was hab ich?«

»Du hast pornografischen Schmutz deponiert.«

»Wie bitte?«

Jetzt zog der Oberst zum Beweis ein Blatt aus dem Papierpacken, der vor ihm lag, und begann zu rezitieren:

»â¦ sie zwickte mich / und sprach: >Ich möchte gern poussieren / am Waldesrand. / [â¦] >Könnt Ihr, Herr, das Spielchen Pümpel stecken ?Ja, das kann ich! Legt Euch darunter. ich brachte es sogleich, schob ihr, ganz nach ihrem Wusch, / meinen Pümpel zwischen ihre Beine, / Als sie das so spürte, staunte sie! /[â¦] Dieser Spaß wurd ihr zu...

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Autor

Reinhardt Badegruber wurde 1953 in Oberösterreich geboren und ist in Kärnten zur Schule gegangen. Er studierte Kommunikationswissenschaften und Slawistik in Wien und Warschau und war anschließend 39 Jahre lang als Redakteur und Regisseur im ORF tätig, unter anderem als Mitarbeiter der TV-Parlamentsredaktion und Chef der "Rasenden Reporter" von Radio Wien. Zudem moderierte er Radio-Shows wie "Sprechen Sie Wienerisch?", "Schätzen Sie Wien?" und das "Grätzelquiz". Badegruber hat 10 Wiener Kriminalerzählungen und Romane veröffentlicht.