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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
188 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am08.03.2023
Ostfriesland steht für Ruhe, Erholung, Abgeschiedenheit. Aber Ostfriesland ist auch das Land der Gegensätze. Daraus ergeben sich allerhand Konflikte, in denen die Frontlinien oft überraschend verlaufen. Umweltschutz gegen Windkraft, Landwirte gegen sauberes Wasser, Vermieter gegen Fremde - kaum zu glauben, wie fies die Friesen werden können! Dann kocht den angeblich so kühlen Küstenbewohnern das Blut, und die Wogen der Erregung schlagen hoch. Schon wird aus manchem Nordlicht ein Mordlicht ...

Peter Gerdes, 1955 geboren, lebt in Leer (Ostfriesland). Er studierte Germanistik und Anglistik, arbeitete als Journalist und Lehrer. Seit 1995 schreibt er Krimis, seit 1999 ist er Leiter des Festivals 'Ostfriesische Krimitage'. Von 2011 bis 2022 betrieb er mit seiner Ehefrau Heike die Krimibuchhandlung 'Tatort Taraxacum' mit Café, Weinstube und Kleinkunstbühne in Leer. Für das SYNDIKAT organisiert er seit 2018 das jährliche Krimifest CRIMINALE. Seine Romane 'Der Etappenmörder', 'Fürchte die Dunkelheit' und 'Der siebte Schlüssel' wurden für den Literaturpreis 'Das neue Buch' nominiert.
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TaschenbuchKartoniert, Paperback
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Produkt

KlappentextOstfriesland steht für Ruhe, Erholung, Abgeschiedenheit. Aber Ostfriesland ist auch das Land der Gegensätze. Daraus ergeben sich allerhand Konflikte, in denen die Frontlinien oft überraschend verlaufen. Umweltschutz gegen Windkraft, Landwirte gegen sauberes Wasser, Vermieter gegen Fremde - kaum zu glauben, wie fies die Friesen werden können! Dann kocht den angeblich so kühlen Küstenbewohnern das Blut, und die Wogen der Erregung schlagen hoch. Schon wird aus manchem Nordlicht ein Mordlicht ...

Peter Gerdes, 1955 geboren, lebt in Leer (Ostfriesland). Er studierte Germanistik und Anglistik, arbeitete als Journalist und Lehrer. Seit 1995 schreibt er Krimis, seit 1999 ist er Leiter des Festivals 'Ostfriesische Krimitage'. Von 2011 bis 2022 betrieb er mit seiner Ehefrau Heike die Krimibuchhandlung 'Tatort Taraxacum' mit Café, Weinstube und Kleinkunstbühne in Leer. Für das SYNDIKAT organisiert er seit 2018 das jährliche Krimifest CRIMINALE. Seine Romane 'Der Etappenmörder', 'Fürchte die Dunkelheit' und 'Der siebte Schlüssel' wurden für den Literaturpreis 'Das neue Buch' nominiert.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839275009
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum08.03.2023
Seiten188 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.10294177
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Nerven blank
Ralf Kramp

Mal ganz unter uns, von Amts wegen darf ich das eigentlich nicht weitererzählen, aber ich weiß ja, dass das bei Ihnen gut aufgehoben ist. Sie sind ja auch nicht von hier, da besteht keine Gefahr, dass das den falschen Leuten zu Ohren kommt. Gut, ich bin auch kein gebürtiger Ostfriese, aber das gütige Schicksal hat mich vor etwa anderthalb Jahrzehnten hierhin geführt, da war ich â¦ warten Sie mal â¦ 35. Ja, 35 muss ich da gewesen sein. Zuerst Studium der Rechtswissenschaften in Göttingen, dann zweite juristische Staatsprüfung in Hannover, da bin ich dann ein paar Jahre geblieben, tja, und dann wurde diese Stelle frei. Richter am Amtsgericht Aurich, erste Zivilkammer. Klingt gemütlich, oder? Unter uns: Ist es eigentlich auch. Klar, da gibt es immer auch mal Stress, aber im Großen und Ganzen muss schon viel passieren, bis bei uns mal die Nerven blankliegen.

Nerven blank â¦ ja genau, das wollte ich Ihnen doch erzählen: Schon mal was von Temmo und Wilko Joken gehört? Den Zwillingen vom Jokenhof? Nein? Ja, um die geht es. Ist auch ganz gut so, dass Sie die nicht kennen. Wie gesagt, eigentlich dürfte ich darüber nicht â¦ egal. Temmo und Wilko sind Zwillinge, 78 Jahre, ziemlich verschroben. Die kennt hier in und um Aurich herum jeder. Das sind so zwei schwer vermittelbare Junggesellen. Sehr eigen, sehr speziell. Meine Frau rümpft immer die Nase, wenn ich abends zu Hause erzähle, dass die zwei mal wieder bei uns zu einer Verhandlung angetanzt sind.

Wie? Oh ja, das passiert dauernd. Irgendwas haben die immer. Grundstücksgeschichten, Beleidigungen, üble Nachrede, solche Sachen eben.

Ich habe da mittlerweile richtig Vergnügen dran. Meine Frau, wie gesagt, die kann daran nix Komisches finden, aber die kommt ohnehin nicht so gut mit der hiesigen Bevölkerung klar. Manchmal glaube ich, dass sie am liebsten in Hannover geblieben wäre. Na ja, da kann ich ihr leider nicht helfen.

Jetzt sitzt sie mir gegenüber, während ich gemütlich frühstücke und in der Ostfriesen-Zeitung blättere. Sie tippt auf ihrem Handy rum und organisiert ihren Tagesablauf. Fitnessstudio, Fingernägel, Friseur - die drei Fs. Ich komme nicht von ungefähr gerade jetzt auf Temmo und Wilko, denn mit der fetten Schlagzeile in unserer Tageszeitung haben genau diese beiden alten Zausel zu tun.

»Liebling«, sage ich und schlürfe am Kaffee.

Sie guckt gar nicht auf und fragt nur: »Hm?«

»Erinnerst du dich, dass ich erst letzte Woche gesagt habe, dass Temmo und Wilko schon lange nicht mehr vor Gericht waren?«

»Hör mir auf mit denen«, murmelt sie mit zusammengekniffenen Augen. »Weiß gar nicht, was du an den Blödmännern so ulkig findest.«

Ja, was finde ich an denen eigentlich so ulkig?

Als ich vor 15 Jahren hierherkam, hatten sie gerade diesen erbitterten Erbstreit. Ihre Mutter, die alte Johanne Joken, hatte gerade mit knapp 90 das Zeitliche gesegnet. War mit dem Trecker im Berumfehner Moor von der Straße abgekommen und in einen Schloot gekippt. Die Brüder warfen sich damals gegenseitig vor, nicht auf die schon reichlich demente Mutter aufgepasst zu haben. Und nachdem die Beerdigung mit allen Drum und Dran erledigt war, ging der Streit um das Erbe los.

Nur einen Steinwurf vom alten Hof zwischen Eversmeer und Neuschoo hatten die Jokens in den 90ern einen Neubau hingesetzt. Das hatte damals schon für verschiedene juristische Auseinandersetzungen gesorgt. Der Vater, der alte Lübbo, war wohl auch schon so ein Kaliber. Nachdem jetzt die Eltern tot waren, stand eigentlich fest, dass Temmo den alten Hof und Wilko den Neubau bewohnen sollte. Nach dem Streit um den Tod der Mutter war aber Temmo damit nicht mehr einverstanden, und dann wurde Wilko, der sich bereits im neuen Gebäude eingerichtet hatte, da wieder rausgeklagt. Zwei Jahre lang ging das dann vor Gericht hin und her, die Anwälte haben eine Menge Geld verdient, und dann musste Temmo wieder aus dem Neubau zurück auf den alten Hof. Und wenn Sie jetzt denken, dass es das damit gewesen wäre, liegen Sie falsch. Drei Mal ging das hin und her! Und jetzt wohnt Wilko also im elterlichen Hof, und Temmo sitzt im Neubau. Oder doch andersrum? Ist ja auch egal. Das wäre also wohl endgültig geregelt, könnte man meinen, aber danach ging der Kleinkrieg erst richtig los.

Der Wilko stellt jedes Jahr im Sommer so eine hässliche zerlumpte Vogelscheuche in den großen Kirschbaum. Dass der das Gesicht von seinem Bruder hier im Copyshop hat groß ausdrucken lassen und der Vogelscheuche als Gesicht aufgeklebt hat, hätte auch nach hinten losgehen können, denn immerhin sind sie ja Zwillinge. Aber sein Bruder hat so eine Narbe auf der linken Wange, weil er als Kind mal kalte Ravioli direkt aus der Dose gegessen hat, ohne Besteck, nur mit dem Mund. Die Narbe hat Wilko auf der Vogelscheuche mit Edding ganz fett in Rot markiert.

Dann kam die Sache mit dem Spüli. Die Kühe vom Wilko hatten plötzlich alle Schaum vorm Mund, nachdem sie auf dem Feld aus der Wassertränke gesoffen haben. Und sie haben gut aus dem Hals gerochen.

Gar nicht gut aus dem Hals gerochen hat dagegen der Temmo, als sie ihn zwei Monate später verhaftet haben, weil er in der Nacht zuvor angeblich stockbesoffen acht Hühner seines Bruders mit dem Luftgewehr abgeknallt hat. Darunter war auch der Zuchthahn Scooter, mit dem Wilko 2004, 2005 und 2006 den ersten Platz bei der Rassegeflügelschau in Aurich gemacht hat.

Dafür hat der Wilko ihm ein paar Wochen später die Hälfte seiner Schafherde mit Bitumen geteert.

Das waren alles so hinterhältige Sachen. Irgendwie ist keiner von denen jemals verurteilt worden, denn entweder war die Beweislage zu dünn, oder die Anwälte haben die immer wieder rausgepaukt. Ich glaube, die haben fast ihr ganzes Vermögen vor Gericht verbraten.

»Erinnerst du dich noch an die kleine Hütte?«, frage ich meine Frau, die sich immer noch sehr intensiv ihren drei Fs widmet. Sie blickt kurz von ihrem Handy auf und runzelt die Stirn. »Hütte?«

»Ja, die kleine Hütte, die genau auf der Grenze zwischen den Grundstücken vom alten und vom neuen Jokenhof steht. Das hat bei den beiden damals das Fass zum Überlaufen gebracht!«

Sie schnaubt verächtlich. »Lass mich doch mit den zwei Idioten in Ruhe.«

Ja, die zwei Idioten â¦ Bei der Hütte haben sie endgültig bewiesen, dass sie das sind.

Das ist so eine winzige Bruchbude auf einem kleinen dreieckigen Stückchen Brachland an einer Stelle, wo die jeweiligen Grundstücke der Brüder aneinandergrenzen. Da hatte der alte Joken einen Bollerofen drin gehabt und ein paar Schnapsflaschen, und wenn es anfing zu regnen, dann kroch der da schon mal unter, um trocken zu bleiben. Manchmal auch bei schönem Wetter, wenn er Krach mit seiner Johanne hatte.

Um diesen Kotten hatte sich jahrzehntelang keiner gekümmert, bis der Temmo auf einmal beschloss, der gehöre zu seinem Anwesen, und den als kleine rustikale Ferienunterkunft an die Touristen vermieten wollte. Da hat Wilko ihn ganz fix rausgeklagt, weil er nämlich der Meinung war, dass die Hütte zu seinem Anwesen gehört. Und dann hat er die Idee seines Bruders fortgeführt. Aus Temmos Huuske wurde da ruck-zuck Wilkos Huuske.

Das geht natürlich nicht so einfach, denn streng genommen hat es für das Ding nie eine Baugenehmigung gegeben. Und dann gibt es ja auch noch Beherbergungsgesetze und Hygienevorschriften â¦ Ich will Sie nicht mit juristischen Interna langweilen. Jedenfalls gab es nicht weniger als 17 Klagen wegen dieser Bretterbude. Der Wilko wollte sie abreißen und ein Windrad da hinbauen, dann hat der Temmo den Denkmalschutz eingeschaltet â¦ völliger Quatsch natürlich, aber das dauert, dauert und dauert.
Ich bin irgendwann da rausgefahren und habe mir das Ding mal aus der Nähe angeguckt. Sieht ziemlich heruntergekommen aus. Bett, Tisch, zwei Stühle â¦ Alles stockfleckig und staubig. Wie man darum so einen Wind machen kann, ist mir wirklich schleierhaft.

Und dann kam plötzlich irgend so ein Lokalhistoriker mit einer alten Karte, und der konnte beweisen, dass das kleine dreieckige Grundstück in Wirklichkeit der Stadt Aurich gehört, und dass die Brüder schon wieder mal ein paar Jahre völlig umsonst prozessiert hatten.

Da eskalierte dann alles, da lagen die Nerven endgültig blank.

Platte Reifen an Wilkos Geländewagen, Temmos Todesanzeige im Wochenblatt. Glyphosat in Wilkos Gemüsegarten, kaputte Scheiben an Temmos Gewächshaus. Wenn die all die Energie, die sie an ihre jeweiligen Rachefeldzüge verschwendet haben, in ehrliche Arbeit investiert hätten â¦

Irgendwann hielt Aurich TV es für eine gute Idee, den Zwist mal im Fernsehen aufzuarbeiten, und dann konnte eines Abends die Bevölkerung diese beiden Hornochsen in all ihrer Pracht und Herrlichkeit auf dem heimischen Bildschirm bestaunen.

»Wenn der Temmo noch einmal seinen Fuß in diese Hütte setzt«, schnaubte der Wilko mit blutunterlaufenen Augen, »dann knall ich den ab!« Ich schwöre es, das hat der wirklich vor laufenden Kameras von sich gegeben.

Und der Temmo, der hat sogar noch seine Flinte präsentiert. »Hier, guckt genau hin! Mit dem Schießprügel baller ich dem Wilko ein Loch in die Birne, wenn der sich noch mal der Hütte nähert!«

Das kann man sich alles nicht ausdenken.

Ich selbst hab die zwei mindestens acht oder neun Mal bei mir im Gerichtssaal gehabt. Eine Kollegin sogar elf Mal!

Und wozu das alles? Für nichts und...

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