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Mörderisches Thüringen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am08.03.2023
Urwald und urige Dörfer, Städte mit unverwechselbarem Flair, Kultur und kulinarische Genüsse locken zahlreiche Besucher nach Thüringen. Als ihre Freundin Mia mit einer Gruppe nach Saalfeld reist, ist auch die Journalistin Adina Pfefferkorn sofort dabei. In Erfurt, Eisenach, Jena, Weimar, beim Rudolstädter Vogelschießen, auf dem Baumwipfelpfad im Hainich und an vielen anderen Orten stolpert sie über Kriminalfälle und in gefährliche Situationen. Einer davon ist ein Cold Case. Wird sie ihn lösen?

Petra Steps, Jahrgang 1959, ist waschechte Vogtländerin, jedoch im Kuckucksnest Zwickau geboren, Diplomphilosophin, Hochschullehrerin, Journalistin, Herausgeberin, Autorin, Ehefrau, Mutter und Oma. Sie ist (Mit-)Herausgeberin von Krimianthologien und Autorin bzw. Mitautorin von Reisebüchern, veröffentlicht Beiträge in Regionalia sowie Krimisammlungen und gibt Schreib-Workshops. Für den Förderverein Schloss Netzschkau war sie Intendantin der KrimiLiteraturTage Vogtland. Roland Spranger ist Autor und lebt in Hof. Er schreibt Romane, Theaterstücke und alles, was nötig ist. Beide sind Mitglied im Syndikat.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR10,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextUrwald und urige Dörfer, Städte mit unverwechselbarem Flair, Kultur und kulinarische Genüsse locken zahlreiche Besucher nach Thüringen. Als ihre Freundin Mia mit einer Gruppe nach Saalfeld reist, ist auch die Journalistin Adina Pfefferkorn sofort dabei. In Erfurt, Eisenach, Jena, Weimar, beim Rudolstädter Vogelschießen, auf dem Baumwipfelpfad im Hainich und an vielen anderen Orten stolpert sie über Kriminalfälle und in gefährliche Situationen. Einer davon ist ein Cold Case. Wird sie ihn lösen?

Petra Steps, Jahrgang 1959, ist waschechte Vogtländerin, jedoch im Kuckucksnest Zwickau geboren, Diplomphilosophin, Hochschullehrerin, Journalistin, Herausgeberin, Autorin, Ehefrau, Mutter und Oma. Sie ist (Mit-)Herausgeberin von Krimianthologien und Autorin bzw. Mitautorin von Reisebüchern, veröffentlicht Beiträge in Regionalia sowie Krimisammlungen und gibt Schreib-Workshops. Für den Förderverein Schloss Netzschkau war sie Intendantin der KrimiLiteraturTage Vogtland. Roland Spranger ist Autor und lebt in Hof. Er schreibt Romane, Theaterstücke und alles, was nötig ist. Beide sind Mitglied im Syndikat.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839275443
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum08.03.2023
Reihen-Nr.3
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1797 Kbytes
Artikel-Nr.10294201
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


2 Selbstverteidigung
Blankenstein
von Roland Spranger

Dass sie früher oder später in Blankenstein landen würde, war Adina schon länger klar, denn der Ort galt als »Drehkreuz des Wanderns«. Hier hatten mehrere Fernwanderwege ihren Ausgangs- oder Endpunkt: der Rennsteig, der Frankenweg, der Fränkische Gebirgsweg und nicht zuletzt der Kammweg Vogtland-Erzgebirge. Kaum war sie mit dem Auto über die Selbitzbrücke gefahren, sah sie das weiße »R«, das Markierungszeichen des Rennsteigs, auf eine Buchenrinde gepinselt. Sie hatte seit einiger Zeit vor, den 170 Kilometer langen Kammweg über die Höhen des Thüringer Walds zu wandern und dabei auf jeder Etappe einen Podcast zu produzieren. Vielleicht mit wechselnden Mitwanderern, die etwas über die Gegend erzählen konnten. Damit das nicht nur ein schöner Wanderurlaub würde, sondern sich hinterher in angemessener Bezahlung niederschlug, wollte sie erst mal einen Radiosender oder einen Streaming-Anbieter für die Produktion gewinnen.

Heute war sie eher zur Recherche in einer Privatangelegenheit da: Durch einen Blog im Internet hatte Adina erfahren, dass Antonia Ackermann, die vermisste Praktikantin aus Saalfeld, hier im Sommer vor ihrem Verschwinden einige Tage wandern gewesen war. Nicht nur das schöne, gewundene Saaletal lud dazu ein, sondern für eine Geologin war die Region auch hinsichtlich ihres Fachgebiets interessant: Im Thüringischen Schiefergebirge und ebenso im angrenzenden Höllental auf fränkischer Seite wurde von jeher Bergbau betrieben, dessen Spuren sich heute noch zahlreich fanden. Eine von Antonias Wanderstrecken, die Adina rekonstruieren konnte, wollte sie heute abgehen. Sie wusste selbst nicht, was sie sich davon versprach. Nach all den Jahren würde es nirgendwo einen Hinweis auf die Vermisste geben. Keiner würde sich erinnern. Vielleicht war es eher so ein »Hineinfühlen« in den Fall der Antonia Ackermann. Als Journalistin hatte Adina oft die Erfahrung gemacht, dass Orte neue Gedanken und Inspirationen vermittelten, wenn man sie selbst betrat.

Adina hielt nach dem Ortsausgang auf einem Wanderparkplatz. Richtung Südwesten mündete die Selbitz in die Saale, aber fast gezwungenermaßen guckte man in die entgegengesetzte Richtung auf ein Bauwerk industrieller Wucht: Die riesigen Kessel, rauchenden Schornsteine und mächtigen Halden der Zellstoff- und Papierfabrik Rosenthal prägten das Landschaftsbild. Ein Monster, das jährlich 1,8 Millionen Festmeter Holz verschlang.

Adina sah sich auf dem Parkplatz um. An einer Lore war ein Hinweisschild angebracht: »Feldbahn Blankenberg«. Sie folgte dem Pfeil und kam an einer Haltestelle vorbei. Etwa sechs Mal im Jahr fuhr die Museumsbahn hier noch. Die Schmalspurstrecke hatte ursprünglich die Papierfabriken in Blankenstein und Blankenberg verbunden. Zunächst waren auf der etwa zwei Kilometer langen Strecke Pferdebahnen verkehrt, dann Dampf- und zuletzt Dieselloks. Adina machte sich auf den Weg. Um zwischen den nur 60 Zentimeter auseinanderliegenden Schwellen ohne Stolpern zu gehen, durfte man nicht unachtsam werden. Die Bahnstrecke war gesäumt von Weiden und anderen Laubbäumen. Nach einiger Zeit zeigten sich die ersten Felsen des Bergsporns, den die Schmalspurbahn umrundete und auf dessen Gipfel die Reste des Alten Schlosses Blankenberg lagen. Rechter Hand floss die Saale, die Thüringen von Bayern trennte. Während der deutschen Teilung waren hier Welten und Systeme aufeinandergeprallt. Zwischen dem Fluss und der Bahnlinie hatte damals noch der Grenzzaun mit Selbstschussanlagen gestanden. Auf jedem Zug war ein bewaffneter Grenzsoldat mitgefahren, um dem Lokführer die Fluchtgedanken möglichst auszutreiben. Heute erinnerte nur noch eine Reihe von Betonpfosten, die bereits vom Zahn der Zeit angenagt waren, an diese Jahrzehnte.

Und eine Schiefertafel mit der Inschrift:

»Sie befinden sich im ehemaligen Grenzgebiet (500-Meter-Zone). In der Zeit von 1950 bis 1961 wurden ca. 60.000 unschuldige Bürger entlang der gesamten innerdeutschen Grenze zwangsausgesiedelt, davon 32 Personen aus Blankenberg.«

1952 hatte die Operation den Namen »Ungeziefer«, 1961 wählte man den Namen »Kornblume«. Erst knallharter Stalinismus, dann machte man doch in Euphemismus.

Nachdem sie ein Foto von der Tafel gemacht hatte, setzte Adina ihren Weg fort. Der Fluss plätscherte leise vor sich hin, während Sonnenstrahlen, die durch lichtes Laubwerk fielen, ein Fleckenmuster auf die Schienen zeichneten. Ein Idyll mit Eisenbahnanschluss. Eine Zeitlang wurde sie von einer verspielten Libelle begleitet, die sie immer wieder schnell umrundete, vor- und zurückflog. Im Schatten war sie kaum zu sehen, aber im Sonnenlicht leuchtete sie blaugrün.

»Hab ich wohl ein neues Haustier!«, sagte Adina zu sich selbst. Als hätte die Libelle sie gehört, flog sie schnurstracks auf Adina zu und zog erst unmittelbar vor ihrem Gesicht hoch. Adina lachte auf und drehte sich um.

Da sah sie den Mann. Er blieb ebenfalls stehen. Drehte sich auch um. Sie versuchte, ihn besser zu erkennen, aber das flackernde Spiel aus Licht und Schatten stülpte sich über ihn wie eine Kappe aus Flecktarn. Er suchte etwas in seinen Hosentaschen. Oder tat so, als suchte er etwas in seinen Hosentaschen. Dann ging er in die entgegengesetzte Richtung davon.

Sie wandte sich wieder um und ging zielstrebig weiter. Die Libelle begleitete sie noch kurz, dann hatte sie etwas mit einem ihrer 7.000 Einzelaugen am Wasser erspäht. Ein kurzer Blick aus den Augenwinkeln genügte Adina: Der seltsame Wanderer war wieder hinter ihr. Der Verfolger. Anscheinend hatte er gefunden, was er gesucht hatte. Adina beschleunigte ihre Schritte. Die Felsen wuchsen. Links Gestein, rechts Fluss. Keine Möglichkeit, einen anderen Weg einzuschlagen. Oder zu flüchten. Jedenfalls nicht, ohne zu klettern oder zu schwimmen. Sehen wir es positiv, dachte Adina: unmöglich, sich zu verlaufen. Immer schön zielgerichtet zwischen den schmalen Schienen entlang. Im Zweifelsfall durch den Fluss. Sie drehte sich um, aber wegen der Flussbiegung um die Bastei-Felsen herum war der Weg an dieser Stelle nur über wenige Meter einsehbar.

Adina beschleunigte ihre Schritte und atmete auf, als die Überbleibsel der alten Papierfabrik Blankenberg in ihr Blickfeld kamen. Selbst wenn der seltsame Kerl ihr weiter folgen wollte, hätte er ein Problem: Von hier aus konnte man verschiedene Wege nehmen. Die Brücke über den Fluss, die Straße in beide Richtungen oder hoch zur Schlossruine auf dem Bergkamm. Normalerweise würde sie stehen bleiben und das hochinte­ressante Industriedenkmal fotografieren. Die Gebäude, die nicht dem Abriss zum Opfer gefallen waren. Den Kollergang, einem Mahlwerk aus zwei mächtigen senkrecht stehenden Steinscheiben.

Adina entschloss sich, dem Rundwanderweg R15 zu folgen. Sie ging durch den Ort und bog in eine schmale Straße, die schnell in einen Feldweg mündete. Im letzten Anwesen am Ortsrand schossen zwei Hunde laut bellend und mit gefletschten Zähnen an den Maschendrahtzaun. Kläffend und knurrend begleiteten sie die Wanderin, bis die das Grundstück hinter sich ließ. Nach 200 Metern traf Adina auf einen der Kolonnenwege, die DDR-Grenztruppen innerhalb der Sperrzone mit ihren Fahrzeugen genutzt hatten. Der Weg ging steil bergauf. Schnell machte sie Höhenmeter gut. Adina musste daran denken, wie sich die Trabant-Kübelwagen mit ihren 26 PS hochgequält haben mussten. Sie blieb kurz stehen, um kräftig durchzuatmen. Von hier aus hatte man einen schönen Blick zu den auf einem Bergkamm gelegenen höheren Ortsteilen Blankenbergs mit der auffälligen, aus Natursteinen gebauten Gnadenkirche. Gerade wollte sie weitergehen, da hielt sie inne. Die zwei Hunde bellten wieder. Offensichtlich begleiteten sie lautstark einen anderen Wanderer. Von ihrer Position aus konnte sie den Weg hinter ihr nur circa hundert Meter einsehen, aber sie hatte eine Befürchtung, wer dort unterwegs war. Okay, der Typ hatte sich seltsam benommen. Ist ja auch typisch. Wenn ein Wolf einen anderen Wolf im Wald trifft, denkt der sich: ah, ein Wolf. Wenn ein Mensch einen anderen Menschen im Wald trifft, denkt er sich: ah, ein Mörder. Ich könnte einfach stehen bleiben und abwarten, wer kommt. Oder ich könnte an einem Ort warten, der weniger verlassen ist.

Adina lief weiter. Noch immer ging es bergauf, aber die Steigung war weniger steil. Sie kam an einer eingezäunten Weide vorbei. Auf einem Anhänger befanden sich ein großer Ballen Futterstroh und ein 1.000-Liter-Wassertank. Daneben standen im Schatten eines Baums ein Ziegenbock, ein Pony und ein Pferd einträchtig nebeneinander. Adina machte ein Foto der tierischen Gesellschaft und drehte sich noch einmal um, bevor sie weiterging. Sie durchquerte ein Wäldchen. Nach einiger Zeit kamen die ersten Häuser und geparkten Autos in Sicht. Das gelbe Ortsschild war eingewachsen und grün bemoost: »Pottiga«.

Adina folgte den Wegweisern zur Hauptattraktion des kleinen Orts: dem Skywalk. Vom Wachhügel aus ragte eine grüne Metalltreppe mit einer runden Aussichtsplattform über den Steilhang des Hügels hinaus. Einen Moment zögerte Adina: Die nicht blickdichten Metallstufen weckten leichte Anflüge von Höhenangst. »Ach komm!«, sagte sie zu sich selbst und nahm die Stufen mit schnellen Schritten. Auf der Plattform wurde sie mit einer wunderbaren Aussicht auf die sich sanft schlängelnde Saale und die weichen Hügel links und rechts belohnt. Eine dünne, windschiefe Kiefer überragte alle anderen Bäume. Sie mochte schon so manchem Sturm widerstanden haben, indem sie ihnen nachgab. Adina fiel der Tocotronic-Song »Kapitulation« ein. Vielleicht hatte Antonia Ackermann die sensationelle Aussicht auch genossen. Die Augen groß und Wind in den...

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Petra Steps, Jahrgang 1959, ist waschechte Vogtländerin, jedoch im Kuckucksnest Zwickau geboren, Diplomphilosophin, Hochschullehrerin, Journalistin, Herausgeberin, Autorin, Ehefrau, Mutter und Oma. Sie ist (Mit-)Herausgeberin von Krimianthologien und Autorin bzw. Mitautorin von Reisebüchern, veröffentlicht Beiträge in Regionalia sowie Krimisammlungen und gibt Schreib-Workshops. Für den Förderverein Schloss Netzschkau war sie Intendantin der KrimiLiteraturTage Vogtland.
Roland Spranger ist Autor und lebt in Hof. Er schreibt Romane, Theaterstücke und alles, was nötig ist. Beide sind Mitglied im Syndikat.