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Wiesbadener Visionen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
288 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am08.03.2023
Brennende Luxuswagen in Wiesbaden. Unter Verdacht stehen Aktivisten, die für eine Verkehrswende kämpfen. Teil der Gruppe ist die 20-jährige Ona. Erst kürzlich folgte sie ihrer Großmutter aus der spanischen Heimat in deren Geburtsstadt Wiesbaden. Jorinde Ruiz Alvarez sorgt sich um ihren Bruder, der den Kontakt zu ihr abgebrochen hat. Freiwillig? Oder schottet seine Lebensgefährtin den Immobilieninvestor ab? Jorinde bittet die Privatdetektivin Norma Tann um Hilfe. Bald darauf wird in einem ausgebrannten Auto ein Toter entdeckt. Sind Ona und ihre Gruppe in einen Mord verwickelt?

Susanne Kronenberg, geboren in Hameln und im Taunus heimisch, lässt sich gern vom historischen Hintergrund ihrer Wahlheimat inspirieren. Welcher Stellenwert Bürgerinitiativen gebührt, erwies sich bereits in den 1960er-Jahren, als Wiesbaden zur 'Autostadt' umgebaut werden sollte. In das derzeitige Milieu junger Verkehrsaktivisten führt der zehnte Fall der Wiesbadener Privatdetektivin Norma Tann. Neben Kriminalromanen veröffentlichte die Autorin Kurzgeschichten für verschiedene Anthologien, eine Reihe von Jugendbüchern sowie Fachbücher und Bücher zu regionalen Themen. Als Dozentin für Kreatives Schreiben gibt sie Kurse und Workshops. Sie ist Mitglied des 'Syndikats' und Mitgründerin der Wiesbadener Autorengruppe 'Dostojewskis Erben'.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR11,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextBrennende Luxuswagen in Wiesbaden. Unter Verdacht stehen Aktivisten, die für eine Verkehrswende kämpfen. Teil der Gruppe ist die 20-jährige Ona. Erst kürzlich folgte sie ihrer Großmutter aus der spanischen Heimat in deren Geburtsstadt Wiesbaden. Jorinde Ruiz Alvarez sorgt sich um ihren Bruder, der den Kontakt zu ihr abgebrochen hat. Freiwillig? Oder schottet seine Lebensgefährtin den Immobilieninvestor ab? Jorinde bittet die Privatdetektivin Norma Tann um Hilfe. Bald darauf wird in einem ausgebrannten Auto ein Toter entdeckt. Sind Ona und ihre Gruppe in einen Mord verwickelt?

Susanne Kronenberg, geboren in Hameln und im Taunus heimisch, lässt sich gern vom historischen Hintergrund ihrer Wahlheimat inspirieren. Welcher Stellenwert Bürgerinitiativen gebührt, erwies sich bereits in den 1960er-Jahren, als Wiesbaden zur 'Autostadt' umgebaut werden sollte. In das derzeitige Milieu junger Verkehrsaktivisten führt der zehnte Fall der Wiesbadener Privatdetektivin Norma Tann. Neben Kriminalromanen veröffentlichte die Autorin Kurzgeschichten für verschiedene Anthologien, eine Reihe von Jugendbüchern sowie Fachbücher und Bücher zu regionalen Themen. Als Dozentin für Kreatives Schreiben gibt sie Kurse und Workshops. Sie ist Mitglied des 'Syndikats' und Mitgründerin der Wiesbadener Autorengruppe 'Dostojewskis Erben'.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839276341
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum08.03.2023
Reihen-Nr.10
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.10294247
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1

Samstag, der 21. Oktober
Wiesbaden 

Ein Schuss.

Das Echo hallte an den Fassaden wider. Schlagartig verstummten die Kinderstimmen, die der Abendwind in die Wohnung hinaufgetragen hatte. Ein Kläffer schwieg unverhofft. Über den Baumkronen der Allee erhob sich das panische Rauschen Tausender flatternder Flügel. Durch das offene Fenster schaute Norma den schwarzen Vogelschwärmen nach, die in unschlüssigem Auf und Ab über den Hausdächern kreisten. Sie spürte, wie sich ihre Schultern entspannten. Ein krachender Böller hatte sie in Alarm versetzt, was nicht verwunderlich war. Als ehemaliges Mitglied der Wiesbadener Mordkommission befürchtete sie bei einem Knall zunächst das Schlimmste. Die aufgescheuchten Stare erinnerten sie daran, was sie im Wiesbaden-Magazin gelesen hatte: Dass sich die Stadtverwaltung bemühe, die Vögel aus ihren Nachtquartieren zu vertreiben. »Vergrämen« war der Fachausdruck dafür, wenn sie sich richtig erinnerte. Die Beschwerden der Anwohner der Adolfsallee machten drastische Maßnahmen unausweichlich, nachdem vom Band abgespielte Falken- und Habichtschreie nicht zum erwünschten Erfolg geführt hatten.

Die Frau neben Norma - eine feenhafte, zarte Person mit stahlgrauem Haarknoten, die von einer inneren Kraft beseelt schien - beugte sich weit über die Fensterbrüstung und deutete auf die Kastanien, deren Kronen sich als grün-bauschiges Band entlang der Hausfassaden zogen. »Ich mag das Spektakel, mit dem sich die Stare abends in ihren Schlafbäumen niederlassen. Wussten Sie, dass die Adolfsallee einst zum Autobahnzubringer ausgebaut werden sollte? Stellen Sie sich die Blechlawine vor, die sich heute unter diesem Fenster entlangwälzen würde! Da sind mir die Vögel lieber. Trotz ihrer Hinterlassenschaften.« Sie rümpfte die Nase.

Norma wusste, worauf sie anspielte. Der erbärmliche Zustand der Autos, die unter den Kronen abgestellt waren, ließ sich nicht leugnen. Manche Karosserien trugen einen richtigen Panzer aus Starenkot. Das stank den Besitzern gewaltig - im wahrsten Sinn des Wortes.

»Von diesen Plänen in den 1960er-Jahren habe ich gehört«, antwortete sie, während sie auf die begrünte Allee hinunterblickte, in der sich ein Spielplatz für die jungen und rund um das Rondell eines Brunnens ein Biergarten für die älteren Anwohner befand. » Autobahnisierung nannte man das. Zum Glück hat eine Bürgerinitiative damals das Schlimmste verhindert. Sonst wäre Wiesbaden zur Autostadt umfunktioniert worden. Dabei gab es zu der Zeit viel weniger Verkehrsprobleme als heutzutage.«

Die Stare schlugen weiterhin ihre aufgeregten Bögen am Himmel. Ob sich die Vertreibungsaktionen gleichermaßen gegen Wiesbadens farbenprächtige Einwanderer richteten? Die Papageien und Großsittiche fühlten sich in den Parks und Villengärten längst wie zu Hause, Norma hatte ihren Spaß an den gewitzten Krakeelern.

Ihre Gastgeberin empfand offensichtlich ähnlich. »Hoffentlich stören sich die Papageien nicht an dem Geknalle. Solch prachtvolle Exoten haben wir selbst in Gerona nicht.«

»Sie kommen aus Spanien, Frau â¦?«, verhaspelte sich Norma. »Entschuldigen Sie bitte, mir ist Ihr Name entfallen.«

Die Dame war auf sie zugekommen, als Norma erfolglos an Lothar Wiedbrechts Wohnungstür geklingelt hatte. Ob sie sich kurz unterhalten könnten? Unschlüssig war Norma der Unbekannten in die Nachbarwohnung gefolgt. Nun befanden sie sich im Erker eines geräumigen Wohnraums. Neben der Zimmertür stapelten sich Umzugskartons. In einer Ecke lehnte ein großformatiger Bilderrahmen, dessen Vorderseite vom Betrachter abgewandt war und Normas Neugier weckte. Als Private Ermittlerin interessierte sie sich insbesondere für die kleinen Details.

»Ruiz Alvarez, ich trage den Familiennamen meines spanischen Ehemanns. Mit Vornamen heiße ich Jorinde. Ich bin eine geborene Wiedbrecht, Lothar ist mein Bruder. Er hat mir diese Wohnung überlassen, in die ich erst kürzlich eingezogen bin. Ihm gehört dieses wunderschöne Haus«, fügte sie mit stolzem Lächeln hinzu.

Der Mann besaß nicht allein dieses beachtliche und mehrstöckige Jugendstilbaudenkmal. Er war außerdem im Besitz einer stattlichen Reihe von Mietshäusern neben zahlreichen Bürogebäuden. Genau deswegen wollte Norma zu ihm. Lothar Wiedbrecht schien gefühlt die halbe Stadt zu gehören. Aus bescheidenen Verhältnissen stammend, hatte er in jungen Jahren begonnen, mit Immobilien zu spekulieren.

»Können Sie mir sagen, wann Ihr Bruder nach Hause kommt? Oder wo ich ihn finde?«

Jorinde Ruiz Alvarez atmete hörbar aus. »Das weiß ich leider nicht. Aus diesem Grund habe ich Sie hereingebeten. Ich hoffte, diese Fragen würden Sie mir beantworten.«

»Wie kamen Sie auf diesen Gedanken?«, wunderte sich Norma. »Ich bin Ihrem Bruder nur ein Mal persönlich begegnet. Dabei hat er mir seine Hilfe angeboten, falls ich irgendwann eine Wohnung suchen sollte, was mittlerweile der Fall ist. Ein guter Freund hatte uns miteinander bekannt gemacht.«

Das kurze Aufeinandertreffen lag mehrere Wochen zurück. Lothar Wiedbrecht hatte zu einem klassischen Konzert im Kurhaus eingeladen, um mit den Einnahmen ein Heim für minderjährige Geflüchtete zu unterstützen. Man schätzte ihn in der Stadt für sein karitatives Engagement. Der gute Freund war Lutz Tann, ein in der Wiesbadener Gesellschaft bestens vernetzter Verleger und der Vater von Normas verstorbenem Ex-Mann Arthur. Sowie seit vielen Jahren ihr väterlicher Vertrauter. Die Wohnung sollte für sie und Timon sein. Endlich wollten sie das Zusammenleben wagen. Doch dies war nicht der Augenblick, vor einer Fremden ihre Familienverhältnisse und Zukunftspläne mit ihrem Lebensgefährten auszubreiten.

»Bitte halten Sie mich nicht für aufdringlich«, sagte Jorinde Ruiz Alvarez und fügte erklärend hinzu: »Sie sind Lothars erster Besuch, seit ich hier eingezogen bin, und mein spontaner Gedanke war, Sie könnten ihn vielleicht näher kennen und mir sagen, was mit ihm los ist. Nehmen Sie doch Platz!« Einladend wies sie auf eine helle Ledercouch.

Halbherzig folgte Norma der Bitte. War Jorinde Ruiz Alvarez in Sorge um ihren Bruder oder fühlte sie sich einfach nur einsam? Fraglos wünschte sie sich jemanden zum Reden. Norma legte ihre Jacke über die Sofalehne und stellte den Rucksack auf dem Teppich ab. Im Sitzen warf sie einen verstohlenen Blick auf die tickende Wanduhr. Noch zehn Minuten, dann würde sie sich höflich, aber bestimmt verabschieden. Ihr Gegenüber ließ sich Zeit. Schweigend war Jorinde in einem Ohrensessel versunken, dessen wuchtige Rundungen ihre fragile Gestalt noch zerbrechlicher erscheinen ließen.

Norma studierte währenddessen den Aufmacher des Wiesbaden-Magazins, das auf dem Couchtisch lag. »Feuerteufel hat wieder zugeschlagen«, lautete die Headline, und die Zeilen darunter beschrieben die Details: »SUV ging auf der Rue in Flammen auf. Polizei weiterhin ohne Spur.« Warum nicht »Polizei tappt im Dunkeln«? Norma amüsierte sich im Stillen. Andererseits, diese Autobrände waren alles andere als komisch. Die Wilhelmstraße, von den Einheimischen »Rue« genannt, zählte zu Wiesbadens ersten Adressen. Innerhalb weniger Wochen hatten Brandstifter mehrere Fahrzeuge im Stadtgebiet abgefackelt und waren dabei durchaus wählerisch vorgegangen. Jedes Mal hatte es ein Modell der Luxusklasse getroffen.

Endlich begann Jorinde zu sprechen. »Ich bin über 70. Wiesbaden ist meine Heimatstadt. In der Paulinen Klinik habe ich Krankenschwester gelernt. Doch mit Anfang 20 schien mir in Deutschland alles zu eng. Ich bin viel herumgekommen. Zuletzt gehörte mir ein Café in Gerona, aber nach Juans Tod â¦«

»Juan - Ihr Mann?«, fragte Norma behutsam.

»Ein Autounfall in den Bergen, es herrschte dichter Nebel. Er starb an der Unfallstelle.«

Draußen hatten die Kinder ihr Spiel wieder aufgenommen. Ihr Lachen wurde beinahe von dem Bellen übertönt, das sich zu einem sirenenartigen Jaulen steigerte. Soll die Stadt den Hund doch als Vogelschreck engagieren, dachte Norma ironisch. Neben der Haustür war ihr beim Eintreten ein buntes Firmenschild mit der Aufschrift »Jeannes Fellkids - Schönheit für deinen haarigen Liebling« aufgefallen. Vielleicht waren Herrchen oder Frauchen Kunde des Hundesalons.

Flink stemmte sich Jorinde aus dem Sessel, schloss das Fenster und bemerkte, nachdem sie erneut Platz genommen hatte: »Ist es nicht merkwürdig? Je älter ich werde, umso öfter denke ich an früher. Wie es war als Kind. Nach Juans Beerdigung überkam mich eine tiefe Sehnsucht nach dem Rhein und dem Taunus, nach seinem intensiven Grün. Diese Wohnung hatte mir mein Bruder seit Langem versprochen, aber sie war gut vermietet. Als sie kürzlich unverhofft frei wurde, ist mir das wie ein Zeichen erschienen. Wie ein, ja, Weckruf! Jetzt oder nie! Also habe ich Nägel mit Köpfen gemacht und das Café verkauft.«

»Kein leichter Schritt, so ein Neuanfang«, meinte Norma, um etwas zu sagen. Der große Zeiger der Wanduhr schien wie eingerostet, wollte kaum weiterziehen.

»Zum Glück bin ich nicht allein gekommen«, berichtete Jorinde lebhaft. »Meine Enkelin hat mich begleitet. Ona ist in Gerona aufgewachsen, zum nächsten Semester will sie sich an der Hochschule RheinMain einschreiben. Sie hat ihren Großvater sehr geliebt, was sage ich, sie hat ihn vergöttert. Die Trauer hat sie aus der Bahn geworfen. Ich hoffe, der Ortswechsel wird sie auf neue Gedanken bringen.«

»Und Sie haben Ihren Bruder hier«, ergänzte Norma. »Machen Sie sich Gedanken um seine Gesundheit?«

Der Immobilieninvestor müsste um die...

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